Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 30. September 2004
Aktenzeichen: III-1 Ws 185/04

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 30.09.2004, Az.: III-1 Ws 185/04)

Tenor

Die Beschwerde des Hauptzollamts … gegen den Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 26. März 2004 - 302 OWi 478/04 - wird ver-worfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dort entstandenen notwendi-gen Auslagen der … werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

Die Zollstelle am hiesigen Flughafen setzte am 2. Dezember 2003 die Überlassung von 300 DVD-Playern aus, die aus … oder der … für die … (künftig: …) nach Deutschland eingeführt werden sollten. Den Einspruch der … wies das Hauptzollamt … (künftig: HZA) unter dem 9. Dezember 2003 zurück, weil die Untersuchung der Ware den Verdacht ergeben habe, dass ein Patent der Fa. … verletzt sei. Unter dem 15. Dezember 2003 ordnete das HZA die Beschlagnahme der DVD-Player an. Auf den Einspruch der … und deren Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Beschlagnahme aufgehoben, weil die Patentverletzung nicht offensichtlich gewesen sei. Die sofortige Beschwerde des HZA hat keinen Erfolg, weil die Voraussetzungen für Maßnahmen der Zollbehörden nicht (mehr) vorliegen.

1. Das Rechtsmittel ist nach § 142a Abs. 7 Satz 3 PatG, §§ 62 Abs. 1, 46 Abs. 1 OWiG statthaft. Es ist im Mai 2004 rechtzeitig, § 311 Abs. 2 StPO, eingelegt worden, weil der angefochtene Beschluss erst später - am 5. August 2004 (Bl. 232a GA) - dem HZA ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist.

2. Gesetzliche Grundlage der zunächst getroffenen Maßnahme, die Überlassung der DVD-Player (zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr) auszusetzen, war allein die Verordnung (EG) Nr. 3295/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 (künftig: VO (EG) 1994) über Maßnahmen, welche das Verbringen von Waren, die bestimmte Rechte am geistigen Eigentum verletzen, in die Gemeinschaft sowie ihre Ausfuhr und Wiedereinfuhr aus der Gemeinschaft betreffen, seit dem 1. Juli 2004 ersetzt durch die Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 (künftig: VO (EG) 2003) über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen (ABl. L 196/7 vom 2. August 2003). Denn bei den DVD-Playern handelte es sich um Ware, die aus einem Drittland (… oder …) in die Europäische Gemeinschaft eingeführt werden sollte.

3. Nach Art. 6 Abs. 1 VO (EG) 1994 (jetzt Art. 9 Abs. 1 VO (EG) 2003) setzte die Zollstelle, soweit hier von Interesse, die Überlassung von Waren aus oder hielt sie zurück, wenn der Verdacht bestand, dass die Waren ein geschütztes Patent verletzten (Art. 1 Abs. 1 Buchst. a) VO (EG) 1994) und der Rechtsinhaber das Tätigwerden der Zollbehörden erfolgreich beantragt (Kap. III VO (EG) 1994) hatte. Das weitere Verfahren richtete sich nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 ff, Art. 7 Abs. 1 VO (EG) 1994. Als zollamtliche Maßnahme nach der VO (EG) 1994 hätte die Aussetzung der Überlassung der DVD-Player demnach spätestens nach 20 Arbeitstagen (Werktage ohne Samstage; Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1182/71 des Rates vom 3. Juni 1971, ABl. L 124/1 vom 8. Juni 1971) aufgehoben werden müssen:

a) Die Aussetzung der Überlassung der Waren nach der VO (EG) 1994 war vorübergehend (EuGH WRP 1999, 1269, 1270, unter 10.). Gemäß Art. 7 Abs. 1 VO (EG) 1994 (jetzt Art. 13 Abs. 1 VO (EG) 2003) erfolgte die Überlassung, sofern alle Zollformalitäten erfüllt waren, wenn die Zollstelle, die die Aussetzung der Überlassung betrieben hatte, nicht innerhalb von zehn Arbeitstagen nach Mitteilung der Aussetzung der Überlassung von der Befassung der für die Entscheidung in der Sache zuständigen Stelle oder über die von der hierzu befugten Stelle getroffenen einstweiligen Maßnahmen in Kenntnis gesetzt worden war. Erforderlichenfalls konnte diese Frist um höchstens zehn Arbeitstage verlängert werden. War die in der Sache zuständige nationale Stelle nicht bis zum Ablauf der Frist mit der Sache befasst, verlor die Aussetzung der Überlassung der Waren gemäß Art. 7 Abs. 1 VO (EG) 1994 ihre - kurzfristige - Wirkung (EuGH aaO unter 26.)

b) Als nationale Stelle, die für die Entscheidung in der Sache zuständig oder befugt war, einstweilige Maßnahmen zu treffen, kam nach Art. 6 Abs. 2 VO (EG) 1994 nur ein Gericht in Betracht. Die Aussetzung der Überlassung von Waren und deren Beschlagnahme nach § 142a PatG sind "Dienstleistungen" (Hoffmeister MarkenR 2002, 387, 388), die der Zoll den Rechtsinhabern anbietet, damit sie sich gegen Produktpiraterie besser zur Wehr setzen können. Durchsetzen müssen die Rechtsinhaber ihre Schutzrechte selbst (vgl. EuGH aaO unter 26., 27. und 31.). Die Zollbehörden prüfen nicht - und können das im Zweifel auch nicht -, ob im konkreten Fall ein Schutzrecht tatsächlich verletzt ist, sondern leisten lediglich für eine kurze Zeit durch eine vorübergehende Maßnahme "Hilfe zur Selbsthilfe" (vgl. BT.-Drs. 11/4792, S. 34 ff, zum Produktpirateriegesetz).

c) Das Schreiben des HZA vom 15. Dezember 2003 an die Patent- und Rechtsanwälte … war die Antwort auf deren Antrag vom 9. Dezember 2003, die DVD-Player zu beschlagnahmen, und ließ aus der Sicht der Rechtsinhaberin (Fa. …) keinen Zweifel daran, dass die Überlassung der Ware ausgesetzt war. Als Maßnahme nach der VO (EG) 1994 hätte die Aussetzung der Überlassung deshalb auch ohne Widerspruch der … spätestens nach Ablauf von 20 Arbeitstagen ab dem Zugang des Schreibens vom 15. Dezember 2003 aufgehoben werden müssen, weil dem HZA nicht innerhalb dieser Frist mitgeteilt worden ist, dass die Rechtsinhaberin (Fa. …) ein Gericht als für die Entscheidung in der Sache zuständige Stelle mit dem Vorgang befasst hatte (vgl. OLG München WRP 1997, 975; Scheja CR 1995, 714, 719 f; Ahrens BB 1997, 902, 903).

4. Gesetzliche Grundlage der Beschlagnahme, die das HZA am 15. Dezember 2003 angeordnet hat, war allein § 142a PatG; die VO (EG) 1994 hatte dazu keine Bestimmungen getroffen, die dem nationalen Recht vorgegangen wären. Die Vorschrift enthält in Abs. 4 ein Widerspruchsverfahren, durch das Fristen in Gang gesetzt werden. Widerspricht der Verfügungsberechtigte (hier: die …) der Beschlagnahme, so hat die Zollbehörde nach § 142a Abs. 4 Satz 1 PatG unverzüglich den Antragsteller (hier: die Fa. … als Rechtsinhaberin) zu unterrichten. Spätestens nach Ablauf von vier Wochen hat die Zollbehörde die Beschlagnahme gemäß § 142a Abs. 4 Satz 5 PatG aufzuheben, wenn der Antragsteller bis dahin keine vollziehbare gerichtliche Entscheidung vorgelegt hat, die die Verwahrung des beschlagnahmten Erzeugnisses oder eine Verfügungsbeschränkung anordnet. Das ist jetzt der Fall. Mit Schreiben vom 26. August 2004 an die Patent- und Rechtsanwälte … hat das HZA die Fa. … als Rechtsinhaberin (und Antragstellerin im Sinne von § 142a PatG) vom Widerspruch der … unterrichtet. Nach Zugang dieses Schreibens am Montag, dem 30 August 2004, ist die Frist von längstens vier Wochen am Montag, dem 27. September 2004, abgelaufen. Eine vollziehbare gerichtliche Entscheidung, die die Verwahrung der beschlagnahmten DVD-Player oder eine Verfügungsbeschränkung anordnet, ist bis dahin nicht vorgelegt worden. Damit hat das Amtsgericht die Beschlagnahme und, wenn auch unausgesprochen, die Aussetzung der Überlassung der DVD-Player im Ergebnis zu Recht aufgehoben.

5. Ob alle Zollformalitäten erfüllt und die DVD-Player der … zu überlassen sind, hat der Senat nicht zu prüfen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 473 Abs. 1 StPO.






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