Landesarbeitsgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 5. November 1998
Aktenzeichen: 7 Ta 279/98
(LAG Düsseldorf: Beschluss v. 05.11.1998, Az.: 7 Ta 279/98)
Der uneigentliche Hilfsantrag auf Weiterbeschäftigung ist streitwertmäßig zu berücksichtigen, wenn durch Vergleich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart wird (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer; zuletzt: Beschluß vom 14.09.1998 - 7 Ta 309/98 -).
Tenor
Die Beschwerde des Rechtsanwalts L. gegen den Streitwertbeschluß des Arbeitsgerichts Essen vom 09.03.1998 wird zurückgewiesen.
Der Nichtabhilfebeschluß des Arbeitsgerichts vom 27.07.1998 wird aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe
Die zulässige Beschwerde (§§ 25 Abs. 3 GKG; 9 Abs. 2 BRAGO) konnte keinen Erfolg haben. Im Gegenteil war der Nichtabhilfebeschluß aufzuheben, da der Verfahrenswert von drei Monatseinkommen der Klägerin auch für den Vergleichswert maßgebend war.
Die Beschwerdekammer bleibt trotz der überwiegend gegenteiligen Ansicht anderer Landesarbeitsgerichte bei ihrer Auffassung, daß unter den in § 19 GKG genannten "hilfsweise geltend gemachten Anspruch" auch ein (zulässiger; s. RGZ 144,77; BAG EzA § 611 BGB Nr. 30) sog. uneigentlicher Hilfsantrag fällt. Zur Begründung dieser von der Beschwerdekammer zu § 19 Abs. 4 GKG a. F. in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung wird auf die veröffentlichten Entscheidungen JurBüro 1990, 243; LAGE § 19 GKG Nr. 7 und 10 verwiesen. Nach wie vor gilt insbesondere, daß es keinen Sinn machte, die Zulässigkeit eines uneigentlichen Hilfsantrag zu begründen, wenn er nicht zu der in § 19 GKG genannten kostenrechtlichen Besserstellung führen würde. Insoweit sieht auch der Beschwerdeführer, was die Gerichtsgebühren angeht, die Dinge anscheinend nicht anders.
Nach der Neufassung der Vorschrift durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 vom 24.06.1994 erweist sich diese Auffassung umso mehr als richtig, weil der Gesetzgeber, dem die Kontroverse um den uneigentlichen Hilfsantrag bekannt sein mußte, diesen Antrag nicht aus dem Geltungsbereich der Vorschrift herausgenommen hat (vgl. die Beschlüsse der Beschwerdekammer vom 28.09.1995 - 7 Ta 271/95 -, 09.02.1998 - 7 Ta 10/98 - und 14.09.1998 - 7 Ta 309/98 -; ebenso: Creutzfeldt NZA 1996, 956, 961). Einschlägig sind mithin die Vorschriften § 19 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 GKG.
Unter Zugrundelegung von § 19 Abs. 1 Satz 2 GKG kann der Hilfsantrag streitwertmäßig nicht berücksichtigt werden, weil über ihn keine Entscheidung ergangen ist. Eine Wertfestsetzung für diesen Antrag kann entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch nicht im Hinblick auf Abs. 4 ebd. erfolgen, nach dem die erstgenannte Vorschrift bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich entsprechend anwendbar ist. Die Parteien haben sich in dem Vergleich dahingehend geeinigt, daß das Arbeitsverhältnis zu dem von der Beklagten mit der Kündigung beabsichtigten Beendigungstermin (gegen Zahlung einer Abfindung) geendet hat. Zu dem Weiterbeschäftigungsanspruch wurde bei dieser Sachlage keine Regelung getroffen; dieser wurde durch die Vereinbarung der Vertragsbeendigung obsolet. Die Situation ist nicht vergleichbar der, daß das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage stattgegeben hätte (so im Ergebnis bereits Beschlüsse der Beschwerdekammer vom 07.04.1997 - 7 Ta 95/97 - und 14.09.1998 - 7 Ta 309/98 -; ebenso: LAG Baden-Württemberg JurBüro 1991, 209; in diesem Punkt ebenso wohl als auch Creutzfeldt a. a. O.).
Die einzige Frage, die sich nach alledem nur noch stellen kann, ist die, ob für den hilfsweise geltend gemachten Anspruch ein besonderer Wert für die Anwaltsgebühren (§ 10 Abs. 1 BRAGO) festgesetzt werden kann. Diese Frage braucht hier indes nicht beantwortet zu werden, weil der Beschwerdeführer einen solchen Antrag nicht gestellt hat.
Bemerkt sei daher nur, daß die Beschwerdekammer in ihrer bisherigen Rechtsprechung (s. die beiden letztgenannten Beschlüsse der Beschwerdekammer) stets davon ausgegangen ist, daß die Wertfestsetzung nach § 19 GKG auch in Bezug auf den nicht beschiedenen Hilfsantrag nach § 9 Abs. 1 BRAGO für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgebend ist, so daß § 10 Abs. 1 BRAGO nicht einschlägig ist (and. Auff. Creutzfeldt NZA 1996, 956 ff., 961 m. w. N. für seine Auffassung in Fußn. 54 wegen der aus seiner Sicht auf jeden Fall für den Anwalt entstandenen
Prozeßgebühr). Dies führt zwar zu dem unbilligen Ergebnis, daß die Rechtsanwälte, die sich mit dem Weiterbeschäftigungsanspruch befassen mußten, für ihre Bemühungen leer ausgehen. Dieses Ergebnis ist indes vom Gesetz so vorgezeichnet. Insoweit ist die Situation im übrigen keine andere als bei echten Hilfsanträgen und bei der nichtbeschiedenen Hilfsaufrechnung. Auch in diesen Fällen wird von der h. M. dem Anwalt dieses Opfer zugemutet (s. zum unbeschiedenen Hilfsantrag: Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, S. 250, 251 und die Nachweise ebendort in Fußn. 37, ferner: Hartmann, Kostengesetze, 26. Aufl., § 10 BRAGO Rdn. 5).
Die in der Aufhebung des Abhilfebeschlusses liegende Verböserung ist rechtlich zulässig. Im Streitwertverfahren ist das Gericht an die Anträge der Beteiligten nicht gebunden; der Grundsatz der reformatio in peius findet keine Anwendung (vgl. Beschwerdekammer in: JurBüro 1985, 1710; Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, 8. Aufl., § 97 B XII b S. 499 m. w. N.).
Gegen diesen Beschluß findet keine weitere Beschwerde statt (§ 78 Abs. 2 ArbGG).
Dr. Rummel
LAG Düsseldorf:
Beschluss v. 05.11.1998
Az: 7 Ta 279/98
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