Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. November 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 101/00
(BPatG: Beschluss v. 20.11.2000, Az.: 30 W (pat) 101/00)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Bezeichnung Histatromist am 20. März 1997 für "pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Desinfektionsmittel" in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 10. Mai 1997.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, 1990 angemeldeten und seit dem 29. September 1997 für "Arzneimittel, ausgenommen Gynäkologika und Urologika" eingetragenen Marke 2 103 773 Histocur.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in dem angefochtenen Beschluß die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Selbst wenn zugunsten der Widersprechenden von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der Begegnung der Marken auf identischen, unmittelbar von Endverbrauchern erworbenen Waren ausgegangen werde, bestehe keine Verwechslungsgefahr zwischen den Markenwörtern, da diese in den jeweils letzten, wesentlich kennzeichnenden Wortsilben sowohl klanglich als auch schriftbildlich hinreichend verschieden seien und die Übereinstimmungen am Wortanfang wegen des beschreibenden Hinweises auf "Gewebe" nicht ins Gewicht fielen.
Die Widersprechende hat Beschwerde erhoben. Sie hält mit näheren Ausführungen wegen zu starker Angleichung im klanglichen Gesamteindruck die Gefahr von Verwechslungen für gegeben.
Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die angegriffene Marke im Register zu löschen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlüsse der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht gem § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Der Senat unterstellt bei seiner Entscheidung eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft und damit einen normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke "Histocur". Auch wenn vor allem Fachleute mit entsprechenden Fach- und Sprachkenntnissen aufgrund der Sinnanklänge in "Hist-" (Hist(o) = Wortteil mit der Bedeutung "Gewebe") und "-cur" (cura = Pflege, vgl Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch 258. Aufl S 680 und 877) einen Hinweis darauf erhalten, daß die derart gekennzeichneten Arzneimittel zur Gewebepflege dienen, ergibt sich daraus noch nicht ohne weiteres eine ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung. Denn die im Bereich pharmazeutischer Erzeugnisse häufiger anzutreffende Übung, Marken in der Weise zu bilden, daß einzelne Bestandteile Verwendungszweck, Art der Zusammensetzung, Wirkung und dergleichen zumindest für Fachleute und interessierte Laien eindeutig erkennen lassen (vgl BGH GRUR 1998, 815, 817 - Nitrangin), berührt nicht die Frage, daß die entsprechenden Wortelemente in der Widerspruchsmarke gleichwohl hinreichend phantasievoll zusammengefügt erscheinen können.
Die Marken können nach der Registerlage im Bereich "pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege" bzw "Arzneimittel" zur Kennzeichnung auch identischer Waren verwendet werden. Verwechslungsfördernd kommt hinzu, daß es sich im Bereich möglicher Warenidentität mangels Rezeptpflicht auch um solche Waren handeln kann, die von den allgemeinen Verkehrskreisen im Wege der Selbstmedikation erworben werden. Andererseits ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen (vgl EuGH WRP 1999, 806, 809 Tz 26 - Lloyd/Loint's; BGH MarkenR 2000, 140, 144 - ATTACHÉ/TISSERAND), der zudem erfahrungsgemäß gerade bei Waren, die den Gesundheitssektor betreffen, eine gesteigerte Aufmerksamkeit aufzubringen pflegt (vgl dazu BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/ Indohexal).
Unter Berücksichtigung der genannten Umstände sind an den Markenabstand daher strenge Anforderungen zu stellen. Der danach erforderliche Abstand zur älteren Widerspruchsmarke reicht nach Auffassung des Senats aber aus. Die Ähnlichkeit der Marken ist nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß die Gefahr von Verwechslungen iS des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre.
In klanglicher Hinsicht stimmen die Bezeichnungen "Histatrom" und "Histocur" zwar in den Anfangsbestandteilen "Hist-" überein. Von Bedeutung ist jedoch, daß diese Übereinstimmung bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks und der Markenähnlichkeit nicht so stark ins Gewicht fällt, wie dies bei einem reinen Phantasiebestandteil der Fall wäre. Der Wortteil "Hist-" bedeutet "Gewebe" und weist somit auf das Indikationsgebiet hin. Das hat zur Folge, daß der Übereinstimmung in dem warenbeschreibenden Anfangsbestandteil weniger Bedeutung für die Verwechslungsgefahr zukommt und die Abweichungen in den Endsilben "-atrom" bzw "-ocur", wenngleich auch insoweit bei der Widerspruchsmarke Bedeutungsanklänge vorhanden sind, ein vergleichsweise stärkeres Gewicht erlangen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die genannten Begriffsanklänge auch den mangels einer zugrundezulegenden Rezeptpflicht der Waren als Verkehrskreise zu berücksichtigenden Endverbrauchern ausreichend bekannt sind. Von Bedeutung im markenrechtlichen Sinne ist schon der objektiv beschreibende Gehalt der Bestandteile. Die Übereinstimmung von Marken in solchen Bestandteilen, wie hier in "Hist-" kann daher im Regelfall nicht selbständig kollisionsbegründend wirken, weil solche beschreibenden Bezeichnungen auch für andere Mitbewerber schon aus Rechtsgründen freizuhalten sind und nicht für einen einzelnen Markeninhaber monopolisiert werden dürfen (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 152 mwN).
Die Endbestandteile "-atrom" und "-ocur" weichen in der Vokalfolge sowie im Konsonantengerüst markant voneinander ab, was sich auch entsprechend deutlich auf den maßgeblichen klanglichen Gesamteindruck auswirkt. Zudem bewirken die Konsonanten "tr" in der Endsilbe der angegriffenen Marke in der Aussprache eine deutliche Zäsur, während die Widerspruchsmarke ein eher weiches, fließendes Klangbild hat. Diese Abweichungen führen jedenfalls in ihrer Kombination auch unter angemessener Berücksichtigung des gemeinsamen Wortelements "Hist-" im Gesamteindruck zu einem zur Verneinung der Verwechslungsgefahr ausreichend verschiedenen Klangbild der Marken.
Im schriftbildlichen Vergleich ist unter den genannten Umständen ein Auseinanderhalten der Marken in allen üblichen Wiedergabeformen aufgrund der figürlichen Abweichungen der Buchstaben der Bestandteile "-atrom" bzw "-ocur" sowie der etwas verschiedenen Wortlängen ebenfalls gewährleistet. Bei einer - im übrigen der Eintragung im Markenregister jeweils entsprechenden - Schreibweise der Markenwörter mit großen Anfangsbuchstaben und nachfolgender Kleinschreibung kommt durch die in der Endsilbe der angegriffenen Marke "Histatrom" enthaltene Oberlänge des "t", die an vergleichbarer Wortstelle der Widerspruchsmarke keine Entsprechung findet, ein weiteres Unterscheidungsmittel hinzu. Hierbei ist noch zu berücksichtigen, daß das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige und auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort, wodurch Markenabweichungen im Schriftbild eher auffallen.
Schließlich wirkt sich in gewissen Umfang auch der Bedeutungsanklang in der Endsilbe "-cur" der Widerspruchsmarke verwechslungsmindernd aus. Dieser häufig als Endbestandteil in Arzneimittel-Marken verwendete Bestandteil stellt einen geläufigen und daher nicht nur für Fachleute, sondern auch für Endverbraucher regelmäßig verständlichen Hinweis auf die für pharmazeutische Erzeugnisse beschreibenden Begriffe "cura" (= Pflege, s.o.) bzw "Kur" dar.
Nach alledem ist die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
Dr. Buchetmann Winter Schrammprö/Fa
BPatG:
Beschluss v. 20.11.2000
Az: 30 W (pat) 101/00
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