Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 6. November 2001
Aktenzeichen: 22 K 11357/99
(VG Köln: Urteil v. 06.11.2001, Az.: 22 K 11357/99)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Tatbestand
Die Beigeladene, die in der Rechtsform einer GmbH u.a. die Beförderung von Brie-
fen, Paketen und sonstigen Gegenständen betreibt, beantragte mit Schreiben vom
30. September 1998 die Erteilung einer Lizenz gem. § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Post-
gesetz. In der Antragsschrift beschrieb die Beigeladene im einzelnen die Leistungs-
merkmale ihrer beabsichtigten Dienstleistung. Mit Schreiben vom 31. August 1999
nahm sie den Lizenzantrag insoweit zurück, als dieser eine beabsichtigte Zustellung
am Folgetag zum Inhalt hatte. Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und
Post erteilte am 14. Oktober 1999 die begehrte Lizenz mit dem räumlichen Geltungs-
bereich der Bundesländer C. und C. . Unter Ziffer 3 der Lizenzurkunde ist
u.a. ausgeführt:
"3. Hinweise
3.1 Sachlicher und räumlicher Geltungsbereich unter Textziffer 1.1 und 1.2
Die im Antragsverfahren spezifizierte Dienstleistung nach
§ 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 umfasst folgende Merkmale
(1) Werktägliche Abholung von Postsendungen bei den Auftraggebern bis
12.00 Uhr,
(2) garantierte Zustellung dieser Sendungen am Tag der Abholung,
(3) garantierte Zustellung von Sendungen zu einem vom Auftraggeber im
Einzelfall festgelegten Termin, nicht jedoch an dem auf die Abholung
folgenden Werktag,
(4) nachträgliche Abrechnung der tatsächlich erbrachten Dienstleistungen,
(5) Umleitbarkeit bzw. Rückholbarkeit der Sendungen zwischen Abholung
und Zustellung,
(6) Nichtberechnung des Sendungsentgelts bei Verfehlen des Zustellzeit-
ziels,
(7) zwei weitere Zustellversuche bei erfolgloser erster Zustellung,
(8) Ermittlung von Nachsendeadressen bei verzogenen Empfängern, Wei-
tergabe der neuen Anschrift an den Auftragggeber und erneuter Zustel-
lungsversuch im Lizenzgebiet bzw. bei erfolgloser Recherche Rückga-
be der Sendung spätestens am folgenden Werktag,
(9) Haftung für den Verlust oder die Beschädigung von Sendungen in einer
Höhe von bis zu 1.000,- DM je Sendung und
(10) Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe des Sendungsentgelts bei Verfeh-
len des Zustellzeitziels.
Die o.a. Dienstleistung erfüllt - solange und soweit sie zumindest die Merkmale
(1) bis (6) umfasst und als Tätigkeit in einem wesentlichen Teil des Bundesgebiets
ausgeübt wird - die Tatbestandsmerkmale des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG. Sie
berührt damit nicht die befristete gesetzliche Exklusivlizenz der Deutschen Post AG
nach § 51 PostG.
Als wesentlicher Teil des Bundesgebiets wird dabei ohne weiteres ein Gebiet ange-
sehen, das der Größe des kleinsten Flächenstaats der Bundesrepublik (rund 2.500
qkm) entspricht.
Sofern diese Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind, kann das Weiterbetreiben
der Dienstleistung den Widerruf der Lizenz - ganz oder teilweise - nach sich ziehen
(§ 9 Abs. 1 und 2 PostG)."
Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post beteiligte die Klägerin
nicht am Verwaltungsverfahren.
Am 08. Dezember 1999 hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie trägt vor, die erteilte Lizenz greife in ihre gesetzliche Exklusivlizenz nach § 51
Abs. 1 Satz 1 PostG ein. § 51 Abs. 1 Satz 1 PostG begründe für sie ein drittschüt-
zendes Abwehrrecht. Daraus folge ihre Klagebefugnis. Die Lizenz sei verfahrensfeh-
lerhaft erteilt worden: Sie, die Klägerin, hätte nach § 13 Abs. 2 VwVfG beteiligt wer-
den müssen. Ihr Recht auf Anhörung sei verletzt worden. Außerdem habe die Regu-
lierungsbehörde für Telekommunikation und Post den Sachverhalt nicht vollständig
ermittelt. Schon dies müsse zur Aufhebung der Lizenz führen, weil der Tatbestand
des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG prognostische Elemente enthalte. Die Lizenz ver-
stoße auch gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des § 37 VwVfG.
Art. 143b GG stelle die verfassungsrechtliche Abschirmung der Exklusivlizenz
gegenüber dem Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG dar. Deshalb könne
die Beigeladene sich auf das Grundrecht der Berufsfreiheit gegenüber der
Exklusivlizenz nicht berufen.
Der Tatbestand des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG bedürfe einer Auslegung, die
dem Recht der Europäischen Union konform sein müsse. Deshalb sei das Merkmal
der Trennbarkeit nur gegeben, wenn ein Bedarf von Wirtschaftsteilnehmern an den
Postdienstleistungen des Lizenznehmers bestehe. Der Gesetzgeber habe sich
nämlich an die Corbeau-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes anlehnen
wollen. Dies folge aus der Niederschrift der 42. Sitzung des Postausschusses. Ein
wirtschaftlicher Bedarf an den durch die Lizenz genehmigten Dienstleistungen
bestehe jedoch nicht: Umfragen hätten ergeben, dass lediglich bei etwa einem
Prozent der Briefsendungen ein Interesse an einer taggleichen Zustellung bestehe.
Auch das Interesse an einer termingenauen Zustellung sei verschwindend gering.
Bereits der Sendungsinhalt oder Gründe in der Person des Absenders müssten eine
termingenaue Zustellung schon erfordern. Im wesentlichen diene die termingenaue
Zustellung deshalb dazu, das Exklusivrecht der Klägerin aus § 51 Abs. 1 Satz 1
PostG zu umgehen. Entscheidend für die Inanspruchnahme der Beigeladenen sei
nämlich der niedrigere Preis. Wie die übrigen Tatbestandsmerkmale verstanden
würden, sei aus der Lizenzpraxis der Beklagten nicht erkennbar. Die
Dienstleistungen der Beigeladenen seien nicht höherwertig. Entscheidend für die
Höherwertigkeit einer Dienstleistung sei der Preis: Dies folge aus der 18. Erwägung
der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.
Dezember 1997 - Postrichtlinie - und aus dem Schlußantrag des Generalanwalts
Tesauro im Corbeau-Verfahren.
Außerdem setze § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG voraus, dass die Lizenzerteilung
nicht das wirtschaftliche Gleichgewicht des von der Klägerin erbrachten
Universaldienstes gefährde. Dies erfordere eine prognostische Beurteilung durch die
Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, zumindest in der
Óbergangsphase bis zum Auslaufen der gesetzlichen Exklusivlizenz. In dieser Zeit
sei das Ausgleichssystem des Postgesetzes noch nicht funktionsfähig. Die Klägerin
verweist hierzu auf die aus einem Rechtsgutachten für die DPAG hervorgegangene
Abhandlung von von Danwitz, "Alternative Zustelldienste und Liberalisierung des
Postwesens". Die Bedeutsamkeit des wirtschaftlichen Gleichgewichts folge weiter
aus der Pflicht der Beklagten zur Beachtung der Regulierungsziele nach § 6 Abs. 2
Satz 1 PostG.
Allerdings sei den Mitgliedstaaten eine Liberalisierung des Postmarktes über die
Mindestbestimmungen der Postrichtlinie nach Art. 26 dieser Richtlinie möglich. Dies
müsse jedoch mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
(EGV), insbesondere mit Art. 86 Abs. 2 EGV vereinbar sein. Die Liberalisierung dürfe
nicht dazu führen, dass dem Universaldienst leistenden Unternehmen - in
Deutschland der Klägerin - die Erfüllung der Universaldienstverpflichtung zu
wirtschaftlich tragbaren Bedingungen nicht mehr möglich sei. Art. 86 Abs. 2 EGV sei
eine Schutznorm für das Monopolunternehmen. Eine förmliche Betrauung der
Klägerin mit der Erbringung des Universaldienstes sei nicht erforderlich.
§ 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG betreffe nur neue Dienste. Auf die Tätigkeit der
Beigeladenen sei die Vorschrift auch dem Grunde nach nicht anwendbar, diese
greife nur dann nicht in die Exklusivlizenz ein, wenn sie alle Merkmale des
Kurierdienstes erfülle. § 5 Abs. 2 Nr. 3 PostG sei Spezialnorm gegenüber § 51 Abs. 1
Satz 2 Nr. 4 PostG.
Die Klägerin beantragt,
1. die durch die Beklagte der Beigeladenen erteilte Lizenz vom 14.
Oktober 1999 insoweit aufzuheben, als sie sich auf Dienstleistungen
gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG bezieht,
2. hilfsweise,
die Lizenz zur termingenauen Zustellung insoweit aufzuheben, als der
Beigeladenen damit gestattet wird,
a) derartige Postdienstleistungen für Geschäftskunden,
insbesondere gewerbliche Kunden, freiberuflich tätige
Unternehmer, juristische Personen des Privatrechts und des
öffentlichen Rechts sowie Unternehmen der öffentlichen Hand zu
erbringen, ohne dass durch die Beförderung Rechtsvorteile für
den Kunden bzw. den Absender der Briefe entstehen;
b) Dienstleistungen für Geschäftskunden, insbesondere den unter a)
genannten Personenkreis zu erbringen, ohne dass der
Sendungsinhalt oder sonstige in der Person des Absenders
liegende Gründe eine Zustellung zu einem bestimmten
Kalenderdatum erforderten;
c) die von der Klägerin für vergleichbare Sendungsformate
verlangten Entgelte zu unterschreiten;
d) inhaltsgleiche Briefsendungen mit einem Gewicht von weniger als
50 Gramm zu befördern,
3. weiter hilfsweise
festzustellen, dass der Beigeladenen mit der Lizenz zur termingenauen
Zustellung nicht gestattet wird, Postdienstleistungen mit den unter 2. a)
bis d) genannten Inhalten zu erbringen,
4. weiter hilfsweise
festzustellen, dass die Lizenz zur termingenauen Zustellung eine
Zustellung durch den Lizenznehmer, hier die Beigeladene, voraussetzt
und die Leistungserbringung durch Einrichtung eines
Beförderungsnetzes, in dem Leistungsbestandteile der
Beförderungskette durch andere Lizenznehmer im eigenen Namen
erbracht werden, durch die Lizenz zur termingenauen Zustellung nicht
gestattet ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage mangels Klagebefugnis der Klägerin für unzulässig: Die erteilte
Lizenz befreie die Beigeladene nicht von der Beachtung der Exklusivlizenz. Einen
Schutz vor Konkurrenz gebe es im Gewerberecht nicht. Die Leistungen nach § 51
Abs. 1 Satz 2 PostG seien nicht von der Exklusivlizenz umfasst. Der Gesetzgeber
habe nicht sämtliche vom EuGH in der Corbeau-Entscheidung erörterten Kriterien in
die gesetzliche Regelung aufgenommen. Es komme nur auf die Unterscheidbarkeit
sowie die qualitative Höherwertigkeit in Gestalt besonderer Leistungsmerkmale an.
Den gesetzlichen Anforderungen genüge die merkliche Hebung des Standards einer
einfachen Postdienstleistung. Dies treffe auf die Abholung beim Absender, eine
schnellere oder zuverlässigere Verteilung und die Umlenkbarkeit der Sendungen zu.
Deshalb enthalte die Lizenz keine Regelung gegenüber der Klägerin. Die gesetzliche
Exklusivlizenz diene nicht der Finanzierung des Universaldienstes. Sie sei der
Klägerin vielmehr verliehen, um ihr die Umstellung auf die Bedingungen des freien
Marktes nach Auslaufen der Exklusivlizenz zu ermöglichen. Das wirtschaftliche
Gleichgewicht der Klägerin sei unerheblich. Es sei auch nicht Regulierungsziel des §
2 Abs. 2 Nr. 3 PostG. Außerdem ermögliche die Gefährdung des Regulierungszieles
lediglich Nebenbestimmungen (§ 6 Abs. 2 PostG). Das Bedarfsmarktkonzept habe
der Gesetzgeber nicht übernommen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend
Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
Gründe
Mit dem Antrag zu 1. ist die Klage zulässig.
Gegenstand der Anfechtungsklage ist die Lizenz vom 14. Oktober 1999, soweit
darin der Beigeladenen Postdienstleistungen nach § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG
erlaubt worden sind.
Das Verwaltungsgericht Köln ist gem. § 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO örtlich zuständig.
§ 52 Nr. 1 VwGO ist nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift ist in Streitigkeiten,
die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder
Rechtsverhältnis beziehen, nur das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen
Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt. Vorliegend streiten die Parteien um die
Rechtmäßigkeit der Erteilung einer Lizenz nach § 6 PostG. Da mit der Lizenz die
Erlaubnis erteilt wird, Dienstleistungen zu erbringen, erstreckt sie sich nicht auf
unbewegliches Vermögen (Grundstücke oder grundstücksähnliche Rechte).
Die Streitigkeit bezieht sich aber auch nicht auf ein ortsgebundenes Recht oder
Rechtsverhältnis i.S.d. § 52 Nr. 1 VwGO. Ortsgebundenheit eines (subjektiven)
Rechts oder Rechtsverhältnisses setzt voraus, dass das Recht oder das
Rechtsverhältnis zu einem bestimmten Territorium in einer besonderen Beziehung
steht. Der Bezug zu einem konkreten Gebiet muss so prägend sein, dass das Recht
oder das Rechtsverhältnis ohne das ortsspezifische Element rechtlich nicht beurteilt
werden kann,
vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24. Juli 1962 - VII ER
420.62 - Buchholz 310, § 52 Nr. 2; Beschluss vom 30. Januar 1964 - II ER
402.63 - Buchholz 310 § 52 Nr. 3; Urteil vom 03. März 1989 - 8 C 98/85 -
NVwZR-RR 1990, 44; Eyermann-Schmidt, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 52 Rn. 3 ff
m.w.N.; Redeker/v. Oertzen, VwGO, 13. Aufl. 2000, § 52 Rn. 6; Kopp/Schenke,
VwGO, 12. Aufl. 2000, § 52 Rn. 7; Sodann-Ziekow, VwGO, § 52 Rn. 8 (Stand:
Juli 2000); Schoch-Bier, VwGO, § 52 Rn. 5 (Stand: 2001).
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt eine
solche Ortsgebundenheit vor, wenn das verliehene Recht mit der Standortfrage
"steht und fällt",
vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10. Dezember 1996 - 7 AV
11-18/96 - NJW 1997, 1022.
Daran fehlt es bei der Erteilung von Lizenzen nach § 6 PostG. Ein derartiger
Ortsbezug lässt sich weder § 6 PostG noch den sonstigen Vorschriften des
Postgesetzes entnehmen, die bei der Erteilung der Lizenz rechtlich bedeutsam sind.
Dies gilt zunächst für § 51 Satz 2 Nr. 4 PostG, der die hier strittigen Voraussetzungen
für die Erteilung der angefochtenen Lizenz enthält. Die dort genannten
Tatbestandsmerkmale - Dienstleistungen, die von Universaldienstleistungen trennbar
sind, besondere Leistungsmerkmale aufweisen und qualitativ höherwertig sind -
weisen ersichtlich keinen besonderen Bezug zu einem konkreten Territorium auf. Für
die Erteilung der Lizenz ist unerheblich, wo die Dienstleistung des
Gewerbetreibenden erbracht wird.
Auch die Regelung des § 6 Abs. 1 PostG begründet keinen derartigen
Ortsbezug. Hiernach hat der Antragsteller "denjenigen Teil des Bundesgebietes" zu
bezeichnen, in dem die lizenzpflichtige Tätigkeit ausgeübt werden soll, und die
Behörde erteilt regelmäßig die Lizenz hierfür. Die örtliche Lage des Lizenzgebietes
innerhalb der Bundesrepublik Deutschland ist rechtlich ohne Belang. Dies gilt auch
dann, wenn man mit der Beklagten eine bestimmte Mindestgröße verlangen wollte.
Denn sie könnte in jedem Teil des Bundesgebietes erreicht werden, ohne dass sich
dadurch unterschiedliche rechtliche Fragestellungen ergäben.
Gegen eine Ortsgebundenheit und die hiermit einhergehende Zuständigkeit
zahlreicher Verwaltungsgerichte im Bundesgebiet spricht schließlich die
Konzentrationswirkung, die das Postgesetz bezweckt, nach der nur eine
Bundesbehörde über die Erteilung von Lizenzen entscheiden soll. In derartigen
Fällen der Kompetenzbündelung im Verwaltungsverfahren bei einer einzigen
Behörde soll diese Konzentration im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich nicht
aufgelöst werden,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 10 Dezember 1996 - 7 AV 11-18/96 - a.a.O.;
Eyermann/Schmidt, a.a.O., Rn. 5; Redeker/v. Oertzen, a.a.O. Rn. 6.
Hierfür spricht ferner, dass auf dem Gebiet des Postwesens dem Grundsatz der
Chancengleichheit im Wettbewerb erhebliches Gewicht zukommt und die
Chancengleichheit durch die Konzentration und eine einheitliche
Entscheidungspraxis im Verwaltungsverfahren sowie im gerichtlichen Verfahren
nachhaltig gefördert wird. Da die Sicherstellung der Chancengleichheit im
Wettbewerb auch gerade für die Óbergangszeit bis zur völligen Freigabe des Marktes
von erheblicher Bedeutung ist, dient die Konzentration im gerichtlichen Verfahren in
besonderem Maße der Sicherstellung dieses Regulierungszieles in der
Óbergangszeit.
Die Klägerin ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Sie macht die Verletzung
eines subjektiv-öffentlichen Rechtes nach § 51 Abs. 1 Satz 1 u. 2 PostG geltend.
Diese Vorschrift dient - auch - dem Schutz der Klägerin,
a. A.: Gramlich, Gesetzliche Exklusivlizenz, Universaldienstpflichten und
"höherwertige" Dienstleitungen im PostG 1997, S. 99; widersprüchlich: LG Lü-
neburg, Urteil vom 30. Juli 1998 - 11 O 10/98 -, S. 16 und 17 der
Urteilsausfertigung.
Das Lizensierungsverfahren gemäß §§ 5 ff. PostG dient nicht nur der Prüfung, ob
durch die geschäftliche Betätigung der Beigeladenen öffentliche Interessen beein-
trächtigt werden können. Ein beachtenswerter Drittschutz muss nämlich nicht aus
dem Genehmigungstatbestand selbst folgen - hier § 6 PostG -, sondern kann nach
ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung auch durch Vorschriften
vermittelt werden, die dessen Voraussetzungen ausfüllen. § 51 PostG stellt eine
solche Vorschrift dar, die § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 PostG ausfüllt. § 51 Abs. 1 Satz 1
PostG verschafft der Klägerin ein staatlich gewährtes Exklusivrecht, das darauf
gerichtet ist, Dritte aus dem Tätigkeitsbereich des Inhabers der Exklusivlizenz
auszuschließen. Die Klägerin ist als Trägerin der Exklusivlizenz in § 51 Abs. 1 Satz 1
PostG ausdrücklich genannt und damit eindeutig individualisiert. Sie kann von der
Lizenzerteilung an Konkurrenzunternehmen auch rechtlich betroffen sein.
Zwar gestaltet eine Lizenzerteilung nach § 51 Abs. 1 Satz 2 PostG nicht den
Geltungsbereich der gesetzlichen Exklusivlizenz nach § 51 Abs. 1 Satz 1 PostG um.
Denn der Umfang des Sonderrechtes, welches der Klägerin während der
Geltungsdauer des Óbergangsregimes gesetzlich eingeräumt ist, kann durch
Lizenzerteilungen nach § 51 Abs. 1 Satz 2 PostG rechtlich nicht verändert werden.
Unabhängig von Lizenzerteilungen nach § 51 Abs. 1 Satz 2 PostG steht der Klägerin
nämlich nach Satz 1 dieser Vorschrift das Recht zu, Briefsendungen und adressierte
Kataloge, deren Einzelgewicht weniger als 200 g und deren Einzelpreis bis zum
fünffachen des am 31. Dezember 1997 geltenden Preises für entsprechende
Postsendungen der untersten Gewichtsklasse beträgt, gewerbsmäßig zu
befördern.
Jedoch folgt die Klagebefugnis der Klägerin aus dem Umstand, dass das
gesetzliche Sonderrecht nach § 51 Abs. 1 Satz 1 PostG die Eigenschaft der
Exklusivität einbüßt, wenn Lizenzerteilungen nach § 51 Abs. 1 Satz 2 PostG den
zugunsten der Klägerin reservierten Bereich unrechtmäßig erfassen. Dies macht die
Klägerin geltend und eine derartige Rechtsverletzung erscheint auch nicht
ausgeschlossen.
Mit dem Hauptantrag zu 1. ist die Klage unbegründet.
Der Lizenzbescheid findet eine hinreichende Rechtsgrundlage in § 5 Abs. 1
i.V.m.
§§ 6; 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG.
Der angefochtene Lizenzbescheid ist formell rechtmäßig.
Die Klägerin ist durch die Sachverhaltsermittlung der Beklagten im
Verwaltungsverfahren nicht in eigenen Rechten verletzt. Der in § 24 VwVfG
normierte Untersuchungsgrundsatz sichert das öffentliche Interesse im
Verwaltungsverfahren. Eine ungenügende Sachaufklärung der Verwaltungsbehörde
rechtfertigt in Fällen rechtlich gebundener Entscheidung nicht die gerichtliche
Aufhebung der Verwaltungsentscheidung, sondern das Gericht ist nach § 86 VwGO
verpflichtet, den Sachverhalt in dem für die Entscheidung erforderlichen Umfang
selbst aufzuklären,
vgl. Knack, Kommentar zum VwVfG, 7. Auflage 2000, § 24 Rn. 24 m.w.N.
Die Entscheidung der Beklagten über einen Lizenzantrag gemäß § 6 PostG ist
rechtlich gebunden,
vgl. von Danwitz, Alternative Zustelldienste und
Liberalisierung des Postwesens, S. 113.
Denn die Lizenz ist zu erteilen, wenn keine Versagungsgründe vorliegen. Bei der
Entscheidung ist der Beklagten - wie noch auszuführen ist - weder ein Beurteilungs-
noch ein Ermessensspielraum eingeräumt noch enthält die Entscheidung
prognostische Elemente, die der Klägerin ein Recht auf eine gerechte Abwägung
eröffnen könnten.
Der Lizenzbescheid verletzt auch nicht Beteiligungsrechte der Klägerin. Zwar hat
die Beklagte die Klägerin am Lizensierungsverfahren nicht beteiligt. Dies ist indes
unschädlich.
Aus § 44 PostG i. V. m. § 74 Abs. 2 TKG folgt kein Recht der Klägerin auf
Beteiligung am Lizenzerteilungsverfahren. Diese Vorschriften regeln lediglich die
Beiladung im Verfahren vor den bei der Regulierungsbehörde gebildeten
Beschlusskammern. Lizenzen nach § 5 PostG werden indes nicht im
Beschlusskammerverfahren, sondern im Verwaltungsverfahren nach §§ 9 ff. VwVfG
erteilt, wie sich aus § 46 Abs. 1 PostG ergibt.
Eine einfache Hinzuziehung der Klägerin zum Lizenzerteilungsverfahren gemäß
§ 13 Abs. 2 Satz 1 VwVfG hat die Beklagte ermessensfehlerfrei abgelehnt. Denn sie
hat bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens i. S. d. § 114
VwGO nicht überschritten und von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der
Ermächtigung noch entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Hierbei hat sich die
Beklagte in vertretbarer Weise davon leiten lassen, dass nach § 6 Abs. 1 Satz 4
PostG die Entscheidung über den Lizenzantrag innerhalb von sechs Wochen
erfolgen soll. Es erscheint nicht ermessensfehlerhaft, dass der Beklagten nach ihrer
Einschätzung eine regelmäßige Beachtung dieser - auch im Hinblick auf Artikel 12
GG knapp bemessenen - Entscheidungsfrist bei einer Hinzuziehung der Klägerin im
Verfahren erschwert würde.
Im übrigen wäre eine Verletzung in Beteiligungsrechten der Klägerin - etwa aus § 13
Abs. 2 Satz 2 VwVfG - nach § 46 VwVfG rechtlich unerheblich. Hiernach kann die
Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein deshalb verlangt werden, weil er
unter Verletzung von Verfahrensvorschriften zustandegekommen ist, sofern die
Verletzung die Entscheidung der Behörde in der Sache offensichtlich nicht
beeinflusst hat. Dies ist stets der Fall, wenn der Behörde bei ihrer Entscheidung
weder ein Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum oder ein sogenannter
Gestaltungsspielraum zustand,
vgl. Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 7. Auflage 2000, § 46 Rn.
22.
Die Entscheidung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, der
Beigeladenen eine Lizenz zu erteilen, ist rechtlich gebunden, sie füllt keinen
Ermessens-, Beurteilungs- oder Gestaltungsspielraum aus. Aus den nachfolgenden
Gründen verletzt diese Entscheidung die Klägerin auch nicht in ihren Rechten.
Deshalb hätte eine Missachtung von Beteiligungsrechten der Klägerin die zu
treffende Sachentscheidung offensichtlich nicht beeinflusst. Denn die Beklagte war
gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 PostG im Rahmen gebundener Verwaltung ohnehin
verpflichtet, der Beigeladenen einen Lizenzbescheid zu erteilen, weil
Versagungsgründe nicht vorliegen.
Der Lizenzbescheid ist schließlich nicht deshalb formell rechtswidrig, weil die
Klägerin vor Erlass des Bescheides nicht angehört wurde. Hierbei kann dahinstehen,
ob die Beklagte die Klägerin nach § 28 Abs. 1 VwVfG hätte anhören müssen, obwohl
sie nicht Beteiligte des Verwaltungsverfahrens war,
vgl. zum Meinungsstreit, Knack, a. a. O., § 28 Rn. 8.
Eine vorherige Anhörung der Klägerin war nämlich nicht geboten, § 28 Abs. 2
VwVfG. Die Anhörung im Verwaltungsverfahren soll dem Betroffenen Gelegenheit
zur Àußerung zum Verfahrensgegenstand und Verfahrensgang geben, um ihn vor
Óberraschungsentscheidungen zu bewahren,
vgl. OVG Münster, Beschluss vom 26 Januar 2000 - 13 B 47/00 -
NVwZ 2000, 702.
Der Gegenstand des Verwaltungsverfahrens und die konträren
Rechtsauffassungen der Klägerin und der Beklagten lagen aber bereits durch die
vorangegangene Korrespondenz im Zusammenhang mit früheren
Lizensierungsverfahren offen zu Tage.
Zudem wäre ein etwaiger Anhörungsfehler gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2
VwVfG jedenfalls dadurch geheilt worden, dass die Klägerin im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren Gelegenheit zur Stellungnahme hatte.
Die Lizenz ist auch hinreichend bestimmt (§ 37 Abs. 1 VwVfG).
Hinreichend bestimmt ist ein Verwaltungsakt, wenn aus der getroffenen
Regelung, das heißt aus dem Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den
Gründen und sonstigen für die Betroffenen bekannten oder für sie ohne weiteres
erkennbaren Umständen die Regelung, die den Zweck, Sinn und Inhalt des
Verwaltungsakts ausmacht, so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass
die Beteiligten ihr Verhalten danach richten können,
vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O, § 37 Rn. 5.
Diese Bestimmtheit der Lizenz folgt hier nicht aus dem Entscheidungssatz, dieser
beschränkt sich auf die Wiedergabe des Wortlautes des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4
PostG. Welches konkrete Verhalten Regelungsgegenstand ist, bleibt danach offen.
Doch hat die Beklagte das erlaubte Verhalten in der angefochtenen Lizenz durch die
Bezugnahme auf den Antrag der Beigeladenen, der im Verlaufe des
Verwaltungsverfahrens und durch die der Lizenz beigefügten Hinweise weiter
erläutert worden ist, im einzelnen umschrieben. Hieraus ergibt sich, welches
wirtschaftliche Verhalten die Beklagte genehmigt hat. Soweit es den
Zustellungszeitpunkt betrifft, hat die Beklagte der Beigeladenen die taggleiche
Zustellung und die taggenaue Zustellung genehmigt. Eine Zustellung am Folgetag
nach der Entgegennahme der Postsendung ist der Beigeladenen nicht erlaubt
worden. Vielmehr ist die Beklagte ausweislich ihres in den beigezogenen
Verwaltungsvorgängen befindlichen Prüfvermerks zu Recht davon ausgegangen,
dass eine Zustellung am Folgetag nicht Antragsgegenstand und damit auch nicht
Gegenstand der angefochtenen Lizenz ist.
Die angefochtene Lizenz zur Erbringung von Dienstleistungen nach § 51 Abs. 1
Satz 2 Nr. 4 PostG verletzt die Klägerin nicht in ihren materiellen Rechten.
Die Genehmigung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 Satz 3,
Abs. 3 i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG. Nach § 6 Abs. 1 Satz 3 PostG besteht
ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Lizenz, wenn kein Versagungsgrund nach § 6
Abs. 3 PostG vorliegt.
Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Behörde bei der Lizenzerteilung
keinen Beurteilungsspielraum. Dieser ergibt sich insbesondere nicht aus § 6 Abs. 2
Satz 1 PostG, wonach bei der Lizenzerteilung die Regulierungsziele des § 2 Abs. 2
PostG zu beachten sind. Sie dirigieren vielmehr den Inhalt möglicher
Nebenbestimmungen, die gem. § 6 Abs. 2 Satz 2 PostG der Lizenz beigefügt werden
können, um eine Zielerreichung zu gewährleisten. Dies gilt - wie noch auszuführen ist
- auch im Hinblick auf das Regulierungsziel des § 2 Abs. 2 Nr. 3 PostG, den
Universaldienst sicherzustellen,
a. A. von Danwitz, a.a.O., S. 118.
Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 PostG ist die Lizenz zu versagen, wenn
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch die Aufnahme einer
lizenzpflichtigen Tätigkeit die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet würde.
Dies ist nicht der Fall. Insbesondere gefährdet die der Beigeladenen erlaubte
Tätigkeit nicht die öffentliche Sicherheit. Die Lizenz der Beigeladenen berührt die
gesetzliche Exklusivlizenz der Klägerin nach
§ 51 Abs. 1 Satz 1 PostG nicht. Die Postdienstleistung, welche die Beklagte der
Beigeladenen genehmigt hat, erfüllt nämlich die - hier allein umstrittenen -
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG.
Diese Vorschrift ist anwendbar,
vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 16. November 2000, - 7 U (HS)102/99 -
Die Kammer folgt insoweit nicht der gegenteiligen Auffassung des Thüringer
Oberlandesgerichts,
vgl. Thüringer OLG, Urteil vom 3. März 1999
- 2 U 920/98 - , Revision vom BGH zugelassen durch
Beschluss vom 27. April 2000 - I ZR 95/99 - .
Nach Meinung des Thüringer Oberlandesgerichts sind "aufgrund der
Gesetzessystematik und des Normzwecks des § 5 Abs. 2 Nr. 3 PostG aus dem
tatbestandlichen Anwendungsbereich des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG diejenigen
Beförderungsleistungen auszuklammern, die tatbestandlich >>an sich
VG Köln:
Urteil v. 06.11.2001
Az: 22 K 11357/99
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/8626935904b7/VG-Koeln_Urteil_vom_6-November-2001_Az_22-K-11357-99