Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Urteil vom 5. März 2009
Aktenzeichen: 12 U 169/08

(Brandenburgisches OLG: Urteil v. 05.03.2009, Az.: 12 U 169/08)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 6. Juni 2008 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Az.: 12 O 292/07, wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen den Feststellungsausspruch wendet. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der durch die Nebenintervention entstandenen Kosten haben die Beklagten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt aus abgetretenem Recht von den Beklagten als Gesamtschuldnern die Auszahlung restlichen Fremdgeldes, die Beklagten ihrerseits nehmen den Drittwiderbeklagten im Wege der isolierten Drittwiderklage auf Zahlung von Rechtsanwaltsvergütung, Herausgabe von Akten sowie Auskunft in Anspruch.

Der Drittwiderbeklagte, der zwischen November 2005 und Mai 2006 in München inhaftiert war, vereinbarte mit der Nebenintervenientin, die in diesem Zeitraum als angestellte Rechtsanwältin ohne Kontovollmacht in der Kanzlei der Beklagten zu 1. tätig war, dass diese die im Rahmen eines Nachsendeauftrages an die Kanzlei der Beklagten zu 1. gelangte Post sowie eingehende Fremdgelder entgegennehme, verwalte und nach Weisung des Drittwiderbeklagten an Dritte weiterleite. Als Vergütung zahlte der Drittwiderbeklagte einen Betrag von 1.000,00 € netto (1.598,10 € brutto inkl. Mehrwertsteuer und Auslagen). Im Mai 2006 betrug das von der Nebenintervenientin verwaltete Guthaben 20.895,94 €, dieser Betrag sollte nach Weisung des Drittwiderbeklagten noch vor dem zum 01.07.06 anstehenden Wechsel der Nebenintervenientin in die Kanzlei des jetzigen Klägers seiner Mutter ausgezahlt werden. Zu einer entsprechenden Überweisung, die nach den kanzleiinternen Geschäftsabläufen vom Beklagten zu 2. zu autorisieren gewesen wäre, kam es nicht. Vielmehr erklärte die Beklagte zu 1. auf eine Beschwerde gegenüber der Rechtsanwaltskammer, die Fremdgelder mit eigenen Vergütungsforderungen verrechnet zu haben. Dazu legen die Beklagten im Prozess die Abrechnungskonvolute vom 29.10.2007/10.01.2008 sowie vom 17.03.2008 vor. Zur Vermeidung der Inanspruchnahme seiner Sozia (der Nebenintervenientin) glich der Kläger die Forderung des Drittwiderbeklagten aus, der ihm im Gegenzug unter dem 29.05./04.06.2007 seine Ansprüche gegenüber den Beklagten abtrat.

Erstinstanzlich hat der Kläger neben der Zahlung vorprozessualer Rechtsanwaltsgebühren zunächst im Wege der Stufenklage Auskunft über die erzielten Einnahmen und getätigten Ausgaben im Hinblick auf das verwaltete Fremdgeld verlangt; sodann hat er den Auskunftsanspruch für erledigt erklärt und neben der Feststellung der Erledigung des Auskunftsanspruches Zahlung eines Betrages in Höhe von 20.895,94 € begehrt. Die Beklagten haben erstinstanzlich den Drittwiderbeklagten auf Zahlung von Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 20.719,42 € sowie auf Herausgabe der Handakten und Auskunft in Anspruch genommen.

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit der von den Beklagten vorgenommenen Aufrechnung, sowie Grund und Höhe des geltend gemachten Vergütungsanspruches. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung Bl. 229 ff GA Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage im Wesentlichen zugesprochen. Der Antrag auf Feststellung der Erledigung sei zulässig und begründet, insbesondere sei die von dem Drittwiderbeklagten erklärte Abtretung hinreichend bestimmt und nicht treuwidrig. Dem Kläger stehe aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Auskehrung der vereinnahmten Fremdgelder in der geltend gemachten Höhe zu, der nicht durch Aufrechnung gem. §§ 387, 389 BGB erloschen sei. Eine Aufrechnung der Fremdgelder sei gem. § 242 BGB ausgeschlossen gewesen, weil es spätestens im Mai 2006 eine Auszahlungsanweisung des Drittwiderbeklagten und damit eine Zweckbindung der Gelder gegeben habe. Die gegen den Drittwiderbeklagten gerichtete Klage sei mangels örtlicher Zuständigkeit des Landgerichts Potsdam unzulässig.

Gegen dieses ihnen am 16.07.2008 zugestellte Urteil haben die Beklagten mit am 15.08.2008 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist mit am 15.10.2008 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagten sind der Auffassung, die Klage sei abzuweisen, weil der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht durch Aufrechnung gem. §§ 387, 389 BGB erloschen sei. Ihnen stünden wegen der Tätigkeit der Nebenintervenientin Rechtsanwaltsvergütungsansprüche in Höhe von insgesamt 21.435,42 € zu, die nicht durch die - gem. § 4 Abs. 1 S. 2 RVG unwirksame - Vergütungsabrede der Nebenintervenientin mit dem Drittwiderbeklagten erfüllt seien. In Höhe von 20.895,45 € sei die Forderung durch Aufrechnung erloschen, im Übrigen (in Höhe von 539,97 €) vom Drittwiderbeklagten zu zahlen. Die Aufrechnung sei nicht infolge einer Zweckbestimmung des Drittwiderbeklagten ausgeschlossen gewesen, denn das vereinnahmte Geld sei, als es den Beklagten Ende 2006 zugeflossen sei, nicht zweckgebunden gewesen. Eine Zweckbindung müsse mit Eingang des Fremdgeldes vorliegen, die später erteilte Auszahlungsanweisung könne eine solche nachträglich nicht mehr begründen, auch eine Treuhandabrede sei nicht getroffen worden. Die Aufrechnung sei zulässig, weil die Zweckbestimmung dazu habe dienen sollen, den Drittwiderbeklagten in Besitz kriminell erlangter Gelder zu erhalten und weil er und die Nebenintervenientin mit ihrer Vergütungsabrede kollusiv zum Schaden der Beklagten gehandelt hätten. Ein Aufrechnungsverbot komme nur dann in Betracht, wenn die Gegenforderungen - anders als hier - ihren Grund nicht im Auftrag und den damit verbundenen Aufwendungen habe.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 06.06.2008, Az.: 12 O 292/07, abzuändern und

1. die Klage abzuweisen;

2. den Drittwiderbeklagen zu verurteilen, 539,97 € an die Beklagte zu 1. nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. hilfsweise den Drittwiderbeklagten zu verurteilen, an die Beklagte zu 1. 21.435,52 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

4. hilfsweise den Drittwiderbeklagten zu verurteilen, sämtliche Unterlagen der Akte 1131/05 der Rechtsanwälte G€ & Partner - sämtliche Schreiben der Rechtsanwälte G€ & Partner an ihn und sämtliche Schreiben Dritter an die Rechtsanwälte G€ & Partner in Bezug auf K€ P€ an die Beklagte zu 1. herauszugeben;

5. hilfsweise den Drittwiderbeklagten zu verurteilen, der Beklagten zu 1. Auskunft darüber zu erteilen, in welchen Angelegenheiten, in welchem sachlichen Umfang die Streithelferin für den Drittwiderbeklagten zwischen Dezember 2005 und Juli 2006 tätig gewesen ist.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufung sei bereits unzulässig, weil sie nicht fristgerecht eingelegt worden sei. Da das erstinstanzliche Urteil den anderen drei am Prozess beteiligten Prozessbevollmächtigten bereits Mitte Juni 2008 zugestellt worden sei, sei nicht nachvollziehbar, dass die Beklagten es erst Mitte Juli 2008 erhalten hätten. Im Übrigen sei die Berufung auch unbegründet. Die von den Beklagten erklärte Aufrechnung greife nicht durch, weil das in der Kanzlei der Beklagten verwaltete Geld einer Zweckbestimmung unterlegen habe, wie sich bereits aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ergebe. Diese Zweckbindung müsse nicht bereits im Zeitpunkt der Vereinnahmung der Fremdgelder vorliegen. Weisungswidrig habe der Beklagte zu 2. eine unverzügliche Weiterleitung nicht veranlasst und eine Abrechnung über behauptete Honoraransprüche erst dann vorgenommen, als die Beklagte zu 1. auf die Auszahlung der Fremdgelder gerichtlich in Anspruch genommen worden sei. Die verwalteten Fremdgelder stammten nicht aus illegal erlangten Mitteln, auch der Vorwurf der Vollstreckungsvereitelung greife nicht, weil die Gelder als Schadenswiedergutmachung hätten verwendet werden sollen. Das von den Beklagten in Rechnung gestellte Honorar sei sowohl im Hinblick auf den angesetzten Gegenstandswert als auch auf die Höhe der Geschäftsgebühr übersetzt.

Die Nebenintervenientin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils vertieft sie ihre Auffassung, dass die mit dem Drittwiderbeklagten getroffene Vergütungsvereinbarung über 1.000,00 € netto wirksam und mit dem Beklagten zu 2. abgesprochen gewesen sei.

Der Drittwiderbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Drittwiderklage sei bereits unzulässig, weil es an einer Zuordnung der verschiedenen von den Beklagten behaupteten Einzelforderungen zur Klage bzw. zur Drittwiderklage fehle. Nachdem er mit der Nebenintervenientin eine Vergütung in Höhe von 1.000,00 € vereinbart habe, komme eine Abrechnung nach RVG nicht mehr in Betracht. Die Weigerung der Beklagten, das Fremdgeld auszukehren, sei deshalb pflichtwidrig. Im Übrigen sei für die Abrechnung der Beklagten ein Verweis auf Anlagenkonvolute und Tabellenwerke nicht ausreichend.

II.

1. Die Berufung ist nur zum Teil zulässig.

a) Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, insbesondere sind die Fristen der §§ 517, 520 Abs. 2 ZPO gewahrt, nachdem das Urteil den Beklagten ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 16.07.2008 zugestellt, die Berufungsschrift am 15.08.2008 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen und innerhalb verlängerter Frist mit am 15.10.2008 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen Schriftsatz begründet worden ist.

Die Bedenken der Beklagtenseite gegen die Rechtzeitigkeit der Berufungseinlegung greifen nicht durch. Vielmehr ist nach Aktenlage davon auszugehen, dass den Beklagten das erstinstanzliche Urteil am 16.07.2008 zugestellt worden ist. Der Nachweis der Zustellung im Anwaltsprozess wird gem. § 174 Abs. 4 S. 1 ZPO durch das vom Prozessbevollmächtigten auszufüllende und zu unterschreibende Empfangsbekenntnis geführt, das als öffentliche Urkunde (§ 418 ZPO) Beweis nicht nur für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstückes als zugestellt erbringt, sondern auch dafür, dass der darin genannte Zustellungszeitpunkt der Wirklichkeit entspricht (BVerfG NJW 2001, 1563, 1564). Zustellungsdatum ist dabei nicht der Tag, an dem das Schriftstück in der Kanzlei eingegangen ist und von einem Büromitarbeiter mit einem Empfangsbekenntnis oder Datumsstempel versehen wurde, sondern ist der Tag, an dem der Anwalt als Zustellungsadressat vom Zugang des übermittelten Schriftstückes Kenntnis erlangt und es empfangsbereit entgegengenommen hat (Stöber in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 174 Rn. 14). An den - grundsätzlich zulässigen - Nachweis eines falschen Datums des Empfangsbekenntnisses sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Gegenbeweis ist erst erbracht, wenn die Beweiswirkungen entkräftet sind und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angabe auf dem Empfangsbekenntnis richtig sein kann (vgl. BVerfG a.a.O. m.w.N.; BGH NJW 1996, 2514). Bloße Zweifel, wie sie die Klägerseite unter Hinweis darauf äußert, dass das Urteil bei ihnen bereits einen Monat früher eingegangen sei, genügen danach nicht, um die durch das Empfangsbekenntnis entfaltete Wirkung zu erschüttern.

b) Die Berufung ist jedoch, soweit der Feststellungsausspruch des erstinstanzlichen Urteils von dem Berufungsantrag zu 1. mit umfasst ist, nicht ausreichend i.S.d. § 520 Abs. 2 ZPO begründet und daher insoweit unzulässig. Die Berufungsbegründung soll für das Berufungsgericht erkennbar werden lassen, auf welche der nach § 513 ZPO zulässigen Gründe der Berufungsführer sein Änderungsbegehren, das die Berufungsanträge nach Nr. 1 festlegt, stützen will. Die Berufungsbegründung muss auf den Streitfall zugeschnitten sein und bezeichnen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art sowie aus welchen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält (Heßler in Zöller, ZPO, a.a.O., § 520 Rn. 33). Im Hinblick auf den vom Landgericht zugesprochenen Feststellungsantrag, den es aus vom übrigen Zahlungsbegehren abzugrenzenden Gründen für begründet erachtet hatte, fehlt es jedoch an einer Auseinandersetzung der Berufung mit den landgerichtlichen Ausführungen, so dass nicht erkennbar wird, ob und inwieweit dieser Feststellungsantrag unrichtig beschieden worden sein soll. Die Berufung ist deshalb insoweit unzulässig.

Im Übrigen liegt eine hinreichende Berufungsbegründung i.S.d. § 520 Abs. 2 ZPO vor. Hinsichtlich des dem Kläger zugesprochenen Zahlungsantrages führen die Beklagten aus, dass eine ausreichende Zweckbindung, die die von ihnen erklärte Aufrechnung unzulässig erscheinen lasse, bezüglich des in der Kanzlei der Beklagten verwalteten Geldes nicht vorgelegen habe. Sie machen damit eine Rechtsverletzung geltend, auf der das landgerichtliche Urteil beruhen kann, §§ 513, 546 ZPO. Auch hinsichtlich der Drittwiderklage liegt eine ausreichende Begründung vor, nachdem die Beklagten ihre Auffassung wiederholen und vertiefen, dass das Landgericht Potsdam gem. § 33 ZPO auch für die Klage gegen den Drittwiderbeklagten örtlich zuständig sei.

2. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg, denn die Klage ist begründet, die Drittwiderklage demgegenüber bereits unzulässig.

a) Der Kläger hat aus abgetretenem Recht gegenüber der Beklagten zu 1. Anspruch auf Auskehrung des für den Drittwiderbeklagten vereinnahmten Fremdgeldes in Höhe von 20.895,44 € gem. §§ 675, 667, 398 BGB, für den der Beklagte zu 2. als Gesellschafter der Beklagten zu 1. haftet. Die Abtretung des Anspruches ist auch wirksam, insbesondere werden zweitinstanzlich die von den Beklagten zunächst erhobenen Einwendungen gegenüber der Abtretungserklärung nicht mehr erhoben. Zum Zeitpunkt der Abtretung am 29.05./04.06.2007 hatte der Drittwiderbeklagte die abzutretende Forderung auch noch inne, diese war insbesondere nicht durch die Aufrechnung seitens der Beklagten zu 1., die nach ihren Darlegungen jedenfalls vor dem 18.01.2007 erklärt worden sein soll, erloschen. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagten zu 1. eine aufrechenbare Vergütungsforderung gegen den Drittwiderbeklagten bereits deshalb nicht zustand, weil Nebenintervenientin und Drittwiderbeklagter für die von der Nebenintervenientin zu erbringenden Tätigkeiten ein Pauschalhonorar in Höhe von 1.000,00 € - wirksam - vereinbart hatten. Denn auch unterstellt, die dargestellte Pauschalvergütungsabrede sei nicht getroffen worden oder nicht wirksam und ein Honoraranspruch der Beklagten zu 1. nach RVG bestünde (in der geltend gemachten Höhe), wäre ein Aufrechnung mit dieser Forderung zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. Denn die Aufrechnung setzt zunächst voraus, dass die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung wirksam und fällig ist, was bei Gebührenansprüchen der Rechtsanwälte erst mit Erteilung einer Rechnung gem. § 10 RVG anzunehmen ist (BGH NJW 1998, 3486, 3488 m.w.N.). Dass im Januar 2007, als die Beklagten gegenüber der Rechtsanwaltskammer vortrugen, der Anspruch des Drittwiderbeklagten auf die Auskehrung des Fremdgeldes sei durch die Verrechnung mit Vergütungsforderungen erloschen, die streitgegenständlichen Vergütungsrechnungen vorlagen, hat der Drittwiderbeklagte bestritten, ohne dass die Beklagten insoweit Beweis angeboten hätten. Stattdessen haben sie erst im Prozess mit dem Schriftsatz vom 21.01.2008 und damit nach der Abtretungserklärung an den hiesigen Kläger das Rechnungskonvolut dem Drittwiderbeklagten vorgelegt. Zu diesem Zeitpunkt war die Forderung jedoch abgetreten und der Kläger Forderungsinhaber.

Auch ihm gegenüber ist die Forderung aber durch die - zumindest im Prozess konkludent wiederholte - Aufrechnung der Beklagten mit den Vergütungsforderungen gegenüber dem Drittwiderbeklagten nicht erloschen. Zwar stünde einer Aufrechnung auch nach der Abtretung die fehlende Gegenseitigkeit der Forderungen nicht entgegen, § 406 BGB, weil nach § 8 Abs. 1 S. 2 RVG die Vergütungsforderung des Rechtsanwaltes unabhängig von der Abrechnung bereits mit der Erledigung des Auftrages bzw. der Beendigung der Angelegenheit fällig wird. Die Fälligkeit der Forderungen war damit spätestens im Sommer 2006 mit der Beendigung des Mandates durch den Drittwiderbeklagten gegenüber der Beklagten zu 1. eingetreten, die Abtretung erfolgte jedoch erst im Jahre 2007. Allerdings steht einer Aufrechnung seitens der Beklagten gegenüber dem Kläger entgegen, dass die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung der Beklagten nicht hinreichend bestimmt ist. Denn sie setzt sich - nach dem insoweit zugrunde zu legenden Vortrag der Beklagten - aus einer Reihe von selbständigen Vergütungsforderungen zusammen, deren Höhe insgesamt diejenige der Hauptforderung übersteigt. Im Fall der Aufrechnung würde damit die Hauptforderung vollständig erlöschen, es verbliebe hingegen noch ein anteiliger Vergütungsanspruch der Beklagten. Ohne dass die Beklagten bezeichnen, ob die einzelnen von ihnen zur Aufrechnung gestellten Forderungen anteilig oder ob die Forderungen nach ihrer Fälligkeit verrechnet werden sollen, bleibt unklar, welche Vergütungsforderung in welcher Höhe durch die Aufrechnungserklärung erlöschen würde. Damit ist eine rechtskraftfähige Entscheidung nicht möglich. Hierauf wurden die Beklagten ungeachtet bereits zuvor erfolgter dahingehender Rügen der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch noch einmal ausdrücklich hingewiesen, ohne dass eine Klarstellung erfolgte.

32Hinzu kommt, dass die von der Beklagten erklärte Aufrechnung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeschlossen ist. Zwar darf ein Rechtsanwalt grundsätzlich mit Honorarforderungen gegenüber einem Mandanten aufrechnen (BGH MDR 2003, 57; Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl., 2008, § 43 a Rn. 95), auch ein Einziehungsauftrag, wie er hier der Nebenintervenientin erteilt worden ist, begründet nicht ohne weiteres ein der Aufrechnung entgegenstehendes Treuhandverhältnis, in dem der Treuhänder grundsätzlich nicht mit Gegenforderungen aufrechnen darf (BGH NJW 2003, 140, 142 m.w.N.). Allerdings besteht die Möglichkeit der Aufrechnung nicht oder nur eingeschränkt, wenn die eingezogenen Gelder zweckgebunden sind. Denn dann kann sich aus dem Zweck der geschuldeten Leistung, der Natur der Rechtsbeziehungen oder dem Inhalt des Schuldverhältnisses ergeben, dass ein Aufrechnungsrecht mit dem besonderen Inhalt des betroffenen Rechtsverhältnisses nicht vereinbar ist (BGH MDR 2003, 57; OLG Karlsruhe, AnwBl. 2004, 658, 659). Ob die Voraussetzungen vorliegen, ist im Einzelfall zu prüfen (BGH NJW 2003, 140, 142) und entgegen der Ansicht der Beklagten vorliegend zu bejahen. Dabei kann dahinstehen, ob bereits die ursprüngliche Vereinbarung, aufgrund derer die Nebenintervenientin Gelder einziehen und nach Weisung an Dritte auszahlen sollte, eine ausreichende Zweckbindung dahingehend begründete, dass sie zu einem vorrangigen schützenswerten Interesse des Drittwiderbeklagten an einem Aufrechnungsausschluss führte. Jedenfalls mit der im Mai 2006 erteilten Weisung, die eingezogenen Geldbeträge auf das Konto seiner Mutter zu überweisen, damit das Geld zur Schadenswiedergutmachung ausgezahlt werden könne, liegt eine ausreichende Zweckbindung vor. Da es dem Drittwiderbeklagten danach entscheidend darauf ankam, Wiedergutmachung zu leisten, um die Straferwartung zu verringern und die Nebenintervenientin, die zu diesem Zeitpunkt als Vertreterin der Beklagten zu 1. handelte, dies wusste, steht der Inhalt dieser getroffenen Abrede einer Aufrechnung der Beklagten zu 1. mit Honorarforderungen entgegen. Entsprechend hat der Drittwiderbeklagte auch das seiner Darstellung nach mit der Nebenintervenientin vereinbarte Honorar zusätzlich zu den eingezogenen Geldern bezahlt und nicht etwa die Beklagte zu 1. ermächtigt, eine Teilverrechnung vorzunehmen. Entgegen der Ansicht der Beklagten musste eine solche, die Aufrechnung untersagende Zweckbindung nicht bereits mit der ursprünglichen Vereinbarung getroffen werden. Innerhalb der gesetzlichen Grenzen steht es den Parteien frei, den Inhalt der wechselseitigen Pflichten aus den von ihnen begründeten Schuldverhältnissen auch nachträglich zu verändern bzw. zu präzisieren. Hinzu kommt, dass der Drittwiderbeklagte zwar die konkrete Zweckbindung durch einseitige Weisung herbeigeführt hat, dass er Weisungen erteilen durfte, entsprach aber der ursprünglichen Vereinbarung der Parteien, auf die sich die Beklagtenseite, insoweit vertreten durch die für sie auftretende Nebenintervenientin, eingelassen hat. Sie ist deshalb auch nicht schutzwürdig, wenn sie infolge der Weisung eines ihr möglicherweise zuvor zustehenden Aufrechnungsrechtes verlustig gegangen sein sollte. Hinzu kommt, dass ein Rechtsanwalt gem. § 4 BRAO standesrechtlich (Kleine-Cosack, BRAO, 5. Aufl., 2008, Anh. I 1 Vorbemerkung zu § 1 Rn. 4) verpflichtet ist, Fremdgelder, die er vor den nach §§ 8, 10 RVG maßgeblichen Zeitpunkten erhält, unverzüglich weiterzuleiten bzw. auf ein Anderkonto zu zahlen. Er darf nicht den Zeitpunkt abwarten, bis seine Honorarforderung fällig bzw. durchsetzbar und damit aufrechenbar wird (Feuerich/Weyland, a.a.O.) und ist deshalb im Hinblick auf ein vor diesem Zeitpunkt entstehendes Aufrechnungsverbot zu seinen Lasten auch nicht schutzbedürftig.

Das Aufrechnungsverbot ist auch nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil ein schutzwürdiges Interesse des Drittwiderbeklagten als Mandanten fehlte. Solches wird etwa dann angenommen, wenn der Mandant mit dem Treuhandauftrag durch strafbare Handlungen erworbenes Vermögen sichern will oder der Anwalt nicht mit einer anderweitigen Befriedigung seiner Honoraransprüche rechnen kann. Bei dem der Nebenintervenientin erteilten Auftrag ging es aber um die Einziehung von Lebensversicherungen und Beteiligungen, nicht um die Sicherung illegal erworbener Gelder. Auch der unsubstanziiert erhobene Vorwurf der versuchten Vollstreckungsvereitelung greift nicht; insbesondere wäre, sofern tatsächlich das gesamte Vermögen des Drittwiderbeklagten inklusive der hier eingezogenen Fremdgelder von einem Arrest erfasst gewesen wäre, eine Aufrechnung mit den erst danach fällig gewordenen Vergütungsforderungen der Beklagten zu 1. bereits gem. § 392 BGB ausgeschlossen.

Dem auf § 242 BGB gründenden Aufrechnungsverbot steht entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht entgegen, dass die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen ihren Grund in dem von dem Drittwiderbeklagten erteilten Auftrag und den damit verbundenen Aufwendungen haben. Es ist bereits fraglich, ob man insoweit die von der Beklagten angeführten Entscheidungen (BGH MDR 2003, 57, BGHZ 71, 280 m.w.N.) im Umkehrschluss dahingehend verstehen muss, dass ein Aufrechnungsverbot nur bei nicht konnexen Forderungen in Betracht kommt (dahingehend wohl auch Palandt-Sprau, 67. Aufl., 2008, § 667 Rn. 9; Ermann, BGB, 12. Aufl., Bd. I, 2008, § 667 Rn. 41). Denn jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation, in der der Mandant eine ausdrückliche Auszahlungsanweisung hinsichtlich des eingezogenen Geldes zu einem Zeitpunkt erteilt, zu dem die Gegenforderungen des Rechtsanwaltes noch nicht insgesamt fällig und jedenfalls noch nicht abgerechnet worden sind, und in der der Rechtsanwalt das von ihm für den Mandanten eingezogenen Fremdgeld vereinnahmt, ohne diesen davon in Kenntnis zu setzen, ist eine Schutzwürdigkeit des Aufrechnenden nicht gegeben.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB.

b) Die von den Beklagten gegenüber dem Drittwiderbeklagten erhobene Zahlungsklage ist wegen nicht hinreichender Bestimmtheit als unzulässig abzuweisen. Auch im Hinblick auf den gegenüber dem Drittwiderbeklagten geltend gemachten Zahlungsantrag haben die Beklagten nicht deutlich gemacht, welche Teile der Forderungsgesamtheit Gegenstand des Angriffs sein sollen. Bei der Geltendmachung eines Teilbetrages aus mehreren selbständigen Ansprüchen muss jedoch angegeben werden, mit welchem Anteil bzw. in welcher Reihenfolge die einzelnen Ansprüche geprüft werden sollen (BGH NJW 1990, 2068, 2069). Nur dann ist bei der Urteilsfindung erkennbar, über welche der Einzelforderungen oder über welche Teilbeträge das Gericht entschieden hat, nur dann ist der Umfang der Rechtskraft hinreichend zu bestimmen. Ohne entsprechende Klarstellung, die trotz Hinweis nicht erfolgte (s. o.), bleibt der erhobene Anspruch, mit § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unvereinbar, unbestimmt (BGH NJW 2000, 3718, 3719, NJW 90, 2068; Greger in Zöller, a.a.O., § 253 Rn. 15).

Auch der im Wege der Hilfsdrittwiderklage gestellte Zahlungsantrag nebst den Anträgen auf Auskunft und Herausgabe ist unzulässig. Denn diese Hilfsanträge stehen in Abhängigkeit von einer außerprozessualen Bedingung, weil die Vorfragen, von deren Beantwortung abhängen soll, ob die Hilfsanträge gestellt werden, im Rahmen der Klage zu entscheiden sind, die jedoch im Verhältnis von Beklagten und Drittwiderbeklagten in einem anderen Verfahren zu verhandeln ist. Da für den Dritten in solchen Fällen Unsicherheit besteht, ob er Widerbeklagter ist oder nicht, ist die parteierweiternde eventuelle Widerklage nicht zulässig (vgl. BGH NJW 2001, 2094; Roth in Stein-Jonas, ZPO, 22. Aufl., Bd. I 2003, § 33, Rn. 42 am Ende; Vollkommer in Zöller, ZPO, a.a.O., § 61 Rn. 10; Patzina in Münchener Kommentar, ZPO, Bd. I, 3. Aufl. 2008, § 33 Rn. 32).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO.

4. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

5. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 44.330,76 € festgesetzt, davon entfallen auf den Feststellungsantrag 500,00 €, auf den Zahlungsantrag des Klägers 20.895,94 €, auf den Drittwiderklageantrag 539,57 €, auf den ersten Dritthilfswiderklageantrag 21.435,52 € (§ 45 Abs. 1 S. 3 GKG), sowie auf den hilfsweise gestellten Herausgabe- und auf den hilfsweise gestellten Auskunftsantrag je 500,00 €. Durch den Antrag auf Feststellung der Erledigung des von dem Kläger erstinstanzlich erhobenen Auskunftsanspruches, der vom Landgericht mit 500,00 € bewertet worden ist, kommt es nicht zu einem Gebührensprung, unabhängig davon, ob man insoweit den Hauptsachestreitwert oder das Kosteninteresse ansetzt (vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, a.a.O. § 91 a, RZ 48).






Brandenburgisches OLG:
Urteil v. 05.03.2009
Az: 12 U 169/08


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