Landgericht Köln:
Urteil vom 11. November 2008
Aktenzeichen: 33 O 210/07

(LG Köln: Urteil v. 11.11.2008, Az.: 33 O 210/07)

Tenor

I.

Die Beklagten werden verurteilt,

1.

es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € - ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Internetnutzern im Rahmen der Mitgliedschaft an einer Internetgemeinschaft die Nutzung von Breitband-Internetzugängen Dritter, die ebenfalls als Mitglied in der Internetgemeinschaft beteiligt sind, zu ermöglichen, soweit Breitband-Internetzugänge betroffen sind, die die Klägerin den Dritten als ihren Kunden zur Verfügung stellt, insbesondere wenn die Beklagte von Mitgliedern der Internetgemeinschaft für die Nutzung der Breitband-Internetzugänge Entgelte erhebt und/oder erhält.

2.

der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer 1 bezeichneten Handlungen vorgenommen hat, insbesondere unter Angabe der erzielten Umsätze und der getätigten Werbeaufwendungen

II.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den in Ziffer I, 1 genannten Handlungen bisher entstanden ist und noch entstehen wird.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

IV.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,--€ vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Bei der Klägerin handelt es sich um einen Internetserviceprovider.

Zu den Produkten der Klägerin gehören u.a. Internetzugänge, die sie auch in Form von sog. DSL-Anschlüssen zur Verfügung stellt. Dabei erhalten die Kunden sog. Flatrates, bei denen sie einen festen monatlichen Preis zahlen und auf dieser Grundlage rund um die Uhr surfen können, ohne dass weitere Nutzungsgebühren anfallen.

Die Klägerin stellt ihren Kunden DSL-Anschlüsse in der Version via WLAN für kabelloses Surfen zur Verfügung. Dazu erhält ihr Kunde eine WLAN-Basis-Station, über die zwischen dem Rechner, der zum Internetzugang benutzt wird, und dem Internet eine Funkverbindung hergestellt wird.

Den Verträgen der Klägerin liegen u.a. die als Anlage K 3 zur Klageschrift zur Akte gereichten Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Grunde.

Bei ihren Kapazitätsberechnungen und ihrer Preiskalkulation richtet sich die Klägerin an dem durchschnittlichen Nutzungsverhalten der in Betracht kommenden Internetnutzer aus, das dadurch geprägt ist, dass ein Teil der Privatkunden ihren Internetanschluss regelmäßig allenfalls für einige Stunden am Tag verwenden und nicht alle Abnehmer ihren Anschluss intensiv für viele Stunden am Tag nutzen. Daraus entsteht eine Mischkalkulation bezogen auf technische Anforderungen und Preise.

Die Klägerin muss die Netzanschlüsse, die sie an ihre Kunden weiterverkauft, bei Vorlieferanten - wie etwa der Deutschen Telekom - einkaufen. Ferner muss sie neben diesem sog. Einrichtungsentgelt monatliche Kosten für die Anschlüsse an die Vorlieferanten zahlen. Schließlich wird zwischen der Klägerin und dem Vorlieferanten das jeweils von den Kunden der Klägerin genutzte Datenvolumen abgerechnet.

Die Beklagte zu 1) ist ein englisches Unternehmen, das eine sog. Internetcommunity unter der Bezeichnung "A1" betreibt. Die Beklagte zu 2) übernimmt in diesem Rahmen die entsprechenden Aufgaben für Deutschland.

Die A1-Community der Beklagten beruht darauf, dass Inhaber von Internetanschlüssen, die WLAN-fähig sind, diese anderen Mitgliedern der Community zur Nutzung zur Verfügung stellen. Zu diesem Zweck vertreiben die Beklagten sog. Router sowie eine Software, mit deren Hilfe der Nutzer einen von ihm zu bestimmenden Teil der Bandbreite seines Internetanschlusses anderen Nutzern zur Verfügung stellen kann. Auf diese Weise wird der Internetzugang eines Internetnutzers praktisch zu einer Einwahlstation (Hot Spot), die auch Dritten, die zur Community gehören, zur Verfügung steht.

Die Beklagten stellen drei verschiedene Nutzungsmodelle zur Verfügung: Der Nutzertyp "B1" stellt seinen Internetzugang den anderen Mitgliedern der Community unentgeltlich zur Verfügung, erhält dafür im Gegenzug kostenfreien Zugang zu entsprechenden Zugangspunkten der anderen A1-Mitglieder.

Der Nutzertyp "C1" stellt seinen Internetzugang entgeltlich zur Verfügung. Dieses Entgelt resultiert aus der Nutzung seines Zugangspunktes durch die dritte Benutzergruppe, "D1" genannt. Die "D1" betreiben selbst keine A1-Zugangspunkte. Sie müssen für die Nutzung der Internetzugänge der der Community angehörenden Nutzertypen "B1" oder "C1" Tageskarten à 3, -- € oder 5-Tageskarten à 10,-- € von der Beklagten erwerben, die wiederum 50 % dieser Einnahmen an die "C1" weiterleitet.

Interessenten in Bezug auf alle Nutzergruppen müssen sich über die Internetseite der Beklagten registrieren lassen, können dort einen Benutzernamen eingeben und erhalten ein Passwort. Mit der Registrierung werden sie Mitglieder der Community und haben die als Anlage K 5 zur Klageschrift zur Akte gereichten Nutzungsbedingungen zu akzeptieren. Dabei werden die Interessenten - nach dem streitigen Vortrag der Beklagten - an zwei Stellen darauf hingewiesen, dass die Mitgliedschaft bei "A1" nur dann möglich ist, wenn der Kunde zur Mehrfachnutzung seines eigenen Internetzugangs berechtigt ist. Dies hat der Kunde durch das zweimalige Setzen eines Häkchens zu bestätigen.

Die Klägerin meint das Verhalten der Beklagten verstoße gegen § 4 Nr. 10 UWG, da die Beklagte fremde, von Wettbewerbern geschaffene Einrichtungen nutzten zum Zwecke der Gewinnung eigener Kunden. So benutzten die Beklagten die Infrastruktur und die Bandbreite die sie - die Klägerin - geschaffen habe auf ihre - der Klägerin - Kosten und erziele damit auch Einnahmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Klägerin wird Bezug genommen auf die Seiten 6 ff. der Klageschrift (Bl. 6 ff. d.A.) sowie ihre Schriftsätze vom 25.10.2007 (Bl. 141 ff. d.A.) und vom 04.04.2008 (Bl. 234 ff. d.A.).

Die Klägerin beantragt,

-wie erkannt-.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie vertreten die Auffassung, das von ihnen betriebene Geschäftsmodell sei eine innovative Entwicklung, die in erster Linie dem Nutzen der Verbraucher diene. Den Kunden von Internetserviceprovidern werde eine zusätzliche Leistung angeboten, die die Leistung der Provider ergänze.

Sie seien nicht Wettbewerber der Klägerin, da ihr Geschäftsmodell gerade die Existenz von Kunden der Internetserviceprovider voraussetze. "D1" wiederum seien keine potentiellen Kunden der Klägerin, sofern sie an einem Flatrate-Tarif nicht interessiert seien. Auch fehle es an einer gezielten Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG, da ihr Geschäftsmodell nicht darauf gerichtet sei, der Klägerin Kunden abspenstig zu machen oder potentielle Kunden abzuhalten. Das Modell beruhe auf "Sharing", nicht Verdrängung. Das Risiko ihrer Mischkalkulation trage die Klägerin ohnehin, da sie keinen Einfluss auf das Nutzungsverhalten ihrer Kunde habe. Durch die Mehrfachnutzung eines DSL-Anschlusses werde der Datenfluss nur unwesentlich erhöht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags der Beklagten wird Bezug genommen auf die Seite 2 ff. der Klageerwiderung (Bl. 68 ff. d.A.) sowie ihre Schriftsätze vom 23.11.2007 (Bl. 179 ff. d.A.) und vom 04.04.2008 (Bl. 234 ff. d.A.).

Gründe

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte den geltend gemachten Unterlassungsanspruch gemäß § 3, 4 Nr. 10, 8 UWG wegen unzulässiger gezielter Behinderung eines Mitbewerbers.

Zum Anwendungsbereich dieser Norm hat das Oberlandesgericht Köln in seinem Urteil vom 24.08.2007 (Magazindienst 2007, 1217 - Switch & Profit) folgendes ausgeführt:

Der Tatbestand der gezielten Behinderung von Mitbewerbern (§ 4 Nr. 10 UWG), der die sogenannte individuelle Mitbewerberbehinderung umfasst und durch dessen weite, generalklauselartige Fassung alle Erscheinungsformen des Behinderungswettbewerbs einbezogen werden sollten (Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/1487 S. 19), setzt im Unterschied zur allgemeinen Marktbehinderung (Marktstörung) voraus, dass sich das beanstandete Verhalten innerhalb eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG) gegen ein oder mehrere bestimmte Unternehmen richtet (Senat, GRUR-RR 2005, 168 f. - Glow by J. Lo).

Voraussetzung eines unlauteren Behinderungswettbewerbs ist die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber. Da eine solche Beeinträchtigung jedem Wettbewerb eigen ist, muss noch ein weiteres Merkmal hinzutreten, damit von einer unzulässigen individuellen Behinderung gesprochen werden kann. Wettbewerbswidrig ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen dann, wenn die Maßnahme nicht in erster Linie auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs, sondern zweck- und zielgerichtet auf die Störung der fremden wettbewerblichen Entfaltung gerichtet ist (BGH, GRUR 2005, 581 [582] - "The Colour of Elégance"; Senat, Urt. v. 30.03.2007 - 6 U 182/06, BeckRS 2007, 09518; Hefermehl / Köhler / Bornkamm, UWG, 25. Aufl., § 4, Rn. 10.6 ff.; Piper / Ohly , UWG, 4. Aufl., § 4, Rn. 10/9 f.; Harte / Henning / Omsels , UWG, § 4, Rn. 7; Fezer / Götting , UWG, § 4, Rn. 2, 14) - sei es, dass gezielt der Zweck verfolgt wird, den Mitbewerber an seiner Entfaltung zu hindern und ihn dadurch vom Markt zu verdrängen, sei es, dass der Mitbewerber auf Grund der Behinderung seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann. Dies lässt sich nur auf Grund einer Gesamtwürdigung aller objektiven Umstände unter Abwägung der widerstreitenden Interessen der Mitbewerber, der Verbraucher, der sonstigen Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen (BGHZ 148, 1 = GRUR 2001, 1061 [1062] - Mitwohnzentrale; GRUR 2002, 902 [905] - Vanity-Nummern; GRUR 2004, 877 [879] - Werbeblocker; OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 77 - schuhmarkt.de; GRUR-RR 2004, 151 [152] - Telefonauskunft 11881; Senat, GRUR-RR 2006, 19 - schlüsselbänder.de; Hefermehl / Köhler / Bornkamm, a.a.O.; Piper / Ohly , a.a.O., jeweils m.w.N.).

Danach ist insbesondere das Eindringen in den Kundenkreis eines Mitbewerbers zwar grundsätzlich nicht als unlauter anzusehen; denn der Mitbewerber hat kein geschütztes Recht auf Erhaltung seiner Kundschaft und das Ausspannen von Kunden, auch wenn es zielbewußt und systematisch geschieht, liegt im Wesen des Wettbewerbs (BGH, GRUR 2002, 548 [549] - Mietwagenkostenersatz). Unzulässig wird ein solches Verhalten allerdings, wenn Kunden in unangemessener Weise "abgefangen" werden. Dies hat die Rechtsprechung zum Beispiel beim Verteilen eigener Handzettel unmittelbar vor dem Geschäftslokal eines Konkurrenten sowie in anderen Fällen angenommen, in denen der Handelnde sich in der Phase der Vertragsanbahnung gleichsam zwischen den Mitbewerber und seine potentiellen Kunden schiebt, um diese - etwa durch das Abfangen und Umleiten fremder Geschäftskorrespondenz oder durch das Unterschieben eigener Waren - von dem beabsichtigten Geschäftsabschluss abzuhalten und ihnen eine Änderung ihres Entschlusses aufzudrängen (BGH, GRUR 1986, 547 [548] - Handzettelwerbung; GRUR 1987, 532 [533] - Zollabfertigung; BGHZ 148, 1 = GRUR 2001, 1061 [1062] - Mitwohnzentrale; OLG Hamburg, GRUR 2002, 278 [279] - AKUmed). Als unlauterer Kundenfang wird es auch angesehen, wenn jemand von oder für Mitbewerber geschaffene Einrichtungen ausnutzt oder mit einer Telefonnummer wirbt, die derjenigen eines unmittelbaren Mitbewerbers zum Verwechseln ähnlich ist (LG Leipzig, GRUR-RR 2003, 224 - 0800-Einwahl; OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 151 - Telefonauskunft 11881; weitere Einzelheiten, Fallbeispiele und Nachweise bei Hefermehl / Köhler / Bornkamm, a.a.O., Rn. 10.25 ff. [10.27]; Piper / Ohly , a.a.O., Rn. 10/45 ff.).

12

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Angebot der Beklagten hier als gezielte Behinderung der zu ihr in einem Mitbewerberverhältnis stehenden Klägerin anzusehen.

Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG.

Ein solches Wettbewerbsverhältnis zwischen Unternehmen ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn sie die gleichen oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass die beanstandete Wettbewerbshandlung das andere Unternehmen (Mitbewerber) beeinträchtigen, d.h. in seinem Absatz behindern oder stören kann. Dies setzt voraus, dass sich die beteiligten Unternehmen auf demselben sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Markt betätigen, wobei unerheblich ist, ob sich der Kundenkreis und das Angebot von Waren und Dienstleistungen völlig oder nur teilweise decken. Für die - vorliegend in diesem Zusammenhang allein streitige - Frage nach der sachlichen Marktabgrenzung kommt es darauf an, ob sich die von den beteiligten Unternehmen angebotenen Waren oder Dienstleistungen nach ihren Eigenschaften, ihrem Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahe stehen, dass sie der verständige Nachfrager als austauschbar ansieht, wobei die Anforderungen an den Grad der Austauschbarkeit nicht zu hoch angesetzt werden dürfen (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 2 Rz. 59 u.64).

Eine Austauschbarkeit in diesem Sinne ist zwischen den von den Parteien angebotenen Dienstleistungen ohne weiteres zu bejahen. Beide Parteien bieten potentiellen Abnehmern einen WLAN-gestützten Internetzugang an. Aus Sicht des Verkehrs wird die Austauschbarkeit dieser Leistungen dabei nicht dadurch aufgehoben, dass die Angebote der Parteien für potentielle Nutzer interessanter sein können je nachdem, ob sie eine dauerhafte oder eine nur kurzfristige Nutzung wünschen. Gerade aus Sicht desjenigen, der nur eine kurzfristige Internetnutzung erstrebt und an den sich in Form der Nutzergruppe der "D1" das Angebot der Beklagten auch richtet, wäre ohne das Angebot der Beklagten, über Tageskarten Zugang zum Internet zu erhalten, die Möglichkeit, sich trotz seines geringen Nutzungsbedarfs einen dauerhaften Internetzugang zuzulegen eine ernsthafte Alternative, z.B. weil ein eigener stationärer Zugang bei höheren Kosten mehr Verlässlichkeit und Bequemlichkeit bieten könnte. Insoweit können die Beklagten auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass auch solche Kunden angesprochen sind, die auf Reisen oder aus sonstigen Gründen nicht in der Nähe ihres Internetzugangs sind. Denn das Modell der Beklagten ist zum einen nicht darauf angelegt, nur solche Nutzer anzusprechen und andere Nutzergruppen auszuschließen. Zum anderen handelt es sich dabei auch nicht um eine in sich geschlossene Nutzergruppe. Denn vom Angebot der Beklagten ist potentiell jeder angesprochen, der sich nicht in den Räumlichkeiten befindet, in denen gerade sein Internetzugang ist oder sein könnte und der eine Internetnutzung nicht zurückstellen kann oder will, bis er wieder in diese Räumlichkeiten zurückgekehrt ist. Für diese Nutzer sind die Angebote der Parteien ohne weiteres austauschbar. Dass je nach Nutzungsverhalten - das im übrigen ja auch individuell schwanken kann - die eine oder die andere Nutzungsart die wirtschaftlich günstigere zu sein scheint, schließt die Austauschbarkeit nicht aus.

Als Mitbewerber der Klägerin können die Beklagten nach dem von ihnen gewählten Geschäftsmodell aber nur erfolgreich am Markt tätig werden, wenn sie sich zur Erbringung ihres Angebots der durch die Klägerin und andere Internetserviceprovider geschaffenen Einrichtungen und auf deren Kosten angebotenen Dienstleistungen bedienen. So können die Beklagten einem sog. "D1" die von diesem bezahlte Gegenleistung nur zukommen lassen, indem sie dafür Sorge tragen, dass dieser auf die von der Klägerin geschaffenen Internetzugänge und unter Ausnutzung der von dieser vorgehaltenen Datenverbindungen zugreift, wobei dadurch ggf. entstehende Mehrkosten für einen erhöhten Datenfluss von der Klägerin im Verhältnis zu ihrem Vorlieferanten abzurechnen wären. Nichts anderes gilt letztlich auch für den Zugriff der Benutzergruppen "B1" und "C1" soweit diese mit anderen Internetserviceprovidern Verträge geschlossen haben und nunmehr durch die Beklagten die Möglichkeit erhalten, ggf. über einen Internetzugang der Klägerin ins Netz zu gehen. Insoweit spielt es auch keine Rolle, dass diese Nutzergruppen anders als ein "D1" unmittelbar kein Entgelt an die Beklagten entrichten. Denn zum einen müssen auch sie eine durchaus geldwerte Gegenleistung in Form der ständigen Bereitstellung ihres eigenen Internetzugangs für den Zugriff Dritter erbringen. Zum anderen benötigen die Beklagten diese Benutzergruppen in möglichst großem Umfang, um ihr Angebot weitgehend flächendeckend und damit insbesondere für die "D1" um so attraktiver zu gestalten.

Auch unter Abwägung der beteiligten Interessen stellt sich ein solches Verhalten der Beklagten als wettbewerbswidrig dar. Denn es handelt sich nicht mehr um die jedem Wettbewerb grundsätzlich immanente Beeinträchtigung des Mitbewerbers durch Förderung des eigenen Absatzes. Vielmehr machen die Beklagten der Klägerin auf deren Kosten, d.h. unter Ausnutzung der von dieser geschaffenen und bezahlten Infrastruktur und unter Zugriff auf den von dieser bezahlten Datenfluss Konkurrenz. Dies ist weder eine "idealistisch" motivierte Verhaltensweise noch eine solche, die lediglich ein zusätzliches Angebot für die Kunden der Klägerin darstellt. Denn insbesondere die sog. "D1" müssen an die Beklagten für diese Leistung zahlen, was kaum Ausdruck einer idealistischen Handlungsweise sondern des Gewinnstrebens der Beklagten sein dürfte. Auch sind diese Nutzer typischerweise nicht Kunden der Klägerin oder anderer Serviceprovider oder aber haben sich nicht entschlossen, als "B1" oder "C1" der sog. Community der Beklagten beizutreten. Den Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, dass die Belastung der Klägerin einerseits und die Anzahl der sog. "C1" und "D1" und damit ihrer Verdienstmöglichkeiten andererseits so gering seien, dass sie wirtschaftlich nicht ins Gewicht fallen könnten. Zunächst braucht kein Mitbewerber einen Wettbewerb zu dulden, der in dem vorbeschriebenen von den Beklagten praktizierten Sinne allein auf seine Kosten möglich ist, mag die daraus resultierende Belastung noch so gering sein. Hinzu kommt, dass dem Geschäftsmodell der Beklagten eine solche Begrenzung der wirtschaftlichen Folgen keineswegs immanent ist. Im Gegenteil: Auch das Geschäftsmodell der Beklagten ist wie jedes Handeln im Wettbewerb eindeutig auf Gewinnmaximierung angelegt und kann nur dadurch immer besser und damit attraktiver werden, dass sich in allen Nutzergruppen die Kundenzahl erhöht. Dass ein solches Wachstum wirtschaftlich nicht zu Lasten von Internetserviceprovider wie der Klägerin ginge bei gleichzeitiger Gewinnsteigerung auf Seiten der Beklagten ist auch nicht ansatzweise nachvollziehbar.

Die Beklagten können auch nicht darauf verweisen, dass es Sache der Klägerin sei, durch die Formulierung ihrer Allgemeinen Geschäftbedingungen oder durch die Wahl verschlüsselter Funksignale eine Nutzung in der beanstandeten Form zu erschweren oder auszuschließen. Diese Argumentation stellt die Dinge geradezu auf den Kopf: Im Ansatzpunkt ist es Sache der Mitbewerber, dafür Sorge zu tragen, dass sich ihr Angebot im Rahmen der durch das Wettbewerbsrecht geschaffenen Grenzen hält. Die Einhaltung dieser Grenzen haben sie und nicht der Konkurrent zu gewährleisten. Insoweit spielt es auch keine Rolle, wie die von der Klägerin formulierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verstehen sind. Selbst wenn sie danach im Verhältnis zu ihren Kunden eine Mehrfachnutzung nicht ausgeschlossen hätte, ließe sich daraus keineswegs schlussfolgern, dass sie damit auch ihr Einverständnis damit erklärt hätte, dass ein Mitbewerber ihr im oben beschriebenen Sinne unter Ausnutzung ihrer individualvertraglichen Vereinbarungen Konkurrenz macht.

Die Beklagten genügen ihrer eigenen Prüfungspflicht auch keineswegs dadurch, dass sie eine Anmeldung zu ihrer Community nur dann akzeptieren, wenn der Interessent durch Setzen von Häkchen erklärt hat, zu einer Mehrfachnutzung berechtigt zu sein. Zunächst ist mangels weiterer Kontrolle einem Missbrauch auf diese Weise Tür und Tor geöffnet. Auch würde dadurch die Prüfpflicht der Beklagten in Bezug auf die Zulässigkeit ihres Geschäftsmodells auf die potentiellen Kunden verlagert. Wie diese in der Regel rechtsunkundigen Verbraucher in der Lage sein sollen, verlässlich festzustellen, ob ihnen nicht nur eine Mehrfachnutzung des eigenen Anschlusses sondern auch und gerade eine Nutzung in der Form, wie sie von den Beklagten angeboten wird, gestattet ist, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Schon der Streit der Parteien im vorliegenden Rechtsstreit um die Auslegung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen belegt, dass ein durchschnittlicher Internetnutzer dazu nicht in der Lage sein dürfte. Schließlich gilt auch hier, dass eine Zustimmung zu einer Mehrfachnutzung nicht zwingend das Einverständnis beinhaltet, dass ein Mitbewerber der Klägerin im oben beschriebenen Sinne unter Ausnutzung ihrer individualvertraglichen Vereinbarungen Konkurrenz machen darf.

Ebenfalls ohne Belang für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits sind Art, Inhalt und Umfang der vorprozessual geführten Gespräche der Parteien. Unstreitig ist keine Zusammenarbeit vereinbart worden. Selbst wenn es dazu nicht gekommen sein sollte, weil die Klägerin vom wirtschaftlichen Erfolg des Geschäftmodells der Beklagten nicht überzeugt war, kann daraus bei verständiger Würdigung kein wie auch immer geartetes Einverständnis mit dem Wettbewerbsverhalten der Beklagten gefolgert werden. Ebensowenig muss sich die Klägerin die - unterstellt - abweichende Einstellung anderer Internetserviceprovider gegenüber dem Geschäftsmodell der Beklagten entgegenhalten lassen, wenn sie mit einer Ausnutzung der von ihr geschaffenen Einrichtungen zum Zwecke des Wettbewerbs durch die Beklagten nicht einverstanden ist.

Auskunfts- und Feststellungsbegehren der Klägerin sind aus den §§ 9 Abs.1 UWG, 242 BGB begründet. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass der Klägerin durch das beanstandete Geschäftsgebahren der Beklagten ein Schaden entstanden ist oder noch entstehen wird, den sie indes erst nach Erteilung der begehrten Auskunft näher beziffern kann. Diesen Schaden hat die Beklagte schuldhaft, d.h. zumindest fahrlässig verursacht. Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte sie erkennen können und müssen, dass sie ohne entsprechende Vereinbarung mit der Klägerin nicht zum Zwecke des Wettbewerbs sich der von dieser geschaffenen Einrichtungen auf deren Kosten bedienen durfte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert: 250.000,-- €






LG Köln:
Urteil v. 11.11.2008
Az: 33 O 210/07


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