Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. November 2003
Aktenzeichen: 26 W (pat) 185/99

(BPatG: Beschluss v. 05.11.2003, Az.: 26 W (pat) 185/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. November 1997 und vom 2. September 1999 aufgehoben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.

Gründe

I Die Markenstelle hat die Anmeldung der für die Waren

"Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)"

bestimmten Wortmarke Zinnaer Abteiteilweise, nämlich für die Waren "alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)", wegen Täuschungsgefahr zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Marke sei ersichtlich geeignet, den Verkehr über verkehrswesentliche Eigenschaften dieser Waren zu täuschen, weil sie ohne weiteres als Name eines bestimmten Klosters verstanden werde und bei einem nicht unerheblichen Teil des Verkehrs die Vorstellung hervorrufe, ein Produkt nicht nur nach klösterlichen Rezepturen, sondern aus klösterlicher Eigenherstellung vor sich zu haben. Diese Erwartung könne jedoch von den unter der angemeldeten Marke vertriebenen Produkten nicht erfüllt werden, weil die Zinnaer Abtei bereits seit 1547 nicht mehr von einer klösterlichen Gemeinschaft bewohnt und bewirtschaftet werde. Der Umstand, dass von Mitarbeitern der Anmelderin in den Räumen der ehemaligen Abtei eine Essenz für einen Kräuterlikör hergestellt werde, deren Rezept auf einen Mönch der Abtei zurückgehen solle, rechtfertige keine andere Beurteilung, weil es sich insoweit nicht um eine klösterliche Eigenherstellung des Likörs selbst durch Ordensleute handele und offensichtlich auch keine hinreichend enge Verbindung zu einem früheren klösterlichen Betrieb bestehe, wie es möglicherweise bei der Übernahme einer solchen klösterlichen Einrichtung durch die Anmelderin der Fall wäre, wobei die Markenstelle sich auf eine Entscheidung des OLG Hamburg (Mitt 1998, 193 "Darguner Klosterbrauerei") stützt. Auch der Umstand, dass Teilen des Publikums, insbesondere in den neuen Bundesländern, vielleicht bekannt sei, dass die Abtei Zinna seit langem nicht mehr von einer Ordensgemeinschaft bewohnt werde, stehe einer Bewertung der angemeldeten Marke als ersichtlich täuschende Angabe nicht entgegen.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie macht geltend, dass sie ihren Sitz in den Räumen des ehemaligen Klosters Zinna habe und das Rezept für den herzustellenden Kräuterlikör ein überliefertes Rezept der Ordensgemeinschaft sei. Innerhalb der Zinnaer Abtei werde die Kräuteressenz für diesen Likör hergestellt. Die angemeldete Marke sei deshalb nicht mit der Bezeichnung "Darguner Klosterbier", die Gegenstand eines wettbewerbsrechtlichen Verfahrens vor dem OLG Hamburg war, zu vergleichen, weil das Produkt, das Gegenstand dieses gerichtlichen Verfahrens war, weder einen räumlichen noch einen personellen Bezug zu einem Kloster gehabt habe und auch nicht nach einer klösterlichen Rezeptur hergestellt worden sei. Die von der Markenstelle aufgestellten Anforderungen einer klösterlichen Eigenherstellung durch Ordensleute sowie einer hinreichend engen Verbindung zu einem früheren klösterlichen Betrieb seien überzogen und deshalb rechtlich nicht vertretbar. Die Herstellung einer maßgeblichen, geschmacks- und wirkungsbestimmenden Komponente eines Kräuterlikörs in den Räumen der ehemaligen Abtei gewährleiste einen hinreichenden klösterlichen Bezug. Eine weitergehende Erwartung des Verkehrs bestehe nicht. Bereits das OLG Hamburg habe in seiner Entscheidung insoweit festgestellt, dass auch an klösterlichen Betrieben die Entwicklung nicht spurlos vorbeigegangen sei und dass dem Verkehr insoweit bekannt sei, dass moderne Fertigungsmethoden den räumlichen Zusammenhang gelockert haben könnten, weil sich eine moderne Fertigungsstätte nicht mehr in den Räumen eines Klosters unterbringen lasse, und dass die Herstellung im Hinblick auf erfolgte Säkularisationen nicht mehr unmittelbar in den Händen von Ordensleuten sei.

Die Anmelderin beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.

II Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke steht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG nicht entgegen.

Die Zurückweisung einer Markenanmeldung nach dieser Bestimmung kommt gemäß § 37 Abs. 3 MarkenG nur in Betracht, wenn die Eignung zur Täuschung des Publikums ersichtlich ist., d.h. wenn eine Täuschung in jedem nur denkbaren Fall einer anmeldungsgemäßen Verwendung der Marke auftreten würde. Dagegen schließt die auch nur theoretische Möglichkeit einer rechtmäßigen Markenbenutzung eine ersichtliche Täuschungsgefahr aus (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 8 Rdn 564).

Die angemeldete Marke kann auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich klösterliche Produkte im Verkehr vielleicht einer besonderen Wertschätzung erfreuen (BPatGE 34, 239 - Original Klosterpforte), durchaus in nicht täuschender Weise benutzt werden. Die Anmelderin hat ihren Sitz in den Räumlichkeiten des ehemaligen Klosters Zinna. Sie verfügt über eine klösterliche Rezeptur des kräuterkundigen Zisterziensermönchs Lukas für eine Kräutermischung, die Grundlage für einen Kräuterlikör sein kann. Die aus dieser Kräutermischung gewonnene Essenz wird nach dem Vortrag der Anmelderin in den Räumen des ehemaligen Klosters Zinna produziert. Damit besteht nicht nur theoretisch die Möglichkeit, dass Erwartungen des Verkehrs, die bei der angemeldeten Bezeichnung vielleicht dahin gehen, ein Produkt nach alter klösterlicher Rezeptur aus dem Kloster Zinna zu erhalten, erfüllt werden können. Vielmehr liegt dies unter solchen Umständen sogar nahe, so daß von einer ersichtlichen Täuschungsgefahr keine Rede sein kann. Dies ist zum Ausschluss einer ersichtlichen Täuschungsgefahr bei der Verwendung von Klosternamen erforderlich, aber zugleich auch ausreichend.

Soweit die Markenstelle darüber hinaus zum Ausschluss einer ersichtlichen Täuschungsgefahr auch eine Herstellung der in Rede stehenden alkoholischen Getränke selbst in den Räumlichkeiten des Klosters Zinna als unerlässlich ansieht, geht sie dagegen von einer Erwartungshaltung der beteiligten Verkehrskreise aus, die in den heutigen klösterlichen Verhältnissen sowie den tatsächlichen Gegebenheiten bei der Produktion von "Kloster"-Produkten keine Grundlage mehr findet. Moderne Fertigungsmethoden sowie eine Herstellung und Vermarktung von Klosterprodukten in einem Umfang, der mit den ursprünglichen klösterlichen Verhältnissen nicht mehr vergleichbar ist, haben - nicht zuletzt aus Platzgründen - seit Jahrzehnten zu einer Auslagerung der Produktion von "Kloster"-Produkten aus den Klostermauern heraus sowie zu einer Übertragung der Fertigung auf andere Kräfte als die Ordensmitglieder selbst geführt. Die Kenntnis dieses Umstandes sowie der Tatsache, dass Klöster ihre Produkte heute nicht selten - wenn auch unter genauen Vorgaben für deren Zusammensetzung und Herstellungsweise - sogar von Auftragsunternehmen fertigen lassen, ist auch von dem maßgeblichen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR Int 1999, 345, 348, Nr. 36 - Sektkellerei Kessler) zu erwarten. Bei Kenntnis dieser tatsächlichen Umstände kann eine Erwartung des Durchschnittskäufers von alkoholischen Getränken, bei einer mit der angemeldeten Marke versehenen Spirituose immer ein innerhalb der Klostermauern produziertes Erzeugnis zu erhalten, vernünftigerweise nicht mehr bestehen, so dass eine entsprechende Erwartung, sofern sie im Einzelfall wegen fehlender Informiertheit doch bestehen sollte, als nicht mehr schützenswert einzustufen ist.

Selbst wenn man aber die strengere Sichtweise der Markenstelle für richtig halten wollte, könnte dies letztlich nichts an der markenrechtlichen Schutzfähigkeit der Anmeldung ändern. Jedenfalls ist auch unter solchen Voraussetzungen eine zulässige Markenbenutzung möglich; denn es ist weder theoretisch noch von vornherein ausgeschlossen, dass die Markeninhaberin unter der beanspruchten Marke ein alkoholisches Getränk vertreibt, das auch strengeren Erwartungen des Verkehrs (Herstellung in einem klösterlichen Betrieb) entsprechen könnte. Ob sie dies tatsächlich tut, kann (und muß) in einem registerrechtlichen Eintragungsverfahren nicht geprüft werden (vgl Ströbele/Hacker aaO Rn 554) und könnte (später) allenfalls Gegenstand eines wettbewerbsrechtlichen Verfahrens sein.

Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte die Zurückweisung der Anmeldung wegenersichtlicher Täuschungsgefahr keinen Bestand haben. Der Beschwerde war daher stattzugeben.

Albert Kraft Reker Na






BPatG:
Beschluss v. 05.11.2003
Az: 26 W (pat) 185/99


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