Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Januar 2002
Aktenzeichen: 10 W (pat) 23/01

(BPatG: Beschluss v. 14.01.2002, Az.: 10 W (pat) 23/01)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Prüfungsstelle 11.41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Dezember 2000 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Der Anmelder reichte am 19. Mai 1995 beim Patentamt eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Verfahren und Einrichtung zur biologischen Elimination von unerwünschten lebenden und toten Partikeln aus biologischen und anderen empfindlichen Stoffgemischen" ein.

Mit Bescheid vom 23. Juli 1996 forderte das Patentamt den Anmelder zur Einreichung der Erfinderbenennung auf. Nachdem die Frist fruchtlos verstrichen war, wies das Patentamt durch Beschluß vom 9. Dezember 1996 die Anmeldung unter Bezugnahme auf die Gründe des Bescheides vom 23. Juli 1996 zurück. Die Zustellung des Beschlusses erfolgte mittels Postzustellungsurkunde durch Niederlegung bei der Post am 13. Dezember 1996. Am 14. Januar 1997 vermerkte das Patentamt in der Akte, daß der Zurückweisungsbeschluß Rechtskraft erlangt habe. Im März 1997 kam der Beschluß, da er beim Postamt nicht abgefordert wurde, wieder zum Patentamt zurück.

Mit am 3. August 1999 eingegangenem Schriftsatz vom 30. Juli 1999 gab der nunmehr anwaltlich vertretene Anmelder an, überraschenderweise habe er anhand des Rollenstandes festgestellt, daß ein Zurückweisungsbeschluß ergangen sei, der Rechtskraft erlangt habe. Der Zurückweisungsbeschluß sei jedoch nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Dieser sei bei der Post in R... hinterlegtworden, ohne daß er eine Benachrichtigung über die Niederlegung erhalten habe; wegen der fehlenden Benachrichtigung habe er nicht wissen können, daß ein Beschluß für ihn bei der Post hinterlegt gewesen sei. Es werde daher beantragt, das Vorprüfungsverfahren fortzusetzen. Die Erfinderbenennung war diesem Schriftsatz beigefügt.

Das Patentamt teilte dem Anmelder mit Bescheid vom 16. November 1999 mit, daß ausweislich der Postzustellungsurkunde die Benachrichtigung in den Hausbriefkasten eingelegt worden und somit auch die im Beschluß genannte Frist in Gang gesetzt und abgelaufen sei; eine Abhilfe sei trotz der nunmehr vorgelegten Erfinderbenennung nicht möglich. Ebensowenig könne ein möglicherweise in Betracht gezogener Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der in § 123 PatG genannten Einjahresfrist zum Erfolg führen. Der Anmelder reichte daraufhin eine eidesstattliche Versicherung vom 14. Januar 2000 ein, in der er eidesstattlich versicherte, daß er weder am 13. Dezember 1996 noch an einem anderen Tag im Dezember 1996 eine Benachrichtigung über die Niederlegung einer Postzustellungsurkunde des Patentamts erhalten habe. Falls das Vorprüfungsverfahren nicht fortgesetzt werden könne, werde um Erlaß eines beschwerdefähigen Beschlusses gebeten.

Durch Beschluß vom 19. Dezember 2000 hat die Prüfungsstelle 11.41 des Deutschen Patent- und Markenamts den "Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" zurückgewiesen. Zur Begründung wird ua Bezug genommen auf den Bescheid vom 16. November 1999 und weiter ausgeführt, daß der Zurückweisungsbeschluß ausweislich der Postzustellungsurkunde ordnungsgemäß zugestellt worden sei und auch die eidesstattliche Versicherung nicht dazu führen könne, diese postalische Urkunde unberücksichtigt zu lassen. Am 14. Januar 1997 sei daher der Zurückweisungsbeschluß rechtskräftig geworden, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme somit nicht in Betracht.

Hiergegen wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde und trägt zur Begründung vor, wenn ihm tatsächlich eine Benachrichtigung über den Zurückweisungsbeschluß vom 9. Dezember 1996 in seinen Hausbriefkasten eingelegt worden wäre, hätte er diese auffinden müssen, was aber trotz regelmäßiger Leerung des Briefkastens im Dezember 1996 nicht der Fall gewesen sei. Möglicherweise habe der Postbote die Benachrichtigung in gutem Glauben in einen falschen Briefkasten geworfen. Seine Aussage stehe damit gegen die des Postboten. Vorsorglich werde für den in der eidesstattlichen Versicherung angegebenen Sachverhalt Zeugnis des Anmelders durch seine Vernehmung angeboten.

Der Anmelder beantragt, den Beschluß der Prüfungsstelle aufzuheben und das Vorprüfungsverfahren fortzusetzen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zu einer Zurückverweisung der Sache an das Patent- und Markenamt, § 79 Abs 3 Nr 2 PatG, weil das Verfahren vor dem Patentamt an einem wesentlichen Mangel leidet.

1. Die Prüfungsstelle hat einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Einen solchen Antrag hat der Anmelder jedoch nicht gestellt. Er hat ausdrücklich gestellt einen Antrag auf Fortsetzung des Vorprüfungsverfahrens - so wie dies im Beschwerdeschriftsatz auch noch einmal wiederholt worden ist - unter Berufung darauf, daß der Beschluß des Patentamts vom 9. Dezember 1996 nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Damit wird der Sache nach geltend gemacht, daß die Beschwerdefrist überhaupt nicht in Lauf gesetzt worden ist, mithin gerade nicht Wiedereinsetzung. Weder wörtlich noch sinngemäß kann dem Vorbringen des anwaltlich vertretenen Anmelders in seinen Schriftsätzen vom 30. Juli 1999 und 10. Februar 2000 ein Antrag auf Wiedereinsetzung entnommen werden. Einem solchen Antrag hätte im übrigen, wie die Prüfungsstelle zu Recht in ihrem Bescheid vom 16. November 1999 ausgeführt hat, auf jeden Fall die Einjahresfrist des § 123 Abs 2 Satz 4 PatG entgegengestanden.

Selbst wenn ein Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt gewesen wäre, wäre die Prüfungsstelle nicht zu der Entscheidung über die Wiedereinsetzung befugt gewesen. Der Sache nach geht es vorliegend um die Frist zur Einlegung der Beschwerde gemäß § 73 Abs 2 Satz 1 PatG gegen den Zurückweisungsbeschluß des Patentamts vom 9. Dezember 1996. Einen Wiedereinsetzungsantrag in eine etwa versäumte Beschwerdefrist darf die Prüfungsstelle nur im Rahmen eines Abhilfeverfahrens gemäß § 73 Abs 3 PatG (Fassung seit 1. 1. 2002, entspricht § 73 Abs 4 PatG aF) bescheiden, aber auch nur dann, wenn sie abhelfen und Wiedereinsetzung gewähren möchte, die Wiedereinsetzung ablehnen darf die Prüfungsstelle nicht (vgl Schulte, PatG, 6. Aufl, § 123 Rdn 161; Busse, PatG, 5. Aufl, § 73 Rdn 136; BPatGE 25, 119).

Nachdem die Prüfungsstelle daher etwas beschieden hat, was der Anmelder nicht beantragt hat und wofür sie auch nicht zur Entscheidung berufen gewesen ist, war die Sache zur Herstellung einer ordnungsgemäßen Entscheidungsgrundlage an das Patentamt zurückzuverweisen.

2. Das Patentamt wird daher den noch nicht beschiedenen Antrag auf Fortsetzung des Vorprüfungsverfahren zu bescheiden und dabei zu beachten haben, daß für einen solchen Antrag, wenn wie hier bereits ein Beschluß über die Zurückweisung der Anmeldung getroffen worden ist, kein Raum mehr ist, so daß daher ein solcher Antrag schon mangels Statthaftigkeit zurückzuweisen wäre, ohne daß in die Prüfung der ordnungsgemäßen Zustellung des Beschlusses vom 9. Dezember 1996 eingetreten werden könnte. Ein Antrag auf Weiterbehandlung nach Zurückweisung der Patentanmeldung wird gemäß Artikel 21 des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 (BGBl 3656, 3681) erst ab 1. Januar 2005 eingeführt. Richtigerweise hätte der Anmelder gegen den Zurückweisungsbeschluß vom 9. Dezember 1996 Beschwerde einlegen und mit dieser Beschwerde geltend machen müssen, daß sie nicht verspätet sei, weil die Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt worden sei. Nur in diesem Rahmen kann der Frage der ordnungsgemäßen Zustellung des Beschlusses vom 9. Dezember 1996 nachgegangen werden, wobei insbesondere auch zu prüfen sein wird, ob die Postzustellungsurkunde in dem Feld 11.3 die vorgeschriebene Unterschrift aufweist (§ 127 Abs 1 PatG iVm § 3 Abs 3 VwZG, §§195 Abs 2, 191 Nr 7 ZPO; vgl BVerwG 11 B 3/94 v 8. 2. 1994, siehe juris). Wenn daher noch Beschwerde gegen den Beschluß vom 9. Dezember 1996 eingelegt werden sollte - aus dem bisherigen Vorbringen des anwaltlich vertretenen Anmelders läßt sich dies nicht mit der gebotenen Sicherheit entnehmen - hat das Patentamt, wie bei Beschwerden üblich, die Möglichkeit einer Abhilfe zu prüfen und, wenn es nicht abhelfen will, die Beschwerde dem Patentgericht vorzulegen. Zur Entscheidung wäre dann nicht der juristische Senat, sondern ein technischer Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts berufen, da es dann um die Beschwerde gegen die Zurückweisung der Anmeldung geht.

Schülke Püschel Schuster Pr






BPatG:
Beschluss v. 14.01.2002
Az: 10 W (pat) 23/01


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