Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. November 2010
Aktenzeichen: 35 W (pat) 408/09
(BPatG: Beschluss v. 24.11.2010, Az.: 35 W (pat) 408/09)
Tenor
1.
Auf die Beschwerde der Antragsstellerin wird der Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts -Gebrauchsmusterabteilung II -vom 21. November 2008 aufgehoben.
2.
Das Gebrauchsmuster 20 2004 011 008 wird teilgelöscht, soweit es über folgende Fassung (Hilfsantrag 3) hinausgeht: Flügel für ein Fenster oder eine Tür mit einem Rahmen, dessen Schenkel aus einem einen Aufnahmefalz für eine Isolierverglasung bildenden Profil bestehen, und mit einem am Schenkelprofil auf der Rahmenaußenseite befestigbaren Halterungsprofil, das die in den Aufnahmefalz eingesetzte Isolierverglasung in einem Randabschnitt übergreift, dadurch gekennzeichnet, dass das metallische Halterungsprofil (10) eine die Außenseite des aus Kunststoff gefertigten Schenkelprofils (4) abdeckende Vorsatzschale (11) bildet, die auf das Kunststoffprofil (4) der Schenkel (3) im Wesentlichen parallel zur Rahmenebene schnappverschlussartig aufsteckbar ist, wobei das Kunststoffprofil (4) der Schenkel (3) auf der Rahmenaußenseite (5) einen Aufnahmefalz (6) für eine Isolierverglasung (7) bildet, wobei die metallische Vorsatzschale (11) das Kunststoffprofil (4) im Bereich einer äußeren Umfangsfläche (13) mit einem abgewinkelten Randabschnitt (14) übergreift und mit einem innerhalb der Vorsatzschale (11) angeordneten, begrenzt federnden Längssteg (17) in eine Längsnut (16) im Bereich einer inneren Umfangsfläche (15) des Kunststoffprofils (4) eingreift.
3.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
4.
Die Antragstellerin trägt 1/3, der Antragsgegner 2/3 der Kosten des Löschungsverfahrens in beiden Rechtszügen.
Gründe
I.
Gegen das am 14. Juli 2004 angemeldete und am 23. September 2004 eingetragene Gebrauchsmuster 20 2004 011 008 war am 10. Dezember 2007 Löschung beantragt worden. Mit Beschluss vom 21. November 2008 hat die Gebrauchsmusterabteilung II des Deutschen Patentund Markenamts den Löschungsantrag zurückgewiesen, und die Kosten des Löschungsverfahrens der Antragstellerin auferlegt (Az.: Lö I 179/07).
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 14. Januar 2009 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin.
Die Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Gebrauchsmuster in vollem Umfang zu löschen.
Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde, hilfsweise den Löschungsantrag im Umfang der heute übergebenen Hilfsanträge 1, 2, 3 und 4 zurückzuweisen.
Der dem Beschwerdeverfahren zugrundeliegende und als Hauptantrag verteidigte Schutzanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
1. Flügel für ein Fenster oder eine Tür mit einem Rahmen, dessen Schenkel aus einem einen Aufnahmefalz für eine Isolierverglasung bildenden Profil bestehen, und mit einem am Schenkelprofil auf der Rahmenaußenseite befestigbaren Halterungsprofil, das die in den Aufnahmefalz eingesetzte Isolierverglasung in einem Randabschnitt übergreift, dadurch gekennzeichnet, dass das metallische Halterungsprofil (10) eine die Außenseite des aus Kunststoff gefertigten Schenkelprofils (4) abdeckende Vorsatzschale (11) bildet, die auf das Kunststoffprofil (4) der Schenkel (3) im Wesentlichen parallel zur Rahmenebene schnappverschlussartig aufsteckbar ist.
Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lautet:
1. Flügel für ein Fenster oder eine Tür mit einem Rahmen, dessen Schenkel aus einem einen Aufnahmefalz für eine Isolierverglasung bildenden Profil bestehen, und mit einem am Schenkelprofil auf der Rahmenaußenseite befestigbaren Halterungsprofil, das die in den Aufnahmefalz eingesetzte Isolierverglasung in einem Randabschnitt übergreift, dadurch gekennzeichnet, dass das metallische Halterungsprofil (10) eine die Außenseite des aus Kunststoff gefertigten Schenkelprofils (4) abdeckende Vorsatzschale (11) bildet, die auf das Kunststoffprofil (4) der Schenkel (3) im Wesentlichen parallel zur Rahmenebene schnappverschlussartig aufsteckbar ist, wobei das Kunststoffprofil (4) der Schenkel (3) auf der Rahmenaußenseite (5) einen Aufnahmefalz (6) für eine Isolierverglasung (7) bildet.
Der Schutzanspruch nach Hilfsantrag 2 lautet:
Anordnung aus einem Stockrahmen (1) und einem Flügel für ein Fenster oder eine Tür mit einem Rahmen (2), dessen Schenkel aus einem einen Aufnahmefalz für eine Isolierverglasung bildenden Profil bestehen, und mit einem am Schenkelprofil auf der Rahmenaußenseite befestigbaren Halterungsprofil, das die in den Aufnahmefalz eingesetzte Isolierverglasung in einem Randabschnitt übergreift, dadurch gekennzeichnet, dass das metallische Halterungsprofil (10) eine die Außenseite des aus Kunststoff gefertigten Schenkelprofils (4) abdeckende Vorsatzschale (11) bildet, die auf das Kunststoffprofil (4) der Schenkel (3) im Wesentlichen parallel zur Rahmenebene schnappverschlussartig aufsteckbar ist, wobei das Kunststoffprofil (4) der Schenkel (3) auf der Rahmenaußenseite (5) einen Aufnahmefalz (6) für eine Isolierverglasung (7) bildet und der Stockrahmen (1) mit einem angepassten Metallprofil (20) abgedeckt ist, das in der Schließstellung des Fensters oder der Tür den Randabschnitt (14) der Vorsatzschale (11) des Schenkels (3) übergreift, so dass das Halterungsprofil (10) in der Schließstellung des Flügels auch nicht mit Gewalt aus dem Schnappverschluss gelöst werden kann.
Der Schutzanspruch nach Hilfsantrag 3 lautet:
Flügel für ein Fenster oder eine Tür mit einem Rahmen, dessen Schenkel aus einem einen Aufnahmefalz für eine Isolierverglasung bildenden Profil bestehen, und mit einem am Schenkelprofil auf der Rahmenaußenseite befestigbaren Halterungsprofil, das die in den Aufnahmefalz eingesetzte Isolierverglasung in einem Randabschnitt übergreift, dadurch gekennzeichnet, dass das metallische Halterungsprofil (10) eine die Außenseite des aus Kunststoff gefertigten Schenkelprofils (4) abdeckende Vorsatzschale (11) bildet, die auf das Kunststoffprofil (4) der Schenkel (3) im Wesentlichen parallel zur Rahmenebene schnappverschlussartig aufsteckbar ist, wobei das Kunststoffprofil (4) der Schenkel (3) auf der Rahmenaußenseite (5) einen Aufnahmefalz (6) für eine Isolierverglasung (7) bildet, wobei die metallische Vorsatzschale (11) das Kunststoffprofil (4) im Bereich einer äußeren Umfangsfläche (13) mit einem abgewinkelten Randabschnitt (14) übergreift und mit einem innerhalb der Vorsatzschale (11) angeordneten, begrenzt federnden Längssteg (17) in eine Längsnut (16) im Bereich einer inneren Umfangsfläche (15) des Kunststoffprofils (4) eingreift.
Im Beschwerdeverfahren wurde folgender Stand der Technik zitiert:
D1: DE 2311 970 A D2: EP 1 0669 272 A1 D3: DE 3 142 690 A1.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, sie ist auch teilweise begründet. Denn der Löschungsantrag ist begründet, soweit der angegriffene Gegenstand über den Schutzanspruch in der mit Hilfsantrag 3 verteidigten Fassung hinausgeht, im Übrigen ist er unbegründet. Der geltend gemachte Löschungsanspruch der mangelnden Schutzfähigkeit (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG) ist nur in diesem beschränkten Umfang gegeben.
a) Zum Hauptantrag a1) Zulässigkeit des Schutzanspruchs 1 gemäß Hauptantrag Die im Schutzanspruch 1 enthaltenen Merkmale sind ursprünglich offenbart, dieser Schutzanspruch ist damit zulässig. Gegenteilige Aspekte sind von der Antragstellerin auch nicht geltend gemacht worden.
a2) Schutzfähigkeit des Schutzanspruchs 1 gemäß Hauptantrag Der Gegenstand dieses Schutzanspruchs ist nicht neu. Die D1 zeigt einen Flügel für ein Fenster oder eine Tür mit einem Rahmen (vgl. Fig. 2). Die Rahmenschenkel bestehen aus einem Profil 1, das selbstverständlich auch ohne explizite Erwähnung mit einem Aufnahmefalz für eine Isolierverglasung ausgebildet sein muss. Der Flügel hat einen am Schenkelprofil auf der Rahmenaußenseite befestigbares Halterungsprofil 2, das die in den Aufnahmefalz eingesetzte Isolierverglasung in einem Randabschnitt übergreift. Das metallische Halterungsprofil 2 (vgl. Anspruch 2) bildet eine die Außenseite des aus Kunststoff gefertigten Schenkelprofils 1 (vgl. Anspruch 1) bedeckende Vorsatzschale (vgl. Fig. 2), die auf das Kunststoffprofil 1 des Rahmenschenkels im Wesentlichen parallel zur Rahmenebene schnappverschlussartig aufgesteckt ist. Dieser bekannte Flügel weist somit alle Merkmale des beanspruchten Flügels auf. Der Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag hat daher keinen Bestand.
b) Zum Hilfsantrag 1 b1) Zulässigkeit des Schutzanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 Die in diesen Schutzanspruch zusätzlich aufgenommenen Merkmale sind der Beschreibung Abs. [0008] zu entnehmen. Der Schutzanspruch 1 des Hilfsantrages 1 ist damit zulässig.
b2) Zur Schutzfähigkeit des Schutzanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 Der Gegenstand dieses Schutzanspruchs mag zwar neu sein, er weist jedoch nicht den erforderlichen erfinderischen Schritt auf. Das zusätzlich in den Schutzanspruch 1 aufgenommene Merkmal besteht darin, dass das Kunststoffprofil 4 der Schenkel 3 auf der Rahmenaußenseite 5 einen Aufnahmefalz 6 für eine Isolierverglasung 7 bildet. Die D1 hat, wie zuvor ausgeführt, einen Aufnahmefalz, über dessen Ausbildung der D1 jedoch keine weitergehenden Ausführungen zu entnehmen sind. Die D3 aber zeigt in Figur 2 ein Kunststoffprofil 1 mit einem von der Rahmenaußenseite sich nach innen erstreckenden Aufnahmefalz für eine Isolierverglasung. Der Fachmann, ein Kunststofftechniker mit einigen Jahren Berufserfahrung in der Konstruktion und Herstellung von Fenstern und Türen, dem im Übrigen Profile mit Ausnehmungen für Aufnahmefalze hinlänglich bekannt sind, greift im Bedarfsfall auf das bekannte Profil nach der D3 zurück und kommt somit ausgehend vom Flügel nach der D1 zusammen mit der Lehre nach der D3 in naheliegender Weise zum Flügel nach Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1. Der Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist damit nicht gewährbar.
c) Zum Hilfsantrag 2 c1) Zulässigkeit des Schutzanspruchs gemäß Hilfsantrag 2 Die in diesen Schutzanspruch zusätzlich aufgenommenen Merkmale sind der Gebrauchsmusterschrift Abs. [0010] zu entnehmen. Der Schutzanspruch des Hilfsantrages 2 ist damit zulässig.
c2) Zur Schutzfähigkeit des Schutzanspruchs nach Hilfsantrag 2. Der Gegenstand dieses Schutzanspruchs mag zwar neu sein, er weist jedoch nicht den erforderlichen erfinderischen Schritt auf.
Der Gegenstand des Schutzanspruchs gemäß Hilfsantrag 2 betrifft eine Anordnung aus einem Stockrahmen 1 und einem Flügel für ein Fenster oder eine Tür mit einem Rahmen. Das zusätzlich in den Schutzanspruch aufgenommene Merkmal besteht darin, dass der Stockrahmen 1 mit einem angepassten Metallprofil 20 abgedeckt ist, das in der Schließstellung des Fensters oder der Tür den Randabschnitt 14 der Vorsatzschale 11 des Schenkels 3 übergreift, so dass das Halterungsprofil 10 in der Schließstellung des Flügels auch nicht mit Gewalt aus dem Schnappverschluss gelöst werden kann.
Die D3 zeigt in Figur 3 auch eine Anordnung aus einem Stockrahmen und einem Flügel für ein Fenster oder eine Tür mit einem Rahmen. Der Stockrahmen ist mit einem angepassten Metallprofil 14 abgedeckt, das in der Schließstellung des Fensters oder der Tür den Randabschnitt 5 der Vorsatzschale des Schenkels übergreift (vgl. Fig. 3 bei Bezugszeichen 9), so dass das Halterungsprofil 5 in der Schließstellung des Flügels auch nicht mit Gewalt gelöst werden kann. Der Fachmann erkennt beim Stand der Technik nach der D1 ohne weiteres, dass das dort gezeigte Halterungsprofil 2 von außen leicht aus dem Schnappverschluss herausgedrückt werden kann, weil der Randabschnitt des Halterungsprofils 2 frei von außen zugänglich ist. Wie dies auf einfache Weise verhindert werden kann, lehrt u. a. die D3, wie oben ausgeführt, weil dort gezeigt wird, wie auf einfache Weise das Aushebeln des Halterungsprofils erheblich erschwert wird. Somit ergibt sich die Anordnung nach dem Schutzanspruch gemäß Hilfsantrag 2 ebenfalls in naheliegender Weise aus der D1 und der D3. Der Schutzanspruch gemäß Hilfsantrag 2 ist damit nicht gewährbar.
d) Zum Hilfsantrag 3 d1) Zulässigkeit des Schutzanspruchs gemäß Hilfsantrag 3 Die im Vergleich zum Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 in diesen Schutzanspruch zusätzlich aufgenommenen Merkmale sind dem ursprünglichen Schutzanspruch 2 zu entnehmen. Der Schutzanspruch des Hilfsantrages 3 ist damit zulässig.
d2) Zur Schutzfähigkeit des Schutzanspruchs nach Hilfsantrag 3. Der Gegenstand dieses Anspruchs ist neu und beruht auch auf einem erfinderischen Schritt.
Der Gegenstand des Schutzanspruchs gemäß Hilfsantrag 3 weist gegenüber dem Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 noch das Merkmal auf, wonach die metallische Vorsatzschale 11 das Kunststoffprofil 4 im Bereich einer äußeren Umfangsfläche 13 mit einem abgewinkelten Randabschnitt 14 übergreift und mit einem innerhalb der Vorsatzschale 11 angeordneten, begrenzt federnden Längssteg 17 in eine Längsnut 16 im Bereich einer inneren Umfangsfläche 15 des Kunststoffprofils 4 eingreift. Dieses Merkmal ist so zu verstehen, dass der Randabschnitt 14 eine Abwinklung am Rand der Vorsatzschale ist, die das Kunststoffprofil an der dem Falz gegenüberliegenden Kante übergreift, die zusammen mit dem begrenzt federnden Längssteg 17 in der Längsnut 16 die schnappverschlussartige Verbindung am Kunststoffprofil bewirkt und die ein Verschieben der Vorsatzschale parallel zu Isolierverglasung verhindert.
Diese Festlegung der Vorsatzschale am Kunststoffprofil ist ohne Vorbild im Stand der Technik. Zwar zeigt die D1 auch eine schnappverschlussartige Verbindung der Vorsatzschale am Kunststoffprofil, aber dort erfolgt die Festlegung über zwei federnde Längsstege mit Endverdickung, die schnappverschlussartig nach dem Aufstecken eine hinterschnittene Längsnut hintergreifen. Wegen des völlig anderen Aufbaus dieser schnappverschlussartigen Verbindung zwischen der Längsnut am Kunststoffprofil und der Vorsatzschale kann die D1 weder Anregungen noch Hinweise auf die oben erläuterte Ausbildung des Flügels gemäß dem Schutzanspruch des Hilfsantrags 3 geben. Die Flügel nach der D2 und der D3 liegen erkennbar (u. a. mangels schnappverschlussartiger Befestigung der Vorsatzschale) weiter ab und können damit ebenfalls keinen zur Lehre des Schutzanspruchs gemäß Hilfsantrag 3 führenden Weg aufzeigen.
Der Schutzanspruch des Hilfsantrags 3 ist daher gewährbar.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 3, S. 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2S.1 und2 PatG, § 92 Abs. 1ZPO.
Müllner Hildebrandt Küest Cl
BPatG:
Beschluss v. 24.11.2010
Az: 35 W (pat) 408/09
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