Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 25. Juni 2008
Aktenzeichen: II ZB 39/07
(BGH: Beschluss v. 25.06.2008, Az.: II ZB 39/07)
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 17. Januar 2006 wird zurückgewiesen, soweit darüber nicht im Beschluss des Kammergerichts vom 31. Oktober 2007 entschieden ist.
Gründe
I. Die Antragsteller und die Antragsgegnerin zu 2 (im Folgenden: Antragsgegnerin) waren Aktionäre der M. AG (im Folgenden: M. ), deren Hauptversammlung am 1. Juli 2004 beschloss, den Vorstand zu ermächtigen, bei der Zulassungsstelle der Börse Berlin-Bremen den Widerruf der Zulassung der Aktien zum Handel am amtlichen Markt zu beantragen (sog. Delisting). Auf Antrag der M. widerrief die Börse Berlin-Bremen die Zulassung der Aktien zum amtlichen Markt, was am 19. Oktober 2004 durch eine Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und am 20. Oktober 2004 im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht wurde. Die Antragsgegnerin, die mit 49,95 % des Grundkapitals an der M. beteiligt war, hatte den Aktionären der M. angeboten, unter der Voraussetzung des Zustandekommens des Delisting-Beschlusses für jede Aktie 1,70 € zu bezahlen. Die Antragsteller haben beim Landgericht Berlin die Durchführung eines Spruchverfahrens beantragt. Das Landgericht Berlin hat durch Beschluss festgestellt, dass die Anträge der Antragsteller zu 1-12 zulässig seien, soweit sie sich gegen die Antragsgegnerin richteten. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Kammergericht den Beschluss des Landgerichts Berlin teilweise abgeändert und die Anträge der Antragsteller zu 5, 7 und 8 zurückgewiesen. Soweit sich die Beschwerde auf die Anträge der Antragsteller zu 1, 4, 6, 9, 10, 11 und 12 bezieht, hat es die Sache nach § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt und sie im Übrigen - betreffend die Antragsteller zu 2 und 3 - zurückgewiesen.
Das Kammergericht (ZIP 2007, 2352) möchte der sofortigen Beschwerde auch hinsichtlich der Antragsteller zu 1, 4, 6, 9, 10, 11 und 12 stattgeben. Es hält ihre Anträge für unzulässig, weil sie entgegen dem analog anzuwendenden § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 3 Satz 2, 3 SpruchG nicht innerhalb der Antragsfrist durch Urkunden nachgewiesen hätten, dass sie zum Zeitpunkt der Antragstellung Aktionäre waren. An einer dem Rechtsmittel stattgebenden Entscheidung sieht es sich durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13. September 2004 (20 W 13/04, ZIP 2004, 1907), den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Oktober 2005 (20 W 226/05, DB 2005, 2626) und den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. Februar 2005 (I-19 W 12/04 AktE, ZIP 2005, 1369) gehindert, weil es bei Befolgung der dort geäußerten Rechtsansicht, innerhalb der Antragsbegründungsfrist müsse die Antragsberechtigung nur dargelegt werden, der Nachweis könne aber auch noch nach ihrem Ablauf erbracht werden, die sofortige Beschwerde zurückweisen müsste. Es hat daher die Sache gemäß §§ 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG, 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Bundesgerichtshof sind gegeben.
1. Die Beschwerde gegen eine Zwischenentscheidung des Landgerichts im Spruchverfahren kann in entsprechender Anwendung der §§ 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG, 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof vorgelegt werden.
2. Zutreffend ist das Kammergericht davon ausgegangen, dass die Vorlagepflicht nicht entfällt, weil die Entscheidungen der Oberlandesgerichte Stuttgart, Frankfurt und Düsseldorf in Spruchverfahren zu anderen Strukturmaßnahmen - zu einem Gewinnabführungsvertrag bzw. einem Ausschluss - ergangen sind. Eine beabsichtigte Abweichung im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG liegt auch vor, wenn die Entscheidung, von der abgewichen werden soll, nicht zu demselben Tatbestand ergangen ist, aber die gleiche Rechtsfrage zu beurteilen ist. Maßgeblich ist allein, dass die Rechtsfrage die gleiche ist (Senat BGHZ 166, 329, 331 Tz. 6). Die Rechtsfrage, ob nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SpruchG i.V.m. § 3 SpruchG die Stellung als Aktionär innerhalb der Antragsfrist nachgewiesen werden muss, stellt sich in Spruchverfahren nach verschiedenen Strukturmaßnahmen in gleicher Weise.
III. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Die Beschwerde gegen die Entscheidung, die die Zulässigkeit der Anträge feststellt, ist statthaft. Nach §§ 19 Abs. 1 FGG, 17 Abs. 1 SpruchG findet gegen Verfügungen des Gerichts erster Instanz die Beschwerde statt. Solche Verfügungen sind Entscheidungen des Gerichts mit Außenwirkung, damit insbesondere Zwischenentscheidungen, die unmittelbar in die Rechtssphäre der Beteiligten eingreifen (BayObLG ZIP 2002, 935; BayObLG ZIP 2004, 1952; OLG Stuttgart ZIP 2004, 1907; OLG Düsseldorf ZIP 1997, 1420; OLG Frankfurt NZG 2006, 153). Die Antragsgegnerin wird durch die Entscheidung des Landgerichts, dass ein Spruchverfahren mit den Antragstellern stattfindet, in ihrer Rechtssphäre betroffen.
2. Die Anträge der Antragsteller zu 1, 4, 6, 9, 10, 11 und 12 sind zulässig.
a) Nach einem regulären Delisting, bei dem die Gesellschaft, die den Widerruf der Börsenzulassung beantragt, oder deren Großaktionär ein Kaufangebot unterbreitet haben, findet zur Überprüfung der Angemessenheit des gebotenen Preises ein Spruchverfahren statt, auf das die Regelungen des Spruchverfahrensgesetzes entsprechend anzuwenden sind, wie der Senat bereits vor Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes entschieden hat (BGHZ 153, 47, 57 - Macrotron). Der Gesetzgeber ist dieser Rechtsprechung mit der Anordnung eines Barabfindungsangebots im Fall der Verschmelzung einer börsennotierten Aktiengesellschaft auf eine nichtbörsennotierte Aktiengesellschaft gefolgt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 UmwG idF des Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes, BGBl. I S. 542), so dass für die verfassungsrechtlichen Bedenken der Antragsgegnerin, es liege eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung vor, kein Raum ist.
Nach seinem Inkrafttreten sind auf dieses Spruchverfahren die Vorschriften des Spruchverfahrensgesetzes entsprechend anwendbar (OLG Koblenz AG 2007, 822; Hüffer, AktG 9. Aufl. Anh. §§ 305, 1 SpruchG Rdn 7; Simon, SpruchG § 1 Rdn. 44; Büchel, NZG 2003, 793, 794; van Kann/Hirschmann, DStR 2003, 1488, 1490; Vetter, ZHR 168 (2004), 8, 40; Grunewald, ZIP 2004, 542, 543; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. § 1 SpruchG Rdn. 4; zweifelnd Bungert/Mennicke, BB 2003, 2021, 2022; a.A. Krämer/Theiss, AG 2003, 225, 241). Der entsprechenden Anwendung des Spruchverfahrensgesetzes steht nicht entgegen, dass das reguläre Delisting nicht im Katalog der Maßnahmen enthalten ist, die nach § 1 SpruchG zu einem Spruchverfahren führen. Die Aufzählung ist nicht abschließend. Der Gesetzgeber hat auf die Aufnahme der Überprüfung des Ausgleichs nach § 5 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 2 EGAktG bei der Abschaffung von Mehrstimmrechten ausdrücklich verzichtet, obwohl er insoweit von der Anwendung des Spruchverfahrensgesetzes ausging (BT-Drucks. 15/371 S. 12). Nach Bekanntwerden der Macrotron-Entscheidung hielt er eine Anpassung von § 1 SpruchG nicht für erforderlich, weil die Vorschrift einer analogen Anwendung nicht entgegenstehe (BT-Drucks. 15/838 S. 16). An die Stelle der §§ 306 AktG, 305 ff. UmwG, die der Senat vor Inkrafttreten für das Spruchverfahren nach einem regulären Delisting heranzog, sind die Vorschriften des Spruchverfahrensgesetzes getreten.
b) Das Kammergericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Antragsteller in einem Spruchverfahren nach einem regulären Delisting ihre Anträge entsprechend § 4 SpruchG innerhalb einer Frist von drei Monaten, beginnend mit der Veröffentlichung des Widerrufs der Börsenzulassung in einem überregionalen Börsenpflichtblatt, einreichen und begründen müssen. Die analoge Anwendung der Vorschriften des Spruchverfahrensgesetzes erstreckt sich auch auf die Antragsfrist und den Begründungszwang. Mit der Befristung soll in einem überschaubaren Zeitraum Klarheit darüber geschaffen werden, ob eine angebotene Kompensation in Zweifel gezogen wird. Das Begründungserfordernis soll verhindern, dass ein Antragsteller ohne jede sachliche Erläuterung ein Überprüfungsverfahren in Gang setzen kann, und es soll den Verfahrensstoff eingrenzen. An die Stelle der Bekanntmachung der Eintragung der Strukturmaßnahme im Handelsregister, mit der in den gesetzlich geregelten Fällen nach § 4 Abs. 1 SpruchG die Antragsfrist beginnt, tritt die Veröffentlichung des Widerrufs der Börsenzulassung in einem überregionalen Börsenpflichtblatt (vgl. BayObLG ZIP 2005, 205; OLG Zweibrücken ZIP 2004, 1666; ZIP 2007, 2438). Sie entspricht in ihrer Funktion der Verlautbarung der Strukturmaßnahme durch die Bekanntmachung der Eintragung ins Handelsregister, die bei einem Delisting nicht vorgesehen ist.
c) Die Antragsteller zu 1, 4, 6, 9, 10, 11 und 12 haben ihre Anträge innerhalb der Antragsfrist entsprechend den Anforderungen von § 4 Abs. 2 SpruchG begründet, weil sie - neben den anderen nach § 4 Abs. 2 Satz 2 SpruchG erforderlichen Angaben - jeweils mitgeteilt haben, bei Eingang des Antrags Aktionäre der M. zu sein. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SpruchG sind in der Anspruchsbegründung die Umstände zu bezeichnen, aus denen sich die Antragsberechtigung ergibt, aber keine Nachweise, auch nicht zur Stellung als Aktionär, beizubringen (OLG Stuttgart ZIP 2004, 1907; OLG Düsseldorf ZIP 2005, 1369; OLG Frankfurt DB 2005, 2626; NZG 2006, 151 und 153; ZIP 2006, 1137 und 1419; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. § 4 SpruchG Rdn. 14; Volhard in Semler/Stengel UmwG, 2. Aufl. § 3 SpruchG Rdn. 12; a.A. Bungert/Mennicke, BB 2003, 2021, 2025; Wasmann, WM 2004, 819, 822; Wasmann/Gayk, BB 2005, 955, 956; Wasmann in Kölner Komm.z.SpruchG § 3 Rdn. 23; Hüffer, AktG 9. Aufl. Anh. § 305, § 3 SpruchG Rdn. 7 und § 4 SpruchG Rdn. 7; Leuering in Simon, SpruchG § 4 Rdn. 39; Lutter/Krieger, UmwG 3. Aufl. § 4 SpruchG Rdn. 11; Klöcker/Frowein, SpruchG § 3 Rdn. 32).
aa) Begrifflich wird in § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SpruchG nur die Darlegung der Antragsberechtigung in der Antragsbegründung verlangt. Darlegung ist im Unterschied zum Beweis oder Nachweis als dem Beleg einer Tatsache die bloße Darstellung eines Sachverhalts. Auch besteht eine Begründung, als deren Teil die Darlegung der Antragsberechtigung ausdrücklich bezeichnet ist, in der Angabe von Tatsachen, aus denen sich ein Anspruch oder ein Recht ergeben soll oder die einen Antrag als begründet erscheinen lassen sollen. Der Nachweis oder der Beweis der behaupteten Tatsachen ist regelmäßig nicht Teil der Begründung.
bb) Eine Pflicht zu einem Nachweis innerhalb der Antragsfrist folgt aus dem Verweis in § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SpruchG auf § 3 SpruchG nicht. Die Darlegung der Antragsberechtigung "nach § 3 SpruchG" bezieht sich darauf, dass der Antragsteller in der Antragsbegründung vortragen muss, zu dem in § 3 Satz 1 und Satz 2 SpruchG für die jeweilige Strukturmaßnahme genannten Zeitpunkt Anteilsinhaber zu sein bzw. gewesen zu sein. Auf eine Darlegung in der Form eines Nachweises, wie das Kammergericht meint, wird damit nicht verwiesen. § 3 Satz 3 SpruchG begründet keine eigenständige Nachweispflicht, sondern beschränkt den Nachweis der Stellung als Aktionär auf Urkunden und schließt andere Beweismittel aus.
Dieses Verständnis bestätigt die Entstehungsgeschichte von § 3 SpruchG. Dass mit der Darlegung in der Antragsbegründung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SpruchG auch ein Nachweis verbunden sein sollte, ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sollte ursprünglich eine Pflicht zur Darlegung der Antragsberechtigung nur in den Fällen von § 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 SpruchG bestehen (BT-Drucks. 15/371 S. 6). Der Bundesrat bat, dass auch für einen schlüssigen Antrag nach § 3 Satz 1 Nr. 2 SpruchG die Stellung als ausgeschiedener Aktionär in vergleichbarer Weise vorzutragen sei (BT-Drucks. 15/371 S. 22). Mit der Verweisung auf § 3 SpruchG statt nur auf § 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 SpruchG sollte diesem Begehren des Bundesrates entsprochen werden (Gegenäußerung der Bundesregierung BT-Drucks. 15/371 S. 27 und Bericht des Rechtsausschusses BT-Drucks. 15/838 S. 16).
Ein Wille des Gesetzgebers, einen Nachweis der Aktionärsstellung innerhalb der Antragsfrist zu verlangen, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Zwar waren die Verfasser des Regierungsentwurfs des Spruchverfahrensneuordnungsgesetzes möglicherweise der Auffassung, dass mit dem Antrag oder der Antragsbegründung der Nachweis der Stellung als Aktionär vorzulegen sei. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs sollte dem Antragsteller in § 3 Satz 3 SpruchG auferlegt sein, die Eigenschaft als Aktionär bei Antragstellung allein durch Urkunden zu belegen. Der Aktionär sei in allen Fällen in der Lage, seine Aktionärsstellung auf einfache Weise innerhalb der Antragsfrist nachzuweisen (BT-Drucks. 15/371 S. 13). Diese sowohl hinsichtlich einer Pflicht zu einem Nachweis als auch hinsichtlich des Endes einer etwaigen Nachweisfrist unklare Äußerung der Entwurfsverfasser hat in § 3 SpruchG keinen Niederschlag gefunden. Darauf, dass aus dem Gesetzestext nicht hervorgeht, dass ein Antrag ohne Nachweis die Antragsfrist nicht wahrt, wurde bereits während des Gesetzgebungsverfahrens hingewiesen (DAV-Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Spruchverfahrensneuordnungsgesetzes ZIP 2003, 552, 553), ohne dass der Gesetzgeber die Anregung aufgegriffen hat, zur gebotenen Klarstellung eine Nachweisfrist in den Gesetzestext aufzunehmen.
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Kammergerichts auch nicht daraus, dass die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren zur Einführung der SE einer Anregung des Bundesrates entgegengetreten ist, wegen praktischer Schwierigkeiten mit einem Nachweis der Aktionärsstellung innerhalb der Antragsfrist in § 4 Abs. 2 SpruchG eine ausdrückliche Regelung aufzunehmen, wonach der Nachweis der Antragsberechtigung innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist in der Form des § 3 Satz 3 SpruchG zu erbringen sei. Die Bundesregierung hat einer Gesetzesänderung allein mit dem Hinweis darauf widersprochen, dass das Spruchverfahren erst im Jahre 2003 durch das Spruchverfahrensgesetz novelliert worden sei und deshalb für eine erneute Änderung kein Bedürfnis bestehe (BT-Drucks. 15/3656 S. 7 und 10). Rückschlüsse auf den Inhalt des ein Jahr zuvor in Kraft getretenen Spruchverfahrensgesetzes können daraus nicht gezogen werden.
cc) Eine Beschränkung der Antragsbegründung auf die Darstellung der Antragsberechtigung entspricht auch dem Zweck der Einführung einer Begründungspflicht im Spruchverfahren. Sie soll verhindern, dass ein Antragsteller ohne jede sachliche Erläuterung ein Überprüfungsverfahren in Gang setzen kann. Der Verfahrensstoff soll eingegrenzt und das Verfahren insgesamt beschleunigt werden. Schon aufgrund der Darstellung der Antragsberechtigung können Gericht und Antragsgegner überprüfen, ob der Antragsteller nach seiner eigenen Darlegung überhaupt zum Kreis der Antragsberechtigten nach § 3 Satz 1 und 2 SpruchG zählt, die ein Spruchverfahren in Gang setzen können. Die Antragsberechtigung kann damit außer Streit gestellt oder alsbald geklärt und so der Verfahrensstoff auf die erhobenen Bewertungsrügen beschränkt werden.
Hingegen widerspricht es der mit der Einführung der Begründungspflicht beabsichtigten Einschränkung der Amtsermittlung und Eingrenzung des Verfahrensstoffs, wenn die Antragsteller gezwungen werden, innerhalb der Antragsfrist auch einen Nachweis über ihre Aktionärsstellung vorzulegen. Ein Nachweis ist entbehrlich, wenn der Antragsgegner die Stellung des Antragstellers als Aktionär kennt, wie etwa bei Namensaktionären, wenn der Antragsgegner das Aktienregister führt. Bei einem bekannten Großaktionär oder einem seit langem beteiligten Aktionär kann die Stellung als Aktionärs dem Antragsgegner ebenfalls bekannt sein. Eine fristgebundene Nachweispflicht führte dagegen zu einer zusätzlichen Belastung der Gerichte. Das Eingangsgericht müsste - schon um dem Anspruch der Antragsteller auf rechtliches Gehör zu genügen - jeden vorgelegten Nachweis sofort überprüfen, um Bedenken zu äußern und Gelegenheit zur fristgerechten Abhilfe gewähren zu können (§§ 8 Abs. 3 SpruchG, 139 Abs. 3 ZPO), selbst wenn der Antragsgegner die Antragsberechtigung gar nicht in Abrede stellt und daran keine Zweifel bestehen.
Eine Auslegung, nach der der Nachweis innerhalb der Antragsbegründungsfrist vorzulegen ist, wäre bedenklich, weil sie den Zugang zu den Gerichten jedenfalls für die Antragsteller erschwert, deren Antragsberechtigung nur gegeben ist, wenn sie zum Zeitpunkt der Antragstellung Anteilsinhaber sind (§ 3 Satz 2 SpruchG). Der Zugang zu den Gerichten darf nicht in unzumutbarer Weise erschwert werden, insbesondere dürfen vom Gesetz eingeräumte Fristen bis zu ihrer Grenze ausgenutzt werden (BVerfGE 40, 42, 44; 41, 323, 328; 69, 381, 385), und es muss für den Rechtsuchenden klar erkennbar sein, was er zu tun hat, um einen Rechtsverlust zu vermeiden (BVerfG NJW 2005, 3345). Der Antragsteller, der im Zeitpunkt der Antragstellung Anteilsinhaber sein muss, kann die Antragsfrist nicht ausschöpfen, wenn er innerhalb der Antragsfrist auch einen Nachweis vorlegen muss. Ein solcher Antragsteller kann seine Antragsberechtigung außer durch die Vorlage von heute häufig nicht mehr vorhandenen (§§ 10 Abs. 5 AktG, 9 a Abs. 3 Satz 2 DepotG) effektiven Stücken erst nach dem Eingang seines Antrags durch einen Depotauszug oder eine entsprechende Bescheinigung nachweisen. Um diesen Nachweis innerhalb der Antragsfrist beibringen zu können, müsste er den Antrag so zeitig vor ihrem Ablauf stellen, dass er bei Gericht den Zeitpunkt des Antragseingangs erfragen und noch eine Bescheinigung des Depotinstituts erhalten kann. Dass der Antragsteller eine Erklärung des depotführenden Instituts, keine Verfügungen über die Aktien zuzulassen, vorlegt, ist entgegen der Ansicht des Kammergerichts kein geeigneter Weg, um die Antragsfrist ausschöpfen zu können. Eine solche Depotbestätigung mit einem Sperrvermerk ist selbst bei weiter Auslegung des Urkundenbegriffs in § 3 Satz 3 SpruchG kein urkundlicher Nachweis der Aktionärsstellung mehr, weil neben die Bescheinigung über einen Bestand von Aktien im Depot eine Versicherung der Depotbank treten muss, keine Verfügungen über die Aktien zuzulassen, die zudem keine dingliche Wirkung hat und Verfügungen über den Depotbestand nicht verhindert (vgl. BayObLG ZIP 2004, 2285).
Eine solche Erschwerung des Zugangs zu den Gerichten lässt sich auch nicht mit dem Anliegen rechtfertigen, Spruchverfahren zu beschleunigen. Eine Verzögerung der Sachentscheidung tritt nicht ein, wenn der Antragsgegner Bedenken gegen die Antragsberechtigung in der schriftlichen Erwiderung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SpruchG vorbringt und das Gericht die betroffenen Antragsteller zur Vorlage eines Nachweises innerhalb der Replikfrist nach § 7 Abs. 4 Satz 2 SpruchG auffordert. Vor Ablauf dieser Frist ist eine Entscheidung in der Sache auch nicht möglich, wenn der Nachweis bereits mit dem Antrag vorgelegt wird.
Formale Anforderungen können nicht allein zu dem Zweck aufgestellt werden, Anteilsinhaber von einem verfassungsrechtlich gebotenen gerichtlichen Verfahren - hier zur Überprüfung einer Kompensation nach einer Strukturmaßnahme - auszuschließen.
3. Die Antragsteller zu 1, 4, 6, 9, 10, 11 und 12 haben ihre Antragsberechtigung durch Urkunden im Sinn von § 3 Satz 3 SpruchG nachgewiesen. Sie haben innerhalb der vom Landgericht gesetzten Frist Depot- oder Bestandsbescheinigungen vorgelegt, aus denen sich jeweils bezogen auf den Zeitpunkt des Antragseingangs ergibt, dass sie Aktionäre waren. Maßgebender Zeitpunkt ist beim regulären Delisting entsprechend § 3 Satz 2 SpruchG der Zeitpunkt der Antragstellung (vgl. BayObLG ZIP 2005, 205 zur Rechtslage vor Inkrafttreten des SpruchG; Wasmann, WM 2004, 819, 821; Leuering in Simon, SpruchG § 3 Rdn. 58). Nach § 3 Satz 2 SpruchG sind Anteilsinhaber außer in den Fällen, in denen sie aufgrund der Strukturmaßnahme ausgeschieden sind, nur antragsbefugt, wenn sie noch im Zeitpunkt der Antragstellung Anteilsinhaber sind. Dem Aktionär steht es nach einem regulären Delisting frei, das Kaufangebot anzunehmen, und er scheidet nicht schon aufgrund des Delistings aus.
IV. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Billigkeit gebietet nicht, von der Kostenverteilung in § 15 Abs. 2 und 4 SpruchG abzuweichen.
Goette Kurzwelly Strohn Reichart Drescher Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 17.01.2006 - 102 O 186/04 -
KG Berlin, Entscheidung vom 31.10.2007 - 2 W 14/06 -
BGH:
Beschluss v. 25.06.2008
Az: II ZB 39/07
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