Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 19. April 2012
Aktenzeichen: I-4 U 196/11

(OLG Hamm: Urteil v. 19.04.2012, Az.: I-4 U 196/11)

Tenor

Die Berufung des Antragsgegners gegen das am 24. November 2011 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Antragsteller bietet im Internet Schreibwaren sowie Hobby-, Deko- und Bastelutensilien an. Auch der Antragsgegner vertreibt über das Internet Büroartikel, Deko- und Bastelbedarf. Sein Angebot bezog sich am 15. August 2011 auch auf zahlreiche Produkte wie Klebstoffe, Modelliermasse und Sprühlack, für die er unter Angabe von Volumen und Massen warb, ohne einen Grundpreis anzugeben (Anlage 3 -Bl. 14 ff., Anlage 4 Bl.17 ff).

Der Antragsteller ließ den Antragsgegner mit anwaltlichem Schreiben vom 15. August 2011 (Anlage 6, Bl.36 f.) wegen eines darin gesehenen Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung erfolglos abmahnen.

Auf den am 14. September 2011 eingegangenen Antrag des Antragstellers hat das Landgericht am selben Tage eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der dem Antragsgegner untersagt worden ist, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken über einen Internetauftritt rechtsverbindliche Bestellungen von Letztverbrauchern für Büroartikel, Deko- und Bastelbedarf entgegen zu nehmen und dabei gegenüber Letztverbrauchern

in Angeboten, in denen Waren nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche angeboten oder beworben werden, neben dem Endpreis nicht auch den Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile (Grundpreis) in unmittelbarer Nähe des Endpreises anzugeben,

sofern dies wie in den Anlagen 3 und 4 erfolgt.

Der Antragsgegner hat gegen den Erlass der einstweiligen Verfügung Widerspruch eingelegt.

Der Antragsteller hat im Verfahren über den Widerspruch die erlassene einstweilige Verfügung verteidigt. Er hat die Ansicht vertreten, der Antragsgegner sei seiner sich aus § 2 Abs. 1 PAngV ergebenden Verpflichtung, bei den betreffenden Angeboten den Grundpreis anzugeben, nicht nachgekommen. Bei der Verletzung dieser Informationspflicht handele es sich um einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG und zugleich auch um eine spürbare Beeinträchtigung der wettbewerblichen Interessen der anderen Marktteilnehmer.

Der Antragsteller hat beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 14. September 2011 zu bestätigen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten

Antrag zurückzuweisen.

Er hat gemeint, sein Verhalten sei nicht wettbewerbswidrig. Ein durchschnittlich aufmerksamer Verbraucher sei in der Lage, bei bestimmten Artikeln die Grundpreise selbst zu ermitteln. Das sei insbesondere bei einigen der in der Anlage 4 zur Antragsschrift genannten Produkte der Fall. Außerdem könne der Verbraucher die Internetseite eines Konkurrenten parallel aufrufen und dadurch die Endpreise vergleichen. Eine Grundpreisangabe sei über ein Programm, mit dem die Grundpreise an wechselnde Endpreise angepasst würden, auch leicht möglich. Deshalb würden auch keine Interessen von Verbrauchern oder Mitbewerbern gefährdet oder spürbar beeinträchtigt.

Der Antragsgegner hat außerdem geltend gemacht, der Antragsteller handele als im Internet bekannter und benannter Abmahner rechtsmissbräuchlich, und dazu im Verhandlungstermin vor dem Landgericht Internetausdrucke vorgelegt.

Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung bestätigt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass hier ein Verstoß gegen die sich aus § 2 Abs. 1 PAngV ergebende Verpflichtung zur Angabe des Grundpreises vorgelegen habe. Dabei handele es sich auch um einen Wettbewerbsverstoß, weil § 2 Abs. 1 PAngV eine den Verbraucher schützende Norm darstelle. Die fehlende Grundpreisangabe könnte sich nur dann als ein Bagatellverstoß darstellen, wenn dem Verbraucher selbst im Einzelfall die Ermittlung des Grundpreises ganz leicht möglich sei. Das gelte aber sicher nicht in den hier auch vorliegenden Fällen, in denen die Berechnung des Grundpreises ohne Nutzung eines Taschenrechners normalerweise nicht möglich sei. Die Wettbewerbswidrigkeit könne auch nicht deshalb entfallen, weil andere große Händler gleichfalls keine Grundpreise angäben, obwohl Waren lediglich über Maße oder Mengen veräußert würden.

Soweit der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung eingewandt habe, der Antragsteller handele rechtsmissbräuchlich, seien dafür keine Anhaltspunkte ersichtlich. Es obliege den Parteien jedenfalls, Ansätze für die Prüfung der Frage, ob ein Rechtsmissbrauch vorliegen könne, vorzutragen. Für einen ausreichenden Vortrag in diesem Sinne sei das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Konvolut von Google-Ergebnissen nicht geeignet. Es hätte dem Antragsgegner vielmehr oblegen, die Relevanz der vorgelegten Auszüge dafür, dass ein Rechtsmissbrauch vorliegen könne, darzulegen. Der Kammer sei bekannt, dass sich im Internet bei Eingabe entsprechender Schlüsselworte seitenweise Fundstellen finden ließen, ohne dass das für einen etwaigen Missbrauch auch aussagekräftig sei.

Der Antragsgegner greift das Urteil mit der Berufung an. Er rügt die unterbliebene Zustellung des Urteils des Landgerichts im Parteibetrieb, die erforderlich gewesen sei. Er beanstandet ferner, dass das angedrohte Ordnungsgeld von bis zu 250.000, € überhöht sei. Wenn ein Ordnungsgeld tatsächlich in dieser Höhe festgesetzt würde, wäre ein Versandhandel wie der, den er betreibe, konkret in seiner Existenz bedroht. Eine Zuwiderhandlung sei in den Fällen der fehlenden Grundpreisangabe bei einem Angebot von weit über 50.000 Artikeln auch nicht immer und sicher zu vermeiden, weil Hersteller und Großhändler nicht garantierten, dass die Pflicht zur Grundpreisangabe in den Artikellisten immer eingehalten sei. Es verbleibe deshalb ein ganz erhebliches Risiko, auch wenn klar sei, dass das Ordnungsgeld nicht bei jedem Fall einer Zuwiderhandlung in einer solchen Höhe festgesetzt werde. Der Antragsteller hält es für mehr als fraglich, ob ein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 PAngV überhaupt vorliege. Die hier angebotenen Klebstoffe würden nach der generellen Verkehrsauffassung eher als Einzelstücke angeboten und verkauft als nach ihrem Gewicht. Der Antragsgegner stellt weiter in Frage, dass in der fehlenden Grundpreisangabe trotz eines etwaigen Verstoßes gegen die Bestimmung der Preisangabenverordnung eine spürbare Beeinträchtigung der Interessen der Marktteilnehmer und ein sanktionswürdiger Wettbewerbsverstoß zu sehen sei. Nach dem Sinn und Zweck der Preisangabenverordnung sollten durch eine sachlich zutreffende und vollständige Verbraucherinformation Preiswahrheit und Preisklarheit gewährleistet und dadurch optimale Preisvergleichsmöglichkeiten geschaffen werden, die die Stellung des Verbrauchers gegenüber Handel und Gewerbe stärken könnten. Dieser Zweck werde auch dadurch erreicht, dass für Produkte, die üblicherweise in Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche angeboten würden, in Form der Angabe des Grundpreises ein Bezugspunkt geschaffen werde. Die anzugebende Mengeneinheit hänge dabei in bestimmten Fällen auch von der allgemeinen Verkehrsauffassung ab. Bei Produkten, bei denen sich der Grundpreis vom Verbraucher selbst leicht errechnen lasse, könnte sich keine Beeinträchtigung der Preisvergleichsmöglichkeiten ergeben. Soweit das bei der Modeliermasse in einer Fertigpackung zu 56 g nicht der Fall sein möge, sei zu bedenken, dass solche Produkte nicht in anderen als den vom Hersteller vorgesehenen Mengeneinheiten verkauft werden könnten und folglich auch nicht in gleichem Ausmaße die Gefahr bestehe, dass der Verbraucher die Preise bei den verschiedenen Internetanbietern nicht oder nur erschwert vergleichen könnte, wie etwa bei Lebensmitteln. Soweit die Mengeneinheiten bei einzelnen Herstellern voneinander abweichen könnten, sei zu bedenken, dass sich das Kaufinteresse der Verbraucher in der Regel auch auf eine bestimmte und gewünschte Mengenordnung erstrecke. Der Verbraucher sei insoweit an dem Preis des Produkts in der konkreten Menge interessiert und nicht so sehr an einem Grundpreis. Insoweit verweist der Antragsgegner auf ein Urteil des OLG Koblenz (GRUR-RR 2007, 23). In diesem Zusammenhang hält er es auch für relevant, dass derartige Produkte bei einem Großteil großer und kleiner Anbieter gleichfalls ohne die Angabe des entsprechenden Grundpreises angeboten würden. Es käme hinzu, dass hier auch kein planmäßiger und bewusster Gesetzesverstoß vorliege.

Der Antragsgegner sieht im Gegensatz zum Landgericht auch hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass hier ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegen könnte. So sei im Rahmen der Abmahnhilfe diverser Anwaltskanzleien bekannt geworden, dass der Antragsteller seit einigen Jahren stets Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht auf Grund fehlerhafter AGB oder fehlerhafter Widerrufsbelehrung oder von Verstößen gegen die Preisangabenverordnung abmahne. Auch wenn das noch nicht ausreichen sollte, so käme hinzu, dass das mit solchen Abmahnungen verbundene Prozessrisiko und die damit verbundenen Kosten außer Verhältnis zu den durch den Online-Shop des Antragstellers erzielten Umsätzen stünden. Diese fielen nämlich eher vergleichsweise gering aus. Dafür spreche schon, dass der Online-Shop des Antragsgegners keinen besonders gepflegten Eindruck erwecke. Die verfügbare Produktsuche liefere keine relevanten Ergebnisse. So würden verschiedene andere Produkte präsentiert, wenn man beispielsweise "Papier" als Suchbegriff eingebe. Es komme hinzu, dass der Internetauftritt des Antragsgegners nach der Internetseite bizzinformation.de schätzungsweise gerade mal 144 Besucher täglich aufweise. Nicht jeder Besucher werde bestellen und nicht jede Bestellung führe zu einem überdurchschnittlich hohen Umsatz. Es sei deshalb fraglich, welches wettbewerbspolitische Interesse der Antragsteller an den Abmahnungen haben könnte und wie er die erheblichen Abmahnkosten finanzieren könnte. Als weitere Indizien kämen die Höhe der Vertragsstrafe von 5.001,-- € hinzu und die Tatsache, dass der Geschäftssitz des Antragstellers sich in H befinde und der Anwalt seinen Kanzleiort in Q habe. Diesen Gesamtumständen habe das Landgericht nicht ausreichend Rechnung getragen. Die Umstände erweckten nach seiner Einschätzung eher den Eindruck, dass mit den Abmahnungen lediglich versucht werde, Gebühren zu erzielen.

Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil abzuändern und die einstweilige Verfügung

aufzuheben.

Der Antragsteller beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass im Tenor der

Beschlussverfügung die Worte "in unmittelbarer Nähe des Endpreises"

entfallen.

Der Antragsteller verteidigt das angefochtene Urteil. Bei den fehlenden Grundpreisangaben handelt es sich nach seiner Auffassung um einen erheblichen Wettbewerbsverstoß. Die Verpflichtung zur Angabe von Grundpreisen bestehe ausdrücklich auch für Produkte in Fertigpackungen. Die Angabe sei in diesen Fällen sogar noch wichtiger als bei Produkten, die lose nach Gewicht oder Maß verkauft würden. Die Verpackungsgröße und das Gewicht des Produktes ließen bei Fertigverpackungen oft nur einen unzureichenden Schluss auf den Inhalt zu. Nur der Grundpreis mache auch bei solchen Produkten in haushaltsüblichen Mengen hinreichend deutlich, wie viel vom gewünschten Produkt tatsächlich zu welchem Preis angeboten werde. Das sei nicht nur im Hinblick auf die Angebote konkurrierender Hersteller von Bedeutung sondern auch im Rahmen der Prüfung, ob eher eine günstigere Großpackung oder nacheinander mehrere teurere kleinere Packungen gekauft werden sollten. Nur der jeweilige Grundpreis mache den üblicherweise bestehenden Preisvorteil von größeren Packungseinheiten ausreichend deutlich. Das Einpflegen der erforderlichen Grundpreisangaben und deren ständige Aktualisierung stellten einen ganz erheblichen zeitlichen und organisatorischen Aufwand dar, den sich Wettbewerber wie der Antragsgegner zu ihrem Vorteil ersparen wollten. Gerade die Tatsache, dass eine Vielzahl der Anbieter ihrer Verpflichtung zur Grundpreisangabe nicht nachkämen und wie auch der Antragsgegner die Gefahr der Nachahmung durch neu auf dem Markt erscheinende Händler begründe, mache die Abmahnungen auch in einer bestimmten Vielzahl erforderlich. Eine solche regelmäßige Abmahntätigkeit sei aber nicht mit einer massenhaften Abmahntätigkeit zu verwechseln. Der Vorwurf des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens sei offensichtlich unbegründet. Dafür spreche auch nicht, dass die Adressen von vier Anwaltskanzleien vorgelegt worden seien, bei denen er, der Antragssteller, als potenzieller Abmahner genannt worden sei. Keine dieser Kanzleien habe ihm gegenüber jemals den Einwand des Rechtsmissbrauchs erhoben. Konkrete Zahlen im Hinblick auf die Abmahntätigkeit habe der Antragsgegner nicht vorgelegt. Das Landgericht sei dagegen über den Umfang der Abmahntätigkeit aus eigener Anschauung informiert gewesen, weil der Antragsteller sämtliche Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Bochum führe. Neue Abmahnungen würden jeweils auch nur dann ausgesprochen, wenn die alten Verfahren abgeschlossen wären, was unterschiedlich lange dauern könnte. Es würden Abmahnungen auch nicht ausschließlich wegen ein- und desselben Verstoßes ausgesprochen, sondern nur bezüglich sämtlicher in den Internetauftritten festgestellter Verstöße. Er selbst betreibe einen erheblichen Aufwand, um seinen Internetauftritt rechtskonform zu gestalten. Sein Online-Shop werde mittlerweile beinah bei allen Computermonitoren auf der ersten Seite dargestellt und er gehöre mit dem Angebot von 25.000 Artikeln deutschlandweit zu den Umsatzstärksten seines Warensegmentes. Er betreibe im Übrigen auch noch ein Ladengeschäft unter der im Impressum genannten Anschrift.

II.

Die Berufung des Antragsgegners ist unbegründet. Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den Antragsgegner zu.

1) Der Antragsbefugnis des Antragstellers, der als Mitbewerber des Antragsgegners die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG erfüllt, steht hier nicht entgegen, dass die Abmahnung rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG war. Zwar ist die Antragsbefugnis von Amts wegen zu prüfen. Umstände, die für sachfremde Motive des Antragstellers als Abmahnenden sprechen könnten, wären aber vom Antragsgegner vorzutragen, soweit sie -wie hier- nicht gerichtsbekannt sind. Wie das Landgericht schon zutreffend ausgeführt hat, hat der Antragsgegner zu auffälligen massenhaften Abmahnungen des Antragstellers nicht hinreichend vorgetragen. Dafür genügt es insbesondere nicht, dass der Antragsteller in der Gegnerliste verschiedener Anwälte auftaucht. Zu der genauen Zahl der Abmahnungen kann der Antragsgegner auch in der Berufungsinstanz nichts sagen; er arbeitet insoweit mit Mutmaßungen. Der Antragsteller ist auch weder dem Landgericht Bochum noch dem Senat bislang wegen massenhafter Abmahnungen aufgefallen. Das dürfte aber wohl der Fall sein, wenn es solche gegeben hätte und alle gerichtlichen Verfahren vor dem Landgericht Bochum eingeleitet worden wären. Gleichfalls ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Abmahnungen, die es in nicht bekannter und somit auch nicht besonders augenfälliger Zahl gegeben hat, mit dem Umfang der Geschäftstätigkeit des Antragstellers nicht mehr in Einklang zu bringen sind. Insoweit ergeht sich der Antragsgegner nunmehr erstmals in weiteren Spekulationen. Denen steht schon entgegen, dass der Antragsteller unstreitig im Internethandel in nicht unerheblichem Umfang präsent ist, nach eigenem Vortrag sogar zu den führenden Anbietern im Internet in seiner Branche gehört und dass er außerdem noch ein Ladengeschäft betreibt. Er lebt also gar nicht allein von den nicht genau bekannten Umsätzen seines Internethandels. Die zum angeblich ungepflegten Eindruck des Internetauftritts vorgetragenen Tatsachen besagen nichts über die vom Antragsteller im Internet erzielten Umsätze. Der Antragsgegner trägt selbst nicht substantiiert vor, dass der Antragsteller dort überhaupt keine Umsätze erzielt. Der Antragsteller hat zu einer ganz erheblichen Geschäftstätigkeit insoweit vorgetragen. Das und warum dieser Vortrag nicht richtig sein kann, hat der Antragsgegner nicht glaubhaft gemacht. Das ergibt sich insbesondere nicht aus dem vom Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Aktenordner. Wieso sich der Antragsteller mit seinen abgestuften Abmahnungen in unvernünftiger Weise in finanzielle Schwierigkeiten bringen sollte, ist somit schon nicht hinreichend vorgetragen. Zusammenfassend gesagt spricht bislang aufgrund der vorgetragenen oder gerichtsbekannten Tatsachen bei weitem nicht so viel für sachfremde Motive des Antragstellers, dass es nunmehr seine Sache wäre, dazu vorzutragen, dass er (dennoch) überwiegend schutzwürdige wettbewerbsrechtliche Interessen verfolgt. Dies gilt umso mehr, als auch der Wortlaut der vorliegenden Abmahnung (Bl.36 ff.) keine Besonderheiten aufweist, die für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten sprechen könnten. Die vorgeschlagene Vertragsstrafe von 5.001,-- € ist hoch, aber nicht so ungewöhnlich, dass sie für sich ein nennenswertes Indiz für einen Rechtsmissbrauch sein könnte. Gleiches gilt für die Tatsache, dass der Antragssteller einen ortsfremden Anwalt beauftragt hat. Gerade die im Internet tätigen Anbieter suchen sich ihre Anwälte sehr häufig auch im Internet, so dass es dann eher zufällig wäre, wenn der gefundene Anwalt am selben Ort ansässig wäre wie der Gewerbetreibende.

2) Der Antrag und das ihm folgende Verbot sind nach der Einbeziehung der konkreten Verletzungshandlung und der auf Hinweis des Senats erfolgten Klarstellung nicht zu beanstanden. Der Kern des Verbots ist vorliegend, dass die Grundpreisangaben als solche fehlten. Das gibt der Wortlaut nunmehr auch eindeutig wieder. Dafür, dass der Antragsgegner in den Fällen, in denen er den Grundpreis angibt, diesen auch zugleich nicht in unmittelbarer Nähe des Endpreises angeben könnte, ist dagegen nichts ersichtlich. Die Klarstellung ist kostenunschädlich, weil auch nach der Antragsbegründung stets klar war, um welche Verletzungshandlung es gehen sollte, die der Antragsgegner in Zukunft unterlassen sollte. Die Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,-- € ist nicht zu beanstanden. Sie gibt lediglich den im Gesetz verankerten Rahmen wieder, in dem sich grundsätzlich ein solches Ordnungsgeld bewegen kann. Für die Frage, in welcher Höhe in jedem einzelnen Verletzungsfall das Ordnungsgeld gerade auch unter Berücksichtigung der Art und des Umfangs des erforderlichen Verschuldens tatsächlich festgelegt wird, kommt der maximalen Höhe des angedrohten Ordnungsgeldes keinerlei Bedeutung zu.

3) Der Verfügungsgrund ist vorliegend zu bejahen. Angesichts der nach § 12 Abs. 2 UWG zu Gunsten des Antragstellers bestehenden Dringlichkeitsvermutung erscheint die Angelegenheit als eilig. Der Antragsteller hat am 15. August 2011, also innerhalb der Frist von einem Monat vor der Antragstellung am 14. September 2011 Kenntnis von dem speziellen Wettbewerbsverstoß erhalten, so dass auch eine Widerlegung der Vermutung nicht in Betracht kommt.

4) Der Bestätigung der einstweiligen Verfügung steht auch nicht entgegen, dass das angefochtene Urteil nicht innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO innerhalb eines Monats im Parteibetrieb zugestellt worden ist. Einer solchen Urteilszustellung bedurfte es hier gerade nicht. Das Landgericht hat am 14. September 2011 eine Beschlussverfügung erlassen. Diese ist gemäß Zustellungsurkunde vom 22. September 2011 (Bl.58) im Parteibetrieb zugestellt und damit vollzogen worden. Das Urteil, dass diese Beschlussverfügung ohne maßgebliche Änderung bestätigt hat, bedurfte dann keiner gesonderten Vollziehung mehr.

5) Dem Antragsteller steht auch ein Anspruch auf Unterlassung aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 2 PAngV zu. Die Bestimmung des § 2 PAngV stellt eine Marktverhaltensregelung dar. Sie ist dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Sie soll insbesondere durch die geforderte Grundpreisangabe in bestimmten Fällen von Angeboten in Fertigpackungen Preisvergleichsmöglichkeiten für die Verbraucher erleichtern. Die Vorschrift ist zudem eine Umsetzung von Art. 3 Abs. 4 der Preisangabenrichtlinie 98 / 6/ EG, so dass sich auch aus europarechtlicher Sicht keine Bedenken im Hinblick auf eine Anwendbarkeit des § 4 Nr. 11 UWG ergeben.

a) Nach § 2 Abs. 1, Abs. 3 PAngV muss ein gewerblicher Unternehmer, der Letztverbrauchern Waren in Fertigpackungen nach Gewicht oder Volumen anbietet, den Grundpreis je Mengeneinheit in Kilogramm oder Liter angeben, und zwar in unmittelbarer Nähe zum Endpreis. Der Verbraucher muss in der Lage sein, beide Preise auf einen Blick wahrzunehmen (BGH GRUR 2009, 982 -Dr. Clauder`s Hufpflege).

b) Diese Voraussetzungen hat der Antragsgegner bei dem beanstandeten Internetangebot vom 15. August 2011 hinsichtlich verschiedener Waren, etwa auch betreffend die angebotene "G Modelliermasse" in einer Packung von 56 Gramm (Bl.32) oder den G Seidenmatt-Lack mit einem Inhalt von 35 Millilitern (Bl.31) nicht erfüllt. Insoweit bedurfte es auch der Grundpreisangabe, weil die Fertigpackungen jeweils Gewichts- oder Volumenangaben enthielten. Gerade wenn es neben einer Packung von 56 Gramm der Modelliermasse noch eine weitere mit einer erheblich größeren Menge gäbe, wäre für einen echten Preisvergleich eine Grundpreisangabe unerlässlich. Denn nur dann ließe sich vergleichend feststellen, ob und in welchem Umfang beim Kauf des Produkts in einer größeren Menge Preisvorteile gegeben wären. Der Antragsgegner hat bei den angebotenen Waren jeweils ausschließlich den Endpreis angegeben. Die Angabe des sich bei diesen Angeboten ergebenden Grundpreises für 100 Milligramm oder 100 Milliliter fehlt.

c) Ein solcher Wettbewerbsverstoß beeinträchtigt auch spürbar die Interessen der Marktteilnehmer, also der Verbraucher und der Mitbewerber. Der Senat hat das in früheren Fällen lediglich dann verneint, wenn die Preisklarheit nur in unerheblichem Umfang berührt war, weil sich der Grundpreis durch eine einfache Rechenoperation ermitteln ließ. Ein solcher Fall liegt bei den oben angeführten Beispielsfällen schon ersichtlich nicht vor. Es kann sicherlich nicht genügen, dass der Verbraucher anhand der vergleichbaren Angebote gleicher Fertigpackungen bestimmte Preisvergleiche vornehmen kann. Gleichermaßen kann es nicht interessieren, ob und warum einige Verbraucher nur an der Mitteilung des Preises der jeweiligen Packung interessiert sein könnten und nicht an der Grundpreisangabe. Es ist schließlich niemand anderer als der Gesetzgeber, der in solchen Fällen zum Zwecke der Vereinheitlichung immer eine Grundpreisangabe für erforderlich hält. Diese Entscheidung des Gesetzgebers können die Gewerbetreibenden mit Hilfe der Gerichte nicht dahin verwässern, dass die fehlende Grundpreisangabe in bestimmten Fällen, deren Abgrenzung auch noch sehr schwierig wird, wie der vorliegende Fall gut zeigt, sanktionslos hingenommen wird. Die Annahme einer Bagatelle in solchen Fällen ist gerade aber auch wegen der entgegenstehenden gesetzlichen Regelung nicht mehr möglich, wie der Senat schon im Urteil vom 9. Februar 2012 in der Sache 4 U 70 / 11 entschieden hat. Bei der Pflicht zur Angabe des Grundpreises geht es nämlich um eine Information, die dem Verbraucher aufgrund einer gemeinschaftsrechtlichen Verordnung nicht vorenthalten werden darf. Art. 3 Abs. 4 der den Verbraucherschutz bei Preisangaben regelnden Richtlinie 98 / 6 / EG schreibt vor, dass bei dem Angebot solcher Ware in Fertigpackungen neben dem Endpreis auch der Grundpreis pro Maßeinheit angegeben werden muss. Es geht deshalb bei der Grundpreisangabe zugleich um eine Information im Sinne des § 5a Abs. 4 UWG. Wird eine solche Aufklärungspflicht verletzt, so folgt aus dem Zusammenspiel von § 5a Abs. 2, 3 und 4 UWG, dass dem Verbraucher eine Information vorenthalten wurde, die als wesentlich gilt. Das führt neben einem Rechtsbruch nach § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 2 PAngV zugleich auch zur Annahme einer Fehlvorstellung des unzureichend informierten Verbrauchers und einer sich daraus ergebenden relevanten Irreführung (Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage, § 5a Rdn. 57, 44, 29). Es steht aufgrund der gesetzlichen Vermutung dann auch fest, dass eine solche Rechtsverletzung wesentlich ist, wie sich zusätzlich auch aus Art. 7 Abs. 4 der UGP-Richtlinie ergibt (Köhler/Bornkamm, a.a.O. § 2 PAngV ). Eine Information, deren Fehlen per se zu einer Irreführung der Verbraucher führt, muss zugleich die Interessen der Verbraucher auch spürbar beeinträchtigen. Für eine Prüfung der Spürbarkeit des Wettbewerbsverstoßes nach § 3 Abs. 2 UWG bleibt dann kein Raum mehr.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 19.04.2012
Az: I-4 U 196/11


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