Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 14. Januar 2008
Aktenzeichen: 8 U 19/06

(OLG Hamm: Urteil v. 14.01.2008, Az.: 8 U 19/06)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 9. Dezember 2005 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagten verurteilt bleiben zur Zahlung Zug um Zug gegen Abtretung

a) der Grundschulden Nr. 8 in Höhe von nominal 500.000,00 DM (255.645,95 €), Nr. 9 b I in Höhe von nominal 400.000,00 DM (204.517,00 €) und 9 b II von nominal 150.000,00 DM (76.693,76 €), eingetragen im Grundbuch von I Blatt 2669 des Amtsgerichts D, und

b) der Ansprüche des Klägers gegen Dr. L2, Gabriele X und die L GbR aus dem Urteil des Landgerichts Münster vom 2. April 2004 (16 O 72/03).

Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens. Der Streithelfer hat seine eigenen Kosten selbst zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

A.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der L AG und nimmt die Beklagten als Mitglieder des Aufsichtsrats der Insolvenzschuldnerin auf Zahlung von 570.686,61 € als Schadensersatz in Anspruch. Diesen Betrag hatte die Insolvenzschuldnerin als Kaufpreisvorauszahlung aufgrund eines Grundstückskaufvertrages mit ihrem Alleinvorstand Dr. L und seiner Schwester, der Mehrheitsaktionärin X, gezahlt. Die Beklagten hatten mit Beschluss vom 13./26. April 2000 dem Abschluss des Grundstückskauf- und Pachtvertrages, den der Vorstand Dr. L vorgenommen hatte, genehmigt. Wegen der Vorauszahlungen, die als unerlaubte Einlagenrückgewähr angesehen wurden, sind die Verkäufer zur Rückzahlung der Beträge an den Kläger rechtskräftig verurteilt worden (16 O 72/03 LG Münster = 8 U 87/04 OLG Hamm). Der Kläger meint, auch die Beklagten als Aufsichtsratsmitglieder hafteten auf Zahlung in Höhe der Vorauszahlungen durch die Insolvenzschuldnerin, da sie im Rahmen der Begründung und Abwicklung des Geschäfts die ihnen obliegenden Pflichten verletzt hätten. Wegen des tatsächlichen Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung Zug um Zug gegen Abtretung der zur Besicherung der Rückzahlungsansprüche an die Insolvenzschuldnerin übertragenen Grundschulden stattgegeben. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagten als Aufsichtsratsmitglieder hätten ihre Sorgfaltspflichten gem. § 116 AktG dadurch verletzt, dass sie den Vertrag vom 7. März 2000 genehmigt hätten, da damit eine unzulässige Einlagenrückgewähr an Aktionäre verbunden gewesen sei. Den Beklagten sei auch ein Verschulden zur Last zu legen, da sie keinen fachkundigen Rat in Anspruch genommen hätten.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit der Berufung. Sie stellen in Abrede, dass mit dem Vertrag vom 7. März 2000 eine unzulässige Einlagenrückgewähr verbunden sei, zumal keine Verpflichtung, sondern nur ein Recht der Gesellschaft zur Zahlung vereinbart worden sei. Es habe sich zudem um ein Geschäft gehandelt, das einem Drittvergleich standhalte. Insbesondere sei die Darlehensgewährung nicht unverzinslich gewesen; die entgegenstehende Auslegung sei unzutreffend und berücksichtige nicht das im vorliegenden Rechtsstreit dargestellte und unter Beweis gestellte Verständnis der Vertragsparteien. Auch die gestellten Sicherheiten seien in üblicher Weise gewährt. Soweit dem Aufsichtsrat eine Verletzung der anschließenden Kontrollpflicht vorgeworfen werden könne, habe diese sich nicht ausgewirkt, da jedenfalls nachträglich Sicherheiten in ausreichender Höhe bestellt worden seien.

Die Beklagten vertreten weiterhin die Auffassung, ihnen könne auch kein Vorwurf im Zusammenhang mit einer zunächst vorgesehenen, später aber unterbliebenen Nachgründung wegen der Einbringung des Grundstücks in die Gesellschaft gemacht werden. Abgesehen davon, dass die Voraussetzungen einer Nachgründung nicht vorgelegen hätten, hätte sich ein entsprechender Gesetzesverstoß auch nicht ausgewirkt, da der Grundstückskaufvertrag ohnehin schwebend unwirksam gewesen und schließlich wegen Nichterfüllung einer anderen Bedingung endgültig unwirksam geworden sei.

Jedenfalls, so meinen die Beklagten, treffe sie kein Verschulden. Sie hätten sich darauf verlassen und auch verlassen dürfen, dass der Vertrag nicht nur von einem erfahrenen Juristen entworfen worden, sondern auch im Zusammenhang mit der Erstellung des Ausgabeprospekts der Insolvenzschuldnerin von den hinzugezogenen Rechtsanwälten T in E geprüft und für unbedenklich gehalten worden sei.

Die Beklagten beantragen,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 3) beantragt darüber hinaus hilfsweise,

das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass der Kläger Erfüllung nur Zug um Zug gegen Abtretung

a) der Grundschuld Nr. 8 in Höhe von nominal DM 500.000,00 (€ 255.645,95), Nr. 9 b I in Höhe von nominal DM 400.000,00 (€ 204.517,00) und 9 b II. von nominal DM 150.000,00 (€ 76.693,76), eingetragen im Grundbuch von I Blatt ...# des Amtsgerichts D,

b) der Ansprüche des Klägers gegen Dr. L2, X und die L GbR aus dem Urteil des erkennenden Senats vom 1. Juni 2005 (Az. 8 U 87/04),

c) der Ansprüche des Klägers gegen Rechtsanwalt Dr. N und die Sozietät N1, jeweils geschäftsansässig M-Straße, ......1 I2, wegen Schlechterfüllung des zwischen ihnen abgeschlossenen Beratungsvertrages betreffend den Entwurf des Grundstückskauf- und Grundpachtvertrages gemäß Urkunde des Notars Dr. H, I2, vom 7. März 2000 (URNr. 95/2000) sowie Schadensersatzansprüche, die sich aus der Haftung des Dr. H als Notar bei Beurkundung des Vertrages ergeben,

verlangen kann.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil mit näheren Ausführungen. U.a. weist er darauf hin, dass nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jede Zahlung zu Lasten des gebundenen Vermögens eine unzulässige Einlagenrückgewähr darstelle, selbst wenn sie zu üblichen Bedingungen erfolgt sei. Die Frage eines Drittvergleichs stelle sich daher nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die zulässigen Berufungen der Beklagten haben in der Sache im Wesentlichen keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend einen Schadensersatzanspruch des Klägers in Höhe der Klageforderung bejaht. Lediglich die vom Landgericht vorgenommene Zugum-Zug-Verurteilung wegen Zurückbehaltungsrechten war zu konkretisieren und zu ergänzen.

I.

Die Beklagten sind nach §§ 116, 93 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, 8 AktG zum Ersatz des der Insolvenzschuldnerin entstandenen Schadens verpflichtet. Der Kläger hat dargelegt, dass die Insolvenzschuldnerin einen durch ein Verhalten der Beklagten in ihrem Pflichtenkreis verursachten Schaden in Höhe der Klageforderung erlitten hat (dazu unten 1.). Den Beklagten ist dagegen nicht die Darlegung gelungen, dass sie nicht pflichtwidrig oder nicht schuldhaft gehandelt haben oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre (dazu unten 2.). Der ersatzpflichtige Schaden entspricht der geltend gemachten Klageforderung und ist nicht zu mindern (dazu unten 3.). Die hier skizzierte Verteilung der Darlegungs- und Beweislast entspricht allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, die an § 93 Abs. 2 S. 2 AktG anknüpft (Hüffer, AktG 7. Aufl. § 116 Rdn. 8; § 93 Rdn. 12 ff und Rdn. 16).

1.

Der Schaden der Insolvenzschuldnerin liegt in dem Abfluss der auf den Kaufpreis geleisteten Vorauszahlungen an die Grundstücksverkäufer in Höhe von insgesamt 1.116.166,00 DM (570.686,61 €). Darin liegt eine Vermögensminderung der Insolvenzschuldnerin, die grundsätzlich geeignet ist, einen Schaden i.S.d. § 93 Abs. 1 AktG darzustellen.

Das Handeln bzw. Unterlassen der Mitglieder des Aufsichtsrats, das zur Entstehung des Schadens geführt hat, liegt einerseits in der Beschlussfassung vom 13./26. April 2000, mit der der Vertragsschluss vom 7. März 2000 gebilligt wurde. Zum anderen kommt als Anknüpfungspunkt für eine Haftung der Aufsichtsratsmitglieder ihr kommentarloses Schweigen zu der im Vertrag vorgesehenen und in Teilen bereits geregelten Möglichkeit von freiwilligen Vorauszahlungen auf den Kaufpreis in Betracht. Im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 57 und 89 AktG ist insoweit eine Pflicht zum Handeln gegenüber dem Vorstand denkbar, die möglicherweise pflichtwidrig verletzt wurde.

Das genannte Verhalten der Aufsichtsratsmitglieder in allen Teilen hat dazu geführt, dass der Vorstand der Insolvenzschuldnerin in den folgenden Monaten des Jahres 2000 zu deren Lasten die unstreitigen Vorauszahlungen auf den Kaufpreis an die Verkäufer veranlasst hat. Damit war nach dem Vertragsschluss, der Billigung durch den Aufsichtsrat und in Anbetracht der eigenen Interessen des Vorstandes zu rechnen. Eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs ist nicht zu erkennen.

2.

Auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens im Berufungsverfahren haben sich die Beklagten nicht hinreichend entlastet.

a)

Der Senat vermag nicht festzustellen, dass die Beklagten als Aufsichtsratsmitglieder sowohl bei der Billigung des Vertrages vom 17. März 2000 durch den Umlaufbeschluss vom 13./26. April 2000 als auch durch ihr Schweigen zu den Voraussetzungen künftiger Kaufpreisvorauszahlungen ihre Pflichten objektiv erfüllt haben.

aa)

Der Senat sieht bereits pflichtwidriges Handeln der Beklagten bei der Billigung des Vertragsschlusses vom 7. März 2000 nicht als ausgeräumt an. Bei der Mitwirkung im Zusammenhang mit dem Abschluss dieses Vertrages nahmen die Aufsichtsratsmitglieder nicht nur eine bloß überwachende Rolle wahr, sondern sie hatten wegen § 112 AktG vielmehr die Aufgabe und Pflicht, die Insolvenzschuldnerin bei dem Abschluss des Vertrages mit dem Vorstand zu vertreten. Ihnen oblag also in originärer Verantwortung die Entscheidung über das Ob und das Wie des Abschlusses sowie die Ausführung dieses Entschlusses.

(1)

Der Senat sieht keine Pflichtverletzung darin, dass die Beklagten nicht selbst als Vertretungsorgan der Insolvenzschuldnerin aufgetreten und den Vertrag für diese abgeschlossen, sondern nachfolgend die Genehmigung des bereits vollzogenen Abschlusses erteilt haben. Zwar ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob Vertragsschlüsse, die der Vorstand ohne Beachtung des § 112 AktG selbst getätigt hat, überhaupt genehmigungsfähig sind. Diese vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschiedene Frage (vgl. BGH NZG 2005, 276) hat der Senat in anderer Besetzung in seinem Urteil vom 1. Juni 2005 (8 U 87/04) in der Weise beantwortet, dass derartige Verträge lediglich schwebend unwirksam und damit einer Genehmigung zugänglich sind. Daran hält der Senat fest, so dass eine objektive Pflichtwidrigkeit nicht bereits in der Art der Mitwirkung der Beklagten an dem Vertragsschluss gesehen werden kann.

(2)

Pflichtwidrig war die Billigung des Vertrages vom 7. März 2000 auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass damit eine unzulässige Kapitalrückzahlung entgegen § 57 AktG oder eine ungenehmigte Darlehensgewährung entgegen § 89 AktG verbunden gewesen wäre. Der Vertrag selbst schrieb nämlich solche Zahlungen für die Insolvenzschuldnerin nicht verpflichtend fest, sondern gewährte dieser lediglich das Recht, nach den vorgenannten Vorschriften evtl. bedenkliche Vorauszahlungen zu leisten. Die im Vertrag enthaltenen Regelungen über die Rückzahlung bzw. Verrechnung begründeten noch nicht eine Vereinbarung solcher Vorauszahlungen. Der Aufsichtsrat behielt nach der objektiven Rechtslage, wenn sie denn insbesondere vom Vorstand beachtet wurde, die Kontrolle über das Ob und Wie von Vorauszahlungen. Ohne seine Zustimmung durfte eine Vorauszahlung, die nach dem weit auszulegenden § 89 AktG eine Darlehensgewährung darstellte, nicht erfolgen.

(3)

Eine objektive Pflichtwidrigkeit enthält die Billigung des Vertrages vom 7. März 2000 deswegen, weil der Vertrag eine Sachübernahme gem. § 27 Abs. 1 AktG schuldrechtlich vereinbarte, ohne dass gleichzeitig die in § 27 Abs. 1 AktG vorgesehenen Festsetzungen in der Satzung (Gegenstand der Sachübernahme, Person, von der die Gesellschaft den Gegenstand erwirbt, Vergütung für die Sachübernahme) erfolgt sind oder eine Heilung des Mangels eingeleitet wurde.

Die Vereinbarung über den Kauf der Betriebsimmobilie stellt sich als Vereinbarung einer Sachübernahme dar. Eine Sachübernahme ist nach § 27 Abs. 1 AktG jede bei Gründung vereinbarte Übernahme von Vermögensgegenständen, wobei vorausgesetzt ist, dass diese gegen eine Vergütung erfolgt, die nicht in der Gewährung von Mitgliedsrechten besteht. Die Satzungspublizität ist wegen des Risikos überhöhter Vergütungen gesetzlich vorgesehen und geboten. Die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 AktG sind nicht nur dann zu beachten, wenn zum Zeitpunkt der Gründung der Aktiengesellschaft bereits eine formelle Vereinbarung besteht, sondern auch dann, wenn die Absichten zur Zeit der Gründung so fest Gestalt angenommen haben, dass mit der Verwirklichung der Übernahme bestimmt gerechnet werden kann. Das war hier der Fall. Im Senatstermin ist seitens der Beklagten bestätigt worden, dass der Gründung der Insolvenzschuldnerin ein abgestimmtes Konzept zugrunde lag, zu dem auch die Einbringung des Betriebsgrundstücks in die Gesellschaft gehörte. Entsprechend ist es auch im Emissionsprospekt veröffentlicht worden.

Rechtsfolge einer Sachübernahme ohne Beachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Satzungspublizität ist nach § 27 Abs. 3 AktG die Unwirksamkeit von Verträgen über solche nicht publizierten Übernahmen und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung der Gesellschaft gegenüber. Entgegen der Auffassung des Streithelfers wird nicht lediglich eine schwebende Unwirksamkeit begründet, wie es im Fall des § 52 Abs. 1 AktG bis zur Zustimmung der Hauptversammlung und Eintragung in das Handelsregister der Fall ist. Allerdings hält die herrschende Meinung eine Heilung des Mangels nach § 52 Abs. 10 AktG für zulässig (Hüffer, § 28 Rdn. 31, § 52 Rdn. 21).

Wenn schon die Satzungspublizität im Rahmen der Gründung nicht beachtet war, oblag es den Aufsichtsratsmitgliedern, darauf zu drängen, dass jedenfalls eine Heilung nach den Regeln der Nachgründung gem. § 52 AktG vorgenommen würde. Dieser Gesichtspunkt war in dem Vertrag vom 7. März 2000 auch angesprochen, nämlich durch die darauf abzielende aufschiebende Bedingung in § 2 des Vertrages. Unstreitig ist es zu den erforderlichen Maßnahmen, wozu etwa auch ein Nachgründungsbericht des Aufsichtsrats nach § 52 Abs. 3 AktG gehört hätte, nicht gekommen. Die Beklagten hatten im Anschluss an die Genehmigung des Vertrages vom 7. März 2000 auch keinerlei Maßnahmen ergriffen, um auf die Heilung hinzuwirken oder sich über den Fortgang der notwendigen Nachgründung zu informieren. Nach Darstellung des Streithelfers ist der Aufsichtsratsvorsitzende, der Beklagte zu 1), sogar mit dem Vorstand Dr. L übereingekommen, auf die Nachgründung ausdrücklich zu verzichten. Selbst wenn die Beklagten sich dieses Vorbringen nicht zu eigen machen sollten, ist ihnen zumindest objektiv vorzuwerfen, untätig geblieben zu sein.

Auf die Heilung durch Nachgründung konnte entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht im Hinblick auf § 52 Abs. 9 AktG verzichtet werden. Der Senat lässt dahinstehen, ob die Ausnahme von den Nachgründungsvorschriften überhaupt auf den hier in Rede stehenden Fall angewendet werden kann, in der es um die Heilung einer Sachübernahme unter Verstoß gegen die Satzungspublizität nach § 27 Abs. 1 AktG geht. Selbst wenn die Ausnahmevorschrift anwendbar sein sollte, liegen ihre Voraussetzungen nicht vor. Nach § 52 Abs. 9 AktG in der bis zum 31.12.1999 geltenden Fassung, deren Änderung erst im Jahre 2001 mit rückwirkender Kraft erfolgt ist, gelten die Regelungen des § 52 AktG nicht, wenn der Erwerb der Vermögensgegenstände den Gegenstand des Unternehmens bildet. Der Erwerb der Betriebsimmobilie bildete im Streitfall nicht den Gegenstand des Unternehmens der Insolvenzschuldnerin. Unternehmensgegenstand war die Bewirtschaftung des Brauhauses sowie die Entwicklung und Ausrichtung von Freizeit, Nahtouristik- und Unterhaltungsangeboten zur Förderung des Brauhausbetriebes, die Bewirtschaftung und teilweise Verpachtung des eigenen Immobilienbesitzes. Zwar mag zutreffen, dass der Unternehmensgegenstand der Aktiengesellschaft, insbesondere der Betrieb des Brauhauses in I, ohne den Erwerb oder die langfristige Anpachtung der Betriebsimmobilie jedenfalls in der vorgesehenen Form nicht möglich gewesen wäre. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Betriebsimmobilie den Gegenstand des Unternehmens bildete. Die Anschaffung des Anlagevermögens der Gesellschaft unterliegt nicht der Freistellung nach § 52 Abs. 9 AktG, weil es typischerweise zu den Vermögensgegenständen gehört, die dem Anwendungsbereich des § 27 Abs. 1 AktG unterfallen und nicht für den Umlauf im Rahmen des Geschäftsbetriebes bestimmt ist, sondern als seine Grundlage erst der Verwirklichung des Unternehmensgegenstandes selbst dienen soll (MünchKomm (AktG)-Pentz, 2. Aufl. 2000, § 52 Rdn. 54). Bei diesem zutreffenden Verständnis der Vorschrift wäre der Erwerb des Grundstücks nachgründungsfrei möglich, wenn die Insolvenzschuldnerin etwa mit derartigen Grundstücken handelt und das Grundstück deshalb Gegenstand ihres Unternehmens wäre. Das ist indes zweifelsfrei nicht der Fall.

Unter Zugrundelegung von § 52 Abs. 9 AktG n.F. ergeben sich keine Änderungen zugunsten der Beklagten.

(4)

Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen handelten die Beklagten objektiv pflichtwidrig, als sie den Vertrag vom 7. März 2000 genehmigten, ohne zugleich den Vorstand darauf hinzuweisen, dass die Ausführung nur unter Beachtung der Aufsichtsratszuständigkeit des § 89 AktG erfolgen durfte. Angesichts der offensichtlich betroffenen eigenen Interessen des Vorstandes Dr. L hätte sich für die Beklagten die Besorgnis aufdrängen müssen, dass der Vorstand zur voreiligen Leistung von Vorauszahlungen bereit sein könnte. Es lag deshalb nahe, mit der Beschlussfassung zugleich den Vorstand darauf hinzuweisen, dass solche Vorauszahlungen von § 89 AktG erfasst würden und der Billigung durch den Aufsichtsrat bedurften. Dabei hätte sich auch angeboten, sogleich klarzustellen, dass ohne sofortige werthaltige Besicherung des Rückzahlungsanspruchs eine Vorauszahlung nicht in Betracht kam.

Die hier gegebene Konstellation hatte nicht nur besonders ausgeprägte Kontrollpflichten des Aufsichtsrats hinsichtlich der Ausführung des Vertrages vom 7. März 2000 zur Folge, wie etwa der Beklagte zu 3) einräumt. Vielmehr bestand für den Aufsichtsrat Veranlassung, bereits bei der Genehmigung des Vertrages auf ein rechtmäßiges Handeln des Vorstandes zu dringen, zumal dieser bereits bei Vertragsschluss die Zuständigkeit des Aufsichtsrats missachtet hatte.

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass grundsätzlich eine Initiativpflicht des Aufsichtsrates gegenüber dem Vorstand nicht bestehe und es vielmehr Sache des Vorstandes sei, über wesentliche Umstände zu berichten und Entscheidungen herbeizuführen, wie etwa der Beklagte zu 3) und der Streithelfer meinen. Maßgeblich für die vorstehenden Erwägungen des Senates ist die hier gegebene besondere Interessenlage des Vorstandes Dr. L und seiner Schwester, die auch für den Aufsichtsrat erkennbar Interesse an der Wahrnehmung der Vorauszahlungsoption haben konnten. Darüber hinaus hatte der Vorstand bereits bei Abschluss des Vertrages die Kompetenz des Aufsichtsrats übergangen. Im Rahmen der gebotenen objektiven Betrachtung der Pflichtenlage muss dies schwerwiegen, da anzunehmen war, dass der Vorstand die formellen Entscheidungswege offenbar nicht exakt einhielt und deshalb zu vermuten war, dass er auch die Erfordernisse aus § 89 AktG missachten könnte.

Entgegen der Auffassung des Beklagten zu 3) lag auch noch keine Beschlussfassung des Aufsichtsrats über die Kreditgewährung an den Vorstand vor. Allein die Zustimmung zu der Möglichkeit der Kreditgewährung enthält noch nicht die Beschlussfassung darüber, dass ein Kredit in einer ganz bestimmten Höhe zu konkreten Konditionen gewährt wird. Ohnehin sind sowohl eine konkludente Beschlussfassung als auch ein Blankobeschluss unzulässig (Hüffer, § 89 Rdn. 4).

Die Beklagten können sich auch nicht auf das grundsätzlich angenommene Vertrauen in den Vorstand bei unternehmensbezogenen Entscheidungen berufen. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Vorstand kritische Rechtsgeschäfte veranlassen und die Entscheidungskompetenz des Aufsichtsrats übergehen wird, muss letzterer aktiv werden und die Einhaltung des ordnungsgemäßen Weges sicherstellen (vgl. z.B. OLG Jena, DB 2007, 2079 betreffend die Haftung nach § 318 AktG bei der Ausreichung unzureichend gesicherter Kredite an verbundene Unternehmen). Entsprechend hat auch der Bundesgerichtshof ausgeführt, die Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand seien nicht nur vergangenheitsbezogen, sondern auch präventiv ausgerichtet und könnten sich in bestimmten Risikolagen intensivieren (BGH ZIP 2007, 1056). Dies gilt erst recht, wenn der Aufsichtsrat nicht lediglich als Kontrollorgan tätig wird, sondern wie im Streitfall als Mitwirkungsorgan bei Abschluss und Ausführung von Verträgen zwischen der Gesellschaft und Vorstand/Aktionär.

b)

Die Beklagten haben nicht hinreichend darlegen können, dass die dargestellten objektiven Pflichtverletzungen subjektiv nicht vorwerfbar sind. Sie können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, für Aufsichtsräte einer kleinen Privatbrauerei dürften keine überspannten Anforderungen an ihre Kenntnisse und ihr Handeln gestellt werden, von ihnen seien keine vertieften Kenntnisse einzelner Rechtsfragen des Aktienrechts zu erwarten gewesen. Grundsätzlich kann und muss von einem Aufsichtsrat auch einer Regionalbrauerei erwartet werden, dass er die Amtspflichten eines Aufsichtsrates in seinen Grundzügen kennt. Vor allem hätten die Beklagten die generelle Brisanz von Geschäften der Aktiengesellschaft mit den Vorstandsmitgliedern erkennen und die konkreten Gefährdungen der inneren Ausgewogenheit solcher Geschäfte kritisch hinterfragen müssen. Auch war eine vertiefte Prüfung angezeigt, als für das Immobiliengeschäft mit der Hauptaktionärin im Vertrag vom 07.03.2000 eine Nachgründung vorgesehen war, die dann jedoch unterblieb. Selbst bei laienhafter Betrachtung hätte auffallen müssen, dass hier zumindest Erklärungsbedarf bestand.

Sofern die Beklagten im Rahmen der ihnen obliegenden Prüfungs- und Entscheidungsaufgaben Defizite bei der sachgerechten Beurteilung aktienrechtlicher Fragestellungen erkannt hätten, hätten sie sachkundigen Rechtsrat einholen können und müssen. Dies ist nicht geschehen, so dass sich die Beklagten auch in subjektiver Hinsicht nicht entlasten können.

Ein Verschulden der Beklagten entfällt auch nicht deshalb, weil sie davon ausgegangen sind, das Vertragskonzept, zu dem auch der Vertrag vom 7. März 2000 zählte, sei mehrfach von qualifizierten Juristen geprüft worden. Sie verweisen etwa darauf, dass der Vertrag Gegenstand der Prüfung im Rahmen der Prospekterstellung gewesen sei, die von einem spezialisierten E Rechtsanwaltsbüro vorgenommen worden sei und üblicherweise sehr gründlich erfolge. Die Prüfung des Vertrages vom 07.03.2007 durch mehrere Rechtsanwälte im Auftrag der Insolvenzschuldnerin besagt nichts über die Pflichtenlage der Beklagten, über die sie sich in eigener Verantwortung Klarheit verschafften mussten. Dass Geschäfte zwischen Gesellschaft und Aktionär bzw. Vorstand einer besonders kritischen Betrachtung zu unterziehen sind und dafür gesetzliche Vorschriften existieren, lag nahe. Die daraus folgenden Konsequenzen sind von den Beklagten juristisch nicht bewegt worden. Darüber besagt auch die Prüfung und Billigung des Grundkonzepts und des Vertrages vom 7. März 2000 nichts. Die Einholung von Rechtsrat durch den Aufsichtsrat wäre deshalb auch nicht neben den schon erfolgten Prüfungen quasi als dritte Überprüfung desselben Sachverhalts zu werten, sondern als erstmalige Prüfung der Pflichten des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand in der konkreten Situation.

Hinsichtlich des Unterlassens einer Nachgründung als Heilung der fehlerhaften Sachübernahme wird von den Beklagten ebenfalls nicht behauptet, Rechtsrat in Anspruch genommen oder auf eine vorangegangene Prüfung vertraut zu haben. Soweit der Beklagte zu 3) mit Schriftsatz vom 30. November 2007 vorträgt, er und der Beklagte zu 1) hätten mit dem Vorstand Dr. L einige Male die Frage besprochen, ob und wann die Nachgründung erfolgen solle und dabei die Antwort erhalten, dass Dr. L dies mit dem Streithelfer besprechen müsse, besagt dies schon nicht, dass Rechtsanwalt Dr. N zu dieser Frage Rechtsrat erteilt hat. Erst recht haben die Beklagten nicht in eigener Kompetenz Schritte unternommen, die maßgeblichen Fragen selbst prüfen zu lassen. Dem von dem Beklagten zu 3) vorgelegten Aktenvermerk vom 20.11.2001 (Anlage 3 B 6) ist zu entnehmen, dass seitens des Emissionshauses die Einholung weiterführenden Rechtsrates angeraten wurde. Auch wenn dieser Umstand keine unmittelbare Bedeutung mehr hatte, da im November 2001 die hier in Rede stehenden Zahlungen längst erbracht waren, lässt sich daraus immerhin schließen, dass der Mitarbeiter des F-hauses AHG den vom Vorstand Dr. L eingenommenen Standpunkt keineswegs für eindeutig hielt.

c)

Schließlich ist von dem Beklagten auch nicht dargelegt worden, dass es auch bei Beachtung der von ihnen verletzten Pflicht zu dem Schadenseintritt gekommen wäre.

Der Streithelfer der Beklagten vertritt die Auffassung, die Beklagten hätten die Auszahlungen in gleicher Weise genehmigt, wenn sie hierzu jeweils vor den einzelnen Auszahlungen gem. § 89 AktG aufgerufen worden wären, so dass sich die vom Senat angenommene Pflichtwidrigkeit nicht ausgewirkt habe. Zur Begründung behauptet er, dass die Beklagten regelmäßig über die Auszahlungen informiert gewesen seien, ohne ihnen je widersprochen zu haben. Dem sind die Beklagten indes entgegengetreten, die im Senatstermin ausdrücklich erklärt haben, sich den Vortrag des Streithelfers erster Instanz zu eigen gemacht zu haben, mit dem er Kenntnisse der Beklagten von den Zahlungen in Abrede gestellt hatte. Der Beklagte zu 2) hat bei seiner persönlichen Anhörung im Senatstermin auch ausgeführt, sie, die Beklagten, hätten keine Kenntnis von Auszahlungen im Detail gehabt.

Da sich der Streithelfer nicht in Widerspruch zu dem Vorbringen der von ihm unterstützten Partei setzen kann, § 67 ZPO, kann der Senat sein Vorbringen zur Kenntnis der Beklagten nicht zugrunde legen. Selbst wenn die Beklagten jedoch, sei es auf informellem Wege, erfahren haben sollten, dass es zu Kaufpreisvorauszahlungen gekommen ist, kann dem nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnommen werden, dass Auszahlungen in gleicher Weise vorgenommen worden wären, wenn Beschlussfassungen nach § 89 AktG zu treffen gewesen wären. Hierbei ist zu bedenken, dass etwa vor Eintragung der ersten Grundschuld über 500.000,00 DM am 15. Mai 2000 bereits am 1. April 2000 Vorauszahlungen in Höhe von insgesamt 391.166,00 DM geleistet wurden. Der Restbetrag ist vor Abtretung und Eintragung der weiteren Grundschuld über 550.000,00 DM ausgezahlt worden. Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, es ist sogar naheliegend, dass die Beklagten, wären sie formell mit der Zustimmung zu den jeweiligen Zahlungen befasst gewesen, die ausreichende Besicherung angemahnt und vor ausreichender Sicherheit ihre Einwilligung versagt hätten.

Der Beklagte zu 3) vertritt die Auffassung, auch bei ordnungsgemäßer Nachgründung wäre es nicht zu anderen Ergebnissen gekommen. Der Senat vermag sich auch dem nicht anzuschließen. Wäre das Problem der Sachübernahme erkannt und beachtet worden, spricht viel dafür, dass Zahlungen auf einen nicht einmal schwebend unwirksamen, sondern vorbehaltlich einer Heilung gänzlich unwirksamen Vertrag nicht vorgenommen worden wären. Jedenfalls lässt sich dies nicht ausschließen, so dass dem Senat auch hier die Feststellung nicht möglich ist, der Schaden wäre auch bei pflichtgemäßem Handeln eingetreten.

3.

Inhalt der Pflicht zum Schadensersatz ist bei Verstößen gegen §§ 116, 93 Abs. 3 AktG der volle Ausgleich der abgeflossenen Beträge (vgl. Hüffer, § 93 Rdn. 22). Das entspricht hier der Klageforderung. Zu Unrecht wendet der Streithelfer ein, als ersatzfähiger Schaden komme allenfalls die hälftige Klageforderung in Betracht, da der Frau X zugute gekommene Anteil abzuziehen sei. Insoweit habe eine Pflicht nach § 89 AktG nicht bestanden, da die Schwester des Vorstandes von der Norm nicht erfasst werde. Eine GbR habe auch entgegen der Annahme des Senats in dem Vorprozess nicht bestanden.

Der Senat hat bereits davon auszugehen, dass die Zahlungen an den Vorstand Dr. L und seine Schwester X in Gesellschaft bürgerlichen Rechts geleistet wurden. Sowohl im Vorprozess als auch im vorliegenden Verfahren war zwischen den Parteien immer unstreitig, dass die Geschwister Dr. L/X das Grundstück in Gesellschaft bürgerlichen Rechts hielten. Insbesondere haben die Beklagten dem entsprechenden Vortrag des Klägers, der sich auf eine Vielzahl von entsprechenden Erklärungen in Urkunden, die aus der Sphäre der Eigentümer stammen, gestützt hat, nicht widersprochen. Die Tatsache war somit unstreitig. Der Streithelfer setzt sich nunmehr mit seinem Bestreiten der Existenz einer GbR in Widerspruch zu der von ihm unterstützten Partei, was nach § 67 ZPO unzulässig ist.

Selbst wenn man der Darstellung des Streithelfers insoweit folgen wollte, ändert sich nichts an dem Ergebnis. Der Schaden ist bei der Insolvenzschuldnerin eingetreten, da die Mittel abgeflossen sind. Der Senat hat auch keine Zweifel an der Kausalität, wenn sich die Pflichtverletzung der Beklagten nur auf Auszahlungen an den Vorstand bezogen haben sollte. Der Schaden muss adäquat kausal auf die Pflichtverletzung zurückzuführen sein (Hüffer, § 93 Rdn. 16). Dies ist aber auch im Fall einer bloßen Bruchteilsgemeinschaft zwischen den Geschwistern Dr. L/X zu bejahen. Die Zahlungen an die Eigentümer sind stets als Einheit gesehen worden, so dass nichts dafür spricht, dass der Frau X zustehende Anteil ein anderes Schicksal genommen hätte als derjenige ihres Bruders.

b)

Die Klageforderung ist entgegen der Auffassung des Beklagten zu 3) nicht um 400.000,00 DM zu reduzieren. Der Beklagte zu 3) will dieses Ergebnis damit begründen, dass die Insolvenzschuldnerin eine werthaltige Sicherheit in Form einer Grundschuld erhalten habe, die sie in Höhe von 400.000,00 DM als Sicherheit für ein erlangtes Darlehen an die C AG abgetreten habe. Dies allein führt indes nicht zu einer Reduzierung des Schadens. § 93 Abs. 3 AktG modifiziert nach allgemeiner Auffassung den allgemeinen Schadensbegriff der §§ 249 ff BGB. Wenn einer der näher beschriebenen Pflichtverstöße vorliegt, besteht der Schaden schon im Abfluss der Mittel. Der Einwand fehlenden Schadens kann dann nur darauf gestützt werden, dass entzogene Beträge tatsächlich zurückgeführt oder vorenthaltene Einlagen tatsächlich geleistet sind (Hüffer, § 93 Rdn. 22). Eine Gesamtvermögensbetrachtung unter Einschluss etwaiger Gegenleistungen hat zu unterbleiben.

Diese Grundsätze sind hier entsprechend anzuwenden, da die den Beklagten vorgeworfene Pflichtverletzungen den § 93 Abs. 3 Nr. 8 AktG tangieren. Dann ist das Erlangen von Sicherheiten, selbst wenn diese werthaltig sein sollten, nicht beachtlich. Anders wäre nur dann zu urteilen, wenn die Forderungen der Insolvenzschuldnerin in der Weise erfüllt worden wären, dass Darlehensbeträge wieder zurückgeflossen wären. Das ist aber durch den Erhalt von 400.000,00 DM nicht geschehen, da es sich dabei um ein rückzahlbares Darlehen gehandelt hat. Dass sich die Darlehensgläubigerin aus der Sicherheit befriedigt hat und damit der Darlehensrückzahlungsanspruch erloschen ist, ist nicht dargelegt und auch während der Erörterung im Senatstermin von den Beklagten nicht bestätigt worden.

II.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Das Landgericht hat dem Zahlungsantrag nur stattgegeben Zug um Zug gegen Abtretung der an die Insolvenzschuldnerin übertragenen Grundschulden, eingetragen im Grundbuch von I Blatt 2669 unter den lfd. Nr. 8 und 9 b. Nachdem die Grundschuld zu Ziffer 9 b zwischenzeitlich geteilt wurde, war der Urteilstenor insoweit auch auf Anregung des Klägers im Senatstermin den neuen Gegebenheiten anzupassen. Soweit die Grundschuld Nr. 9 b I zwischenzeitlich an Dritte abgetreten worden ist, steht das der Begründetheit der Klageforderung nicht entgegen. Insbesondere ist es Sache des Klägers, die Vollstreckungsvoraussetzungen zu schaffen, was etwa durch Rückabtretung der Grundschuld möglich wäre und nach Darstellung des Klägers im Senatstermin bereits geschehen ist.

Den Beklagten steht ein weiteres Zurückbehaltungsrecht zu, das zu einer weiteren Zugum-Zug-Einschränkung führt. Sie haben nämlich nach § 255 BGB Anspruch auf Abtretung der Ansprüche des Klägers gegen die Beklagten des Vorprozesses 16 O 72/03 LG Münster = 8 U 87/04 OLG Hamm. Dem Anspruch aus § 255 BGB auf Abtretung steht nicht entgegen, dass die Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits mit den Beklagten des Vorprozesses gesamtschuldnerisch haften, weil es dann einer Abtretung nicht bedürfte, da ein Gesamtschuldnerausgleich sich aus dem Gesetz (§ 426 BGB) ergäbe und § 255 BGB, der von einer abgestuften Haftung ausgeht, nicht eingreift (Palandt-Heinrichs, 66. Aufl. § 255 Rdn. 2). Eine solche Gesamtschuld liegt jedoch nicht vor. Eine gesamtschuldnerische Haftung mit Vorstandsmitgliedern käme dann in Betracht, wenn der Schaden auf einer Pflichtverletzung beider Organe beruht (MünchKomm (AktG)-Semler, 2. Aufl. § 116 Rdn. 552). Im Vorprozess hatte der Senat den Anspruch auf §§ 62, 57 AktG wegen unzulässiger Einlagenrückgewähr gestützt. Darin liegt aber im Verhältnis zur Haftung des Aufsichtsrats die primäre Haftung, so dass nicht von einem Gesamtschuldverhältnis auszugehen ist.

Soweit der Beklagte zu 3) ein weiteres Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf einen Anspruch auf Abtretung der Ansprüche des Klägers gegen die Rechtsberater und den Urkundsnotar geltend macht, führt dies nicht zu einer Zugum-Zug-Verurteilung. Insoweit liegen nämlich die Voraussetzungen des § 255 BGB nicht vor, wobei es genügt, dass Ansprüche möglicherweise bestehen und hinreichend bestimmt bezeichnet werden, ohne dass es einer Prüfung über die Begründetheit der Forderung bedarf. Die von der Insolvenzschuldnerin eingeschalteten rechtlichen Berater haben im Verhältnis zu den Aufsichtsratsmitgliedern einen Schaden der Gesellschaft letztlich nicht allein zu tragen. Nur dann läge ein Fall des § 255 BGB vor. Wenn überhaupt Schadensersatzansprüche in Betracht kommen, ist von einer gleichrangigen Haftung auszugehen, die, ohne dass es der Abtretung bedarf, im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs abgewickelt werden kann.

IV.

Die Berufung der Beklagten war nach alledem mit der vorgenommenen Einschränkung zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat ist der Anregung der Beklagten nicht gefolgt, die Revision zuzulassen. Die insbesondere von dem Beklagten zu 3) angesprochenen Fragen sind nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Sie betreffen die Beurteilung des vorliegenden Einzelfalls und nicht den zugrunde liegenden Rechtssatz, so dass die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.






OLG Hamm:
Urteil v. 14.01.2008
Az: 8 U 19/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/8719c322389d/OLG-Hamm_Urteil_vom_14-Januar-2008_Az_8-U-19-06




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