Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Februar 2009
Aktenzeichen: 27 W (pat) 108/08

(BPatG: Beschluss v. 17.02.2009, Az.: 27 W (pat) 108/08)

Tenor

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patentund Markenamtes vom 31. Juli 2007 und vom 29. April 2008 werden insoweit aufgehoben, als die angemeldete Marke für die Dienstleistungen "Werbung; Unternehmensberatung; Geschäftsführung; Personalvermittlung; Coaching" zurückgewiesen wurde.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I Die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patentund Markenamts hat mit Beschlüssen vom 31. Juli 2007 und 29. April 2008 die Anmeldung der für die Dienstleistungen Klasse 25: Werbung; Unternehmensberatung; Geschäftsführung; Personalvermittlung;

Klasse 41: Herausgabe, Verfassen und Verlegen von Texten und Büchern, auch in audiovisuellen und elektronischen Medien; Dienstleistungen eines Zeitungsreporters, Journalisten und Buchautors; Coaching; Vorträge; Personalentwicklung durch Ausund Fortbildung; Ausbildung;

Klasse 42: EDV-Beratung; Design von Computersoftware; Dienstleistungen eines EDV-Programmierers; Softwarearchitekten, Softwareentwicklers sowie Systemarchitekten und Systemadministrators; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Entwurf und Entwicklung von Computersoftware; technisches Projektmanagement im EDV-Bereichbeanspruchten Wortfolgewww.IT-Visions.denach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige und freihaltungsbedürftige Angabe mit der Begründung zurückgewiesen, die in Form einer Internetadresse gebildete angemeldete Wortfolge weise lediglich darauf hin, dass die im Kern mit der IT-Branche in Zusammenhang stehenden beanspruchten Dienstleistungen branchenspezifische Ideenansätze, Neuheiten und Besonderheiten behandelten, mit denen in der Vorstellung der Anwender und Abnehmer "IT-Träume" wahr würden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 41 vom 31. Juli 2007 und vom 29. April 2008 aufzuheben.

Er hält die Anmeldemarke wegen ihrer fehlenden Verständlichkeit, vor allem im Hinblick auf die (angebliche) Mehrdeutigkeit des Markenbestandteils "visions", für schutzfähig.

In der mündlichen Verhandlung hat der Anmelder seinen Standpunkt aufrechterhalten und vertieft.

II A. Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat nur teilweise Erfolg. Mit Ausnahme der angemeldeten Dienstleistungen in Klasse 35 und der Dienstleistung "Coaching" in Klasse 41 hat die Markenstelle zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, der angemeldeten Bezeichnung die Eintragung für die übrigen beanspruchten Dienstleistungen mangels der erforderlichen Unterscheidungskraft nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt.

1.

Es kann dahinstehen, ob der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung -wie die Markenstelle angenommen hat -bereits das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, da für die zu Recht versagten Dienstleistungen jedenfalls das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) besteht und ihr für die übrigen Dienstleistungen erkennbar -wie noch auszuführen sein wird -kein beschreibender Sinngehalt zukommt. Zweifel am Bestehen des Schutzhindernisses ergeben sich vorliegend aus dem Gesichtspunkt, dass das mit dem Schutzhindernis verbundene, im Allgemein-Interesse liegende Ziel, beschreibende Angaben für die Verwendung durch Mitbewerber offenzuhalten (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rn. 25 -CHIEMSEE; GRUR 2004, 680, 681 Rn. 35, 36 - BIOMILD), schon deshalb nicht erreichbar ist, weil eine Internetadresse, in deren Form die Anmeldemarke erkennbar aufgebaut ist, nach den strengen Regeln für ihre Vergabe stets nur einmalig vergeben wird. Damit scheidet aber eine Verwendung der gesamten Marke -auf die bei der Beurteilung des Freihaltungsbedürfnisses abzustellen ist (vgl. den Begriff "ausschließlich" in § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) -durch Dritte von vornherein aus. Dieser Frage braucht indessen vorliegend nicht weiter nachgegangen zu werden, da die Eintragung der Anmeldemarke -wie noch auszuführen sein wird -teilweise schon wegen der fehlenden Unterscheidungskraft ausscheidet und im Übrigen auch ein Freihaltungsbedürfnis mangels beschreibenden Sinngehalts nicht bestehen kann.

2.

Mit der Markenstelle geht auch der Senat davon aus, dass die angemeldete Bezeichnung jedenfalls für die beanspruchten Dienstleistungen in Klasse 41 (außer "Coaching") und 42 nach § 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG mangels jeglicher Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen ist.

a) Die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG geht auf die Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) der Ersten Richtlinie des Rates der EG Nr. 89/104 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. Nr. L 40 vom 11.2.1989) zurück, der wiederum mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. b) GMV wortidentisch ist. Da die Auslegung der vorgenannten europarechtlichen Normen nach Art. 234 EGV allein dem Europäischen Gerichtshof vorbehalten ist, ist auch für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "Unterscheidungskraft" in § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ausschließlich dessen Rechtsprechung maßgeblich und für alle nationalen Gerichte bindend. Danach ist für die Beurteilung, ob einer angemeldeten Bezeichnung die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, auf die Hauptfunktion einer Marke abzustellen, derzufolge diese den Abnehmern die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen garantieren soll, indem sie es ihnen ermöglicht, diese ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. EuGH WRP 2002, 924, 927 [Rz. 30] - Philips/Remington; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 23] -SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 [Rz. 27] -BioID). Unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der nicht ungerechtfertigten Einschränkung der Verfügbarkeit der angemeldeten Kennzeichnung für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die entsprechende Waren oder Dienstleistungen anbieten (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 26] -SAT.2), ist deshalb die Unterscheidungskraft einer angemeldeten Bezeichnung zu verneinen, wenn diese nicht geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, in der Anschauung ihrer durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 607 [Rz. 46] -Libertel; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 24] - SAT.2) Abnehmer als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] - Philips/Remington; MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] -Gabelstapler; MarkenR 2005, 22, 25 f. [Rz. 33] -Das Prinzip der Bequemlichkeit).

b) Dies ist bei der vorliegend zu beurteilenden angemeldeten Kennzeichnung für die vorgenannten Dienstleistungen der Fall, weil sie für diese nur einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt hat (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 - City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 m. w. N. - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 58, 59 [Rz. 21] -Companyline; MarkenR 2003, 450, 453 [Rz. 32] -DOUBLEMINT; MarkenR 2004, 99, 109 [Rz. 97] -POSTKANTOOR; MarkenR 2004, 111, 115 [Rz. 38] -BIOMILD). Dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind, sofern das Gesamtzeichen infolge einer ungewöhnlichen Veränderung -etwa syntaktischer oder semantischer Art -nicht hinreichend weit von der bloßen Zusammenfügung ihrer schutzunfähigen Bestandteile abweicht (vgl. EuGH MarkenR 2004, 99, 109 [Rz. 98] -POSTKANTOOR; MarkenR 2004, 111, 115 [Rz. 39 f.] - BIOMILD; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 28] -SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 [Rz. 29] -BioID; MarkenR 2007, 204, 209 [Rz. 77 f.] -CELLTECH).

c) Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, besteht die Anmeldemarke erkennbar aus den Grundbestandteilen einer in Deutschland angemeldeten Internetadresse ("www. ... .de"), dem allgemein als Abkürzung für Informationstechnologie gebräuchlichen Kürzel "IT" und der im Englischen allgemein für "Sehkraft, Sichtweite, Sehfeld, Vision, Gesicht, Phantom, Weitblick, Bild" stehenden und im -wie vorliegend verwendeten -Plural gewöhnlich als "Fantasien, Fantasiebilder" verständlichen (vgl. Duden-Oxford -Großwörterbuch Englisch. 3. Aufl. Mannheim 2005 [CD-ROM], Stichwort "vision") Begriff "visions". Die Wortfolge "IT-Visions" ist daher ohne Weiteres als "IT-Fantasien" oder -wie die Markenstelle angenommen hat -Synonym als "IT-Träume" verständlich. Da auf dem hier in Rede stehenden Dienstleistungssektor die englische Sprache dominiert und von weiten Teilen der Abnehmer solcher Dienstleistungen verstanden wird, kann entgegen der -ohnehin nicht begründeten -Auffassung des Anmelders kaum davon ausgegangen werden, dass dieser Bedeutungsgehalt sich den Abnehmern der beanspruchten Dienstleistungen nicht sofort und ohne jedes weitere Nachdenken aufdrängt. In ihrer Gesamtheit weist die angemeldete Wortfolge somit auf eine Internetadresse hin, deren Webseite sich mit der Umsetzung zukunftsorientierter Informationstechnologien befasst.

d) Da die hier in Rede stehenden Dienstleistungen der Klassen 41 und 42, nämlich "Herausgabe, Verfassen und Verlegen von Texten und Büchern, auch in audiovisuellen und elektronischen Medien; Dienstleistungen eines Zeitungsreporters, Journalisten und Buchautors; Vorträge; Personalentwicklung durch Ausund Fortbildung; Ausbildung; EDV-Beratung; Design von Computersoftware; Dienstleistungen eines EDV-Programmierers; Softwarearchitekten, Softwareentwicklers sowie Systemarchitekten und Systemadministrators; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Entwurf und Entwicklung von Computersoftware; technisches Projektmanagement im EDV-Bereich" aber dazu geeignet und bestimmt sein können, solche "IT-Träume" umzusetzen oder sich inhaltlich mit solchen Visionen zu befassen, werden weite Teile des angesprochenen Publikums -dies sind alle inländischen Verbraucher -die Anmeldemarke nur als allgemeinen Sachhinweis darauf verstehen, dass unter der angegebenen Internetadresse solche Dienstleistungen angeboten werden. Damit kann die Anmeldemarke aber ihre Hauptfunktion, auf die Herkunft solcher Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen, nicht mehr erfüllen, so dass sie für die vorgenannten Dienstleistungen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht schutzfähig ist. Da die Markenstelle der Anmeldemarke für diese Dienstleistungen somit zutreffend die Eintragung nach § 27 MarkenG versagt hat, war die hiergegen gerichtete Beschwerde des Anmelders somit zurückzuweisen.

3. Anderes gilt indessen für die ebenfalls beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 sowie für die Dienstleistung "Coaching" in Klasse 41. Bei diesen Dienstleistungen, die üblicherweise allgemein und nicht nur für bestimmte Inhalte erbracht werden, ist nämlich nicht erkennbar, inwieweit sie dazu geeignet oder bestimmt sein könnten, "IT-Träume" umzusetzen. Dies gilt auch, soweit sie sich bei ihrer Umsetzung innovativer IT-Technologien bedienen, da diese hierfür nur Hilfsmittel sind und die jeweilige Dienstleistung nicht auf solche Technologien inhaltlich beschränkt ist. Insoweit kann für diese Dienstleistungen weder das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) noch ein Freihaltungsbedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) festgestellt werden, so dass insoweit die anderslautenden Beschlüsse der Markenstelle teilweise aufzuheben waren.

B. Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 71 Abs. 3 MarkenG bestand ebenso wenig Veranlassung wie für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 2 MarkenG.

Dr. Albrecht Kruppa Schwarz Fa






BPatG:
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Az: 27 W (pat) 108/08


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