Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 24. November 2011
Aktenzeichen: I-2 U 55/11

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 24.11.2011, Az.: I-2 U 55/11)

Tenor

I.

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 27. Mai 2011 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

II.

Die Verfügungsbeklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 540 Abs.2, 313a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

II.

Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig, aber unbegründet.

Im Ergebnis und im Wesentlichen auch in der Begründung zutreffend hat das Landgericht, auf dessen Urteil zunächst Bezug genommen wird, der Verfügungsklägerin den begehrten Unterlassungsanspruch zu- und das Vorliegen eines Verfügungsanspruches anerkannt, der im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durchgesetzt werden kann. Die angegriffenen Kreissägeblätter machen - was im Berufungsverfahren zu Recht nicht mehr in Frage steht - wortsinngemäß von der in Anspruch 1 des Verfügungspatentes unter Schutz gestellten technischen Lehre Gebrauch, und auch der Rechtsbestand des Antragsschutzrechtes erscheint soweit gesichert, dass den Interessen der Verfügungsklägerin an einer beschleunigten Durchsetzung ihrer Rechte aus dem Antragsschutzrecht der Vorrang vor den Interessen der Verfügungsbeklagten eingeräumt werden muss, nicht vorzeitig aus einem sich später als schutzunfähig erweisenden Patent in Anspruch genommen zu werden.

1. Die im Verfügungspatent - dem am 2. März 1995 angemeldeten und am 8. März 2007 veröffentlichten deutschen Patent 195 19 XXX - unter Schutz gestellte Erfindung betrifft ein Kreissägeblatt mit nach außen in Stufen abnehmender Dicke. Wie die Verfügungspatentschrift einleitend ausführt (Abs. [0002]), offenbart die vorbekannte deutsche Gebrauchsmusterschrift 87 03 XXY (Anlage ASt 6) ein Kreissägeblatt mit einer Stufe, wobei der die Mittenbohrung konzentrisch umgebende Bereich (C; Bezugszeichen entsprechen der älteren Druckschrift) eine größere Dicke (F) aufweist als der sich anschließende die Schneidzähne tragende äußere Bereich (vgl. E). Außen im Bereich der Zähne ist das Sägeblatt nicht verdickt, lediglich der schneidende Bereich steht mit seiner Dicke (G) über diejenige des äußeren Bereiches vor (vgl. Figur 2 der älteren Druckschrift). Solche Kreissägeblätter mit nach außen hin gestuft abnehmender Dicke unterscheiden sich von den ebenfalls aus dem Stand der Technik bekannten und in der Verfügungspatentschrift nicht erörterten Kreissägeblättern mit planer, durchgehend gleichmäßig dicker Ausbildung. Wie die Verfügungsklägerin unwidersprochen vorgetragen hat (S. 7 ff. ihrer Berufungserwiderung vom 15. September 2011, Bl. 171 ff. d.A.), ermöglichen nach außen stufenförmig abnehmend dick ausgebildete Kreissägeblätter eine schmalere Schnittfuge großer Tiefe; somit sparen sie Material und gestatten eine exaktere Bearbeitung des Werkstücks als gleichmäßig dicke Blätter. Die so gestufte Ausgestaltung von Sägeblättern führt jedoch zu den in der Verfügungspatentschrift (Abs. [0002]) angesprochenen erheblichen Problemen bei der Kontrolle und dem Richten des Sägeblattes sowie bei dessen Herstellung. Wie die Verfügungsklägerin (a.a.O.) auch insoweit unwidersprochen vorgetragen hat, ergeben sich diese Probleme daraus, dass nur ein planes Sägeblatt präzise arbeiten kann, das Sägeblatt schon nach seiner Herstellung auf seine plane Ausbildung überprüft und bei Abweichungen gerichtet werden muss und dass die erhebliche Beanspruchung des Sägeblatts im Betrieb zumindest in Teilbereichen Verbiegungen, Abnutzungen, Fehlstellen oder Anbackungen verursacht, die das Kreissägeblatt unregelmäßig laufen lassen und zu Ungenauigkeiten im Arbeitsvorgang führen.

Um Fehlstellungen oder Deformationen des Sägeblattes einfach feststellen und beheben zu können, wird bei ungestuften Sägeblättern ein Richtlineal angelegt; durch das Anlegen eines Richtlineals auf einer ebenen Fläche lässt sich feststellen, ob das Sägeblatt tatsächlich plan ist und insbesondere der Außenbereich mit den Schneidzähnen sich noch in einer Ebene mit dem Sägeblatt befindet. Zum Richten wird ein ungestuftes Sägeblatt auf eine ebene Fläche gelegt, auf der die seitlich über das Sägeblatt überstehenden Zähne nicht aufliegen und dann mit einem schweren Hammer gerichtet. Dieses Verfahren ist bei den von der Verfügungspatentschrift angesprochenen gattungsgemäßen gestuften Sägeblättern gemäß dem deutschen Gebrauchsmuster 87 03 XXY nicht möglich; ermittelt werden kann lediglich, ob die jeweilige Stufe plan ist oder nicht. Ob auch die die Schneidzähne tragenden Enden mit dem restlichen Sägeblatt plan verlaufen, lässt sich dagegen nur schwer feststellen, auch der Richtvorgang gestaltet sich schwierig, und zudem fehlt es an einer ausreichend ebenen Auflagefläche während des Richtvorganges.

Als Aufgabe (technisches Problem) der Erfindung gibt die Verfügungspatentschrift an, ein Kreissageblatt bereit zu stellen, welches einfach und exakt bezüglich seiner Planheit kontrolliert werden kann (Abs. [0003]).

Zur Lösung dieser Problemstellung schlägt das Verfügungspatent in seinem Hauptanspruch 1 ein Kreissägeblatt vor, das folgende Merkmale miteinander kombiniert:

1. Kreissägeblatt (1) mit radial nach außen in Stufen abnehmender Dicke;

2. um die Mittenbohrung des Sägeblattes (1) ist ein konzentrischer Absatz (d4) exakt gleicher Dicke (s1) vorgesehen;

3. außerhalb des konzentrischen Absatzes (d4) beträgt die Dickenänderung maximal 1,2 mm;

4. außen im Bereich der Zähne (2) ist eine Sägendicke einer Zahnverdickung (S4) vorgesehen,

4.1 die mindestens auf einer Seite

4.2 mit einem radial weiter innenliegenden Dickenbereich des Sägeblattes (1) eine Ebene bildet.

Kern der Erfindung ist die in der Merkmalsgruppe 4 näher beschriebene außen im Bereich der Zähne vorgesehene Sägendicke einer Zahnverdickung. Wie die Verfügungspatentschrift (Abs. [0004]) ausführt, ermöglichen diese Verdickungen, weil sie entsprechend Merkmal 4.2 mit einem radial weiter innen liegenden Dickenbereich eine Ebene bilden, eine einfachere Vermessung der Säge, weil nunmehr wie bei einer ungestuften Vorrichtung auch der Bereich der Zähne auf der Unterlage liegen und durch diese abgestützt werden kann. Außerdem lassen sich nach den weiteren Ausführungen der Verfügungspatentbeschreibung (a.a.O.) die Herstellungskosten senken und die Flächen zum Anlöten der eigentlichen Schneidzähne vergrößern.

Wie das Landgericht im angefochtenen Urteil (Umdruck S. 11 ff.; Bl. 116 ff. d.A.) zutreffend ausgeführt hat, erkennt der einschlägige Durchschnittsfachmann, dass die in Merkmal 4 beschriebene "Sägendicke einer Zahnverdickung" nicht gleichgesetzt werden darf mit dem seitlichen Überstand des eigentlichen angelöteten Schneidzahns. Zum richtigen Verständnis der unter Schutz gestellten technischen Lehre ist vielmehr klar zwischen beiden Vorrichtungsteilen zu unterscheiden. Das verdeutlicht bereits der Wortlaut des Anspruches 1 in Merkmal 4, der für die Säge "im Bereich der Zähne" - und damit nicht an den Schneidzähnen selbst - eine Verdickung vorsieht, die Zahnverdickung heißt, weil sie sich im Bereich der Zähne befindet. Die Beschreibung des Verfügungspatentes bestätigt den Durchschnittsfachmann in diesem Verständnis des technischen Sinngehaltes der Merkmalsgruppe 4. Dass die in Anspruch 1 verlangte Sägendicke einer Zahnverdickung nicht mit dem seitlichen Überstand des eigentlichen Schneidzahns gleichgesetzt werden darf, ergeben zum Einen die Ausführungen der Verfügungspatentbeschreibung zur aus dem deutschen Gebrauchsmuster 87 03 XXY bekannten Vorrichtung. Auch sie verfügt seitlich über die Sägenblattdicke überstehende Schneidzähne, gleichwohl führt die Verfügungspatentschrift hierzu aus, das vorbekannte Kreissägeblatt habe außen im Bereich der Zähne keine Verdickung. Zum Anderen belegen auch die wenigen Ausführungen der Verfügungspatentbeschreibung zu dem mit der Sägendicke der Zahnverdickung bezweckten technischen Erfolg, dass die Zahnverdickung von den eigentlichen Schneidezähnen unterschieden werden muss. Wenn es dort (Absatz [0004]) heißt, der in der Merkmalsgruppe 4 beschriebene Bereich der Zahnverdickung diene zur einfacheren Vermessung der Säge, so entnimmt der angesprochene Durchschnittsfachmann dem nach dem unwiderlegt gebliebenen Vorbringen der Verfügungsklägerin (S. 10 der Berufungserwiderung vom 15. September 2011 [Bl. 174 d.A.]), dass diese Verdickung - wie vorstehend bereits erwähnt wurde - ebenso wie der gleich dicke innere Bereich das Sägeblatt beim Vermessen und Richten auf der Unterlage abstützen soll. Dass der Breitenüberstand des Schneidzahnes diese Aufgabe nicht erfüllen kann, zeigt sich schon daran, dass er zum Einen aufgrund seiner unterschiedlichen Breitenausbildung mit vom Frontbereich in alle Richtungen schmaler werdender Breite keine Ebene mit einem innenliegenden Dickenbereich bilden kann und das Kreissägeblatt beim Richten nicht zuletzt deshalb nicht auf den Schneidzähnen aufliegen darf, weil diese zu empfindlich sind und beim Richten beschädigt würden. Ohnehin kann der Schneidzahn keine Ebene mit dem innenliegenden Dickenbereich bilden, weil er stets über die Breite des Sägeblattes vorstehen muss, damit dieses beim Schneiden nicht verklemmt. Einen weiteren entsprechenden Hinweis erhält der Durchschnittsfachmann aus der Aussage der Verfügungspatentbeschreibung, die Sägendicke der Zahnverdickung diene auch zur Vergrößerung der Lötflächen (Abs. [0004] a.E). Dies bezieht sich auf die Flächen zum Anlöten der Schneidzähne, die sich naturgemäß nur dann vergrößern lassen, wenn die Zahnverdickung von dem eigentlichen Schneidezahn verschieden ist und die Fläche bietet, an die der eigentliche Schneidzahn angelötet wird. In Einklang hiermit ist in Figur 2 der Verfügungspatentschrift die mit dem Bezugszeichen S4 versehene Sägendicke der Zahnverdickung nicht an die (im übrigen mit dem abweichenden Bezugszeichen A markierte) Breite des überstehenden Schneidzahnes angelegt, sondern an die in Schneidrichtung hinter dem Schneidzahn befindliche radial nach außen gerichtete dickere Abstufung, an der die Schneidzähne befestigt sind.

2. Dass die angegriffene Vorrichtung wortsinngemäß mit der so verstandenen technischen Lehre überein stimmt, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt (Umdruck S. 8 bis 10; Bl. 113 bis 115 d.A.); die Verfügungsbeklagte greift diese Ausführungen mit der Berufung - zu Recht - nicht an.

3. Vor dem Hintergrund des vorstehend dargelegten Verständnisses der unter Schutz gestellten technischen Lehre erscheint auch der Rechtsbestand des Verfügungspatentes hinreichend gesichert. Zwar kann grundsätzlich nur dann von einem hinreichend gesicherten Rechtsbestand ausgegangen werden, wenn das Verfügungspatent bereits in erster Instanz ein Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat (Senat, InstGE 12, 114 - Harnkatheterset; GRUR-RR 2008, 329 = InstGE 9, 140 - Olanzapin; GRUR-RR 2008, 81 - Gleitscheibensattelbremse II), und eine solche kontradiktorische Entscheidung liegt im Streitfall nicht vor. Gleichwohl kann hier ausnahmsweise dennoch der Rechtsbestand des Antragsschutzrechtes als gesichert betrachtet werden. Um das Vorliegen eines entsprechenden Ausnahmesachverhaltes zu begründen, braucht nicht auf die Ausführungen des Landgerichts zurückgegriffen zu werden, die Verfügungsbeklagte habe das Antragsschutzrecht bereits aus der Nebenintervention zur Nichtigkeitsklage A ./. B (BPatG 4 Ni 25/09) gekannt. Ein Ausnahmefall, der es rechtfertigt, vom Vorliegen einer das Klagepatent aufrecht erhaltenden Entscheidung über seinen Rechtsbestand abzusehen, ergibt sich im Streitfall daraus, dass auf dem Hintergrund des vorstehend dargelegten zutreffenden Verständnisses von der unter Schutz gestellten technischen Lehre sich die Einwände der Verfügungsbeklagten gegen den Rechtsbestand des Antragsschutzrechtes auch bei summarischer Überprüfung als haltlos erweisen (vgl. Senat InstGE 12, 114 - Harnkatheterset).

Die US-Patentschrift 4 979 XXZ (Anlage AG 2) hat das Landgericht zutreffend mit der Begründung für nicht neuheitsschädlich gehalten, es sei nicht zu erkennen, dass das vorbekannte Sägeblatt eine Zahnverdickung im Sinne der Merkmalsgruppe 4 aufweise; auch liege der Schneidzahn, wenn man ihn denn als Zahnverdickung im Sinne des Verfügungsschutzrechtes ansähe, nicht auf einer Ebene mit einem radial weiter innen liegenden Bereich. Diese zutreffende Würdigung greift die Berufung ohne Erfolg an. Auch im Berufungsverfahren kranken die Ausführungen der Verfügungsbeklagten daran, dass sie nicht zwischen der Zahnverdickung und dem eigentlichen Schneidezahn unterscheidet und der unzutreffenden Auffassung ist, auch der Schneidezahn selbst könne die erfindungsgemäße Zahnverdickung bilden. Dass das nicht zutrifft, wurde bereits im Einzelnen dargelegt. Die vorbekannte Erfindung offenbart die abgestufte Ausbildung der Säge, umfassend ein dickes mittiges konzentrisches Nabenelement (16; Bezugsziffern entsprechen der älteren Druckschrift), ein dünneres konzentrisches Zwischenelement (18) und ein dünnstes peripheres Endelement (20), das die Schneidzähne (22) trägt. Die stufenförmig verjüngte Ausbildung soll zu besseren Ergebnissen der kritischen Sequenzleistung führen (Übersetzung Anlage 1a S. 6 mittlerer Abs.); die Konstruktion soll die kritische Geschwindigkeit der Säge erhöhen und auf diese Weise höhere Betriebsdrehzahlen bzw. eine geringere Sägedicke und einen schmaleren Sägeschlitz ermöglichen (a.a.O. S. 3 Abs. 1 a.E.). Die dem Verfügungspatent zugrunde liegende Problematik wird in der Entgegenhaltung nicht erörtert, und die dortige technische Lehre erfordert eine solche Zahnverdickung auch nicht; jedenfalls enthält die Entgegenhaltung keinerlei entsprechende Hinweise für den Durchschnittsfachmann. Dass die Zähne aus einem beliebigen geeigneten Material sein können einschließlich des Stahls der Säge selbst, besagt über eine verdickte Ausbildung im Zahnbereich außerhalb der Schneidzähne nichts, sondern enthält nur Anregungen, welches Material für die Schneidzähne verwendet werden kann. Auch der von der Verfügungsbeklagten im Berufungsverfahren hervorgehobene Umstand, Figur 1 der Entgegenhaltung zeige ausweislich der einheitlichen schraffierten Darstellung materialeinheitlich mit dem Sägeblatt ausgebildete Zähne, die auch die Zahnverdickung darstellen könnten (S. 8/9 der Berufungsbegründung, Bl. 142, 143 d.A.), führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Beschreibung der Entgegenhaltung enthält keinerlei Hinweise auf einen solchen vom Schneidezahn zu unterscheidenden verdickten Bereich, sondern bezeichnet mit der Bezugszahl (22) stets die Schneidzähne selbst.

b)

Die US-Patentschrift 334 XYX aus dem Jahre 1886 (Anlage 2 zur Anlage AG 2) nimmt den Gegenstand der Erfindung ebenfalls nicht neuheitsschädlich vorweg; in jedem Fall offenbart sie nicht die in Merkmal 3 gelehrte Dickenänderung außerhalb des konzentrischen Absatzes von maximal 1,2 mm; dies räumt auch die Verfügungsbeklagte letztlich ein, indem sie geltend macht, das Merkmal ergebe sich aus einer Kombination der letztgenannten Entgegenhaltung mit der zuvor erörterten US-Patentschrift 4 979 XXZ (Berufungsbegründung S. 13, Bl. 147 d.A.). Auch die in der US-Patentschrift 334 XYX offenbarte Erfindung enthält keinen Hinweis darauf, dass im Bereich der Schneidzähne eine zusätzliche davon zu unterscheidende Zahnverdickung vorgesehen ist, sondern erklärt in ihrer Beschreibung nur, die äußerste Kante der Zähne - und damit der Schneidzähne selbst - könne den gleichen Querschnitt wie der Mittelteil haben: Es wurde oben bereits ausgeführt, dass eine solche Ausbildung der erfindungsgemäßen Lehre nicht entspricht, weil die eigentlichen Schneidzähne mit ihrem Schneidbereich selbst wegen der Beschädigungsgefahr zum Richten nicht auf der Unterlage mit aufliegen dürfen.

c)

Auch die nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfügungsverfahrens neu in das Nichtigkeitsverfahren eingeführte europäische Patentanmeldung 0 637 XYY (Anlage BK 1) offenbart nicht die Merkmalsgruppe 4, sondern betrifft mit ihrem verbreitert dargestellten Bereich an der Peripherie nur den Schneidzahn selbst. Der Kern der in der Entgegenhaltung offenbarten Erfindung besteht darin, zwischen den Sägezähnen und dem Halterungsbereich des Sägeblattes einen nicht schneidenden Blattbereich vorzusehen, der gegenüber den anderen Bereichen dünner ausgebildet und mit einer biologisch neutralen und gegenüber dem übrigen Blattsubstratmaterial weicheren edlen Metallbeschichtung versehen ist, um eine Vorrichtung zu schaffen, die insbesondere bei operativen Eingriffen im Knochenbereich die Reibung des Sägeblatts an dem durchtrennten Material stark reduziert und eine geglättete Oberfläche mit leicht schmierender Wirkung bildet (Anlage BK 1, S. 2, Zeilen 24 bis 28 und S. 3, Zeilen 17-20 und 33 bis 39). Auch in diesem Zusammenhang wird eine separate von den eigentlichen Schneidzähnen zu unterscheidende Zahnverdickung nicht erwähnt, und die Verfügungsbeklagte legt auch nicht dar, aus welchen Gründen es für den Durchschnittsfachmann offensichtlich sein soll, dass die ältere technische Lehre eine solche zusätzliche Zahndicke erfordert. Unteranspruch 4 besagt insoweit nichts anderes. Er befasst sich mit der größeren Dicke des Schneidbereiches gegenüber dem nichtschneidenden Blattbereich und lehrt keine Zahnverdickung.

d) Die ebenfalls nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfügungsverfahrens im Nichtigkeitsverfahren neu entgegen gehaltene deutsche Auslegungsschrift 24 35 XYZ (Anlage BK 2) offenbart nicht sämtliche Merkmale des Verfügungspatentanspruches 1. Sie offenbart kein gestuft ausgebildetes Sägeblatt, sondern eine im Grundsatz ungestuft ausgebildete Vorrichtung, die zur Geräuschminderung lediglich in radialer Richtung unterhalb der Zahnfüße eine ringförmige Zone aufweist, die dünner ausgebildet ist als das Stammblatt, wobei diese dünnere Ausbildung auch den radial innen liegenden Teil der Sägezähne erfasst. Dünnere Sägeschnitte, wie sie eine abgestufte Sägeblattausbildung ermöglicht, sind mit dem vorbekannten Gegenstand nicht zu erzielen, und auch das Problem einer sachgerechten Lagerung der Platte beim Vermessen und Richten stellt sich nicht, weil nach wie vor eine im Grundsatz vollkommen ebene Seitenfläche gegeben ist.

e)

Zutreffend ist das Landgericht ferner zu dem Ergebnis gekommen, dass der Gegenstand des Verfügungspatentes gegenüber seiner ursprünglichen Anmeldung nicht unzulässig erweitert worden ist. Die maßgeblichen Rechtsgrundsätze zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung sind im angefochtenen Urteil (Umdruck S. 13 Abs. 1) zutreffend wiedergegeben; hierauf kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden. Zwar befasste sich die ursprünglich angemeldete Erfindung mit einem Kreissägeblatt, bei dem Fliehdehnungen im Sägeblatt etwa gleich sind, offenbarte hiervon unabhängig jedoch auch die vom jetzigen Antragsschutzrecht geschützte technische Lehre (vgl. Anlage ASt 19, Spalte 1 Zeile 68 bis Spalte 2 Zeile 7). Dort werden Verdickungen beschrieben, die auf einer Ebene mit einem innen liegenden Bereich liegen und unabhängig von Fliehkräften definiert werden. Diese Verdickungen im Bereich der Zähne sollen auch nach den soeben in Bezug genommenen Ausführungen der älteren Offenlegungsschrift mit einem radial weiter innen liegenden Dickenbereich eine Ebene bilden und in Übereinstimmung mit den Ausführungen in Abs. [0004] der Verfügungspatentbeschreibung zu einer einfacheren Vermessung der Säge, zur Kostensenkung in der Herstellung und zur Vergrößerung der Lötflächen dienen. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat (a.a.O. Abs. 2 a.E.), offenbart die Offenlegungsschrift zwei Lehren, nämlich einmal Kreissägeblätter, deren Ausgestaltung über Fliehkräfte definiert wird, und weiterhin eine solche - jetzt im Verfügungspatent unter Schutz gestellte - Ausgestaltung ohne Definition über die Fliehkräfte. Dass eine der ursprünglich offenbarten Alternativen nunmehr im Verfügungspatent als einzige technische Lehre unter Schutz gestellt wird, begründet nicht den Vorwurf einer unzulässigen Erweiterung.

III.

Als im Berufungsverfahren unterlegene Partei hat die Verfügungsbeklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

X Y Z






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 24.11.2011
Az: I-2 U 55/11


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