Bundesgerichtshof:
Urteil vom 18. Oktober 2010
Aktenzeichen: II ZR 270/08

(BGH: Urteil v. 18.10.2010, Az.: II ZR 270/08)

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. Dezember 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auf Übertragung von 45 nennwertlosen S. -Stückaktien und auf Zahlung von 532,13 € abgewiesen worden sowie die Beklagte zur Zahlung von 297,56 € Zugum-Zug gegen Lieferung von fünf Stück S. -N. I. AG-Aktien verurteilt worden ist.

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der VI. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund vom 14. November 2007 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15 nennwertlose S. -Stückaktien WKN mit Gewinnbezugsrecht ab dem Geschäftsjahr 2007/2008 zu übertragen und 266,07 € zu zahlen, Zugum-Zug gegen Lieferung von fünf S. -N. I. AG-Aktien durch den Kläger.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 30 nennwertlose Siemens-Stückaktien WKN mit Gewinnbezugsrecht ab dem Geschäftsjahr 2007/2008 zu übertragen und 532,13 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die durch die Anrufung des Landgerichts München I entstandenen Mehrkosten trägt der Kläger. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 99/100, die Beklagte 1/100.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die S. -N. I. AG (im Folgenden SNI) wurde 1992 in die Beklagte eingegliedert. Als Abfindung wurden den Aktionären der SNI Aktien der Beklagten in einem Verhältnis von sechs Aktien der SNI gegen eine 50-DM-Aktie der Beklagten gewährt. Aktienspitzen sollten mit 156,50 DM (80,02 €) entgolten werden. Mit Beschluss vom 31. Januar 2003 setzte das Oberlandesgericht Düsseldorf im Spruchverfahren das Umtauschverhältnis auf 13 Aktien der SNI zu drei Aktien der Beklagten bei einem Ausgleich für Aktienspitzen von 76,90 € je SNI-Aktie fest. Infolge von Kapitalmaßnahmen entsprechen einer 50-DM-Aktie von 1992 inzwischen 15 nennwertlose Stückaktien der Beklagten.

Der Kläger selbst und seine Familienangehörigen reichten von 1992 bis 1994 insgesamt 2.330 SNI-Aktien in einzelnen Paketen zu je fünf Aktien ein und erhielten entsprechende Zahlungen. Mit seiner am 28. Dezember 2006 beim Landgericht München I eingegangenen und am 9. Januar 2007 zugestellten Klage begehrt der Kläger für diese 2.330 Aktien - teilweise aus abgetretenem Recht - gegen Rückzahlung der erhaltenen Beträge 8.065 Aktien der Beklagten. Dabei legt der Kläger ein Verhältnis von 13 SNI-Aktien zu 45 aktuellen Stückaktien der Beklagten zugrunde.

Mit dem Hilfsantrag zu diesem Klageantrag begehrt er hilfsweise einen Umtausch für jedes Fünfer-Paket, bei 466 Fünfer-Paketen zu je 17 Aktien 7.922 Aktien. Seiner Ansicht nach muss er bei einem Verhältnis von 13 SNI-Aktien zu 45 aktuellen Stückaktien der Beklagten für 5 SNI-Aktien 17 Stückaktien erhalten.

Mit dem zweiten Klageantrag verlangt er 17 Aktien der Beklagten Zugum-Zug gegen Übertragung von fünf bisher noch nicht umgetauschte SNI-Aktien, mit dem dritten Klageantrag eine Erhöhung der 1994 für 270 SNI-Aktien erhaltenen 45 50-DM-Aktien um 34 neue Stückaktien entsprechend dem von ihm errechneten Umtauschverhältnis. Die Beklagte habe nach Abschluss des Spruchverfahrens - unstreitig - nur 225 Stückaktien nachgeliefert, er habe aber 259 zu beanspruchen. Die seinerzeit umgetauschten 45 50-DM-Aktien entsprächen 675 Stückaktien der Beklagten. Aufgrund des Ergebnisses des Spruchverfahrens habe er insgesamt 934 aktuelle Stückaktien zu erhalten (270 geteilt durch 13, multipliziert mit 45) und könne abzüglich der - den seinerzeit erhaltenen 45 Aktien entsprechenden - 675 Stückaktien weitere 259 Stückaktien verlangen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat die Beklagte aufgrund des Klageantrags zu 2 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Klägers zur Zahlung von 297,56 € Zugum-Zug gegen Lieferung von fünf Stück SNI-Aktien verurteilt. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Klägers, mit der er seine Übertragungsansprüche weiterverfolgt.

Gründe

Die Revision hat nur zu einem geringen Teil Erfolg. Sie führt zur Verurteilung der Beklagten zur Übertragung von weiteren 45 Stückaktien der Beklagten und zur Zahlung von insgesamt 798,20 €.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Spruchverfahren komme erst bei einer Stückzahl von mindestens 13 SNI-Aktien ein Umtausch in Aktien der Beklagten in Betracht. Der Kläger könne daher für die einzelnen Pakete von jeweils fünf Aktien keinen Umtausch in Aktien verlangen. Den Umtausch der 2.330 SNI-Aktien in Fünfer-Paketen könne er nicht rückgängig machen. Für die noch nicht umgetauschten fünf Aktien könne er nur Zahlung von 297,56 € verlangen; dass er den Zahlungsanspruch in erster Linie auf entgangene Dividenden gestützt habe, stehe der Verurteilung der Beklagten nicht entgegen.

II. Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung überwiegend stand. Für die 2.330 in einzelnen Paketen zu je fünf Aktien eingereichten SNI-Aktien (Klageantrag zu 1) verbleibt es bei der erhaltenen Barabfindung. Für die noch nicht eingereichten fünf SNI-Aktien (Klageantrag zu 2) kann der Kläger 15 Stückaktien der Beklagten und Zahlung von 266,07 € verlangen. Für die 1994 eingereichten 270 SNI-Aktien ist er über die bereits erhaltenen Aktien der Beklagten hinaus aufgrund des Ergebnisses des Spruchverfahrens mit weiteren 30 Stückaktien nebst 532,13 € abzufinden (Klageantrag zu 3).

1. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Spruchverfahren, das Umtauschverhältnis auf 13 zu 3 festzusetzen, als Festlegung einer Mindestzahl von 13 Aktien für den Umtausch angesehen. Aufgrund des im Spruchverfahren neu festgesetzten Umtauschverhältnisses von 13 zu 3 stehen einem Aktionär grundsätzlich schon für jeweils fünf SNI-Aktien eine Aktie der Beklagten zu, für neun SNI-Aktien zwei.

a) Wird das Umtauschverhältnis so festgelegt, dass nicht für eine natürliche Zahl von Aktien der eingegliederten Gesellschaft genau eine Aktie der Hauptgesellschaft gewährt wird, kann bereits mit der Zahl an Aktien, die mindestens für eine Aktie der Hauptgesellschaft benötigt wird, eine Aktie der Hauptgesellschaft verlangt werden. Das Umtauschverhältnis für die Abfindung in Aktien wird durch die Verschmelzungswertrelation bestimmt. Die Abfindung ist angemessen, wenn die Aktien in dem Verhältnis gewährt werden, in dem bei einer Verschmelzung auf eine Aktie der Gesellschaft Aktien der Hauptgesellschaft zu gewähren wären, § 320 Abs. 5 Satz 4 AktG in der 1992 geltenden Fassung des Gesetzes vom 6. September 1965 (BGBl. I S. 1089, jetzt § 320b Abs. 1 Satz 4 AktG).

Eine Mindestmenge für den Umtausch ist aus dem Umtauschverhältnis nur insoweit abzuleiten, als der Aktionär je nach Verschmelzungswertrelation erst ab einer bestimmten Anzahl von Aktien eine Aktie der Hauptgesellschaft erwerben kann - hier bei dem ursprünglichen Angebot der Beklagten mit einem Umtauschverhältnisses von 6 zu 1 daher sechs. Wenn die Verschmelzungswertrelation kein Umtauschverhältnis ergibt, nach dem eine natürliche Zahl von Aktien der eingegliederten Gesellschaft gerade für eine Aktie der Hauptgesellschaft benötigt wird (hier nach dem Ergebnis des Spruchverfahrens 13 zu 3 oder 4 1/3 zu 1), kann dagegen bereits mit der natürlichen Zahl an Aktien, die mindestens für eine Aktie der Hauptgesellschaft benötigt wird (hier fünf), ein Umtausch durchgeführt werden. Auch in einem solchen Fall muss die Abfindung so weit als möglich in Aktien bestehen. Ein Spitzenausgleich ist gering zu halten (vgl. Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 305 Rn. 113; Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 305 Rn. 96; Hirte/Hasselbach in Großkomm.z.AktG, 4. Aufl., § 305 Rn. 52). In § 320 Abs. 5 Satz 2 AktG aF (jetzt § 320b Abs. 1 Satz 2 AktG) war eine Zahlung außer für Spitzenbeträge (§ 320 Abs. 5 Satz 4 AktG aF, jetzt § 320b Abs. 1 Satz 4 AktG) nicht vorgesehen. Wenn bei einem nicht auf "X zu 1" lautenden Umtauschverhältnis das ermittelte Verhältnis gleichzeitig als Mindestumtauschmenge verstanden wird, kommt es entgegen dem Sinn des Gesetzes zu einer Erhöhung der Barzahlungen, weil eine höhere Zahl an Aktien der eingegliederten Gesellschaft für den Umtausch in Aktien benötigt würde und die übrigen Aktionäre durch Zahlung abzufinden wären. Außerdem würde die Abfindung in Aktien umso mehr durch eine Barabfindung ersetzt, je genauer das Umtauschverhältnis bestimmt wird. Denn dann erhöhen sich regelmäßig die in der Wertrelation festgesetzten Zahlen der Aktien. Mit einem Verhältnis, bei dem einer hohen Zahl von Aktien der eingegliederten Gesellschaft eine hohe Zahl von Aktien der Hauptgesellschaft gegenüber gestellt wird, könnte die Abfindung in Aktien der Hauptgesellschaft sogar weitgehend umgangen und durch eine nicht vorgesehene Barabfindung ersetzt werden.

b) Daran ändert auch das durchgeführte Spruchverfahren nichts. Das Gericht hat nach § 320 Abs. 6 Satz 2 AktG aF/§ 320b Abs. 2 Satz 2 AktG die angemessene Abfindung - die Verschmelzungswertrelation und die bare Zuzahlung für Spitzenbeträge (§ 320 Abs. 5 Satz 4 AktG aF/§ 320b Abs. 1 Satz 4 AktG) - zu bestimmen, aber nicht eine im Gesetz nicht vorgesehene Mindestzahl von Aktien für den Umtausch festzusetzen. Da im Spruchverfahren das Umtauschverhältnis nur zugunsten der Aktionäre herauf- und nicht zu ihren Lasten herabgesetzt werden kann (Puszkajler in Kölner Komm.z.SpruchG, § 11 Rn. 14 mwN), kann die Neubestimmung der Verschmelzungswertrelation nur zur Folge haben, dass die Zahl der Aktien, die für den Umtausch in eine Aktie der Hauptgesellschaft benötigt wird, sinkt.

Das ursprüngliche Angebot hat insoweit keine Sperrwirkung. Mit der Neufestsetzung im Spruchverfahren änderte sich das Umtauschverhältnis sowohl für die Aktionäre, die noch keine Abfindung erhalten hatten, als auch für die Aktionäre, die ihre Aktien bereits gegen Leistung der angebotenen Abfindung umgetauscht haben (Koppensteiner in Kölner Komm.z.AktG, 3. Aufl., § 320b Rn. 19; jetzt § 13 Satz 2 SpruchG). Die Hauptgesellschaft kann nicht durch ein - wie sich im Spruchverfahren herausgestellt hat - unangemessenes Angebot die gesetzlich gebotene Abfindung in Aktien der Hauptgesellschaft einschränken und eine Barabfindung an deren Stelle setzen.

c) Dem steht die rechtskräftige Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Spruchverfahren nicht entgegen. Anders als das Berufungsgericht meint, lässt sich ihr nicht entnehmen, dass eine Mindestzahl für den Umtausch festgesetzt wurde oder werden sollte. Für den Inhalt einer Entscheidung ist in erster Linie der Wortlaut des Tenors maßgebend (BGH, Urteil vom 11. Juli 2001 - XII ZR 270/99, NJW-RR 2002, 136; vom 13. Mai 1997 - VI ZR 181/96, NJW 1997, 3447). Mit der Entscheidungsformel im Beschluss vom 31. Januar 2003 wird nur das Umtauschverhältnis auf 13 zu 3 festgesetzt. Darüber hinaus wird auch in den Gründen keine Mindestzahl festgesetzt. Dass das Oberlandesgericht bei dem mathematisch errechneten Umtauschverhältnis 4,3 zu 1 wegen des Spitzenbetrags von einer Glättung des Umtauschverhältnisses auf 4 zu 1, das mit einer rechtlich nicht möglichen (Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 305 Rn. 25; MünchKommAktG/Paulsen, 3. Aufl., § 305 Rn. 144) Zuzahlung der Aktionäre verbunden wäre, oder 5 zu 1 abgesehen hat, dient der Vermeidung von Spitzenbeträgen. Bei einer Glättung auf eine Wertrelation von 5 zu 1 statt 13 zu 3 wären bare Zuzahlungen häufiger aufgetreten. Eine Glättung zur bloßen Vereinfachung des Umtauschverhältnisses ist unzulässig, um den Spitzenausgleich möglichst gering zu halten (Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 305 Rn. 25; MünchKommAktG/Paulsen, 3. Aufl., § 305 Rn. 144; Hirte/Hasselbach in Großkomm.z.AktG, 4. Aufl., § 305 Rn. 52; aA Vetter, AG 1997, 6, 10). Dass nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf jeder Aktionär für Aktien, die nicht zum Bezug weiterer Aktien der Beklagten berechtigen, einen Anspruch auf die Barentschädigung hat, gibt nur die Voraussetzungen des Ausgleichs von Aktienspitzen wieder und lässt keinen Schluss auf die Festsetzung einer Mindestzahl zu. Die ausdrücklich geäußerte Absicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf, eine Barzahlung wegen Aktienspitzen nur in möglichst geringem Umfang zuzulassen, würde bei einer Mindestumtauschmenge von jeweils dreizehn Aktien - wie das Berufungsgericht verkennt - gerade ins Gegenteil verkehrt, weil in größerem Umfang in Geld abzufindende Aktienspitzen vorhanden wären.

d) Aufgrund der im Spruchverfahren neu festgesetzten Verschmelzungswertrelation von 13 zu 3 stehen einem Aktionär für fünf SNI-Aktien eine Aktie der Beklagten zu, weil rechnerisch 4 1/3 SNI-Aktien für eine Aktie der Beklagten benötigt werden, für neun SNI-Aktien zwei (8 2/3 zu 2), für dreizehn drei usw.

2. Der Kläger hat aber dennoch - wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat - keinen Anspruch darauf, die in Paketen von je fünf Aktien eingereichten 2.330 SNI-Aktien gegen Rückzahlung der erhaltenen Barabfindung in Aktien zu tauschen, weil er sich durch die Aufteilung eine ihm nicht zustehende Barabfindung erschlichen hat.

a) Der Kläger kann nicht nachträglich den Umtausch der eingereichten 2.330 Aktien verlangen. Ein Aktionär, der seine Aktien in einzelne Pakete aufteilt, um anstelle der gesetzlich vorgesehenen Abfindung in Aktien eine Zahlung zu erhalten, kann nach einer Verbesserung des Umtauschverhältnisses im Spruchverfahren nicht statt der erschlichenen "Barabfindung" Aktien verlangen.

Der Kläger hat statt der gesetzlich vorgesehenen Abfindung in Aktien mit der Einreichung in Paketen zu je fünf Aktien eine Zahlung erschlichen und damit seine Abfindung erhalten. Daran muss er sich nach Treu und Glauben festhalten lassen. Er kann das Ergebnis des Spruchverfahrens nicht - nachdem sich die Aktie der Beklagten günstig entwickelt hat - benutzen, um zu günstigen Preisen Aktien der Beklagten zu erwerben, und damit im Ergebnis auf Kosten der Beklagten spekulieren. Einen Anspruch auf die bestmögliche wirtschaftliche Verwertung seiner Aktien hat der Aktionär nicht (BGH, Urteil vom 8. Mai 2006 - II ZR 27/05, BGHZ 167, 299 Rn. 22; vom 2. Juni 2003 - II ZR 85/02, BGHZ 155, 110, 118). Selbst wo dem Aktionär - wie hier nicht - ein echtes Wahlrecht zwischen Abfindung in Geld und Abfindung in Aktien zusteht (§ 320 Abs. 5 Satz 3 AktG aF/§ 320b Abs. 1 Satz 3 AktG; Habersack in Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 320b Rn. 11), ist er an die einmal getroffene Wahl gebunden, § 263 BGB (Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 263 Rn. 1); das gilt auch für den Abfindungsergänzungsanspruch (Krieger in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts AG, 3. Aufl., § 73 Rn. 51). Erst Recht muss dies gelten, wenn sich ein Aktionär aufgrund eines nicht bestehenden Wahlrechts eine Barabfindung erschleicht. Entgegen der Auffassung der Revision hat es nicht die Beklagte wegen des - wie sich herausgestellt hat - unangemessenen Umtauschangebots zu verantworten, dass der Kläger nur eine Zahlung erhielt, sondern allein er selbst durch die Einreichung der Aktien in Paketen, die zur Barabfindung führten.

b) Der Kläger kann auch nicht - wie er mit seinem Hilfsantrag begehrt - einen Umtausch der jeweils eingereichten fünf Aktien in eine Aktie der Beklagten erreichen. Der Kläger hat seine Abfindung bereits in bar erhalten. Er hätte in Folge des Spruchverfahrens allenfalls einen Abfindungsergänzungsanspruch erwerben können. Soweit Aktienspitzen in Geld abgegolten wurden, gibt es hier aber keinen Ergänzungsanspruch, weil der Spitzenbetrag im Spruchverfahren nicht erhöht wurde.

Einem redlichen Aktionär, der wegen eines geringen Aktienbesitzes von nur fünf Aktien keine Aktie eintauschen und nur eine Abfindung in Geld erhalten konnte, ist allerdings ein Anspruch auf den Umtausch der erhaltenen Geldabfindung in Aktien einzuräumen, wenn das Ergebnis des Spruchverfahrens erstmals den gesetzlichen Regelfall einer Abfindung in Aktien ermöglicht. Das Spruchverfahren führt für die Aktionäre, die die Mindestzahl von Aktien für einen Umtausch nicht erreichten und nur durch eine Zahlung entschädigt wurden, nicht nur - wie bei den Aktionären, die Aktien der Hauptgesellschaft erhielten - zu einem Abfindungsergänzungsanspruch in Aktien, sondern modifiziert auch die Art der Abfindung dahin, dass sie nunmehr statt der Zahlung Aktien der Hauptgesellschaft erhalten. Ansonsten könnte die Hauptgesellschaft durch ein unangemessenes Angebot in weitem Umfang Barausgleichsansprüche statt - die Mehrheitsverhältnisse beeinflussende - Abfindungen in Aktien begründen, ohne dass das im Spruchverfahren - wie in § 320 Abs. 6 Satz 2 AktG aF/§ 320b Abs. 2 Satz 2 AktG vorgesehen - korrigiert werden könnte.

Dem Kläger ist dieser Umtausch jedoch verwehrt. Er wollte durch die Stückelung der eingereichten Aktien statt der ihm zustehenden Abfindung in Aktien eine Barabfindung erhalten und muss sich nach § 242 BGB an dieser "Wahl" festhalten lassen.

3. Dagegen kann der Kläger für die fünf bisher nicht umgetauschten SNI-Aktien fünfzehn Stückaktien der Beklagten verlangen. Daneben kann er für Aktienspitzen und entgangene Dividenden Zahlung verlangen.

a) Nach dem neu festgesetzten Umtauschverhältnis von 13 zu 3 erhält ein Aktionär der eingegliederten Gesellschaft für fünf Aktien eine Aktie der Beklagten, weil nach dem Ergebnis des Spruchverfahrens rechnerisch nur 4 1/3 SNI-Aktien für eine Aktie der Beklagten benötigt werden. Da an die Stelle einer 50-DM-Aktie inzwischen fünfzehn Stückaktien getreten sind, hat der Kläger Anspruch auf fünfzehn solche Aktien der Beklagten.

Der Kläger ist nicht - wie er meint - mit siebzehn Stückaktien abzufinden, weil nicht nach einem Verhältnis 13 zu 45 umzutauschen ist. Der mit der Eingliederung nicht in Zusammenhang stehende spätere Aktiensplit in - im Ergebnis - fünfzehn Stückaktien verbessert das Umtauschverhältnis nicht. Für das Umtauschverhältnis und die Verschmelzungswertrelation ist die Aktienstückelung im Zeitpunkt der Eingliederung maßgeblich, allenfalls noch eine im Zusammenhang mit der Strukturmaßnahme zur Vermeidung von Aktienspitzen geänderte Stückelung der Aktien der Hauptgesellschaft. Durch nachfolgende Kapitalmaßnahmen wird das Umtauschverhältnis nicht beeinflusst. Bereits mit der Wirksamkeit der Eingliederung verliert der Aktionär seine Mitgliedschaft in der eingegliederten Gesellschaft und erwirbt den Abfindungsanspruch (Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 320b Rn. 3, 14; Singhof in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 320b Rn. 10; Koppensteiner in Kölner Komm.z.AktG, 3. Aufl., § 320b Rn. 14). Dessen Höhe hängt nicht vom Zeitpunkt ab, zu dem er geltend gemacht wird.

Lediglich wenn infolge von späteren Kapitalmaßnahmen die ursprünglich geschuldeten Aktien nicht mehr übertragen werden können, ist die Abfindungsschuld anzupassen. Da die Beklagte die bei der Eingliederung existierende 50-DM-Aktie nicht mehr übertragen kann, hat sie die infolge der späteren Kapitalmaßnahmen an ihre Stelle getretenen fünfzehn Stückaktien zu übertragen.

b) Dem Kläger stehen neben den Aktien insgesamt 266,07 € als Ausgleich für Aktienspitzen und Dividendenersatzanspruch zu.

aa) Der Kläger hat Anspruch auf 51,27 € als Ausgleich für die Aktienspitze. Rechnerisch benötigt er bei einem Umtauschverhältnis von 13 zu 3 nur 4 1/3 SNI-Aktien für eine Aktie der Beklagten. Die Differenz zu den umzutauschenden fünf Aktien ist als Spitzenbetrag durch Zahlung auszugleichen, § 320 Abs. 5 Satz 4 AktG aF/§ 320b Abs. 1 Satz 4 AktG. Bei einer Aktienspitze von 76,90 € je Aktie und von 2/3 untauschbaren SNI-Aktien errechnen sich 51,27 €. Ob die Herabsetzung des Betrags für Aktienspitzen auf 76,90 € im Spruchverfahren - als rechnerische Folge der im Umtauschverhältnis für die Aktionäre insgesamt günstigeren Bewertung, aber niedrigeren Bewertung der Aktien beider Gesellschaften - zulässig war, muss der Senat nicht entscheiden, da die Entscheidung im Spruchverfahren bindend ist (§ 13 Satz 2 SpruchG).

bb) Hinzu kommen die entgangenen Dividenden in Höhe von 214,80 € (15 mal 14,32 €). Der Kläger hat Anspruch auf die seit der Eingliederung angefallenen Dividenden auf Aktien der Beklagten. Da es sich um ein gesetzliches Schuldverhältnis handelt, sind die entgangenen Dividenden von 14,32 € pro Stückaktie (12,72 € zuzüglich 1,60 € für die Dividende 2006/2007) trotz des späten Umtausches ungeschmälert zuzuerkennen.

Einen weiteren Anspruch auf Körperschaftsteuergutschriften hat der Kläger nicht. Dem Anspruch auf die entgangenen Dividenden liegt kein tatsächlich bestehendes Gewinnbezugsrecht zugrunde. Der Kläger wird hinsichtlich der Dividende vielmehr nur so gestellt, als habe er die Aktien bereits seit der Eingliederung. Ein solcher "Dividendenersatzanspruch" führt nicht zu einer nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG aF i.V.m. 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG aF anzurechnenden Körperschaftsteuer und einer "Körperschaftsteuergutschrift". Auch ein Schadensersatzanspruch wegen der entgangenen Körperschaftsteuergutschrift steht dem Kläger nicht zu. § 320 Abs. 5 Satz 6 AktG aF/§ 320b Abs. 1 Satz 6 AktG schließt einen weitergehenden Schadensersatzanspruch zwar nicht aus. Für diesen weitergehenden Schadensersatzanspruch muss aber eine besondere Anspruchsgrundlage bestehen, etwa aus Verzug (Habersack in Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 320b Rn. 13). Der Kläger hat die Beklagte nicht in Verzug gesetzt oder einen anderen Anspruchsgrund vorgetragen und außerdem einen Steuerschaden nicht dargelegt.

c) Der Anspruch ist nicht verjährt, weil er in seiner konkreten Ausformung als Anspruch auf eine Abfindung in Aktien erst durch die Entscheidung im Spruchverfahren entstanden ist und die Verjährung durch die Erhebung der Klage rechtzeitig gehemmt wurde.

Der Anspruch auf die Abfindung belief sich ursprünglich nur auf eine Geldentschädigung, weil der Kläger mit dem von ihm nicht eingelieferten Aktienrest die Mindestzahl von sechs Aktien, die nach dem Abfindungsangebot der Beklagten notwendig war, nicht erreichte. Für die Aktionäre, die die Mindestzahl von Aktien für einen Umtausch nicht erreichten und nur durch eine Zahlung entschädigt wurden, modifiziert das Ergebnis des Spruchverfahrens die Art der Abfindung dahin, dass sie statt der Zahlung Aktien der Hauptgesellschaft verlangen können. Dieser "Abfindungsergänzungsanspruch" entsteht wie der regelmäßige Abfindungsergänzungsanspruch auf Leistung weiterer Aktien bei einer Verbesserung des Umtauschverhältnisses mit der Rechtskraft der Entscheidung im Spruchverfahren und verjährt damit wie dieser. Der regelmäßige Abfindungsergänzungsanspruch verjährt nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB in drei Jahren vom Schluss des Jahres an, in dem er entstanden ist und der Aktionär von den anspruchsbegründenden Umständen - in der Regel der Entscheidung im Spruchverfahren - Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Abfindungs- und Abfindungsergänzungsanspruch können getrennt voneinander verjähren (vgl. MünchKommAktG/Paulsen, 3. Aufl., § 305 Rn. 183). Zwar erwirbt der Aktionär nicht getrennte Abfindungs- und Abfindungsergänzungsansprüche; vielmehr gestaltet das Gericht im Spruchverfahren den Abfindungsanspruch neu. Der Teilanspruch auf Leistung der angebotenen Abfindung muss aber - selbst bei gerichtlicher Bestimmung einer Erhöhung - nicht gleichzeitig mit dem Teilanspruch auf die ergänzende Abfindung verjähren.

Aktionäre, die ihre Aktien noch nicht eingereicht haben, ursprünglich nur einen Zahlungsanspruch hatten und noch keine Zahlung erhalten haben, können - jedenfalls sofern wie hier der ursprüngliche Abfindungsanspruch noch nicht verjährt war und noch geltend gemacht werden konnte - ab der Entscheidung im Spruchverfahren den umgestalteten Abfindungsanspruch ohne den Umweg über eine Zahlung geltend machen. Er verjährt dann wie jeder Abfindungsergänzungsanspruch, da für eine unterschiedliche Behandlung der aufgrund der Entscheidung im Spruchverfahren entstandenen Ansprüche kein Grund besteht.

Die Verjährung des Abfindungsergänzungsanspruchs des Klägers auf Leistung der Aktien begann mit dem Ende des Jahres 2003, da die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Spruchverfahren am 31. Januar 2003 getroffen wurde. Die dreijährige Verjährungsfrist wurde durch Einreichung der alsbald zugestellten Klage am 28. Dezember 2006 noch rechtzeitig gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO).

d) Der Senat ist nicht durch das Verschlechterungsgebot gehindert, die Verurteilung zur Zahlung in Höhe von 297,56 € durch das Berufungsgericht durch eine Verurteilung zur Zahlung von 266,07 € zu ersetzen. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung dieses Betrags auf einen - von ihm unterstellten - Hilfsantrag des Klägers gestützt. Es ist davon ausgegangen, dass der Kläger seinen Zahlungsanspruch "in erster Linie" auf Dividendenersatz stützt, aber - wenn die Klage auf den Umtausch von Aktien keinen Erfolg habe und kein Anspruch auf Dividendenersatz bestehe - der Anspruch auf die bare Zuzahlung Inhalt des Zahlungsantrags sei. Wenn der Kläger seinen Hauptantrag mit einem Rechtsmittel weiterverfolgt und insoweit Erfolg hat, ist die Entscheidung über den Hilfsantrag aufzuheben, ohne dass darin eine Verschlechterung liegt (BGH, Urteil vom 19. Januar 2001 - V ZR 437/99, BGHZ 146, 298, 309 mwN).

4. Der Kläger kann infolge der Verbesserung des Umtauschverhältnisses weitere 30 Stückaktien der Beklagten für die bereits eingetauschten 270 Aktien verlangen. Der Kläger hat bei einem Umtauschverhältnis von 13 zu 3 bei 270 Aktien Anspruch auf 62 50-DM-Aktien. 45 50-DM-Aktien hatte er bereits vor der Entscheidung im Spruchverfahren beim Umtausch erhalten. Das entspricht 675 Stückaktien. Sein Abfindungsergänzungsanspruch ging nach dem Ergebnis des Spruchverfahrens auf 17 50-DM-Aktien bzw. 255 Stückaktien. Abzüglich nachgelieferter 225 Stückaktien sind 30 Stückaktien noch nicht geliefert.

Außerdem hat der Kläger einen Anspruch auf 532,13 € für Aktienspitzen und Dividendennachzahlung. Die 62 Aktien der Beklagten entsprechen 268 2/3 SNI-Aktien. Für die zu 270 verbleibenden 1 1/3 nicht umtauschbaren SNI-Aktien ergeben sich mit dem vom Oberlandesgericht Düsseldorf für Aktienspitzen festgesetzten Betrag von 76,90 € je Aktie 102,53 €. Hinzuzurechnen sind 429,60 € Dividendenersatzanspruch (30 Aktien mit 14,32 €).

Strohn Caliebe Drescher Löffler Born Vorinstanzen:

LG Dortmund, Entscheidung vom 14.11.2007 - 20 O 14/07 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 03.12.2008 - 8 U 34/08 -






BGH:
Urteil v. 18.10.2010
Az: II ZR 270/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/873aeb1440a5/BGH_Urteil_vom_18-Oktober-2010_Az_II-ZR-270-08




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