Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 27. März 2007
Aktenzeichen: I-20 U 118/06
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 27.03.2007, Az.: I-20 U 118/06)
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 31. Mai 2006 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass im Tenor des Versäum-nisurteils des Landgerichts vom 8. Februar 2006 unter I. das Wort „ins-besondere“ entfällt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A.
Der klagende Verein begehrt von dem Beklagten in erster Linie die Unterlassung einer unlauteren Werbung. Der Beklagte ist Geschäftsführer und Alleingesellschafter eines in N. ansässigen Unternehmens, das unter anderem "Augenkapseln" als Nahrungsergänzungsmittel vertreibt. Diese Kapseln wurden in einer Dauerwerbesendung im Fernsehen am 13. Juni 2005 beworben, an der der Beklagte persönlich teilnahm. In dieser Sendung wurden telefonische Äußerungen einer Anruferin wiedergegeben, die unter anderem die Verbesserung des Sehvermögens ihres Mannes als Folge einer Einnahme dieser Kapseln darstellten. Der genaue Wortlaut der Werbung ergibt sich aus der Anlage K 2 (Bl. 10 ff. GA, insbes. Bl. 19 GA). Darüber hinaus macht der Kläger einen Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten geltend. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 222 ff. GA) Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage durch Versäumnisurteil vom 8. Februar 2006 (Bl. 49 ff. GA) in vollem Umfang stattgegeben und dieses Versäumnisurteil nach Einspruch des Beklagten bestätigt. Dagegen wendet sich die Berufung des Beklagten, mit der er seinen erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter verfolgt. Zur Begründung vertritt der Beklagte weiter die Ansicht, dem Kläger fehle die Klagebefugnis gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Das folge - so der Vortrag des Beklagten auch im Berufungsverfahren - in erster Linie daraus, dass der Kläger nicht über eigenes geeignetes, fachkundiges Personal verfüge, das ihn in die Lage versetzen könnte, Wettbewerbsverstöße selbst zu erkennen und zu verfolgen. Diese Aufgabe übernähmen vielmehr die Prozessbevollmächtigten für den Kläger. Das folge daraus, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits im Abmahnverfahren fest in die Prüfung eingebunden seien. Auch im Übrigen seien allein die Prozessbevollmächtigten des Klägers für diesen tätig. Das betreffe etwa die Geltendmachung von Ansprüchen, die Auswahl der im "Magazindienst", einer vom Kläger herausgegebenen Zeitschrift, veröffentlichten Entscheidungen, die Beratung der Mitglieder des Klägers und die Beantwortung externer Anfragen. Der Kläger sei daher tatsächlich nichts anderes als die Rechtsanwaltskanzlei seiner Prozessbevollmächtigten. Zudem verfüge der Kläger nicht über ausreichende eigene finanzielle Mittel. Das ergebe sich bereits daraus, dass die Gewinn- und Verlustrechnung des Klägers aus dem Jahre 2005 falsch sei und nicht die tatsächlich angefallenen Anwaltskosten wiedergebe. Vielmehr arbeiteten die Prozessbevollmächtigten des Klägers auf Erfolgsbasis und "holten" sich ihr Honorar ausschließlich vom prozessualen Gegner. Weiterhin missbrauche der Kläger seine Tätigkeit als Abmahnverein dadurch, dass er sich in Ordnungsmittelverfahren mit den Schuldnern vergleiche, um sich dadurch Zahlungen zukommen zu lassen. Es liege auch ein Rechtsmissbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG vor, weil die Prozessbevollmächtigten des Klägers das vorliegende Verfahren - der allgemeinen Übung entsprechend - in Eigenregie betrieben.
Darüber hinaus vertritt der Beklagte weiter die Auffassung, dass das Vorgehen des Klägers im vorliegenden Verfahren rechtsmissbräuchlich gemäß § 8 Abs. 4 UWG sei, weil er wegen desselben Sachverhalts hier den Geschäftsführer und in einem gesonderten, beim Landgericht Berlin anhängigen Verfahren das von dem Beklagten vertretene Unternehmen in Anspruch nehme.
Schließlich meint der Beklagte, dass auch in der Sache ein Unterlassungsanspruch des Klägers nicht gegeben sei. Der Zuschauer der Werbesendung habe zur Kenntnis genommen, dass der Beklagte sich während der Sendung von jeglichen krankheitsbezogenen Erlebnissen oder Heilaussagen von Zuschauern distanziert habe. Zudem seien die Zuschauer bereits vor der Live-Zuschaltung darauf hingewiesen worden, derartige Aussagen zu unterlassen. Er, der Beklagte, habe daher die Äußerungen von Zuschauern, die sich an diese Vorgaben nicht hielten, nicht "verwendet" im Sinne des Gesetzes. Ein Verbot stelle eine verfassungswidrige Einschränkung der Werbung für Lebensmittel dar.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 8. Februar 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Neuverhandlung an das Landgericht Düsseldorf zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er wiederholt ebenfalls seinen erstinstanzlichen Vortrag und tritt dem Berufungsvortrag des Beklagten entgegen.
B.
Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat das Versäumnisurteil, mit dem es der Klage in vollem Umfang stattgegeben hat, zu Recht aufrechterhalten. Der Senat hat lediglich zur Klarstellung das Wort "insbesondere" im Tenor des Versäumnisurteils gestrichen. Das vermeidet den Eindruck, dass ein Verbot ausgesprochen werden soll, dass über den konkreten Verletzungsfall hinaus nur mit gesetzeswiederholenden Formulierungen und damit unzureichend (BGH GRUR 2000, 438, 440 - Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge) beschrieben wäre.
I.
Zu Recht hat das Landgericht die Klagebefugnis des Klägers gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG bejaht. Für diese Klagebefugnis gilt zugunsten des Klägers eine Vermutung, die der Beklagte als angegriffener Verletzer widerlegen muss (BGH WRP 1997, 439 - Geburtstagswerbung II; OLG Hamm, Urteil vom 24. Oktober 2006 - 4 U 8/06 im von den Parteien eingehend erörterten Parallelverfahren). Bei einem ordnungsgemäß gegründeten und aktiv tätigen Verband spricht eine tatsächliche Vermutung für die tatsächliche Zweckverfolgung, die der Gegner zu widerlegen hat (BGH GRUR 2000, 1093 - Fachverband, m. w. Nachw.; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl. 2007, § 8 Rn. 3.49). Eine derartige Vermutung kommt bei einem ordnungsgemäß errichteten und aktiv tätigen Verband vor allem dann in Betracht, wenn er jahrelang unbeanstandet als klagebefugt angesehen worden ist (BGH GRUR 1994, 831 - Verbandsausstattung II). Das trifft auf den Kläger zu, der seit Jahrzehnten auf Gebiet des Wettbewerbsrechts satzungsgemäß tätig ist, wie dem Senat aus seiner eigenen Erfahrung bekannt ist. Auch der Bundesgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung die Klagebefugnis des Klägers ausdrücklich bejaht und angenommen, dass er nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sei, seine satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen. (z. B. WRP 2004, 1024 - Sportlernahrung II; ZLR 2002, 660 = MD [vom Kläger herausgegeben] 2002, 817 - Sportlernahrung I).
Die dadurch begründete Vermutung zugunsten der Klagebefugnis des Klägers ist im vorliegenden Verfahren nicht widerlegt. Der Senat schließt sich der Entscheidung des OLG Hamm in dem insoweit gleich gelagerten Rechtsstreit an, den die Parteien hinsichtlich der Klagebefugnis mit weitgehend identischem Sachvortrag geführt haben und auf den sich gerade der Beklagte umfangreich bezogen hat (Urteil vom 24. Oktober 2006 - 4 U 8/06). Das dort ergangene Urteil ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gewesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die dortigen Ausführungen Bezug. Das OLG Hamm hat nach Beweisaufnahme und insbesondere Vernehmung der Zeugin L., der Geschäftsführerin des Klägers, die der Beklagte auch im vorliegenden Verfahren als Zeugin benannt hat, entschieden. Das Ergebnis der Beweisaufnahme ergibt sich aus dem Berichterstattervermerk vom 25. Oktober 2006, der ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gewesen ist. Dem ist der Beklagte im vorliegenden Verfahren ebenso wenig im Einzelnen entgegengetreten wie den im anschließenden Urteil hieraus gezogenen Folgerungen. Lediglich ergänzend und mit Blick auf die im hiesigen Berufungsverfahren erhobenen Angriffe gegen das landgerichtliche Urteil sind die folgenden Bemerkungen veranlasst.
Nach der Aussage der Zeugin L. kann keine Rede davon sein, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers bei ihm im Rahmen der Abmahntätigkeit eine beherrschende Stellung einnähmen. Die Zeugin hat vielmehr die eigenverantwortliche Prüfung von Beschwerden durch den Kläger im Einzelnen anschaulich dargelegt. Danach prüft die Geschäftsführerin die beim Kläger eingehenden Beschwerden zunächst selbst. Nur in 20 % der Fälle, die rechtlich schwierige Konstellationen betreffen, werden die Rechtsanwälte des Klägers eingeschaltet. Letztlich, so die Geschäftsführerin weiter, entscheide sie selbst, ob abgemahnt werde oder nicht. Eine derartige Handhabung lässt keine Anhaltspunkte für eine unselbständige Stellung des Klägers und eine den Kläger tatsächlich beherrschende Position der Rechtsanwälte erkennen. Letztere sind keineswegs unterschiedslos und generell in jedem Fall in die Abmahntätigkeit des Klägers fest eingebunden.
Auch Folgerungen aus der Art der Anfertigung der Mitschriften zu den Fernsehwerbesendungen, wie sie die Berufung zieht, sind nicht gerechtfertigt. Es ist unerheblich, wer der Schreibkraft im Einzelnen die Weisungen erteilte, ob und wie die Videobänder abzuschreiben waren (OLG Hamm a.a.O.). Auch eine gewisse Beteiligung der Rechtsanwälte hierbei ändert nichts daran, dass nach der Aussage der Zeugin L. letztlich sie die maßgeblichen Entscheidungen über das weitere Vorgehen traf. Im Übrigen war beim Anfertigen der Abschriften zwar eine Mitarbeiterin der Prozessbevollmächtigten des Klägers beteiligt. Das betraf aber, wie die Geschäftsführerin des Klägers eingehend und vom Beklagten unwidersprochen geschildert hat, lediglich einen Sonderfall und stellt nicht die generelle Vorgehensweise dar. Der Kläger war im Fall der Werbeverkaufssendungen nämlich von einem Beschwerdeführer mit Videokassetten und anschließenden Anfragen nach einer Prüfung geradezu überhäuft worden. Erst nachdem sich der Beschwerdeführer unmittelbar an die Rechtsanwälte gewandt hatte, boten diese wegen der Kapazitätsengpässe beim Kläger eine Mithilfe ihrer Mitarbeiterin an, die dann die Abschriften erstellte und nach Stundenzetteln vom Kläger bezahlt wurde. Weder spricht diese Handhabung für eine Beherrschung des Klägers durch die Rechtsanwälte noch hat sie überhaupt über den Einzelfall hinaus eine erkennbare Bedeutung erlangt.
Der Umstand, dass der Kläger sich bei der Einforderung verwirkter Vertragsstrafen regelmäßig seiner Rechtsanwälte bedient, führt für sich genommen und angesichts der jedenfalls im Übrigen eigenständigen Tätigkeit des Klägers gleichfalls nicht zu der Beurteilung, er werde von den Rechtsanwälten beherrscht. Eine Art "Monopolstellung" der Rechtsanwälte des Klägers bei der Einziehung der Vertragsstrafen hat die Geschäftsführerin des Klägers bei ihrer Vernehmung nicht bestätigt. Vielmehr hat sie auch insoweit bekundet, dass die Entscheidungsbefugnis letztendlich allein bei ihr als Geschäftsführerin und damit beim Kläger liege (OLG Hamm a.a.O.). Dasselbe gilt für die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen oder die Erstellung der Zeitschrift "Magazindienst" (MD), zu der der Beklagte ohne erkennbaren Anhaltspunkt und ohne Nennung näherer Einzelheiten eine "Hilfe und Regie" der Rechtsanwälte des Klägers behauptet. Nach den Ausführungen der Zeugin L. sind auch keine Zweifel daran ersichtlich, dass der Kläger in der Lage ist, ebenso wie die Abmahnungen und sonstige nach außen gerichtete Tätigkeiten (Beantwortung von Anfragen) auch intern gegenüber den eigenen Mitgliedern Beratungstätigkeiten durchzuführen.
Die Mutmaßungen des Beklagten zur Vereinbarung von Erfolgshonoraren beruhen auf Angriffen gegen die Höhe der Ausgaben, wie sie in der Gewinn- und Verlustrechnung 2005 angegeben sind. Sie sollen, so der Beklagte, nicht die vollen vom Kläger zu tragenden Anwaltskosten wiedergeben. Dieser Vortrag der Berufung beruht auf unzutreffenden Voraussetzungen, weil die vom jeweiligen Gegner zu tragenden Prozesskosten in der Gewinn- und Verlustrechnung nicht erscheinen, wie sich aus der Anhörung von Rechtsanwalt J. und der Vernehmung der Zeugin L. beim Oberlandesgericht Hamm ergibt.
Die bloße Verbuchungsweise verglichener Vertragsstrafen ist ersichtlich ohne Belang. Als Indiz für ein übermäßiges Gewinnstreben sind verglichene Vertragsstrafen jedenfalls ungeeignet (OLG Hamm a.a.O.). Nicht unbedenklich sind allerdings auch nach Ansicht des erkennenden Senats Vergleiche in Ordnungsmittelverfahren des Inhalts, dass der Kläger als Gläubiger einen bestimmten Geldbetrag vom Schuldner erhält, wenn er seinen Ordnungsgeldantrag zurücknimmt. Auf diese Weise könnte der Kläger sich die Durchsetzung von Verbotstiteln zweckwidrig als Einnahmequelle erschließen, wie das OLG Hamm (a.a.O.) unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weiter ausgeführt hat. Bei der Bewertung dieser Vergleiche schließt sich der Senat aber der Entscheidung des OLG Hamm an. Sie sind im derzeit erkennbaren Umfang für sich allein jedenfalls im Augenblick und angesichts der erklärten Absicht der Geschäftsführerin des Klägers, diese Praxis zu ändern, nicht als ausschlaggebendes Indiz gegen die Klagebefugnis des Klägers geeignet.
II.
Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs im vorliegenden Verfahren ist, bei generell anzunehmender Klagebefugnis des Klägers gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, auch nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG.
1. Soweit die Berufung darauf verweist, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers das Verfahren gleichsam "in Eigenregie" betrieben, bleibt dieser Einwand aus den oben bereits dargestellten Gründen ohne Erfolg. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger die Entscheidung über Einleitung und Durchführung des Verfahrens nicht - wie in allgemeiner Form von der Zeugin L. dargestellt - selbst getroffen hätte.
2. Ein Rechtsmissbrauch liegt auch nicht deshalb vor, weil der Kläger wegen derselben Werbung gleichzeitig zum einen mit dem vorliegenden Verfahren gegen den Geschäftsführer und zum anderen vor dem Landgericht Berlin gegen die vom Beklagten vertretene Gesellschaft vorgeht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist von einem Missbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind (BGH, WRP 2006, 354 = GRUR 2006, 243 - MEGA SALE m. w. Nachw.). Diese müssen nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (BGH a.a.O.). Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten können sich unter anderem daraus ergeben, dass ein Gläubiger bei einem einheitlichen Wettbewerbsverstoß gegen mehrere verantwortliche Unterlassungsschuldner getrennte Verfahren anstrengt und dadurch die Kostenlast erheblich erhöht, obwohl eine streitgenössische Inanspruchnahme auf der Passivseite mit keinerlei Nachteilen verbunden wäre (BGH a.a.O.).
Auf diese Rechtsprechung beruft sich der Beklagte im vorliegenden Fall ohne Erfolg. Das Landgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die Inanspruchnahme einer wie hier im Ausland ansässigen Partei, nämlich der N. V. B.V., regelmäßig mit gewissen zeitlichen Nachteilen verbunden ist, was eine aufgespaltene Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs als zulässig erscheinen lässt. Der Senat schließt sich dieser Auffassung des Landgerichts an und nimmt auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug.
III.
Das Landgericht hat auch mit Recht in der Sache einen Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 8 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 18 Abs. 1 Nr. 4 LMBG, der im Zeitpunkt der Verletzungshandlung galt, bzw. der inhaltlich identischen Nachfolgeregelung in § 12 Abs. 1 Nr. 4 LFGB angenommen. Danach ist es verboten, in der Werbung für Lebensmittel Äußerungen Dritter, insbesondere Dank-, Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiben, soweit sie sich auf die Beseitigung oder Linderung von Krankheiten beziehen, sowie Hinweise auf solche Äußerungen zu verwenden. Die Voraussetzungen dieses Verbots hat das Landgericht zu Recht bejaht. Der Senat schließt sich den Ausführungen des OLG Hamm im Urteil vom 10. Februar 2005 (4 U 167/04, Anlage K 3 = Bl. 20 ff. GA, veröffentlicht etwa in OLGR Hamm 2006, 52) zur Frage der Verwendung von Drittäußerungen in Konstellationen wie der vorliegenden an. Der Begriff der Verwendung gesundheitsbezogener Äußerungen Dritter im Bereich der Werbung für Lebensmittel setzt danach nicht voraus, dass sich der Werbende deren Aussageinhalt zu eigen macht. Es reicht vielmehr aus, dass solche zur Werbung geeigneten Äußerungen Dritter im Rahmen einer Werbung unmittelbar wiedergegeben oder zitiert werden oder dass bloß auf sie hingewiesen wird, wenn die Äußerungen in einer Weise mit der Werbung verbunden sind oder werden, dass aus der Sicht des Verbrauchers ernsthaft der Eindruck entstehen kann, das gerade beworbene Mittel könne die vom Dritten angesprochene Krankheit verhüten. Auch dann besteht nämlich die Gefahr, dass der Selbstmedikation Vorschub geleistet wird, was die Vorschrift verhindern will (OLG Hamm a.a.O.). Ein derartiger Eindruck ist mit der Äußerung der zugeschalteten Anruferin, die Augenkapseln hätten das Sehvermögen ihres Mannes verbessert, zweifellos entstanden.
Diese Äußerungen der Zuschauerin sind dem Beklagten selbst dann zuzurechnen, wenn man die vom Beklagten behaupteten Vorsorgemaßnahmen des Fernsehsenders (insbesondere Hinweise gegenüber der Zuschauerin vor der Zuschaltung in die Sendung) unterstellt. Der Beklagte hätte sich dann bei einer unterstellt unerwarteten Äußerung unverzüglich und ausdrücklich von der Aussage distanzieren müssen (OLG Hamm a.a.O.). Andernfalls entsteht beim Zuschauer ohne weiteres der Eindruck, die Aussage sei Teil der Werbung für das Produkt der Beklagten. Eine entsprechende Distanzierung des Beklagten ist auch nicht ansatzweise zu erkennen. Er hat im Gegenteil auf die Schilderung der Zuschauerin lediglich mit einem Zustimmung signalisierenden, mehrfach wiederholten "ja" und am Schluss mit einem "schön" reagiert. Dass dadurch für den Zuschauer die Äußerung als Teil der Werbung erscheint, liegt auf der Hand. Auch die einige Zeit zuvor abgegebene allgemeine Erklärung des Moderators (Bl. 18R GA), dass eine Werbung für Nahrungsergänzungsmittel mit deren gesundheitsfördernder Wirkung in Deutschland nicht zulässig sei, ist entgegen der Auffassung der Berufung ersichtlich nicht geeignet, die gleichwohl distanzierungslos gesendete Zuschaueräußerung nicht als Teil der Werbung erscheinen zu lassen. Wenn der Beklagte für sich keine Möglichkeit der Distanzierung in einer live ausgestrahlten Fernsehsendung sieht, dann könnte eine derartige Werbung mit nicht genau kalkulierbaren Zuschaueräußerungen in einer Aufzeichnung oder einer leicht zeitversetzten Ausstrahlung erfolgen. Eine Beeinträchtigung verfassungsmäßiger Rechte des Beklagten ist darin nicht zu erkennen.
Der Zahlungsanspruch ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Änderung der Formulierung des Verbotstenors im Versäumnisurteil stellt keinen Teilerfolg der Berufung dar, sondern dient der Klarstellung des auf den konkreten Verletzungsfall bezogenen Verbots, das der Kläger ersichtlich erstrebt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 10.162,40 € nach der Festsetzung des Landgerichts.
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 27.03.2007
Az: I-20 U 118/06
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