Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 30. September 1994
Aktenzeichen: 6 U 32/94

(OLG Köln: Urteil v. 30.09.1994, Az.: 6 U 32/94)

Werbung für ein Mineralwasser als ,natriumarm" 1. Die Bezeichnung ,natriumarm" für ein natürliches Mineralwasser, dessen Natriumgehalt mehr als 25 mg/l (hier: 112 mg/l) beträgt, ist irreführend im Sinne von § 3 UWG. Eine Rechtfertigung für die Verwendung der Aussage ,natriumarm" für ein natürliches Mineralwasser mit einem Natriumgehalt von 112 mg/l läßt sich insbesondere nicht aus Anlage 4 zu § 9 MTVO herleiten. Die Tatsache, daß darin die Angabe ,natriumhaltig" für Mineralwässer, deren Natriumgehalt mehr als 200 mg/l beträgt, läßt nicht den Schluß zu, Mineralwässer, deren Natriumgehalt darunter liegt dürften als ,natriumarm" bezeichnet werden. 2. ,Natriumarm" ist gleichsinnig mit ,geeignet für natriumarme Ernährung" (§ 9 Abs. 3 MTVO Anl. 4). 3. § 13 DiätVO und § 7 NährwertkennzeichnungsVO gelten nicht für natürliche Mineralwässer. 4. Anl. 4 zu § 9 Abs. 3 und § 9 Abs. 3 MTVO stellen richtlinienkonforme Umsetzungen der EG-Richtlinie 80/777/EWG dar.

Tatbestand

Der Kläger ist ein gerichtsbekannter Verein, zu dessen

satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, Wettbewerbsverstöße - ggf.

unter Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe - zu bekämpfen.

Die Beklagte stellt u.a. Mineralwässer her und vertreibt diese.

Zu den von der Beklagten vertriebenen natürlichen Mineralwässer

zählen die Produkte ,D. Urquelle" und ,D. Still". Die Flaschen, in

denen diese Mineralwässer vertrieben werden, tragen jeweils auf

Halsund Brustetikett in weißer Schrift auf rotem Untergrund den

Hinweis ,natriumarm". Wegen der näheren Ausgestaltung wird auf die

von den Parteien zu den Akten gereichten Originalflaschen und auf

die Ablichtungen im Klageantrag dieses Urteils Bezug genommen.

Auf dem Rückenetikett dieser Flaschen ist jeweils ein Auszug aus

der Analyse des Instituts Fresenius abgedruckt, aus dem sich

ergibt, daß das jeweilige Wasser einen Natriumgehalt von 0,112 g/l

(112 mg pro Liter) enthält.

Wegen der Bezeichnung ,natriumarm" für die

streitgegenständlichen Mineralwässer ist bei der Kreisverwaltung D.

ein Verwaltungsverfahren anhängig. Nachdem der Verband Deutscher

Mineralbrunnen e.V. mit Schreiben vom 16.11.1989 die Beklagte

zunächst um Óberlassung von Fotokopien über diesen Streit

hinsichtlich der Bezeichnung ,natriumarm" gebeten hatte, begehrte

der Verband mit Schreiben vom 19.02.1993 von der Beklagten die

Abänderung der Deklaration ihres Mineralwassers als ,natriumarm".

Der Verband kündigte in diesem Schreiben an, daß er anderenfalls

den Kläger einschalten werde. Mit Schreiben vom 05.03. und

18.03.1993 empfahl die Beklagte dem Verband Deutscher

Mineralbrunnen e.V. zunächst das laufende Verwaltungsverfahren

abzuwarten.

Mit Schreiben vom 16.04.1993 mahnte der Kläger die Beklagte

wegen des Hinweises ,natriumarm" auf den beiden

streitgegenständlichen Mineralwässern ab und begehrte die Abgabe

einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung, die von

der Beklagten mit Schreiben vom 22.04.1993 abgelehnt wurde.

Mit der Klage begehrt der Kläger von der Beklagten, es zu

unterlassen, ein natürliches Mineralwasser mit dem Hinweis

,natriumarm" in der konkreten Form in Verkehr zu bringen, wenn der

Natriumgehalt des natürlichen Mineralwassers mehr als 25 mg/l

beträgt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Auslobung ,natriumarm"

sei irreführend im Sinne von § 3 UWG in Verbindung mit § 17 Abs. 1

Ziffer 5 lit. b LMBG und § 9 Abs. 3 der Verordnung über natürliches

Mineralwasser, Quellwasser und Tafelwasser (MTVO) und der Anlage 4

zur MTVO. Gemäß § 9 Abs. 3 MTVO müßten die in Anlage 4 aufgeführten

Anforderungen eingehalten werden, wenn bei einem natürlichen

Mineralwasser auf den Gehalt an bestimmten Inhaltsstoffen

hingewiesen werde. Nach Anlage 4 gebe es lediglich die Angabe

,geeignet für natriumarme Ernährung"; dies setze jedoch einen

Natriumgehalt von weniger als 20 mg/l voraus.

Der Verbraucher entnehme sowohl der Angabe ,geeignet für

natriumarme Ernährung" als auch der Angabe ,natriumarm", daß das

betreffende Mineralwasser einen geringen Gehalt an Natrium habe.

Bei dem Hinweis ,natriumarm" handele es sich um eine gleichsinnige

Angabe im Sinne von § 9 Abs. 3 MTVO.

Der Verbraucher werde diesen beiden Angaben keine

unterschiedliche Bedeutung beimessen. Selbst wenn ihm die Aussage

,geeignet für natriumarme Ernährung" bekannt sei, hielte er die

Bezeichnung ,natriumarm" nur für eine verkürzte Form dieser

Aussage, die jedenfalls im gleichen Sinne zu verstehen sei. In den

Augen der Verbraucher sei ein natriumarmes Mineralwasser für die

natriumarme Ernährung geeignet. Da für die natriumarme Ernährung

jedoch nur Mineralwässer mit einem Natriumgehalt von weniger als 20

mg/l geeignet seien, werde der Verbraucher getäuscht, da die

streitgegenständlichen Mineralwässer mehr als das 5fache dieser

Menge an Natrium aufwiesen.

Der Zahlungsanspruch in Höhe von 267,50 DM sei als

Aufwendungsersatzanspruch begründet, da der Wettbewerbsstörer die

Abmahnkosten des abmahnenden Wettbewerbsverbandes zu tragen

habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht

für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes

bis zur Höhe von 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder von

Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen, im

geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken, wie nachstehend

wiedergegeben, ein natürliches Mineralwasser

,D. Urquelle" und/oder ,D. Still"

mit dem Hinweis ,natriumarm" in Verkehr zu bringen, wenn der

Natriumgehalt des natürlichen Mineralwassers mehr als 25 mg/l

beträgt

2. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn - den Kläger - 267,50 DM

zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, bei der Bezeichnung ,natriumarm"

handele es sich um einen Hinweis auf einen Inhaltsstoff, nämlich

auf Natrium. § 9 Abs. 3 MTVO unterscheide zwischen ,Hinweisen auf

besondere Inhaltsstoffe" und ,Hinweisen auf eine besondere

Eignung". Die vom Kläger herangezogene Bezeichnung ,geeignet für

natriumarme Ernährung" beziehe sich gerade auf die Eignung des

Wassers und könne somit nicht mit dem Hinweis auf den Inhalt

verwechselt werden. Ein Hinweis auf Inhaltsstoffe sei in der Anlage

4 zu § 9 MTVO lediglich durch die Bezeichnung ,natriumhaltig"

getroffen; hierzu müsse der Natriumgehalt mehr als 200 mg/l

betragen. Dementsprechend dürften Mineralwässer, die einen

geringeren Natriumgehalt als 200 mg/l enthalten, als ,natriumarm"

bezeichnet werden.

Bei den Bezeichnungen der Anlage 4 zu § 9 MTVO handele es sich

nicht um eine abschließende Regelung, so daß die Zwischenzone

zwischen 20 mg/l und 200 mg/l mit anderen Begriffen belegt werden

dürfe. Ein solcher Begriff könne nur die Bezeichnung ,natriumarm"

sein.

Ein Verstoß gegen § 9 Abs. 3 MTVO scheide deswegen aus, weil

eine Inhaltsangabe wie ,natriumarm" keine gleichsinnige Angabe zu

einem Eignungshinweis wie ,geeignet für natriumarme Ernährung" sei.

In dieser Bezeichnung läge auch keine Irreführung der Verbraucher

im Sinne des § 3 UWG, da dem Verbraucher diese Unterschiede bekannt

seien. Die fehlende Eignung der Auslobung ,natriumarm" zur

Irreführung sei auch dadurch belegt, daß diese Bezeichnung für ihre

- der Beklagten - Produkte schon seit April 1989 benutzt würden.

Obwohl sie alleine seit dieser Zeit Flaschen in einer Größenordnung

von über 15 Mio. Stück verkauft habe, sei es nie zu einer

ernsthaften Auseinandersetzung über eine angebliche Irreführung

gekommen.

Angesichts der großen Bandbreite von Natrium in Mineralwässern

stelle eine Menge von 112 mg/l einen äußerst geringen Wert dar; so

gebe es Mineralwässer mit einem Natriumgehalt von mehr als 1.000

mg/l.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen

Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der

wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Durch Urteil vom 16. Dezember 1993 hat das Landgericht Köln die

Beklagte antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es im

wesentlichen ausgeführt, daß der Begriff ,natriumarm" gleichsinnig

im Sinne des § 9 Abs. 3 MTVO mit dem Begriff ,geeignet für

natriumarme Ernährung" sei. Die Verwendung dieses Begriffes für ein

Mineralwasser mit 112 mg Natrium/l sei deshalb gemäß § 1 UWG

unzulässig. Die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung nach

Inhaltsund Eignungsangaben ergebe sich nicht aus § 9 MTVO. Da der

objektive Aussagegehalt beider Begriffe gleichwertig sei, dürfte es

keinen Verbraucher geben, der den signalroten Hinweis zur Kenntnis

nehme und als ,natriumarm, aber nicht geeignet zur natriumarmen

Ernährung" verstehe. Wegen der weiteren Einzelheiten der

Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des

angefochtenen Urteils (Bl. 67 - 70 d. A.) Bezug genommen.

Gegen das ihr am 3. Januar 1994 zugestellte Urteil hat die

Beklagte am 3. Februar 1994 Berufung eingelegt, die sie nach

Fristverlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 3. April

1994 am Osterdienstag, den 5. April 1994 rechtzeitig begründet

hat.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches

Vorbringen und vertritt die Auffassung, § 9 MTVO nebst der darauf

fußenden Anlage 4 nehme eine Unterscheidung zwischen Angaben

bestimmter Inhaltsstoffe einerseits und den Hinweise auf besondere

Eignung andererseits vor. Die Angabe ,natriumarm" sei eine Angabe

eines bestimmten Inhaltsstoffes. Angaben über Inhaltsstoffe seien

nicht gleichsinnig mit Hinweisen auf eine besondere Eignung. Hierzu

bedürfe es einer Auslegung der Anlage 4 zu § 9 Abs. 3 MTVO; dabei

sei dem Wort ,natriumarm" der Begriff ,natriumhaltig"

gegenüberzustellen. Der objektive Aussagegehalt der Begriffe

,natriumarm" und ,geeignet zur natriumarmen Ernährung" sei nicht

gleichwertig, da es sprachliche Differenzierungsmöglichkeiten gäbe,

die auch in der MTVO enthalten seien.

Sie - die Beklagte - werde auch in ihren berechtigten Interessen

verletzt, da sie nicht mehr auf den gegenüber dem wettbewerblichen

Umfeld tatsächlich deutlich niedrigeren Natriumgehalt hinweisen

dürfe. Ein geringerer Natriumgehalt stelle sich als Natriumarmut

dar.

Eine Irreführung der Verbraucher sei auch schon dadurch

ausgeschlossen, daß auf dem Etikett im Rahmen des Analysenauszugs

mitgeteilt werde, wie hoch der Natriumgehalt sei.

Weiterhin macht die Beklagte Verwirkung geltend und trägt hierzu

vor, daß die streitgegenständliche Angabe bereits seit April 1989

gemacht werde. Dies sei als Reaktion auf die wissenschaftlich

unhaltbare Kampagne der Zeitschrift ,Natur" Nr. 3/1987 geschehen,

so daß auch rechtliche Maßstäbe der sogenannten Abwehrinformation

und Abwehrwerbung zu ihren Gunsten heranzuziehen seien. Hinter dem

Kläger stehe ausschließlich die Konkurrenz, die gegen ihr

streitgegenständliches Verhalten seit 1989 nichts unternommen habe.

Die bloßen Konkurrenzinteressen müßte bei einer Interessenund

Güterabwägung hinter dem langjährigen Besitzstand der Beklagten

zurücktreten.

Die Beklagte beantragt vorsorglich, die Sache vorab dem

Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Eine undifferenzierte

Handhabung der inhaltsstofflichen Gehaltsangaben einerseits und der

ernährungsphysiologischen und diätetischen Hinweise andererseits

seien nicht gemeinschaftskonform. Der EGGesetzgeber habe

ausdrücklich und aus sachlichen Erwägungen zwischen dem bloßen

Gehaltshinweis eines Mineralstoffs und einer

ernährungsphysiologischen Eignungsangabe des Gesamtproduktes

unterschieden. Weiterhin läge eine fehlerhafte Transformation -

zumindest eine nicht gemeinschaftskonforme Auslegung - darin, daß

die im vorliegenden Fall maßgebliche Frage der ,gleichsinnigen

Angabe" in § 9 MTVO nicht der in Artikel 9 Abs. 2 lit. c

EG-Richtlinie 80/777/EWG gemeinten ,ähnlichen Angabe" entspräche.

Zur Vorlage gehöre auch die Frage, ob aus der Positivangabe über

den qualifizierten Mengengehalt ,natriumhaltig" geschlossen werden

müsse, daß eine differenzierte Stoffangabe ,natriumarm" damit

ausgeschlossen sein solle.

Weiterhin bittet die Beklagte, den Rechtsstreit nach § 148 ZPO

auszusetzen, bis ein auf dem gleichen Sachverhalt beruhendes

Verwaltungsverfahren bei der Kreisverwaltung Daun beendet sei.

Schließlich verweist sie auf eine von ihr eingelegte formlose

Beschwerde bei der EG-Kommission, in der sie auf eine - aus ihrer

Sicht vorliegende - Diskrepanz zwischen der Rechtsauffassung der

Kreisverwaltung Daun, die mit der des Landgerichts Köln

übereinstimmt, und der EG-Richtlinie 80/777/EWG hinweist. Auch mit

Rücksicht auf diese Beschwerde bittet sie, den Rechtsstreit

auszusetzen, bis eine Stellungnahme der EG-Kommission vorliegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der

Beklagten wird auf die Berufungsbegründung vom 5. April 1994 und

die Schriftsätze vom 26. April 1994 und 27. Juli 1994, jeweils

nebst Anlagen, verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Köln

vom 16. Dezember 1993 - 81 O 140/93 - die Klage abzuweisen,

hilfsweise, ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung auch

unabhängig von einer Sicherheitsleistung des Klägers durch

Sicherheitsleistung, auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft

einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Großbank oder

öffentlichrechtlichen Sparkasse, abzuwenden.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise, ihr

nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung

abzuwenden, die auch in Form der selbstschuldnerischen Bürgschaft

einer deutschen Großbank und/oder öffentlichrechtlichen Sparkasse

erbracht werden kann.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt

die Ansicht, die beanstandete Kennzeichnung ,natriumarm" sei

gleichsinnig mit dem Hinweis ,geeignet für natriumarme Ernährung"

anzusehen. Nach § 9 Abs. 3 MTVO seien die in Anlage 4 aufgeführten

oder bei gleichsinnigen Angaben die dort genannten Anforderungen

einzuhalten, wenn auf den Gehalt an bestimmten Inhaltsstoffen oder

auf eine besondere Eignung des Wassers hingewiesen werde. Nach

Anlage 4 sei der Hinweis ,geeignet für natriumarme Ernährung" nur

erlaubt, wenn der Natriumgehalt weniger als 20 mg/l betrage. Da die

beanstandete Kennzeichnung ,natriumarm" mit diesem Hinweis

gleichsinnig sei, verstoße sie gegen diese Bestimmung, denn der

Natriumgehalt der Mineralwässer der Beklagten lägen weit über dem

zulässigen Wert.

Entgegen der Auffassung der Beklagten handele es sich bei dem

Hinweis ,natriumarm" nicht um eine Angabe des Gehalts bestimmter

Inhaltsstoffe, da die beanstandete Kennzeichnung drucktechnisch wie

graphisch blickfangartig herausgehoben sei. Angaben über den Gehalt

eines bestimmten Inhaltsstoffes befänden sich demgegenüber

regelmäßig im ,Analysenauszug". Ein schlagwortartiger Hinweis auf

den geringen Natriumgehalt, der zudem blickfangmäßig herausgehoben

sei, werde vom unbefangenen Betrachter nicht als bloße Angabe des

Gehaltes an Natrium gesehen, sondern als die Empfehlung, daß das

fragliche Mineralwasser für eine natriumarme Ernährung geeignet

sei. Dies ergebe sich auch daraus, daß ein natürliches

Mineralwasser viele Inhaltsstoffe enthalte, so daß die Heraushebung

eines einzigen als in ,geringer Menge" vorhanden für jedermann zum

Ausdruck bringe, daß das fraglich Mineralwasser auch im Rahmen

einer Ernährung, die auf eine möglichst geringe Zufuhr des

fraglichen Inhaltsstoffes ausgerichtet sei, unbedenklich getrunken

werden könne. Dies gelte insbesondere für ,Natriumempfindliche",

die mit gesteigertem Problembewußtsein die Auswahl der für sie

geeigneten Mineralwässer träfen. Dabei komme es nicht darauf an, ob

der einzelne Verbraucher wisse, welche Grenzwerte durch den

Gesetzoder Verordnungsgeber festgelegt seien; es genüge vielmehr,

daß er davon ausgehe, daß das so angebotene Mineralwasser für eine

natriumarme Ernährung tatsächlich geeignet sei.

Die hierdurch hervorgerufene Irreführung der Verbraucher werde

auch nicht durch die Angabe über den Natriumgehalt in dem

Analysenauszug ausgeräumt. Allein schon die schlagwortartige

Herausstellung der Bezeichnung ,natriumarm" gebe dem Verbraucher

keine Veranlassung mehr, an ,versteckter Stelle" im Analysenauszug

noch nach dem exakten Natriumgehalt zu forschen. Selbst der

Verbraucher, der sich die Angaben im Analysenauszug ansehe, werde

dadurch nicht hinreichend aufgeklärt, daß die Mineralwässer für

eine natriumarme Ernährung nicht geeignet seien.

In der vom Landgericht vertretenen Auffassung läge auch kein

,Wettbewerbshindernis im Sinne des Artikel 36 EWGV", da es schon an

dem Erfordernis des ,zwischenstaatlichen Handelns" fehle. Soweit

die Kammer festgestellt habe, daß der Verkehr die beanspruchte

Kennzeichnung im gleichen Sinne wie ,geeignet für eine natriumarme

Ernährung" verstehe, stehe dies nicht im Widerspruch zur

EG-Regelung; hierbei könne dahinstehen, ob nicht sogar der Begriff

,ähnliche Angaben" weiter reiche als ,gleichsinnige Angaben".

Schließlich könne sich die Beklagte auch nicht auf die

Verwirkung berufen, da ein derartiger Einwand grundsätzlich nicht

greife, wenn es - wie hier - um eine irreführende Werbung gehe.

Darüber hinaus lägen die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht

vor.

Das von der Beklagten geführte Verwaltungsverfahren sei nicht

vorgreiflich, so daß kein Anlaß für eine Aussetzung gemäß § 148 ZPO

vorläge. Für eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß

Artikel 177 EWGV bestehe kein Anlaß, da die Vorschrift des § 9 Abs.

3 MTVO konform mit der Richtlinie 80/777/EWG sei. Auch diese

Richtlinie erlaube nicht die hier streitbefangene täuschende

Werbung durch die Beklagte.

Wegen des weiteren Vorbringens des Klägers in der

Berufungsinstanz wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 24.

Mai 1994 sowie auf den Schriftsatz vom 1. August 1994 Bezug

genommen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen

Erfolg.

Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, es zu

unterlassen, die von ihr vertriebenen natürlichen Mineralwässer ,D.

Urquelle" und/oder ,D. Still" in der konkreten Form der

angegriffenen Produkte in Verkehr zu bringen, wenn der

Natriumgehalt des natürlichen Mineralwasser mehr als 25 mg/l

beträgt. Das Unterlassungsbegehren des nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG

klagebefugten Klägers ist aus § 3 UWG gerechtfertigt.

Die Produktaufmachung der beiden Mineralwässer in der konkreten

Form der zu den Akten gereichten Originalprodukten ist geeignet,

bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen

Verkehrskreise die irrige Vorstellung über die Beschaffenheit der

so beworbenen Mineralwässer hervorzurufen, diese seien für eine

natriumarme Ernährung geeignet.

Die beanstandete Kennzeichnung ,natriumarm" findet sich sowohl

auf dem Halswie auf dem Brustetikett der streitgegenständlichen

Mineralwasserflaschen auf signalrotem Untergrund wieder, während

das übrige Etikett ganz überwiegend in wenig hervortretenden Farben

gestaltet ist. Die angegriffene Kennzeichnung ist somit auf dem

jeweiligen Etikett drucktechnisch und graphisch hervorgehoben.

Darüber hinaus sind weitere Angaben über Inhaltsstoffe und/oder

Eignung der so beworbenen Mineralwässer auf Halsund Brustetikett,

die die Schauseite der streitgegenständlichen Mineralwasserflaschen

darstellen, nicht enthalten. Findet der angesprochene Verbraucher

auf der Mineralwasserflasche nur diesen hervorgehobenen

schlagwortartigen Hinweis auf einen geringen Natriumgehalt des

angebotenen Mineralwassers, so wird - zumindest der flüchtige -

Betrachter hierin nicht nur eine bloße Angabe über einen ,relativ"

geringen Gehalt an Natrium sehen, sondern auch eine Empfehlung, daß

das fragliche Mineralwasser für eine natriumarme Ernährung geeignet

ist. Wird bei einem natürlichen Mineralwasser, das zahlreiche

Inhaltsstoffe enthält, nur ein einziger als in ,geringer Menge"

vorhanden besonders herausgestellt, so wird bei dem angesprochenen

Verbraucher hierdurch gerade der Eindruck hervorgerufen, daß das so

beworbene Mineralwasser gerade im Rahmen einer Ernährung, die auf

eine möglichst geringe Zufuhr dieses Inhaltsstoffes ausgerichtet

ist, unbedenklich getrunken werden könne. Gerade die Verbraucher,

die ernährungsbewußt sind und auf natriumarme Ernährung Wert legen,

werden diesen - zumindest auf der Schauseite der Flaschen - allein

herausgestellten ,Vorzug" so verstehen, daß dieses Mineralwasser

für die von ihnen bevorzugte natriumarme Ernährung geeignet

ist.

Diese Erwartung des Verbrauchers wird aber enttäuscht, da sowohl

gemäß § 9 Abs. 3 MTVO in Verbindung mit Anlage 4 zu dieser

Verordnung als auch nach Artikel 9 EG-Richtlinie 80/777/EWG in

Verbindung mit Anlage III nur die Mineralwässer ,geeignet für

natriumarme Ernährung" sind, deren Natriumgehalt weniger als 20

mg/l beträgt. Demgegenüber beträgt der Natriumgehalt der

streitgegenständlichen Mineralwässer der Beklagten 112 mg/l.

Diese Irreführung wird auch nicht durch den auf dem

Rückenetikett der jeweiligen Flasche befindlichen Analysenauszug

ausgeräumt, da die Bezeichnung ,natriumarm" schlagwortartig auf der

Schauseite der Flaschen hervorgehoben ist, so daß für den

unbefangenen Verbraucher keine Veranlassung mehr besteht, den in

Kleindruck gehaltenen Analysenauszug auf der Rückseite nach dem

exakten Natriumgehalt zu ergründen. Selbst bei den Verbrauchern,

die sich diesen Analysenauszug ansehen und entdecken, daß das so

angepriesene Mineralwasser einen Natriumgehalt von 112 mg/l hat,

bleibt dieser Irrtum bestehen, daß das Mineralwasser der Beklagten

für eine natriumarme Ernährung geeignet ist, zumal - wie die

Beklagte selbst hervorhebt - es andere natürliche Mineralwässer mit

einem wesentlich höheren Natriumgehalt gibt.

Die vorstehend beschriebene Irreführung des Verkehrs ist auch

wettbewerblich relevant. Die streitbefangene Aufmachung der

Mineralwasserflaschen ist geeignet, zumindest die angesprochenen

Verbraucher, die auf eine natriumarme Ernährung Wert legen oder

,natriumempfindlich" sind, zu beeinflussen, sich der Beklagten und

ihren Produkten zuzuwenden, da sie diese als geeigneter dargestellt

werden als identische Produkte der Mitkonkurrenten, eine

natriumarme Ernährung zu unterstützen.

Die vorstehenden Feststellungen zur Irreführung und Relevanz

können die Mitglieder des Senats - in Óbereinstimmung mit der

Kammer - aus eigener Lebenserfahrung und Sachkunde treffen, da sie,

ebenso wie die Mitglieder der Kammer des Landgerichts, zu den von

der Beklagten mit der beanstandeten Aufmachung der

Mineralwasserflaschen angesprochenen Verkehrskreisen gehören.

Die so festgestellte Irreführung der Verbraucher wird auch nicht

durch § 9 der Verordnung über natürliches Mineralwasser,

Quellwasser und Tafelwasser (MTVO) und der Anlage 4 zur MTVO hinter

dem Gesichtspunkt der ,normierten Verkehrsauffassung" (vgl. hierzu

Baumbach-Hefermehl, § 3 VWG Rn. 98 ff) neutralisiert bzw.

ausgeschlossen. Der Hinweis ,natriumarm" auf den von der Beklagten

vertriebenen Mineralwasserflaschen ,D. Urquelle" und ,D. Still"

stellt vielmehr in der konkreten Form der zu den Akten gereichten

Originalprodukte auch einen Verstoß gegen § 9 Abs. 3 MTVO dar. Nach

dieser Vorschrift sind die in Anlage 4 zur MTVO aufgeführten oder

bei gleichsinnigen Angaben die dort genannten Anforderungen

einzuhalten, wenn bei einem natürlichen Mineralwasser im Verkehr

oder in der Werbung auf den Gehalt an bestimmten Inhaltsstoffen

oder auf eine besondere Eignung des Wassers hingewiesen wird. Mit

der Auslobung ,natriumarm" weist die Beklagte auf den Gehalt an

bestimmten Inhaltsstoffen oder auf eine besondere Eignung des so

angebotenen Mineralwassers hin. Die Angabe ,natriumarm" ist in

Anlage 4 zu § 9 Abs. 3 MTVO selbst nicht genannt. Die Tatsache, daß

in dieser Anlage die Angabe ,natriumhaltig" für die Mineralwässer

vorgesehen ist, deren Natriumgehalt mehr als 200 mg/l beträgt, läßt

- entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht unmittelbar den

Schluß zu, daß alle anderen Mineralwässer, die einen Natriumgehalt

unter 200 mg/l haben, als ,natriumarm" bezeichnet werden dürfen.

Gemäß der Regelung des § 9 Abs. 3 MTVO ist vielmehr zunächst zu

prüfen, ob in der Anlage 4 gleichsinnige Angaben aufgeführt sind.

Als eine derartige ,gleichsinnige Angabe" kommt der Hinweis

,geeignet für natriumarme Ernährung" in Betracht, der gemäß Anlage

4 nur angegeben werden darf, wenn der Natriumgehalt weniger als 20

mg/l beträgt.

Eine derartige Gleichsinnigkeit der Begriffe ,natriumarm" und

,geeignet für natriumarme Ernährung" hat das Landgericht zu Recht

festgestellt. Zwar handelt es sich bei der Angabe ,geeignet für

natriumarme Ernährung" um einen Hinweis auf eine besondere Eignung

des Wassers, während die Angabe ,natriumarm" zumindest auch als ein

Hinweis auf den Gehalt an bestimmten Inhaltsstoffen angesehen

werden kann. Diese Trennung zwischen Hinweisen auf ,besondere

Inhaltsstoffe" und auf ,besondere Eignung", die sich sowohl in § 9

Abs. 3 MTVO als auch in Artikel 9 der EG-Richtlinie 80/777/EWG vom

15.07.1980 wiederfindet, schließt jedoch nicht aus, daß ein und

derselbe Begriff sich sowohl auf die Inhaltsstoffe als auch auf die

Eignung beziehen kann. Dies ergibt sich schon daraus, daß sowohl §

9 MTVO als auch Artikel 9 der EG-Richtlinie irreführende Angaben

untersagen. So ist es durchaus möglich, daß eine Angabe vom

Wortlaut her sich auf bestimmte Inhaltsstoffe bezieht, von einem

nicht unbeachtlichen Teil der angesprochenen Verbraucher jedoch

zugleich als besondere Eignung des Mineralwassers aufgefaßt wird.

Eine derartige Irreführung der Verbraucher kann sich - wie oben

dargestellt - aus der konkreten Gesamtaufmachung der

Mineralwasserflasche ergeben. Der Tatbestand der Irreführung ist -

wie bei anderen Irreführungsnormen - auch bei § 9 Abs. 3 MTVO schon

dann gegeben, wenn eine rechtlich beachtliche Minderheit getäuscht

werden kann (Zipfel, Lebensmittelrecht, Stand August 1993, Band 5,

C 435, § 9 MTVO Rdnr. 2). Wird aber ein nicht unerheblicher Teil

der Verbraucher - wie oben dargelegt - aufgrund der Auslobung

,natriumarm" davon ausgehen, daß das so beworbene Produkt für eine

natriumarme Ernährung geeignet ist, wird er auch die Angabe

,natriumarm" als gleichsinnig im Sinne des § 9 Abs. 3 MTVO mit der

in der Anlage 4 zur MTVO normierten Angabe ,geeignet für

natriumarme Ernährung" sehen. Diese Angabe ist jedoch gemäß § 9

Abs. 3 in Verbindung mit Anlage 4 MTVO nur erlaubt, wenn der

Natriumgehalt des Mineralwassers weniger als 20 mg/l beträgt. Da

die streitgegenständlichen, von der Beklagten angebotenen

Mineralwässer jedoch einen Natriumgehalt von ca. 112 mg/l haben,

verstößt die Beklagte mit der streitgegenständlichen Aufmachung der

Mineralwasserflaschen in ihrer konkreten Form auch gegen § 9 Abs. 3

MTVO.

Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Regelungen

des § 13 DiätVO oder auf § 7 NährwertkennzeichnungsVO berufen, da

diese Vorschriften schon ihrem Wortlaut nach nicht für natürliche

Mineralwässer gelten, die in dieser Bestimmung ausdrücklich

ausgenommen sind. Die MTVO stellt insoweit eine speziellere

Vorschrift für die hier in Betracht kommenden Produkte dar (Zipfel

a.a.O. § 9 MTVO Rdnr. 6). Aus diesem Grund verbieten sich auch

Rückschlüsse aus diesen Verordnungen auf ein Verbraucherverständnis

hinsichtlich der Inhaltsstoffe von Mineralwässern. Die Tatsache,

daß in § 13 DiätVO und § 7 NährwertkennzeichnungsVO bestimmte

Grenzen für Lebensmittel festgeschrieben sind, die die Angabe

,natriumarm" tragen dürfen, führt nicht dazu, daß der Verbraucher

die hervorgehobene Auslobung ,natriumarm" auf einer

Mineralwasserflasche im Hinblick auf die DiätVO und die

NährwertkennzeichnungsVO zwar als natriumarm, aber nicht als

geeignet für natriumarme Ernährung ansieht.

Soweit die Beklagte darauf hinweist, daß zahlreiche

Mineralwässer - darunter auch diejenigen bekannter Hersteller -

über einen weitaus höheren Natriumgehalt verfügen, so kann dies

allenfalls dazu führen, daß die Angabe ,natriumarm" für die von der

Beklagten vertriebenen Mineralwässer im Verhältnis zu anderen

Mineralwässern richtig und wahr ist; dies führt jedoch nicht dazu,

daß die durch diese Angabe hervorgerufene Irreführung eines nicht

unbeachtlichen Teils der Verbraucher, das so beworbene

Mineralwasser sei für eine natriumarme Ernährung geeignet,

ausgeräumt wird.

Der Senat sieht auch keine Veranlassung, der Anregung der

Beklagten nachzukommen, die Sache vorab dem Europäischen

Gerichtshof vorzulegen, da - nach dem Vortrag der Beklagten - in

anderen EG-Ländern mit dem Begriff ,natriumarm" geworben werden

dürfe, dies aber in der Bundesrepublik Deutschland wegen

angeblicher Gleichsinnigkeit nicht zulässig sei und somit ein

Wettbewerbshindernis im Sinne der Artikel 30/36 EWGV darstelle. Zum

einen wird durch das Unterlassungsgebot nicht grundsätzlich eine

Werbung mit dem Begriff ,natriumarm" in der Bundesrepublik

Deutschland verboten, da nur die konkret angegriffene Art der

Aufmachung untersagt wird. In einer anderen Form der Darstellung

oder bei Mineralwässern mit einem Natriumgehalt von weniger als 20

mg/l kann eine derartige Auslobung durchaus erlaubt sein. Zum

anderen hat die Beklagte nicht dargelegt, unter welchen

Voraussetzungen und in welchen anderen EG-Ländern mit dem Begriff

,natriumarm" geworben werden darf. Schließlich sind Artikel 30/36

EWGV schon deshalb nicht berührt, weil die Beklagte nicht einen

zwischenstaatlichen Handel dargelegt hat. Bei der Beklagten handelt

es sich gerade nicht um einen ausländischen Anbieter, der im Inland

diskriminiert oder im Wettbewerb beeinträchtigt wird.

Auch dem Antrag der Beklagten, die Sache nach Artikel 177 EWGV

dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, da - nach ihrer Auffassung

- § 9 Abs. 3 MTVO eine nicht richtlinienkonforme Umsetzung

darstelle, ist nach Auffassung des Senates nicht nachzukommen.

Anlage 4 zu § 9 Abs. 3 MTVO ist hinsichtlich der hier streitigen

Begriffe ,natriumhaltig" und ,geeignet für natriumarme Ernährung"

eine exakte Wiedergabe der Anlage III zu Artikel 9 EG-Richtlinie

80/777/EWG. Auch die Tatsache, daß in § 9 Abs. 3 MTVO von

,gleichsinnigen Angaben" die Rede ist, während in Artikel 9 Abs. 2

lit. c EG-Richtlinie 80/777/EWG der Begriff ,ähnliche Angaben"

wiedergegeben ist, stellt keinen Widerspruch der nationalen

Regelung zur EG-Regelung dar. In diesem Zusammenhang kann es

dahinstehen, ob diese beiden Begriffe nicht ohnehin inhaltlich das

selbe ausdrücken, da sie in einem völlig anderen Kontext genannt

sind. Darüber hinaus bezwecken sowohl § 9 MTVO als auch Artikel 9

der EG-Richtlinie 80/777/EWG ein Verbot irreführender Angaben.

Versteht aber ein nicht unbeachtlicher Teil der angesprochenen

Verbraucher die nicht geregelte Angabe ,natriumarm" in gleichem

Sinne wie die Angabe ,geeignet für eine natriumarme Ernährung", die

sowohl nach nationaler Verordnung wie auch nach EG-Verordnung nur

bei natürlichen Mineralwässern mit weniger als 20 mg/l

Natriumgehalt verwendet werden darf, so kommt es nicht darauf an,

ob diese Verbraucher die beiden Begriffe als ,gleichsinnige" oder

,ähnliche" Angaben ansehen.

Soweit die Beklagte sich schließlich darauf beruft, es werde

eine nicht gemeinschaftskonforme Auslegung dadurch vorgenommen, daß

in einer undifferenzierten Handhabung die inhaltsstofflichen

Gehaltsangaben nicht von ernährungsphysiologischen Hinweisen

abgegrenzt würden, so ist diese Trennung in § 9 MTVO nicht weniger

vorhanden als in Artikel 9 der EGRichtlinie. Eine Vermischung

zwischen ,ernährungsphysiologischen Hinweisen" und

,Inhaltsstoffangaben" wird lediglich durch die

streitgegenständliche Auslobung ,natriumarm" in der konkret

angegriffenen Form mit der Folge hervorgerufen, daß der Verbraucher

diese Angabe, die ihrem Wortlaut nach sich als ,Inhaltsstoffangabe"

darstellt, als einen ,ernährungsphysiologischen Hinweis" auffaßt

und dadurch irregeführt wird. Indem derartige Angaben untersagt

werden, wird jedoch - entgegen der Auffassung der Beklagten -

gerade der Intention des EG-Verordnungsgebers entsprochen, der eine

Trennung von ,ernährungsphysiologischen Hinweisen" und

,Inhaltsstoffangaben" verlangt.

Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf Verwirkung

berufen. Abgesehen davon, daß der Senat schon Zweifel daran hat, ob

die Beklagte in einem Zeitraum von 4 bis 5 Jahren, in dem sie die

streitgegenständliche Auslobung benutzt, überhaupt einen wertvollen

Besitzstand erwerben konnte, ist der Verwirkungseinwand jedenfalls

deswegen ausgeschlossen, weil wesentliche Interessen der

Allgemeinheit verletzt werden, da der Verkehr durch die

streitgegenständliche Auslobung irregeführt wird. In einem solchen

Fall ist der Besitzstand des Verletzers nicht schutzwürdig, so daß

das Individualinteresse hinter dem Allgemeininteresse zurücktreten

muß (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl.,

Einleitung UWG Rdnr. 441).

Schließlich konnte der Senat auch der Anregung der Beklagten

nicht entsprechen, das Verfahren gemäß § 148 ZPO wegen des

schwebenden Verwaltungsverfahrens bei der Kreisverwaltung Daun und

wegen der formlosen Beschwerde der Beklagten bei der EGKommission

auszusetzen, denn in beiden Fällen liegen die Voraussetzungen des §

148 ZPO nicht vor, da diese Verfahren nicht vorgreiflich sind.

Der Anspruch auf Erstattung der Kosten in Höhe von 267,50 DM,

die dem Kläger aus der nach allem zu Recht erfolgten Abmahnung der

Beklagten wegen der streitgegenständlichen Auslobung ,natriumarm"

entstanden sind, ergibt sich aus dem Gesichtspunkt der

Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB

(vgl. BGH GRUR 1984, 129 - "Shop in the Shop").

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die

Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§

708 Nr. 10, 713 ZPO. Die nach § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende

Beschwer für die Beklagte entspricht dem Wert ihres Unterliegens im

Rechtsstreit. - 7 -






OLG Köln:
Urteil v. 30.09.1994
Az: 6 U 32/94


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/8776d894c974/OLG-Koeln_Urteil_vom_30-September-1994_Az_6-U-32-94




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