Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. Juli 2000
Aktenzeichen: 20 W (pat) 82/99

(BPatG: Beschluss v. 31.07.2000, Az.: 20 W (pat) 82/99)

Tenor

Der Beschluß des Patentamts vom 9.7.99 wird aufgehoben. Die Sache wird zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens an das Patentamt zurückverwiesen.

Gründe

I Im Prüfungsverfahren betreffend die Patentanmeldung P 44 31 612.7-32 (Stammanmeldung) wurde vom Prüfer mit Bescheid vom 18. Dezember 1996 auf unterschiedliche Lösungsprinzipien nach den Ansprüchen 1 und 2 gegenüber den Ansprüchen 3 und 6 hingewiesen und die Uneinheitlichkeit gerügt. Außerdem seien die Gegenstände der nebengeordneten Ansprüche 3 und 6 der Stammanmeldung aus

(1) EP 0 541 284 A1 bekannt bzw nahegelegt.

Mit Schriftsatz vom 8. Juli 1997 erklärte die Anmelderin die Ausscheidung der Ansprüche 3 bis 12 und reichte zur vorliegenden Ausscheidungsanmeldung P 44 47 740.6-35 die als uneinheitlich angesehenen nebengeordneten Ansprüche 3 und 6 als nebengeordnete Ansprüche 1 und 4 ein. Die Ansprüche 2 und 3 sind auf Anspruch 1, die Ansprüche 5 und 6 auf Anspruch 4 zurückbezogen. Sie sind identisch mit den früheren Ansprüchen 4, 5, 7 und 8. Daraufhin wurde die Ausscheidungsanmeldung mit Beschluß vom 9. Juli 1999 unter Hinweis auf den Bescheid vom 18. Dezember 1996 wegen fehlender Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nach Druckschrift (1) zurückgewiesen.

Mit der Beschwerde erstrebt die Anmelderin die Zurückverweisung der Sache an das Patentamt auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1 und 2. Ferner rügt sie die Verletzung rechtlichen Gehörs, weil in der aktuellen Ausscheidungsanmeldung kein Prüfungsbescheid ergangen sei, auf den sie hätte reagieren können. Sie ist der Ansicht, es habe keine umfassende Prüfung stattgefunden; auf eine solche habe sie aber Anspruch, nachdem sie auch für die Ausscheidungsanmeldung die Prüfungsgebühr entrichtet habe. Damit sei ihr die Möglichkeit verwehrt worden, gegebenenfalls zu Beanstandungen Stellung zu nehmen. In dem Bescheid betreffend die Stammanmeldung sei außerdem nur auf die nebengeordneten Ansprüche Ansprüche 3 und 3, nicht aber auf sämtliche Patentansprüche, die für die Ausscheidungsanmeldung von Bedeutung seien, eingegangen worden. Unter Hinweis auf die Entscheidung nach BPatGE 30, 32 regt die Beschwerdeführerin an, die Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen zurückzuzahlen.

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Verfahren auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Patentansprüche zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Patentamt zurückzuverweisen.

Der Anspruch 1 lautet:

"1. AOW-Filter, bestehend aus einer oder mindestens zwei in Serie geschalteten Filterfunktionseinheiten, von denen jede aus einem ersten AOW-Resonator (152, 153, 154), dessen Ein- und Ausgangsanschluß in Serie mit einer Signalleitung geschaltet sind, und einem zweiten AOW-Resonator (138, 139, 140), von dessen Ein- und Ausgangsanschluß der eine mit der Signalleitung verbunden und der andere geerdet ist, besteht, wobei der erste AOW-Resonator (152, 153, 154) zwei oder mehr in Serie geschaltete Interdigitalwandler (108, 109; 110, 111; 112, 113) aufweist, denen zwei Reflektoren (120, 121; 122, 123; 124, 125) gemeinsam zugeordnet sind."

Der nebengeordnete Anspruch 2 lautet:

"2. AOW-Filter, bestehend aus einer oder mindestens zwei in Serie geschalteten Filterfunktionseinheiten, jede bestehend aus einem ersten AOW-Resonator (185, 186, 187), dessen Eingangs- und Ausgangsanschlüsse in Serie zu einer Signalleitung geschaltet sind, und einem zweiten AOW-Resonator (182, 183, 184), von dessen Eingangs- und Ausgangsanschlüssen der eine mit der Signalleitung verbunden und der andere geerdet ist, wobei der zweite AOW-Resonator (182, 183, 184) zwei oder mehr parallel geschaltete Interdigitalwandler (158, 159; 160, 161; 162, 163) aufweist, denen jeweils zwei Reflektoren (167, 168, 169; 170, 171, 172; 173, 174 175) zugeordnet sind, wobei jeweils ein Reflektor zwei Interdigitalwandlern gemeinsam zugeordnet ist."

II 1. Die Zurückverweisung der Sache an das Patentamt zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens erfolgt gemäß PatG § 79 Abs 3 Nr 3. Das Patentbegehren enthält eine eingeschränkte Fassung, zu der die Prüfungsstelle noch nicht im einzelnen inhaltlich Stellung genommen und ausweislich der Akte auch noch nicht recherchiert hat.

a) Die Ansprüche 1 und 2 sind zulässig. Sie beschränken die Gegenstände der ursprünglichen Ansprüche 3 und 6 auf die besondere Ausführung nach dem ursprünglichen Anspruch 5 (Fig 8, 9) bzw dem ursprünglichen Anspruch 8 (Fig 10, 12).

b) Die neu in die Ansprüche aufgenommenen Merkmale sind für die Beurteilung der Patentfähigkeit entscheidungserheblich. Wie der Prüfer zu Recht ausgeführt hat, sind die Gegenstände der ursprünglichen Ansprüche 3 und 6 aus (1) bekannt bzw. durch (1) nahegelegt ((1) S 6 Z 24 bis 30, Z 49 bis 52).

2. Der gerügte Verfahrensfehler liegt nicht vor. Das rechtliche Gehör ist gewährt worden. Eines vollständigen neuen Prüfungsverfahrens bedurfte es zu der Ausscheidungsanmeldung nicht. Auch war keinerlei Veranlassung gegeben, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

Mit der einverständlichen Ausscheidung ist eine Ausscheidungsanmeldung entstanden, die in der Verfahrenslage weitergeführt wird, in der sich zum Zeitpunkt der Ausscheidung die Stammanmeldung befand (BGH GRUR 1986, 877-879 - Kraftfahrzeuggetriebe, m.w.N.). Damit ist auch die im Stammverfahren bereits erfolgte Prüfung - soweit sie den Gegenstand der Ausscheidungsanmeldung betraf - als Prüfung in dem abgetrennten Verfahren anzusehen; einen Anspruch auf eine vollständige neue Prüfung unter Wiederholung bereits durchgeführter Recherche oder Beurteilung auf Patentfähigkeit hat die Anmelderin nicht.

Der vorliegend im Stammverfahren ergangene Prüfungsbescheid ist auch im Hinblick auf die Ausscheidungsanmeldung beachtlich, denn er setzt sich - entsprechend § 44 Abs. 1 PatG, der die Prüfung des gesamten Gegenstands der Anmeldung voraussetzt - unter anderem auch mit dem Gegenstand der Ausscheidungsanmeldung gemäß den ursprünglichen Patentansprüchen 3 und 6 auseinander. Die Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Bescheid war gegeben, die Anmelderin hat sie jedoch nicht genutzt, sondern lediglich umnumerierte Patentansprüche und dieselbe Beschreibung und Zeichnung wie ursprünglich eingereicht. Soweit sie in der Eingabe vom 8. Juli 1997, in der sie die Ausscheidung erklärte, um Gelegenheit zur Beseitigung von noch bestehenden Mängeln bat, bezog sich das ersichtlich nur auf den Gegenstand der Stammanmeldung; zu dem hier in Rede stehenden Gegenstand wurde nicht Stellung genommen. Es bestand für die Prüfungsstelle mithin keine Veranlassung, angesichts des bereits im ursprünglichen Verfahren ausdücklich auch zum Gegenstand der Ausscheidungsanmeldung erlassenen Bescheids erneut rechtliches Gehör zu gewähren.

Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Entscheidung des Bundespatentgerichts vom 26. Juli 1988 - 4 W (pat) 66/87 (BPatGE 30,32) geht fehl; denn diese Entscheidung betraf einen anders gelagerten Sachverhalt, nämlich die Entscheidung der Prüfungsstelle, der Beschwerde abzuhelfen, mit der ein neuer Patentanspruch 1 vorgelegt wurde, in den kennzeichnende Merkmale der - bis dahin nicht geprüften - früheren Ansprüche 2 und 3 einbezogen worden waren. Ausschlagend für die Entscheidung des juristischen Beschwerdesenats, in diesem Fall die Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen anzuordnen, war der Umstand, daß in jenem Verfahren bereits vor Erlaß des Zurückweisungsbeschlusses der Prüfungsstelle geänderte Unterlagen vorgelegen hatten, die nach Ansicht des Anmelders den zuvor von der Prüfungsstelle gerügten Mangel fehlender erfinderischer Tätigkeit beseitigen sollten. Damit habe der Anmelder keine Veranlassung zu der Annahme gegeben, er werde auf dem von der Prüfungsstelle als nicht gewährbar erachteten Patentanspruch bestehen. Die Prüfungsstelle hätte demzufolge vor einer Zurückweisung der Anmeldung prüfen müssen, ob die weiteren Ansprüche Gegenstände enthielten, auf die sich der Anmelder gegebenenfalls hätte zurückziehen können.

Im vorliegenden Fall jedoch hat die Anmelderin die wegen fehlender Patentfähigkeit bemängelten Patentansprüche 3 und 6 inhaltlich unverändert gelassen und sie lediglich umnumeriert. Neue Patentansprüche hat sie erstmals im Lauf des Beschwerdeverfahrens mit Schriftsatz vom 17. Mai 2000 vorgelegt. Im übrigen hatte die Prüfungsstelle in ihrem Zurückweisungsbeschluß - wenn auch nur pauschal - festgehalten, der in die vorliegende Anmeldung abgetrennte Teil des ursprünglich Offenbarten umfasse keine patentfähige Erfindung.

Dr. Anders Obermayer Kalkoff Dr. van Raden Ju






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Az: 20 W (pat) 82/99


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