Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 17. März 2005
Aktenzeichen: 6 U 195/04
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 17.03.2005, Az.: 6 U 195/04)
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 30.06.2004 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Geräte der Unterhaltungselektronik und/oder EDV-Geräte und/oder Film- und Fotogeräte zu bewerben, wenn diese Geräte am Erscheinungstag der Werbung nicht zur sofortigen Mitnahme durch den Kunden bereitliegen, wenn dies geschieht wie in der als Anlage H&P 2 (Bl. 10-12 d.A.) vorgelegten Werbebeilage - Werbung für einen Camcorder (A) und einen Laptop (A) - sowie in der als Anlage H&P 3 (Bl. 13 d.A.) vorgelegten Werbebeilage - Werbung für einen Farbfernseher (B).
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 70.000,-- EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Die Parteien betreiben Einzelhandel mit Elektronik- und Elektrogeräten. Im Bundesland ... ist die Klägerin, deren Einzelhandelsmärkte die Bezeichnung €C€ tragen, lediglich mit einer Filiale in O1 vertreten. Eine Schwestergesellschaft der Klägerin, die D ... GmbH, bietet im Internet über einen Onlineshop unter der Bezeichnung € www.C.de € bundesweit ebenfalls Elektronik- und Elektrogeräte für Endverbraucher an. Die Klägerin hat behauptet, daß sie ihre Schwestergesellschaft mit solchen Waren beliefere.
Die Beklagte warb am 11.12.2003 in einer Werbebeilage (Anlage H&P 2/Bl. 10-12 d.A.) für einen Camcorder (A) zum Preis von 499,-- EUR und einen Laptop (A) zum Preis von 1.899,-- EUR sowie am 17.12.2003 in einer weiteren Werbebeilage (Anlage H&P 3/Bl. 13 d.A.) für einen Farbfernseher (B) zum Preis von 599,-- EUR. Die beworbenen Geräte waren jeweils am Erscheinungstag der Werbung in der Filiale der Beklagten in O2 nicht zur sofortigen Mitnahme vorrätig.
Die Klägerin hat die Werbung der Beklagten als irreführend beanstandet. Sie hat ausweislich der gerichtlichen Niederschrift vom 30.06.2004 in erster Instanz beantragt:
1. Der Beklagten wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollstrecken ist, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Geräte der Unterhaltungselektronik und/oder EDV-Geräte und/oder Film- und Fotogeräte zu bewerben, insbesondere wenn dies geschieht wie auf den Anlagen H&P 2 und 3, sofern diese Geräte am Erscheinungstag der Werbung nicht zur sofortigen Mitnahme durch den Kunden bereitliegen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft über die Art und den Umfang der unter Ziffer 1. beschriebenen Handlungen zu erteilen, und zwar unter Angabe der Art der Werbematerialien, ihrer Stückzahl und des Zeitraums ihrer Verbreitung.
3. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den unter Ziffer 1. beschriebenen Handlungen bisher entstanden ist oder noch entstehen wird.
Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil (Bl 65 ff. d.A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Klageantrag sei - trotz einer Einschränkung auf eine den Anlagen H&P 2 und 3 vergleichbaren Werbung - zu weit gefaßt. Der Antrag lasse nämlich besondere Umstände unberücksichtigt, die dazu führen könnten, daß die Ware aus Gründen höherer Gewalt oder sonst ohne Verschulden der Beklagten nicht zum Verkauf gestellt werden könne. Aus dem zu weit gefaßten Antrag könne hier auch kein begründeter Unterlassungsanspruch als Minus abgespalten werden. Im Übrigen seien der Auskunftsantrag und der Feststellungsantrag auch deshalb unbegründet, weil die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nicht dargetan sei.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie meint, das Landgericht habe bei der Bewertung des Unterlassungsantrags gegen die Kernbereichstheorie verstoßen, deren Anwendung im Übrigen auch für den Umfang der Annexansprüche maßgebend sei. Außerdem habe das Landgericht verkannt, daß in einem Unterlassungsantrag nicht jede Ausnahmekonstellation berücksichtigt werden müsse. Schließlich ist die Klägerin der Ansicht, das Landgericht hätte dem Klageantrag zumindest ein auf die konkrete Verletzungsform bezogenes Verbot als Minus entnehmen müssen.
Die Klägerin behauptet weiterhin, daß sie zu der D ... GmbH eine ständige Lieferbeziehung unterhalte. Die D ... GmbH beziehe von der Klägerin in erheblichem Umfang Waren aus sämtlichen Warengruppen, die sie über ihren Onlineshop an Endverbraucher absetze. Die Waren, die die D ... GmbH von der Klägerin kaufe, würden aus dem Zentrallager der Klägerin in O3, über dessen Bestückung unstreitig allein die Klägerin entscheidet, zu dem Lager der D ... GmbH in O4 oder teilweise auch direkt an den Endkunden geliefert. Die Klägerin stelle der D ... GmbH monatliche Rechnungen mit Mehrwertsteuerausweis. Dabei rechne sie zu einem durchschnittlichen Einkaufspreis ab, der den Mittelwert der Einkaufspreise einer gewissen Zeitspanne darstelle. Da die Klägerin selbst zum aktuellsten und niedrigsten Einkaufspreis einkaufe und fallende Preise im Bereich des Elektroeinzelhandels die Regel seien, ergebe sich aus dieser Handhabung ein wirtschaftlicher Gewinn der Klägerin. Auf einen Veräußerungsgewinn komme es allerdings, so meint die Klägerin, ohnehin nicht an.
Zur Unterstützung ihres Vorbringens hat die Klägerin diverse Abrechnungen, Einzelaufstellungen und Lieferscheine vorgelegt, deren Echtheit die Beklagte bestreitet.
Mit der Berufungsbegründung hat die Klägerin zunächst folgende Anträge angekündigt:
1. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Geräte der Unterhaltungselektronik und/oder EDV-Geräte und/oder Film- und Fotogeräte zu bewerben, wenn diese Geräte am Erscheinungstag der Werbung nicht zur sofortigen Mitnahme durch den Kunden bereitliegen.
2. Die Beklagte hat Auskunft über die Art und den Umfang der unter Ziffer 1. beschriebenen Handlungen zu erteilen, und zwar unter Angabe der Art der Werbematerialien, ihrer Stückzahl und des Zeitraums ihrer Verbreitung.
3. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den unter Ziffer 1. beschriebenen Handlungen bisher entstanden ist oder noch entstehen wird.
Zum Unterlassungsantrag hat die Klägerin sodann drei abgestufte Hilfsanträge angekündigt. Wegen des Inhalt und der Formulierung dieser Anträge wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 13.12.2004 (Bl. 233 ff. d.A.) Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin zum Unterlassungsbegehren lediglich den dritten Hilfsantrag gestellt. Die Beklagte hat der darin liegenden teilweisen Klagerücknahme zugestimmt.
Die Klägerin beantragt:
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und
1. der Beklagten wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollstrecken ist, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Geräte der Unterhaltungselektronik und/oder EDV-Geräte und/oder Film- und Fotogeräte zu bewerben, wenn diese Geräte am Erscheinungstag der Werbung nicht zur sofortigen Mitnahme durch den Kunden bereitliegen, wenn dies geschieht wie in der als Anlage H&P 2 sowie H&P 3 vorgelegten Werbebeilage;
2. die Beklagte hat Auskunft über die Art und den Umfang der unter Ziffer 1. beschriebenen Handlungen zu erteilen, und zwar unter Angabe der Art der Werbematerialien, ihrer Stückzahl und des Zeitraums ihrer Verbreitung;
3. es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den unter Ziffer 1. beschriebenen Handlungen bisher entstanden ist oder noch entstehen wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt im Ergebnis das angefochtene Urteil. Außerdem stellt sie das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses in Abrede. Sie bestreitet eine kaufvertragliche Lieferbeziehung zwischen der Klägerin und der D ... GmbH und meint, es fehle auch auf der Grundlage des tatsächlichen Vortrags der Klägerin an einem Vertrieb der Klägerin über ihre Schwestergesellschaft. Ein kostenneutrales Weiterreichen von Ware, eine Belieferung im Sinne eines bloßen Warentransports, genüge nicht. Soweit die Klägerin der Schwestergesellschaft Rechnungen stelle, handele es sich nur um eine organisationsinterne Verrechnung aus buchhalterischen oder rechnungstechnischen Gründen. Es liege zwar nahe, daß die beiden Schwestergesellschaften beim Wareneinkauf zusammenarbeiteten und ihren Einkauf bündelten. Daraus und aus konzerninternen Warenverschiebungen der Klägerin an die D ... GmbH ergebe sich aber kein Geschehensablauf, der als Vertrieb bezeichnet werden könne. Vielmehr nutze die D ... GmbH die Klägerin €als Lager€.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat gemäß dem Beschluß vom 20.01.2005 (Bl. 402 d.A.) in Verbindung mit dem terminsvorbereitenden Beschluß vom 10.12.2004 (Bl. 229 d.A.) Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Z1, des Geschäftsführers der D ... GmbH. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die gerichtliche Niederschrift vom 20.01.2005 (Bl. 403 ff. d.A.) verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.
Der Unterlassungsantrag ist in der zuletzt gestellten Form hinreichend bestimmt und geht auch nicht zu weit. Soweit die Entscheidungsformel gegenüber dem gestellten Antrag zusätzliche Angaben enthält, dient dies lediglich der Verdeutlichung und beinhaltet keine inhaltlichen Einschränkungen.
Maßgebend für eine ausreichende Konkretisierung des Unterlassungsantrags ist hier die Einbeziehung der angegriffenen Werbung in den Antrag (vgl. zu dieser notwendigen Konkretisierung in Fällen der Irreführung über den Warenvorrat: BGH, GRUR 2004, 70, 71 - Preisbrecher). Hingegen müssen in einem derartigen Unterlassungsantrag nicht ausdrücklich die Fallgestaltungen ausgenommen werden, in denen ein Vorratsmangel auf höherer Gewalt beruht oder von dem Werbenden jedenfalls nicht verschuldet wurde. Denn abgesehen davon, daß die Verhängung einer Ordnungsstrafe gemäß § 890 ZPO ohnehin stets einen schuldhaften Verstoß des Unterlassungsschuldners voraussetzt, sind einschränkende Zusätze in einem Unterlassungsantrag im Allgemeinen entbehrlich (vgl. Baumbach/Hefermehl - Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Auflage, § 12 Rdnr. 2.45). Auch die Bezeichnung der einzelnen Warengruppen ist im vorliegenden Fall hinreichend konkret (vgl. zu €Geräte der Unterhaltungselektronik€ nur BGH, WRP 2004, 606 - Fortfall einer Herstellerpreisempfehlung; zu €EDV-Geräte€ BGH, WRP 1996, 899, 902 - EDV-Geräte; zu €Film- und Fotogeräte€ Urteil des Senats vom 12.08.2004 - 6 U 70/04).
Die Klägerin war nicht aus prozessualen Gründen daran gehindert, ihren ursprünglich zu weiten Unterlassungsantrag im Berufungsverfahren einzuschränken. Eine teilweise Verurteilung der Beklagten unter Beschränkung auf die konkrete Verletzungsform wäre bereits in erster Instanz ohne weiteres möglich und geboten gewesen, zumal die Klägerin die konkrete Verletzungsform in ihrem Klageantrag in einem €insbesondere€ - Zusatz aufgegriffen hatte (vgl. BGH, WRP 2004, 227, 230 - Farbmarkenverletzung I; WRP 2004, 232, 234 f. - Farbmarkenverletzung II). Besondere Umstände, die bei einem zu weit gefaßten Unterlassungsantrag eine auf eine konkrete Werbemaßnahme beschränkte Teilverurteilung ausnahmsweise ausschließen, können etwa dann vorliegen, wenn sich die konkrete Verletzungsform aus dem Klagevorbringen angesichts einer Vielzahl nur beispielhaft vorgetragener Verletzungsfälle nicht zuverlässig entnehmen läßt (vgl. BGH, WRP 1999, 421, 424 - Vorratslücken). Derartige Umstände waren im hier vorliegenden Fall aber nicht gegeben.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 5 Abs. 1 und 5, 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 UWG zu. Die Beklagte hat, wie zwischen den Parteien außer Streit steht, in den von der Klägerin beanstandeten Fällen irreführend für Waren geworben, die sie entgegen der durch die Werbung hervorgerufenen Verkehrserwartung in ihrem Geschäftslokal in O2 nicht vorrätig hielt. Damit hat sie nach dem damals noch geltenden Recht gegen § 3 UWG (a.F.) verstoßen. Ein solcher Verstoß ist geeignet, den Wettbewerb gemäß § 3 UWG (n.F.) nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen.
Die Klägerin ist als Mitbewerberin aktivlegitimiert, da die Parteien in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis miteinander stehen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG).
Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist dann gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren innerhalb desselben Abnehmerkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, daß das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (vgl. BGH, WRP 2002, 1050, 1051 f. - Vanity-Nummer; Baumbach/Hefermehl - Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Auflage, § 2 Rdnr. 59). Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Beteiligten auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen tätig sind, sofern sie sich nur im Ergebnis an den gleichen Abnehmerkreis wenden (vgl. Baumbach/Hefermehl - Köhler, a.a.O., § 2 Rdnr. 68 m.w.N.). Es genügt, daß sich die eine Partei in ihrem Absatz über Zwischenhändler mittelbar an einen Kundenkreis wendet, den auch die andere Partei anspricht.
Danach sind die Voraussetzungen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses im vorliegenden Fall erfüllt.
Nach der Aussage des Zeugen Z1 bezieht die D ... GmbH den weit überwiegenden Teil der Waren, die sie über die C.de-Webseite bundesweit an Endabnehmer verkauft, von der Klägerin. Diese Waren werden von der Klägerin entweder in das Lager der D ... GmbH oder direkt an den Endkunden geliefert. Die Klägerin stellt hierfür monatliche Sammelrechnungen, die die D ... GmbH bezahlt. An der Richtigkeit dieser Angaben des Zeugen Z1 bestehen keine vernünftigen Zweifel. Die Angaben des Zeugen sind glaubhaft.
Danach steht zur Überzeugung des Senats fest, daß die Klägerin an die D ... GmbH gegen Entgelt Waren liefert, die diese an Endabnehmer absetzt, die auch zu dem Kundenkreis der Beklagten gehören können. Nicht festgestellt werden kann allerdings, daß die Klägerin durch die Belieferung der D ... GmbH Gewinne erzielt. Nach der Darstellung des Zeugen Z1 erwirbt die D ... GmbH die Waren bei der Klägerin zu einem €durchschnittlichen Einkaufspreis€, der sich aus den Einkaufspreisen der Klägerin in der Vergangenheit errechnet und der in der Regel etwas höher liegt als der gerade aktuelle Einkaufspreis der Klägerin. Weiterführende Angaben hat der Zeuge hierzu allerdings nicht machen können. Danach bleibt offen, ob für die Klägerin tatsächlich ein wirtschaftlich relevanter Gewinn abfällt, zumal diese Frage auch zu der Zeitspanne in Beziehung steht, die im Einzelfall zwischen dem Einkauf durch die Klägerin und dem Weiterverkauf an die D ... GmbH verstreicht. Die Annahme, daß die Klägerin nur Waren an die D ... GmbH weitergebe, die sie auf deren Geheiß unmittelbar zuvor bestellt habe, findet in dem eigenen Vortrag der Klägerin keine Stütze, da die Bestückung des Zentrallagers und die Warenbestellungen bei den Herstellern in die alleinige Kompetenz der Klägerin fallen. Ein plausibler Grund für die Berechnung nach durchschnittlichen Einkaufspreisen kann in dem Bestreben liegen, die Abrechnung zu vereinfachen und einzelfallbezogene Zuordnungsschwierigkeiten, die zu einem unvertretbaren Aufwand führen können, zu meiden. Daß die (weitere) Funktion dieser Verfahrensweise darin bestehe, der Klägerin einen Veräußerungsgewinn zukommen zu lassen, hat die Klägerin nicht stichhaltig vermitteln können.
Der Erzielung eines Veräußerungsgewinns durch den Absatz, in dem der Anspruchsteller durch die beanstandete Wettbewerbshandlung behindert oder gestört werden kann, ist indessen auch keine notwendige Voraussetzung für die Annahme eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses. Allerdings kann für den Normalfall unterstellt werden, daß ein Warenlieferant mit seinem Absatz marktbezogene Zwecke verfolgt, die in seinem eigenen wirtschaftlichen Interesse liegen. Eine von diesem Normalfall abweichende besondere Konstellation kommt in Betracht, wenn die Lieferbeziehung zwischen Unternehmen besteht, die demselben Konzern angehören. Ist in einem solchen Fall der Großhändler (Lieferant) für den Warenabsatz gleichsam nur eine Durchlaufstelle, weil er die Waren an den Einzelhändler kostenneutral durchreicht, und ist es deshalb für sein eigenes wirtschaftliches Ergebnis irrelevant, in welchem Umfang er Waren an den Einzelhändler abgibt, so kann ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zu den Wettbewerbern des Einzelhändlers zu verneinen sein.
Im vorliegenden Fall ist jedoch ein ausreichendes eigenes wirtschaftliches Interesse der Klägerin an dem Absatz der in ihrem Zentrallager befindlichen Waren an die D ... GmbH zu bejahen. Dieses Interesse ergibt sich nicht nur aus der konzernmäßigen Verbundenheit mit der D ... GmbH, die für sich genommen wohl nicht genügen würde. Die Belieferung der D ... GmbH bringt für die Klägerin eine Verbreiterung ihres Umsatzes im Bereich der von ihr auch anderweitig vertriebenen Elektro- und Elektronikwaren mit sich. Daraus resultiert für die Klägerin zum einen der Vorteil eines höheren Einkaufsvolumens und die damit einhergehende Stärkung ihrer Marktposition gegenüber den Herstellern und ihren sonstigen Bezugsquellen sowie zum anderen auch ein verbesserter Warenabfluß, da die Verbreiterung der Absatzmöglichkeiten das Risiko vermindert, Produkte nicht oder nicht in einer angesichts der fortschreitenden technischen Entwicklung angemessen kurzen Zeit weiterverkaufen zu können. Die von der Beklagten vorgenommene Einstufung der Klägerin als €Lager€ der D ... GmbH ist demgegenüber nicht gerechtfertigt, da allein die Klägerin über die Bestückung des Zentrallagers und den diesbezüglichen Wareneinkauf entscheidet. Damit trägt die Klägerin das Risiko, daß in das Zentrallager genommene Waren nicht abgesetzt werden, wobei dieser - für die Klägerin wirtschaftlich relevante - Warenabsatz auch über die D ... GmbH erfolgen kann.
Dieser Einschätzung steht die von der Beklagten erwähnte Entscheidung des BGH €Colle de Cologne€ (GRUR 1969, 479) nicht entgegen. In der genannten Entscheidung hat der BGH ausgesprochen, daß die Einkaufsgesellschaft eines Konzerns die von ihr an Konzerngesellschaften gelieferten Waren nicht in den Verkehr bringe, wenn sie ausschließlich Mitglieder des Konzerns beliefere, ohne in Wettbewerb mit außenstehenden Firmen zu treten. Der Fall betraf jedoch eine Einkaufsgesellschaft, die konzernangehörige Firmen mit Waren für deren eigenen Bedarf belieferte, nicht aber mit Waren, die zur Weiterveräußerung bestimmt waren. Dementsprechend hat der BGH deutlich gemacht, daß es nicht im Belieben eines Konzerns stehen könne, sich durch Konzentration und die rechtliche Verselbständigung seiner Einkaufsabteilungen die Klagebefugnis des § 13 Abs. 1 UWG (a.F.) für alle Warenarten zu verschaffen, die er auf dem Markt einkauft, obwohl nach dem Sinn und Zweck der genannten Vorschrift diese Befugnis nur Verkäufern als wirklichen oder potentiellen Wettbewerbern eingeräumt werden solle (BGH, GRUR 1969, 479, 480). Im vorliegenden Fall liegen die Dinge anders. Hier geht es um Waren, die die Klägerin im Ergebnis über die D ... GmbH an Endverbraucher absetzt.
Nicht begründet sind der Auskunftsanspruch der Klägerin und ihr Schadensersatzfeststellungsbegehren. Für die Feststellung einer Schadensersatzpflicht, die sich ohnehin nur auf die konkret beanstandeten Werbemaßnahmen beziehen könnte (vgl. BGH, WRP 2003, 509, 511 - Preisempfehlung für Sondermodelle; WRP 2004, 606 ff. - Fortfall einer Herstellerpreisempfehlung), fehlt es vorliegend an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit eines Schadens. Zwar sind insoweit keine hohen Anforderungen zu stellen; es genügt, daß nach der Lebenserfahrung der Eintritt des Schadens in Zukunft mit einiger Sicherheit zu erwarten ist. Dies entbindet die klagende Partei aber nicht von jeder Darlegung zu den möglichen Auswirkungen der beanstandeten Werbeaktionen (vgl. BGH, WRP 2000, 1402, 1404 - Falsche Herstellerpreisempfehlung).
Wenn in hervorgehobener Form irreführend für eine Ware geworben wurde, die tatsächlich nicht vorrätig ist, wird die erforderliche Schadenswahrscheinlichkeit in der Regel zu bejahen sein. Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht aber darin, daß die über die D ... GmbH mittelbar betroffene Klägerin aus der Belieferung ihrer Schwestergesellschaft zwar wirtschaftliche Vorteile allgemeiner Art, nicht aber einen nachvollziehbar auf Einzelgeschäfte beziehbaren Gewinn erzielt. Angesichts dessen erscheint hier ein kalkulierbarer Schaden der Klägerin von vornherein so fernliegend, daß die Feststellung des Wettbewerbsverstoßes und des konkreten Wettbewerbsverhältnisses eine hinreichende Schadenswahrscheinlichkeit nicht nach sich zieht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Bereits der Umstand, daß die Klägerin zunächst einen deutlich zu weit gefaßten Klageantrag gestellt hat, um durch eine weitgehende Verallgemeinerung ein weitreichendes Verbot zu erlangen, rechtfertigt im vorliegenden Fall eine Kostenbelastung in der Größenordnung von einem Drittel. Da der Auskunfts- und der Schadensersatzfeststellungsantrag in vollem Umfang abzuweisen war, erscheint es im Ergebnis angemessen, die Kosten gegeneinander aufzuheben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Entscheidung des Senats weicht, wie dargelegt, nicht von der Rechtsprechung des BGH ab. Im übrigen ist eine grundsätzliche Bedeutung der hier zum Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses aufgeworfenen Rechtsfragen auch deshalb zu verneinen, weil sich diese Problematik nur unter der besonderen Voraussetzung ergeben kann, daß eine nur mittelbare betroffene Konzerngesellschaft gegen einen Wettbewerbsverstoß vorgeht, ohne hierbei (zugleich) in Prozeßstandschaft der unmittelbar betroffenen Konzernschwester zu handeln.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 17.03.2005
Az: 6 U 195/04
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