Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. April 2005
Aktenzeichen: 8 W (pat) 311/02

(BPatG: Beschluss v. 21.04.2005, Az.: 8 W (pat) 311/02)

Tenor

Das Patent 199 17 171 wird widerrufen.

Gründe

I.

Das Patent 199 17 171 mit der Bezeichnung "Antrieb für die Drescheinrichtung eines Mähdreschers" wurde am 16. April 1999 beim Patentamt angemeldet. Mit Beschluss vom 7. November 2001 wurde hierauf das Patent erteilt und am 28. März 2002 dessen Erteilung veröffentlicht.

Gegen das Patent hat die Firma D... & Company, M..., I..., (...)

am 15. Juni 2002 Einspruch erhoben.

Die Einsprechende trägt vor, dass der Gegenstand des Patents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und stützt ihr Vorbringen u.a. auf den Sammelprospekt der Firma CLAAS; "Innovation für die Praxis"; Seite 14 - 16; Druckvermerk "11/98 (Be) 100/1117" (D2).

Die Patentinhaberin widerspricht dem Vorbringen der Einsprechenden. Sie hat in der mündlichen Verhandlung einen neuen Anspruchssatz (Ansprüche 1 bis 4) vorgelegt, auf dessen Grundlage sie das Streitpatent weiter verteidigt.

Der geltende Anspruch 1 lautet:

"Antrieb für die Drescheinrichtung eines Mähdreschers, wobei die Drescheinrichtung als ein im Tangentialfluss arbeitendes Multi-Trommel-Dreschsystem, bestehend aus einer einzigen in Flußrichtung des Dreschgutes gesehen vorn angeordneten Dreschtrommel (1; 5) und mindestens drei nachfolgenden Förder- bzw. Abscheide- und Trenntrommeln ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass alle Trommeln (5) miteinander in konstanten Übersetzungsverhältnissen in antriebsmäßiger Verbindung stehen, wobei die jeweils benachbarten Trommeln (5) miteinander in antriebsmäßiger Verbindung stehen, und dass der Antrieb der Trommeln über einen drehzahlveränderlichen Antriebsmechanismus (11) erfolgt, der mit der Dreschtrommel (1; 5) in antriebsmäßiger Verbindung steht."

Zu den auf diesen Anspruch rückbezogenen Unteransprüchen 2 bis 4 wird auf die Akten verwiesen.

Die Patentinhaberin trägt hierzu vor, dass der Stand der Technik nach dem Claas Sammelprospekt (D2) von der Lehre nach dem geltenden Patentanspruch 1 wegführe, denn dort werde - anders als beim Patentgegenstand - eine Dreschtrommel gezeigt, von der sich jeweils ein Antrieb für die dieser vor- bzw. nachgelagerte Trommel ableite.

Die patentgemäße Lehre nach Anspruch 1 indes beziehe sich auf eine Reihenschaltung von Antrieben derart, dass von der Dreschtrommel die unmittelbar auf diese folgende Trommel angetrieben werde und von dieser, wiederum der Antrieb für die nächstfolgende Trommel abgeleitet werde. Somit entstehe ein in axialer Richtung bauraumreduzierter, platzsparender Antrieb, der durch den entgegengehaltenen Stand der Technik nach Auffassung der Patentinhaberin weder vorweggenommen noch nahegelegt sei.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen:

Patentansprüche 1 bis 4 Beschreibung und Zeichnungen wie Patentschrift aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende erwidert hierzu, dass auch der geltende Anspruch 1 nach ihrer Auffassung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, denn dessen Lehre sei einem Fachmann durch die Zusammenschau des Standes der Technik nach dem schon im Prüfungsverfahren u.a. berücksichtigten Prospekt "NEW HOLLAND TX MÄHDRESCHER MODELLE TX62, TX65,TX66 und TX68" (Druckvermerk: 50122/D00 - Printed in Italy - 09/95) und der D2 (Claas-Prospekt) bereits nahegelegt. Bei dem Gegenstand nach D2 stehe dabei nach Auffassung der Einsprechenden nicht die Funktion und Wirkungsweise des dort offenbarten Claas-Dreschwerks im Vordergrund der Betrachtung, sondern das dort offenbarte Antriebskonzept.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

II.

1. Die Voraussetzungen des § 147 Abs. 3 Nr. 1 PatG für eine patentgerichtliche Entscheidung sind erfüllt. Die Einspruchsfrist hat nach dem 1. Januar 2002 begonnen und der Einspruch ist vor dem 1. Januar 2005 eingelegt worden.

2. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 4 beruhen auf den ursprünglichen und erteilten Ansprüchen und Beschreibungsunterlagen, so dass sie geeignet sind, das Streitpatent in zulässiger Weise zu beschränken.

3. Der geltende Patentanspruch 1 beschreibt einen zweifellos gewerblich anwendbaren Gegenstand, welcher gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik auch die erforderliche Neuheit aufweisen mag. Er beruht jedoch aus den nachfolgend dargelegten Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3.1 Gegenstand des Streitpatents ist nach dem geltenden Anspruch 1 ein Antrieb für die Drescheinrichtung eines Mähdreschers. Die Drescheinrichtung soll dabei durch ein im Tangentialfluß arbeitendes Multi-Trommel-Dreschsystem gebildet werden, welches aus einer einzigen in Flussrichtung des Dreschgutes gesehen vorn angeordneten Dreschtrommel und mindestens drei nachfolgenden Förder- bzw. Abscheide- und Trenntrommeln besteht.

Alle Trommeln sollen dabei miteinander in konstanten Übersetzungsverhältnissen in antriebsmäßiger Verbindung stehen, wobei die jeweils benachbarten Trommeln miteinander in antriebsmäßiger Verbindung stehen und wobei der Antrieb der Trommeln über einen drehzahlveränderlichen Antriebsmechanismus erfolgt, der mit der Dreschtrommel in antriebsmäßiger Verbindung steht.

Gemäß Sp 2, Z 60 bis Sp 3, Z 2 der Streitpatentschrift liegt einem derartigen Gegenstand die Aufgabe zugrunde, einen Antrieb für ein im Tangentialfluß arbeitendes Multi-Trommel-Dreschsystem zu schaffen, der über den gesamten Bereich der verschiedenen Umfangsgeschwindigkeiten der Trommeln einen optimalen Durchfluß des Dreschgutes durch die Drescheinrichtung garantiert, wo kein Arbeitszeitaufwand zum Verändern der Umfangsgeschwindigkeiten der Trommeln erforderlich ist, an dem Fehleinstellungen für die optimale Umfangsgeschwindigkeit zum Dreschen der verschiedensten Erntegutarten durch den Bediener ausgeschlossen sind und der kostengünstig in der Herstellung ist.

Das Merkmal, wonach die jeweils benachbarten Trommeln miteinander in antriebsmäßiger Verbindung stehen, ist dabei vor dem Hintergrund der Beschreibung Sp 4, Z 32 bis 36 und Fig. 3 nach Streitpatentschrift so zu verstehen, dass der Antrieb der in der Reihenfolge des Multi-Trommel-Dreschsystems an zweiter Stelle stehenden Trommel von der an erster Stelle stehenden Trommel (Dreschtrommel) und derjenige für die an dritter Stelle stehenden Trommel von der zweiten usw. abgeleitet wird.

3.2 Ein gattungsbildender Antrieb für die Drescheinrichtung eines Mähdreschers, bei dem die Drehscheinrichtung als ein im Tangentialfluss arbeitendes Multi-Trommel-Dreschsystem bestehend aus einer einzigen in Flussrichtung des Dreschgutes vorn angeordneten Dreschtrommel und mindestens drei nachfolgenden Förder-, Abscheide- und Trenntrommeln ausgebildet ist, ist beispielsweise aus dem Prospekt "NEW HOLLAND, TX-Mähdrescher" (vgl. Abb. unter "Hohe Dresch- und Abscheideleistung", dort zuerst Dreschtrommel, dann Wendetrommel, Zentrifugalabschneider und Quattrotrommel, alle an der Unterseite teilweise von korbartigen Strukturen umgeben) bekannt geworden.

Aus dem "NEW HOLLAND" - Prospekt ist hierzu aus S 22 (Tabellen) erkennbar, dass die Dreschtrommel einen Drehzahlbereich (z.B. 385 - 1140 U/min) und die (nach dieser angeordnete) Wendetrommel eine Drehzahl von "2/3 der Dreschtrommel - Drehzahl" aufweist, wobei für die Dreschtrommel eine "elektrisch gesteuerte Drehzahlregulierung von der Kabine aus", vorgesehen ist. Nach alledem ist für den Fachmann, einen Diplom-Ingenieur (FH) des allgemeinen Maschinenbaus mit mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion von Antriebskonzepten für Arbeitsorgane von Erntemaschinen, hieraus ersichtlich, dass die Dreschtrommel bei dem NEW HOLLAND - System über einen dreizahlveränderlichen Antriebsmechanismus hinsichtlich ihrer Drehzahl variiert werden kann. Die Dreschtrommel wiederum muss mit der Wendetrommel dabei in konstantem Übersetzungsverhältnis antriebsmäßig verbunden sein, denn die Wendetrommel läuft immer mit 2/3 der Dreschtrommeldrehzahl. Dies gilt allerdings nicht für die weiteren Trommeln (Zentrifigalabscheider, Quattrotrommel), denn diese haben nur zwei - offenbar unabhängig von der Dreschtrommeldrehzahl einstellbare - Drehzahlbereiche, nämlich z.B. 760 oder 400 U/min. Gleichwohl lehrt das NEW HOLLAND-Antriebssystem bereits die durch einen drehzahlveränderlichen Antriebsmechanismus angetriebene Dreschtrommel mit einer weiteren auf die Dreschtrommel folgende Trommel (hier Wendetrommel) einerseits in konstantem Übersetzungsverhältnis antriebsmäßig zu verbinden und folglich andererseits diese beiden benachbarten Trommeln in antriebsmäßige Verbindung zu bringen.

Eine Fortführung dieses Entwicklungsgedankens findet sich im Sammelprospekt "CLAAS Innovationen für die Praxis" (D2) in dem unter der Überschrift "Die Klasse mit neuen Werten" ein Multi-Trommel-Dreschsystem vorgestellt wird, welches in Gut-Fließrichtung aus Beschleuniger-, Dresch- und Fördertrommel besteht, wobei alle diese Trommeln mit korbartigen Strukturen an ihrer Unterseite in Wirkzusammenhang stehen. Auf S 16, rechts unten in diesem Prospekt ist der Antrieb für dieses Multi-Trommel-Dreschsystem dargestellt. Demnach wird die Antriebsleistung vom Motor (i.d. Darstellung oben) über einen Riementrieb und eine Zwischenwelle zum Seitenwechsel auf den sog. "Trommelvariator", also einen (einzigen) drehzahlveränderlichen Antriebsmechanismus, übertragen (i.d. Darstellung links.). Von diesem aus führt ein Riemenantrieb mit konstantem Übersetzungsverhältnis zu einer Riemenscheibe der Dreschtrommelwelle. Von einer weiteren Riemenscheibe der Dreschtrommelwelle links führt ein Riementrieb zur vorgelagerten Beschleunigertrommel, während eine auf der gegenüberliegenden Seite der Dreschtrommelwelle vorgesehene Riemenscheibe den Antrieb für einen Riementrieb zur Förder-(Verteil-)trommel bildet. Alle diese Riementriebe gewährleisten einerseits konstante Übersetzungsverhältnisse zwischen den drei einzelnen Trommeln dieses Dreschsystems, so dass die Übertragung eines derartigen Antriebskonzeptes auf ein Multi-Trommel-Dreschsystem nach dem NEW HOLLAND-Prospekt zwangsläufig zur antriebsmäßigen Koppelung aller Trommeln im Dreschsystem führen muss und zwar mit konstanten Übersetzungsverhältnissen.

Ferner ist für den o.g. Fachmann aus dem Antriebskonzept nach dem Claas-Prospekt (S 16 rechts) ohne weiteres ersichtlich, dass die vom Motor abgegriffene Antriebsleistung - wie auch beim Patentgegenstand - zunächst an einem drehzahlveränderlichen Antriebsmechanismus (Variator) und von dort aus an die Dreschtrommel weitergeleitet wird. Die der Dreschtrommel jeweils benachbarten Trommeln, dies ist hier die der Dreschtrommel (bezogen auf den Erntegutfluß) vorgelagerte Beschleunigertrommel und die der Dreschtrommel nachgelagerte Fördertrommel, sind dabei jeweils miteinander in antriebsmäßiger Verbindung angeordnet und zwar jeweils ausgehend von der Dreschtrommel.

Eine Übertragung dieses Antriebskonzeptes auf eine Drescheinrichtung nach dem NEW HOLLAND-Prospekt hat demnach zur Folge, dass die Antriebsleistung des Motors über einen drehzahlveränderlichen Antriebsmechanismus (ein solcher liegt bei dem NEW HOLLAND-Konzept ohnehin bereits vor) zunächst auf die Dreschtrommel übertragen wird, welche dort (NEW-HOLLAND-System) am Anfang des Dreschsystems steht. Von dort aus wird die Antriebskraft auf die nächstfolgende Trommel übertragen, wie dies das Claas-Antriebskonzept bereits lehrt. Für die in Gutflußrichtung betrachtet weiterhin folgenden Trommeln wären nun zwei weitere Wege der Antriebsübertragung denkbar. Der eine Weg wäre, ausgehend von der Dreschtrommel jeweils jede Trommel separat anzutreiben, d.h. jeweils eine Antriebseinrichtung zwischen Dreschtrommel und jeder der drei folgenden Trommeln zu errichten, was nach Auffassung der Patentinhaberin auch die Lehre des Claas-Antriebskonzeptes sei. Dies würde aber bedeuten, dass an der Dreschtrommel-Welle drei Antriebseinrichtungen vorzusehen wären, welche über zunehmend längere Wege bis zur letzten Trommel hin jeweils eigene Riementriebe - diese bedürften bei zunehmender erforderlicher Länge weiterer Mittel wie Umlenk- und Spannrollen - benötigen würden. Eine derartige Ausgestaltung würde zu langen und damit bauteilintensiven und kostspieligen Antriebsverbindungen führen, welche nach der im Streitpatent gestellten Aufgabe u.a. vermieden werden sollen.

Demgemäß besteht der zweite gangbare Weg zur Übertragung der Antriebsleistung lediglich noch darin, jeweils benachbarte Trommeln antriebsmäßig zu verbinden, wobei die Antriebsleistung von der Dreschtrommel auf die nächstfolgende Trommel und von dieser auf die weitere Trommel usw. übertragen wird. Dies führt zu relativ kurzen Keilriementrieben, welche zusätzlicher Mittel wie Spannrollen, Umlenkrollen usw. nicht mehr bedürfen und dadurch bauteil- und bauraumsparend sowie kostengünstig herzustellen sind. Dieser Zusammenhang ist dem o.g. Fachraum ohne weiteres geläufig, wobei die bauteilsparende und kostengünstige Herstellung bei Arbeitsmaschinen und Geräten eine allgemeine Aufgabenstellung für Konstrukteure darstellt. Somit gelangt der Fachmann angesichts derart allgemeiner fachüblicher Überlegungen zwangsläufig zu einem Gegenstand, wie er durch den geltenden Anspruch 1 beschrieben ist. Das Antriebskonzept nach dem Claas-Prospekt lehrt dabei zumindest nichts Gegenteiliges, was den Fachmann von der o.g. Antriebsausgestaltung wegführen könnte, denn benachbarte Trommeln werden jeweils antriebsmäßig verbunden. Allerdings ist bei der Claas-Drescheinrichtung diejenige Trommel mit der höchsten Leistungsaufnahme, also die Dreschtrommel (ein Umstand der auch im Streitpatent als allgemein bekannt dargestellt wird (Sp 3, Z 26 bis 31)) erst an zweiter Stelle hinter einer sogenannten Beschleunigertrommel angeordnet. Nur deshalb wird auch die vorgelagerte Beschleunigertrommel, welche - anders als die Dreschtrommel - keine axial durchgehend verlaufenden Schlagleisten aufweist und daher eine geringe Leistungsaufnahme verzeichnet als die Dreschtrommel bei dem vorliegenden Dreschsystem ebenfalls von der (benachbarten, weil dicht nachfolgenden) Dreschtrommel angetrieben. Dieses Antriebskonzept, welches auf die hier vorliegende spezielle Abfolge der Trommeln des Claas-Multi-Trommel-Dreschsystems abgestimmt ist, vermag daher einen Fachmann nicht von seinen weiteren fachüblichen Überlegungen hinsichtlich der einfachen Fortführung der Antriebsleistung von der Dreschtrommel (Trommel mit der höchsten Leistungsaufnahme) auf mehrere nachfolgende Trommeln bezüglich einer Antriebsausgestaltung durch antriebsmäßige Verbindung benachbarter Trommeln abzuhalten.

Nach alledem ist die Lehre nach Patentanspruch 1 das Ergebnis fachüblicher Erwägungen vor dem Hintergrund des einschlägigen Standes der Technik. Patentanspruch 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4. Die auf Patentanspruch 1 rückbezogenen geltenden Ansprüche 2 bis 4, deren Merkmale ebenfalls durch den einschlägigen Stand der Technik iVm dem allgemeinen Fachwissen des Durchschnittsfachmanns nahegelegt sind und für die eine eigenständige erfinderische Bedeutung nicht geltend gemacht worden war, haben nach Wegfall des tragenden Hautpanspruchs keinen Bestand.

Kowalski Dr. Huber Pagenberg Hildebrandt Hu






BPatG:
Beschluss v. 21.04.2005
Az: 8 W (pat) 311/02


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