Verwaltungsgericht Arnsberg:
Urteil vom 27. Juli 2001
Aktenzeichen: 12 K 3337/00

(VG Arnsberg: Urteil v. 27.07.2001, Az.: 12 K 3337/00)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Klägerin ist die aus drei Mitgliedern bestehende Fraktion der Partei Bündnis 90/Die Grünen im Kreistag des Kreises T. -. , dem Beklagten. Am 22. Oktober 1999 fasste der Beklagte rückwirkend zum 1. Oktober 1999 einen - mit der vorliegenden Klage angegriffenen - Beschluss über die Neuregelung der Gewährung von Fraktionszuwendungen.

Nach dem bis zum 30. September 1999 geltenden Finanzierungssystem erhielten die damals bestehenden drei Fraktionen (SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen) einen jährlichen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Fraktionsgeschäftsführung, der sich an der Vergütung einer BAT VII- Angestellten orientierte und im Jahr 1999 57.166,77 DM betrug. Zusätzlich vergab der Beklagte einen Zuschuss für die Fortbildung der Fraktionsmitglieder in Höhe von 1090,90 DM je Fraktionsmitglied. Nach dieser Regelung erhielt die Klägerin bis zum 30. September 1999 - zu diesem Zeitpunkt gehörten ihr noch vier Mitglieder an - einen jährlichen Betrag in Höhe von 61.530,40 DM.

Im Anschluss an die Kommunalwahl im September 1999 bildeten sich in dem beklagten Kreistag fünf Fraktionen, auf die die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel durch den angegriffenen Beschluss wie folgt aufgeteilt werden: Die Fraktionen mit jeweils drei Mitgliedern - die Klägerin sowie die erstmals im beklagten Kreistag vertretenen Fraktionen von UWG und FDP - erhalten einen Zuschuss in Höhe von jeweils 34.333,- DM, die aus 27 Fraktionsmitgliedern bestehende Fraktion der CDU erhält einen Betrag in Höhe von 89.997,- DM und die aus 18 Mitgliedern bestehende Fraktion der SPD einen Betrag in Höhe von 79.998,- DM jährlich.

Dem angegriffenen Beschluss liegen am 16. September 1999 angefertigte Berechnungen (Bl. 137- 139 d. BA) zugrunde, zu deren Erstellung zunächst wie folgt zwischen einzelnen Ausgabearten unterschieden wurde:

(1) Grundbedarf für Büroräume, Büroausstattung und Literatur (2) Personalkosten und (3) sonstige Aufwendungen, z.B. Fortbildung der Fraktionsmit- glieder

Innerhalb der Ausgabearten (1) und (2) wurde sodann erneut differenziert nach "kleinen" und "großen" Fraktionen. Während der Grundbedarf (1) für "kleine" Fraktionen auf 11.000,- DM jährlich festgesetzt wurde, sollten "große" Fraktionen 15.000,- DM jährlich erhalten. Diese Beträge wurden wiederum im Wege einer gesonderten Berechnung erzielt (vgl. Bl. 139 d. BA), wobei z.B. die benötigte Bürofläche für "kleine" Fraktionen auf 30 qm und für "große" Fraktionen auf 50 qm festgesetzt und der Mietpreis pro qm einheitlich mit 10 DM veranschlagt wurde. Als Zuschuss für Personalkosten (2) wurde für die CDU- und die SPD- Fraktion auf Grundlage der Personalkosten für eine 2/3 bis Ganztagskraft ein Betrag in Höhe von 45.000,- DM jährlich und für die Fraktionen der FDP, der UWG und die Klägerin auf der Grundlage der Personalkosten für eine 1/3 bis Halbtagskraft ein Betrag in Höhe von 20.000,- DM jährlich in die Berechnung einbezogen. Darüber hinaus wurden Zuschüsse für sonstige Aufwendungen je Mitglied mit einem Betrag in Höhe von 1.111,- DM veranschlagt.

Die Klägerin hat mehrfach erfolglos Bedenken gegenüber dem neuen Finanzierungssystem geäußert, zuletzt in einem auf den 9. Juni 2000 anberaumten interfraktionellen Gespräch.

Am 18. August 2000 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung sie geltend macht: Der Beschluss des Beklagten vom 22. Oktober 1999 sei rechtswidrig. Der Beklagte habe das ihm bei der Entscheidung über die Gewährung von Fraktionszuwendungen eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt, da er den Sachverhalt nicht zutreffend ermittelt habe. Zu diesem Zweck habe der beklagte Kreistag den tatsächlichen Bedarf der einzelnen Fraktionen in der Vergangenheit erfragen müssen. Es genüge nicht, den Bedarf abstrakt zu ermitteln. Zudem seien die vom Beklagten zugrunde gelegten Werte widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Dies ergebe sich u.a. aus dem Vergleich zweier Aktenvermerke aus dem Jahre 1989. Hier seien z.B. im Hinblick auf die Miete zunächst 9,- DM pro qm und später 10,- DM pro qm angesetzt worden, ohne dass deutlich werde, worauf dieser Unterschied zurückzuführen sei. Es sei insbesondere nicht nachvollziehbar, weshalb der Grundbedarf und die Personalkosten für "kleine" und "große" Fraktionen in unterschiedlicher Höhe angesetzt worden seien, obwohl ein bestimmter Grundbedarf einheitlich gegeben sei. Darüber hinaus sei eine Bestimmung dessen, wann eine Fraktion als "klein" oder "groß" einzustufen sei, nicht erfolgt. Die Bedarfsanalyse sei außerdem keinem Kreistagsmitglied, das am 22. Oktober 1999 über das Finanzierungssystem zu entscheiden gehabt habe, bekannt gewesen. Der angesetzte Abschreibungszeitraum von 15 Jahren sei sachlich unrichtig.

Darüber hinaus verletze sie der angegriffene Beschluss in ihrem Recht auf Gleichbehandlung, da der hier anwendbare formalisierte Gleichheitssatz Differenzierungen nur gestatte, wenn ein zwingender Grund sie erfordere. Ein solcher sei vorliegend aber nicht dargelegt worden.

Der angegriffene Beschluss verletze außerdem den Grundsatz des Vertrauensschutzes, da die Neuregelung der Fraktionsfinanzierung rückwirkend beschlossen worden sei und die Klägerin auf eine Fortgeltung der bisherigen Regelung über Fraktionszuwendungen bis zum Ende des Haushaltsjahres habe vertrauen dürfen. Bei der Neuregelung hätten bestehende arbeitsvertragliche Verpflichtungen der Klägerin gegenüber ihren Angestellten beachtet werden müssen.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass der Beschluss des Beklagten vom 22. Oktober 1999 rechtswidrig ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt dazu vor: Eine Bedarfsermittlung sei durchgeführt worden. Eine solche erfordere nämlich nicht die Ermittlung und Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen der Fraktionen in der Vergangenheit. Vielmehr reiche es aus, wenn sich die Bedarfsanalyse an den wichtigsten und wesentlichsten Ausgabearten orientiere und diesen entsprechend der Größe der Fraktion einen bestimmten Betrag zuweise. Eine Differenzierung nach der Fraktionsstärke sei sachgerecht, da die Höhe des Bedarfs von ihr abhängig sei. Die Erhöhung des Abschreibungszeitraumes von 10 auf 15 Jahre sei zulässig, da insoweit ein einheitlicher Maßstab angelegt worden sei. Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da sie über den Ablauf der Sitzungsperiode hinaus nicht auf den Fortbestand der bisherigen Regelung habe vertrauen dürfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Sie ist zwar als kommunalverfassungsrechtliche Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Durch die Beschlussfassung hat sich ein festzustellendes Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten hinreichend konkretisiert. Auch hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, da der Beschluss unmittelbar ihre finanzielle Ausstattung betrifft.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Beschluss des Beklagten vom 22. Oktober 1999 ist nicht deshalb rechtswidrig, weil er die Mitgliedschaftsrechte der Klägerin aus § 40 Abs. 3 S. 1 der Kreisordnung für das Land Nordrhein- Westfalen (KrO NRW) verletzt.

Ob der Beschluss zudem aus anderen Gründen rechtswidrig ist, war im Rahmen der vorliegenden Klage nicht zu prüfen. Denn der Beschluss einer kommunalen Vertretungskörperschaft kann nur dann mit Erfolg angegriffen werden, wenn er wegen Verletzung von Mitgliedschaftsrechten des Klägers rechtswidrig ist.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 2.2.1972 - 3 A 887/69 -, OVGE 27, S. 258, 264.

Eine Verletzung des Mitgliedschaftsrechtes der Klägerin aus § 40 Abs. 3 S. 1 KrO NRW scheidet aus. Nach dieser Vorschrift gewährt der Kreis den Fraktionen aus Haushaltsmitteln Zuwendungen zu den sächlichen und personellen Aufwendungen für die Geschäftsführung. Die Fraktionen haben folglich einen Anspruch auf Zuwendungen, der jedoch nicht auf die vollständige Deckung ihrer Kosten gerichtet ist. Die Entscheidung über die Bemessung der Zuwendungen steht vielmehr im Ermessen der kommunalen Vertretungskörperschaft.

Vgl. Wansleben in: Held/ Becker/ Decker/ Kirchhof/ Krämer/ Wansleben, Kommentar zum Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-Westfalen, Loseblattsammlung, Stand September 2000, KrO § 40 Anm. 5.1.

Der Beklagte hat das ihm durch § 40 Abs. 3 S. 1 KrO NRW eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Bei der Ermessensausübung sind die sich aus der Verfassung ergebenden Grenzen, insbesondere der Grundsatz der Chancengleichheit, zu beachten.

Vgl. Kopp/ Schenke, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Auflage, 2000, § 114 Rn. 7; so auch Verwaltungsgericht (VG) Münster, Beschluss vom 22.12.1999, - 1 L 1668/99 -, S.3 der Beschlussausfertigung; VG Köln, Urteil vom 8.5.1991- 4 K 2279/90 - Eildienst Städtetag NRW 1991, S. 539.

Der Grundsatz der Chancengleichheit ist ein Anwendungsfall des allgemeinen Gleichheitssatzes, der - über die Grundrechtsverbürgung des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) hinaus - als ungeschriebener selbstverständlicher Verfassungsgrundsatz auch für die Beziehungen innerhalb des Staatsaufbaus gilt.

vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.1.1975, - 3 A 551/73 -, S. 24 der Urteilsausfertigung; Urteil vom 14.6.1994, - 15 A 2449/91 -, NWVBl. 1994, S. 414, 415.

Folglich war er auch im Rahmen der Ermessensentscheidung zu § 40 Abs. 3 S. 1 KrO NRW von dem beklagten Kreistag zu beachten. Der Gleichheitssatz erlaubt Differenzierungen, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt sind.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.1.1975, aaO, S. 24 der Urteilsausfertigung.

Entgegen der Behauptung der Klägerin ist der Gleichheitssatz vorliegend nicht in der Ausprägung des sog. formalisierten Gleichheitssatzes anwendbar. Dieser lässt Differenzierungen nicht schon bei Vorliegen eines rechtfertigenden, sondern nur bei Bejahung eines "besonderen" oder "zwingenden" Grundes zu. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat diese strenge Ausprägung des Gleichheitssatzes im Hinblick auf die Entschädigung von Abgeordneten mit Alimentationscharakter entwickelt.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 5.11.1975 - 2 BvR 193/74 -, BVerfGE 40, 294 ff.

Sie beansprucht jedoch keine Geltung für die hier in Frage stehende, den Fraktionen zu gewährende Aufwandsentschädigung. Diese ist vom Gebot der einheitlichen Entschädigung ausgenommen; sie kann je nach der Höhe des Aufwands differenziert bemessen werden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.6.1994, aaO, S. 415.

Die in dem angegriffenen Beschluss vorgenommene Differenzierung zwischen "kleinen" und "großen" Fraktionen stellt sich als sachgerecht dar. Denn die Höhe der Aufwendungen für die Geschäftsführung i.S.v. § 40 Abs. 3 S. 1 KrO NRW ist abhängig von der Größe der Fraktionen. Diese Abhängigkeit ist auf die den Fraktionen durch § 40 Abs. 2 S. 1 KrO NRW zugewiesene Aufgabe der Mitwirkung bei der Willensbildung und Entscheidungsfindung in der Vertretung zurückzuführen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe, die u.a. die Abhaltung von Fraktionssitzungen erforderlich macht, benötigen die Fraktionen bestimmte Sach- und Personalmittel (z.B. Räumlichkeiten, Fraktionsassistenten). Bedarf und Aufwendungen kleiner Fraktionen werden in diesem Zusammenhang naturgemäß geringer sein als Bedarf und Aufwendungen größerer Fraktionen.

Vgl. so auch VG Köln, Urteil vom 8.5.1991, aaO, S. 541; in diesem Sinne auch OVG NRW in seinem Urteil zur Aufwandsentschädigung eines Fraktionsvorsitzenden vom 14.6.1994, aaO, S. 415.

So benötigen größere Fraktionen z.B. größere Räumlichkeiten und mehr Sitzgelegenheiten; auch haben sie einen höheren Koordinierungsbedarf.

Allerdings haben auch die "kleinen" Fraktionen bezüglich bestimmter Kostenfaktoren (z.B. Literatur, Grundausstattung, Unterhaltung eines Büros) einen Grundbedarf, der durch die Gewährung eines Sockelbetrages abzudecken ist.

Vgl. so auch VG Köln, Urteil vom 8.5.1991, aaO, S. 541.

Die Gewährung eines Sockelbetrages erfordert jedoch nicht, dass er den Fraktionen neben dem pro Kopf gewährten Zuwendungsbetrag in jeweils gleicher Höhe zuzuwenden ist. Vielmehr kann es gerechtfertigt sein, bereits bei der Festlegung des Sockelbetrages eine Differenzierung nach der Fraktionsstärke vorzunehmen. Bei diesem Vorgehen ist zu berücksichtigen, dass bestimmte Ausgaben (z.B. für Räumlichkeiten, für die Beschäftigung eines Fraktionsassistenten) nicht unmittelbar proportional zur Fraktionsstärke steigen, sondern stufenweise. Dies ist vorliegend geschehen. Zwar werden den im beklagten Kreistag vertretenen Fraktionen neben den Zuwendungen pro Fraktionsmitglied in Höhe von 1.111,- DM Beträge in unterschiedlicher Höhe gewährt. Jedoch zeigt ein Vergleich dieser den einzelnen Fraktionen gewährten Sockelbeträge, dass die Zuwendungshöhe nicht unmittelbar proportional zur Fraktionsstärke steigt, sondern degressiv. Während die Klägerin mit drei Mitgliedern einen Sockelbetrag in Höhe von 31.000,- DM erhält, werden den Fraktionen von CDU (27 Mitglieder) und SPD (18 Mitglieder) Sockelbeträge in Höhe von jeweils 60.000,- DM zugewandt.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es im Hinblick auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes unerheblich, dass der angegriffene Beschluss nicht bestimmt, wann eine Fraktion als "klein" und wann sie als "groß" zu bezeichnen ist. Es ist nicht Aufgabe eines Beschlusses, eine abstrakt- generelle Regelung aufzustellen. Vielmehr reicht es aus, wenn - wie hier - eine sachgerechte Lösung für ein regelungsbedürftiges Problem - Verteilung der Haushaltsmittel auf die nach der Kommunalwahl im September 1999 gegründeten Fraktionen - geboten wird. Darüber hinaus ist bei der gegebenen Zusammensetzung des beklagten Kreistages aus drei Fraktionen mit jeweils drei Mitgliedern, einer Fraktion mit 27 Mitgliedern und einer Fraktion bestehend aus 18 Mitgliedern ohne weiteres erkennbar, welche zu den "kleinen" und welche zu den "großen" Fraktionen gezählt wird.

Die in dem angegriffenen Beschluss getroffene Ermessensentscheidung ist auch nicht etwa deshalb rechtswidrig, weil - wie die Klägerin vorträgt - der Beklagte die zugrunde liegenden Tatsachen nicht ordnungsgemäß ermittelt hätte.

Zwar ist es zur pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens im Rahmen des § 40 Abs. 3 S. 1 KrO NRW erforderlich, den Bedarf der einzelnen Fraktionen zu ermitteln und festzulegen, in welchem Umfang er abgedeckt werden soll.

Vgl. Wansleben, aaO, KrO § 40 Anm. 5.1.

Auch wurde dieses Vorgehen im Anschluss an das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 13. Februar 1987,

vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 13.2.1987, - 15 K 1536/85 -, NWVBl. 1987, S. 53 ff,

von dem Innenminister des Landes Nordrhein- Westfalen mit Erlass vom 2. Januar 1989 (III A 1- 11.70 - 3960/88) empfohlen.

Zur Bedarfsermittlung müssen jedoch nicht notwendigerweise die tatsächlichen, den einzelnen Fraktionen in der Vergangenheit individuell entstandenen Aufwendungen erfragt werden. Dies wäre auch im Hinblick auf die nach der Kommunalwahl 1999 erstmals gegründeten Fraktionen der UWG und der FDP gar nicht möglich. Vielmehr ist eine abstrakte Ermittlung des Bedarfs jedenfalls dann ausreichend, wenn - wie hier - die einzelnen Ausgabeposten aufgelistet werden, für die notwendiger- und zulässigerweise Aufwendungsersatz geleistet werden soll, und diesen bestimmte Beträge zugeordnet werden, die sich gemessen an der Lebenswirklichkeit als nachvollziehbar und sachgerecht darstellen.

Eine konkrete Bedarfsanalyse ist entbehrlich, da es Fraktionen mit überdurchschnittlich hohem und solche mit überdurchschnittlich geringem Bedarf gibt und auch der Einsatz der Mittel für bestimmte Aufgabenbereiche den Fraktionen selbst überlassen bleibt. Kann die Höhe der Aufwendungen aber von Fraktion zu Fraktion variieren, so wird eine Analyse der Mittelverwendung in der Vergangenheit keinen Aufschluss über einen den Fraktionen einheitlich entstehenden Bedarf geben können. Aus diesem Grunde würde es auch wenig nützen, zur Bedarfsermittlung auf die von den Fraktionen gemäß § 40 Abs. 3 S. 3 KrO NRW zu erstellenden Verwendungsnachweise zurückzugreifen. Diese geben nur Aufschluss über die Verwendung der gewährten Zuwendungen in der Vergangenheit, nicht jedoch darüber, welche Ausgaben eine Fraktion insgesamt für ihre Geschäftsführung getätigt und für welche Aufgaben sie welche Summen aufgewendet hat. Daher kann es dem beklagten Kreistag überlassen werden, die Höhe des Aufwendungsbedarfs aufgrund von Werten, die sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung als sachgerecht darstellen, zu ermitteln.

Die Durchführung einer abstrakten Bedarfsanalyse wird auch dem Verbot der verschleierten Parteienfinanzierung gerecht. Danach stellt es einen die Verfassung verletzenden Missbrauch dar, wenn die Fraktionen Zuwendungen erhalten, die durch ihre Bedürfnisse nicht gerechtfertigt sind.

vgl. BVerfG, Urteil vom 19.7.1966, - 2 BvF 1/65 -, BVerfGE 20, 56, 105.

Um diesem Missbrauch vorzubeugen, darf es nicht den Fraktionen selbst überlassen werden, ihren Bedarf zu bestimmen. Dieser ist vielmehr unter Beachtung der ihnen durch das Kommunalverfassungsrecht zugewiesenen Aufgaben anhand von standardisierten, nach der allgemeinen Lebenserfahrung als sachgerecht erscheinenden Werten zu ermitteln.

Zur ermessensfehlerfreien Ermittlung des Bedarfs der Fraktionen ist es daher ausreichend, wenn in einem ersten Schritt die einzelnen Ausgabeposten aufgelistet werden, für die der beklagte Kreistag notwendiger- und zulässigerweise Aufwendungsersatz leisten will, und diesen in einem zweiten Schritt bestimmte Beträge zugeordnet werden, die sich gemessen an der Lebenswirklichkeit als nachvollziehbar und sachgerecht darstellen.

Diesen Anforderungen entspricht die von dem beklagten Kreistag unter dem 16. September 1999 vorgenommene Bedarfsermittlung (Bl. 137- 139 d. BA). Die darin erfolgte Beschränkung des Aufwendungsersatzes auf die Ausgabengruppen "(1.) Grundbedarf für Büroräume, -ausstattung und Literatur, (2.) Personalkosten sowie (3.) Zuwendung pro Fraktionsmitglied" ist im Hinblick auf den Ermessensspielraum des Beklagten bei der Vergabe von Haushaltsmitteln nicht zu beanstanden. Auch erfolgte die Ermittlung des Grundbedarfs der Fraktionen für Büroräume, -ausstattung und Literatur (Bl. 139 d. BA) detailliert und nachvollziehbar. Die vom beklagten Kreistag vorgenommene Bewertung der jeweiligen Ausgabearten, insbesondere die - von der Klägerin gerügte - Höhe der Zuwendungen zu den Mietkosten, ist nicht zu beanstanden, da sowohl ein Mietpreis von 9,- DM als auch ein solcher von 10,- DM pro qm unter Zugrundelegung der allgemeinen Lebenswirklichkeit sachgerecht erscheint. Die der Berechnung zugrunde gelegten Werte orientieren sich an den nach allgemeiner Lebenserfahrung für die einzelnen Ausgabenbereiche typischerweise aufzuwendenden Kosten. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Fraktionen vorliegend Zuschüsse in einer Höhe erhalten, die durch ihre Bedürfnisse nicht mehr gerechtfertigt wären.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es nicht darauf an, ob die Bedarfsanalyse den einzelnen Kreistagsmitgliedern vor der Abstimmung bekannt gemacht worden ist oder nicht. Allein ausschlaggebend ist, dass sie der Beschlussfassung vorausgegangen ist, so dass sich die Höhe der Zuschüsse letztlich nicht als willkürlich darstellt.

Der Beklagte handelte auch bei der Verlängerung des Abschreibungszeitraumes von 10 auf 15 Jahre ermessensfehlerfrei. Im Hinblick auf den ihm durch § 40 Abs. 3 S. 1 KrO NRW eingeräumten Ermessensspielraum bei der Ausgestaltung des Finanzierungssystems erscheint diese Festlegung nicht willkürlich, solange - wie hier - einheitlich von dem gleichen Abschreibungszeitraum ausgegangen wird.

Die Klägerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, der Beschluss sei wegen Verstoßes gegen den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes rechtswidrig. Als spezifisches Rechtsprinzip greift der Vertrauensschutz ein, wenn jemand von seiner Entscheidung oder seiner Verhaltensweise, auf deren Bestand und deren Fortbestand andere vertraut haben und vertrauen durften, abweichen will.

Vgl. Maurer in: Isensee/Kirchhoff, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 60 Rn. 7.

Auf Vertrauensschutz kann sich folglich nur der berufen, der auch tatsächlich selbst auf den Fortbestand eines bestimmten Vertrauenstatbestandes vertraut hat. Die Klägerin konnte schon kein Vertrauen in das bis zum 30. September 1999 geltende System der Fraktionsfinanzierung entwickeln, da sie erst mit der neuen Fraktionsvereinbarung der im September 1999 gewählten Mandatsträger entstanden ist. Sie ist trotz einheitlicher Bezeichnung - Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen - nicht identisch mit der Fraktion, die zuvor bestanden hatte und mit dem Zusammentritt des neu gewählten Kreistages im Oktober 1999 aufgelöst wurde. Denn Fraktionen bestehen nach Ablauf des kommunalen Mandats ihrer Mitglieder, also nach dem Zusammentritt der neu gewählten Vertretungskörperschaft, als Träger gemeindeinterner Mitwirkungsbefugnisse nicht mehr weiter.

Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 27.3.1990, - 15 A 2666/86 -, S. 3, 4 der Beschlussausfertigung.

Die Klägerin kann sich auch nicht als eventuelle Rechtsnachfolgerin der vorherigen Fraktion der Partei Bündnis 90/ Die Grünen auf Vertrauensschutz berufen. Dies ist ausgeschlossen, da ein aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes fließender Anspruch auf Fortgeltung eines bestimmten Vertrauenstatbestandes höchstpersönlichen Charakter hat und folglich nicht im Wege der Rechtsnachfolge übertragbar ist.

Bei der Neuregelung der Fraktionsfinanzierung hatte der Beklagte auch nicht die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen der einzelnen Fraktionen gegenüber ihren Fraktionsassistenten zu berücksichtigen. Die Einstellung von Arbeitnehmern sowie die Ausgestaltung der Arbeitsverträge fällt in den Risikobereich der Fraktionen selbst. Bei dem Abschluss von Arbeitsverträgen haben sie dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sie sich jeweils mit dem Zusammentritt eines neu gewählten Kreistages auflösen und erst aufgrund einer Fraktionsvereinbarung der neu gewählten Mandatsträger entstehen.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Entscheidung zu den Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.






VG Arnsberg:
Urteil v. 27.07.2001
Az: 12 K 3337/00


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