Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. November 2010
Aktenzeichen: 8 W (pat) 315/06
(BPatG: Beschluss v. 09.11.2010, Az.: 8 W (pat) 315/06)
Tenor
Das Patent 100 62 645 wird mit den folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
-Patentansprüchen 1 bis 12 in der in der mündlichen Verhandlung überreichten, mit "Patentansprüche für Hilfsantrag 2" überschriebenen und handschriftlich ergänzten geänderten Fassung vom 9. November 2010
-Beschreibung laut erteiltem Patent, diese jedoch mit der Maßgabe der in der mündlichen Verhandlung überreichten Änderungen der Abschnitte [0015] und [0017]
-Zeichnungen laut erteiltem Patent.
Gründe
I.
Die Patentinhaberin hat das Patent 100 62 645, das die japanischen Prioritäten Nr. 11-357995 vom 16. Dezember 1999 und Nr. 2000-165017 vom 1. Juni 2000 in Anspruch nimmt, am 15. Dezember 2000 beim Patentamt angemeldet. Die Erteilung des Patents mit der Bezeichnung
"Kreissägen mit einem Gehrungswinkeleinstellmechanismus"
wurde am 29. September 2005 veröffentlicht.
Dagegen hat am 29. Dezember 2005 die Einsprechende Einspruch erhoben, weil der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei.
Die Einsprechende hat ihren Einspruch auf die folgenden Dokumente gestützt:
D1 US5433008 D2 US4999916 D3 US 5 623 860.
Nach mehreren Hilfsanträgen hat die Patentinhaberin zuletzt in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 12 vorgelegt, mit denen sie das Patent in beschränkter Fassung verteidigt.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Handkreissäge enthaltend: eine Basis, eine drehbar mit der Basis verbundene Sägeeinheit, wobei die Sägeeinheit ein quer zur Basis schwenkbares Kreissägeblatt aufweist, und einen Anschlag, wobei die Sägeeinheit bei einem zweiten Schwenkwinkel, der sich zwischen einem ersten Schwenkwinkel und einem dritten Schwenkwinkel befindet, mittels des Anschlags anhaltbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Anschlag eine inaktive Position, in der die Sägeeinheit vom ersten Schwenkwinkel zum dritten Schwenkwinkel ohne beim zweiten Schwenkwinkel zu stoppen schwenkt, sowie eine Arbeitsposition aufweist, in der die Sägeeinheit beim zweiten Schwenkwinkel stoppt, wobei der Anschlag getrennt von einem Anschlagmechanismus für den ersten und dritten Schwenkwinkel vorgesehen ist, und dass der Anschlag ein erstes Anschlagelement, das durch eine obere Fläche der Basis definiert ist oder durch eine mit der Basis verschraubte Stellschraube oder ein an der Basis angebrachtes Bauteil mit einem oberen Plattenabschnitt gebildet ist, wobei ein oberes Ende der Stellschraube bzw. eine obere Fläche des oberen Plattenabschnittes für einen Eingriff mit einem weiteren Anschlagelement freiliegt, das seitlich in einer festen Beziehung zur Sägeeinheit schwenkbar ist, wobei das erste Anschlagelement und das zweite Anschlagelement einander berühren, um die Sägeeinheit beim zweiten Schwenkwinkel zu stoppen, wenn der Anschlag in der Arbeitsposition ist, und wobei das erste Anschlagelement und das zweite Anschlagelement einander nicht berühren, wenn sich der Anschlag in der inaktiven Position befindet."
Die Einsprechende trägt vor, dass der nunmehr geltende Patentanspruch 1 gegenüber den ursprünglichen Unterlagen unklar sei, weil sich dem Fachmann nicht erschließe, was das Merkmal, wonach "der Anschlag getrennt von einem Anschlagmechanismus für den ersten und dritten Schwenkwinkel vorgesehen ist" bedeuten solle. Insbesondere sei dieses Merkmal auch weder in der Patentschrift noch in den ursprünglichen Unterlagen erläutert oder erwähnt, weshalb es zudem ursprünglich nicht offenbart gewesen sei. Auch die weiteren im Patentanspruch 1 ergänzten Merkmale seien nicht allgemein sondern nur hinsichtlich der Ausgestaltung am kleinen Winkel offenbart gewesen. Weiterhin sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 für einen Fachmann nahe gelegt.
Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent 100 62 645 zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent 100 62 645 mit den Patentansprüchen 1 bis 12 in der in der mündlichen Verhandlung überreichten, mit "Patentansprüche für Hilfsantrag 2" überschriebenen und handschriftlich ergänzten, geänderten Fassung vom 9. November 2010, mit der Beschreibung laut erteiltem Patent, diese jedoch mit der Maßgabe der in der mündlichen Verhandlung überreichten Änderungen der Abschnitte [0015] und [0017], und im Übrigen mit den Zeichnungen laut erteiltem Patent beschränkt aufrechtzuerhalten.
Die Patentinhaberin tritt dem Vorbringen der Einsprechenden in allen Punkten entgegen. Sie trägt hierzu vor, dass der Fachmann aus den Anmeldungsunterlagen ohne weiteres erkennen könne, dass der Kern der Anmeldung gerade in der funktionellen und örtlich getrennten Anordnung der Anschläge für den zweiten Schwenkwinkel bzw. ersten und dritten Schwenkwinkel läge. Ferner sei die Lehre des Streitpatents neu und erfinderisch, weil keine der entgegengehaltenen Druckschriften sie nahe legte.
Hinsichtlich des Wortlauts der auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen abhängigen Patentansprüche 2 bis 12 sowie weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten sowie auf die Patentschrift verwiesen.
Im Prüfungsverfahren sind ferner noch folgende Druckschriften in Betracht gezogen worden:
D4 DE19523348A1 D5 DE2641666A1 D6 DE4300033A1 D7 DE4403186A1.
II.
1.
Der Senat ist für die Entscheidung im vorliegenden Einspruchsverfahren auch nach der mit Wirkung vom 1. Juli 2006 erfolgten Aufhebung der Übergangsvorschriften des § 147 Abs. 3 PatG auf Grund des Grundsatzes der "perpetuatio fori" gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO analog i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG zuständig (vgl. BGH GRUR 2009, 184, 185 -Ventilsteuerung; GRUR 2007, 862 f. -Informationsübermittlungsverfahren II).
2.
Der Einspruch ist fristund formgerecht erhoben und auch im Übrigen zulässig. Er ist jedoch nur insofern begründet, als er zur beschränkten Aufrechterhaltung des angegriffenen Patents führt.
2.1. Der Patentgegenstand betrifft nach dem geltenden Patentanspruch 1 eine Handkreissäge mit einem Mechanismus zum Einstellen eines Gehrungswinkels und insbesondere eine Handkreissäge, die ein seitliches Verschwenken des Sägeblattes gegenüber einer Anlagefläche erlaubt. Derartige Kreissägen weisen ein rotierend angetriebenes kreisförmiges Sägeblatt auf. Das Sägeblatt kann zur Durchführung des Gehrungsschnitts gegenüber einer Basis, die die Anlagefläche aufweist, um eine Achse verschwenkt werden, die parallel zur Ebene des Sägeblattes verläuft.
Bei vielen herkömmlichen Kreissägen kann der Neigungswinkel des Sägeblattes nur zwischen einer 0¡ -Stellung und einer 45¡ -Stellung verstellt werden. Bei anderen bekannten Kreissägen (D1 bzw. D2), bei denen der Neigungswinkel des Sägeblattes unter eine 0¡ -Stellung bzw. über eine 45¡ -Stellung hinaus verschwenkt werden kann, erfolgt dies, indem bei Erreichen einer der Endstellungen ein Anschlagelement in Form eines Scheibenelements gedreht wird (D1) oder das Anschlagelement versetzt wird (D2).
Gemäß Absatz [0013] der Streitpatentschrift sei bei diesen aus dem Stand der Technik bekannten tragbaren Kreissägen das Umstellen des Anschlagelements ein mühsamer Arbeitsvorgang und die Sägeeinheit könne nicht frei (also ohne zu stoppen) von der 0¡ -Position in die 50¡ -Position bewegt werden. Daher liegt dem Streitpatent nach Absatz [0016] der Patentschrift die Aufgabe zu Grunde, die Einstellung des Gehrungsoder Neigungswinkels des Sägeblattes gegenüber einer Basis zu vereinfachen.
Zur Lösung schlägt das Streitpatent die im geltenden Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale vor, die sich wie folgt gliedern lassen:
1.
Handkreissäge 2.
mit einer Basis, 3.
mit einer drehbar mit der Basis verbundene Sägeeinheit, 3.1 wobei die Sägeeinheit ein quer zur Basis schwenkbares Kreissägeblatt aufweist, und 4 mit einem Anschlag, 4.1 wobei die Sägeeinheit bei einem zweiten Schwenkwinkel, der sich zwischen einem ersten und einem dritten Schwenkwinkel befindet, mittels des Anschlages anhaltbar ist,
-Oberbegriff 4.2 der Anschlag weist eine inaktive Position auf, in der die Sägeeinheit vom ersten Schwenkwinkel zum dritten Schwenkwinkel schwenkt, ohne beim zweiten Schwenkwinkel zu stoppen, 4.3 der Anschlag weist eine Arbeitsposition auf, in der die Schwenkeinheit beim zweiten Schwenkwinkel stoppt.
4.4 der Anschlag ist getrennt von einem Anschlagmechanismus für den ersten und dritten Schwenkwinkel vorgesehen, 4.5 der Anschlag hat ein erstes Anschlagelement, 4.5.1 das erste Anschlagelement ist durch eine obere Fläche der Basis definiert oder 4.5.2 durch eine mit der Basis verschraubte Stellschraube gebildet oder 4.5.3 durch ein an der Basis angebrachtes Bauteil mit einem oberen Plattenabschnitt gebildet;
4.6 wobei ein oberes Ende der Stellschraube bzw. eine obere Fläche des oberen Plattenabschnittes für einen Eingriff mit einem weiteren Anschlagelement freiliegt, 4.7 das weitere Anschlagelement ist seitlich in einer festen Beziehung zur Sägeeinheit schwenkbar;
4.8 das erste Anschlagelement und das zweite Anschlagelement berühren einander, um die Sägeeinheit beim zweiten Schwenkwinkel zu stoppen, wenn der Anschlag in der Arbeitsposition ist, und wobei das erste Anschlagelement und das zweite Anschlagelement einander nicht berühren, wenn sich der Anschlag in der inaktiven Position befindet.
-Kennzeichen -
Nach den Merkmalen 1 bis 3 des Patentanspruchs 1 betrifft der Streitpatentgegenstand eine Handkreissäge mit einer Basis und einer drehbar mit der Basis verbundenen Sägeeinheit, wobei die Sägeeinheit ein quer zur Basis schwenkbares Kreissägeblatt zur Durchführung von Gehrungsschnitten aufweist. In Absatz [0002] der Streitpatentschrift ist der als bekannt vorausgesetzte grundsätzliche Aufbau einer tragbaren (Hand-)Kreissäge beschrieben. Demzufolge versteht das Streitpatent unter der Basis einer Handkreissäge den Teil der Handkreissäge, der das Werkstück aufnimmt, wobei gleichzeitig der untere Abschnitt des Sägeblatts nach unten durch die Basis ragt. Die Basis ist somit die untere Grundplatte der Handkreissäge, so dass die Säge auf dem Werkstück aufliegend über dieses geschoben werden kann. Nach den Merkmal 4 und 4.1 weist die streitpatentgemäße Handkreissäge einen Anschlag für einen zweiten Schwenkwinkel auf, der sich zwischen einem ersten und einem dritten Schwenkwinkel befindet. Die Merkmale 4.2 bis 4.8 beschreiben die weitere Ausgestaltung des Anschlags für den zweiten Schwenkwinkel. Insbesondere vermittelt das Merkmal 4.4 dem Fachmann, einem Diplomingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Erfahrungen auf dem Gebiet der Konstruktion von Handkreissägen, eine klare Trennung zwischen dem Anschlag des zweiten Schwenkwinkels und den Anschlagmechanismen für den ersten und dritten Schwenkwinkel. Unter Berücksichtigung aller Ausführungsbeispiele des Streitpatents erschließt sich dem Fachmann, dass gemäß der streitpatentgemäßen Lehre eine klare Trennung dann vorliegt, wenn die Anschlagelemente für den zweiten Schwenkwinkel sowohl räumlich als auch funktionell getrennt sind von den jeweiligen Anschlagelementen für den ersten bzw. den dritten Schwenkwinkel.
2.2. Die Patentansprüche 1 bis 12 sind zulässig.
Die Merkmale 1 bis 4.3 des geltenden Patentanspruchs 1 ergeben sich aus dem ursprünglichen sowie dem erteilten Anspruch 1. Die Merkmale 4.5, 4.7 und 4.8 sind in dem ursprünglichen sowie in dem erteilten Anspruch 2 offenbart. Die alternativen Ausgestaltungen für das Anschlagelement entsprechend den Merkmalen 4.5.1 bis 4.5.3 sowie 4.6 ergeben sich aus dem erteilten Anspruch 10 sowie aus den Erläuterungen zu den Ausführungsbeispielen in den Absätzen [0125] bis [0127] sowie [0151] der Streitpatentschrift oder den Darstellungen in den Figuren 24 und 30 bzw. in den gleichlautenden Textstellen der ursprünglichen Beschreibungsunterlagen. Entgegen der Auffassung der Einsprechenden sind diese Merkmale nicht nur ausschließlich hinsichtlich des kleinen Winkels offenbart, sondern ausweislich der Ausführungen in den Absätzen [0187] bis [0192] der Streitpatentschrift bzw. in den gleichlautenden Textstellen der ursprünglichen Beschreibungsunterlagen auch allgemein für beliebige Winkel offenbart. Das im geltenden Patentanspruch 1 ergänzte Merkmal 4.4 ergibt sich beispielsweise aus einer Zusammenschau von Seite 18, Zeilen 32 bis 33, Seite 19, Zeilen 13 bis 14 der ursprünglichen Beschreibung bzw. aus den Absätzen [0098], [0099] der Patentschrift, in denen jeweils getrennt von einem Anschlagmechanismus auf der Seite des kleinen Winkels, einem Anschlagmechanismus auf der Seite des großen Winkels und weiterhin auf Seite 19, Zeile 20 von einem Anschlagelement (30) die Rede ist, welches entsprechend den Merkmalen 4.5.1 bis 4.5.3 von der Basis gebildet bzw. an der Basis ausgebildet ist und somit klar getrennt ist von den Anschlagmechanismus für den ersten und dritten Schwenkwinkel. Auch die Figuren aller Ausführungsbeispiele zeigen jeweils unterschiedliche Anschläge, nämlich jeweils einen Anschlag für den zweiten Schwenkwinkel (30, 60 bzw. 150), der sowohl räumlich als auch funktionell getrennt von einem Anschlagmechanismus (26 und 23c; 26 und 23c und 26 und 130) für den ersten und dritten Schwenkwinkel angeordnet ist. Die Aufnahme dieses Merkmals in den Patentanspruch 1 beschränkt den Streitpatentgegenstand in zulässiger Weise. Denndurch die Aufnahme dieses Merkmals in den Patentanspruch 1 wird die ursprünglich beliebige Anordnung des Anschlags für den zweiten Schwenkwinkel nunmehr zwingend auf eine vom Anschlagmechanismus für den ersten und dritten Schwenkwinkel getrennte Anordnung festgelegt.
Der geltende Patentanspruch 2 entspricht dem ursprünglichen Anspruch 3, wobei der ursprüngliche Ausdruck "geeignet ist, verschoben zu werden" durch "bewegbar" ersetzt ist. Entgegen der Auffassung der Einsprechenden stellt auch die Änderung dieses Merkmals keine unzulässige Erweiterung dar, sondern ist lediglich eine sprachlich gefälligere Fassung mit übereinstimmender Bedeutung.
Die geltenden Patentansprüche 3 bis 10 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 4 bis 9, 11 und 12. Die Merkmale des Patentanspruchs 11 sind in den Absätzen [0151] und [0152] der Streitpatentschrift bzw. in den gleichlautenden Textstellen der ursprünglichen Beschreibung offenbart. Die Merkmale des Patentanspruchs 12 sind im Absatz [0177], letzte drei Zeilen, der Streitpatentschrift bzw. in den gleichlautenden Textstellen der ursprünglichen Beschreibung offenbart.
Die von der Einsprechenden geäußerte Auffassung, dass das Merkmal 4.4 des geltenden Patentanspruchs 1 unklar sei, trifft nicht zu. Denn bereits im herkömmlichen Sprachgebrauch bedeutet das getrennte Vorsehen eines Gegenstandes von einem anderen Gegenstand eine zumindest räumliche und/oder funktionelle Trennung. Das Vorbringen der Einsprechenden, dass beispielsweise bei dem streitpatentgemäßen Ausführungsbeispiel nach Figur 6 sowohl der Anschlag für den ersten bzw. dritten Schwenkwinkel (26b) als auch der Anschlag für den zweiten Schwenkwinkel (30) jeweils an dem gleichen Bauteil, nämlich der Verbindungsplatte (23) angeordnet seien und deshalb auch beim Streitpatentgegenstand eine getrennte Anordnung nicht vorliege, konnte den Senat nicht überzeugen, weil trotz dieser Anordnung eine deutlich erkennbare Trennung der jeweiligen Anschlagmechanismen sowohl in räumlicher als auch funktioneller Hinsicht vorliegt.
2.3. Die Neuheit der zweifellos gewerblich anwendbaren Kreissäge mit einem Gehrungswinkeleinstellmechanismus nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist gegeben und wurde von der Einsprechenden auch nicht beanstandet, so dass sich Ausführungen hierzu erübrigen.
2.4. Der Gegenstand nach dem Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn für die im Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmale vermittelt der aufgezeigte Stand der Technik keine Anregungen.
Die Druckschrift D1 zeigt eine Handkreissäge mit einer Basis (14) und mit einer drehbar mit der Basis verbundenen Sägeeinheit (12), die ein quer zur Basis (14) schwenkbares Kreissägeblatt (18) aufweist (Merkmale 1 bis 3.1). In Spalte 3, Zeilen 16 bis 29 der D1 ist beschrieben, dass die bekannte Handkreissäge einen Anschlag (58) aufweist, so dass die Sägeeinheit (18) bei einem zweiten Schwenkwinkel, der sich zwischen einem ersten Schwenkwinkel und einem dritten Schwenkwinkel befindet, mittels des Anschlags (58) anhaltbar ist (Merkmale 4 und 4.1). Nach den Figuren 5 und 6 kann der Anschlag (58) in zwei unterschiedlichen Stellungen angeordnet sein:
In einer Arbeitsposition gemäß Figur 5, bei der zwei Anschlagzapfen (leg portions 76, 78) sich parallel zu einem Führungsschlitz (44) erstrecken, der in einer vertikalen Platte (42) angeordnet ist. Beim Verschwenken der Sägeeinheit (18) schlägt der Anschlag (58) beim Erreichen der Schwenkwinkel von 0¡ bzw. 45¡ mit dem Anschlagzapfen (76) oder (78) an der Endbegrenzung (stop member 46 bzw. 50) des Führungsschlitzes (44) an (Merkmal 4.3).
In einer inaktiven Stellung gemäß Figur 6, bei der die Anschlagzapfen (76, 78) quer zur Erstreckungsrichtung des Führungsschlitzes (44) ausgerichtet sind. In dieser Stellung kann die Sägeeinheit (18) um die Stärke des Anschlagzapfen (hier 3¡) über den 45¡ Winkel hinaus geschwenkt werden, so dass dann der Gewindebolzen (54) an die Endbegrenzung (stop member 46 bzw. 50) anschlägt.
Nicht nur die Figuren 5 und 6 der D1, sondern insbesondere die Frontansicht nach Figur 2 zeigen jedoch deutlich, dass der Führungsschlitz (44) an den Enden erweiterte Abschnitte aufweist. Gerade aus der Frontansicht nach Figur 2 erschließt sich dem Fachmann klar und unmissverständlich, dass der Anschlag (58) lediglich in diesen Bereichen gedreht und damit aus der Arbeitsposition in die inaktive Position verstellt werden kann. Aus diesem Grund unterscheidet sich die bekannte Handkreissäge nach der D1 vom Streitpatentgegenstand nach Patentanspruch 1 bereits durch Merkmal 4.2, wonach beim zweiten Schwenkwinkel ein Stopp erfolgen muss, währenddessen beim Streitpatentgegenstand ein Verstellen ohne Stopp möglich ist.
Bei der bekannten Handkreissäge nach der D1 bilden die Endbegrenzungen (stop member 46 bzw. 50) des Führungsschlitzes (44) das erste Anschlagelement (Merkmal 4.5), während die zentrisch um den Gewindebolzen (54) angeordneten Anschlagzapfen (76, 78) dem weiteren Anschlagelement nach Merkmal 4.7 des Streitpatents entsprechen, da sie in einer festen Beziehung zur Sägeeinheit schwenkbar sind. Anders als beim Streitpatentgegenstand ist bei der bekannten Handkreissäge das erste Anschlagelement ersichtlich in Erstreckungsrichtung des Führungsschlitzes (44) an der vertikalen Platte (42) angeordnet und nicht entsprechend den Merkmalen 4.5.1 bis 4.5.3 durch die Basis oder durch eine mit der Basis verschraubte Stellschraube oder durch ein an der Basis angebrachtes Bauteil mit einem oberen Plattenabschnitt gebildet.
Auch schlagen sowohl Gewindebolzen (54) als auch Anschlagzapfen (76, 78) jeweils an die gleiche Endbegrenzung (stop member 46 bzw. 50) an. Aus diesem Grund liegt weder eine räumliche noch eine funktionelle Trennung der Anschlagmechanismen nach Merkmal 4.4 vor, noch weist die bekannte Handkreissäge nach der D1 die Merkmale 4.5.1 bis 4.6 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents auf. Vielmehr vermittelt die D1 hinsichtlich der Anordnung des ersten Anschlagselementes einen vollkommen anderen Lösungsansatz als das Streitpatent, so dass die D1 den Streitpatentgegenstand nach Patentanspruch 1 dem Fachmann nicht nahe legen kann.
Die Druckschrift D2 zeigt eine Handkreissäge mit einer Basis (22) und mit einer drehbar mit der Basis verbundenen Sägeeinheit (16), die ein quer zur Basis (14) schwenkbares Kreissägeblatt (14) aufweist (Merkmale 1 bis 3.1). Nach den Figuren 3 und 4 sowie aus Spalte 3, Zeile 67 bis Spalte 4, Zeile 17 erschließt sich dem Fachmann, dass die Sägeeinheit beim Verschwenken bei einem Schwenkwinkel von 45¡, der durch den Vorsprung (42) gebildet wird, anschlägt, so dass eine schnelle Einstellung des 45¡ -Winkels möglich ist.
Wie Figur 4 zeigt, kann die Sägeeinheit jedoch auch um einige Grad weiter geschwenkt werden als die mit dem Vorsprung (42) festgelegte 45¡ -Stellung. Dies erfolgt, indem die Bedienperson bei gelöster Spannmutter (clamping nut 36) den Bolzen in den über den zweiten Anschlagwinkel verlängerten Bereich des Schlitzes (second portion 40) hinaus führt. Ob bei diesem "S-förmigen" Verfahren des Bolzens (34) gegenüber der Schlitzführung (30) ausschließlich eine Arbeitspostion des (zweiten) Anschlags eingenommen werden kann oder dies als inaktive Position des Anschlags gemäß Merkmal 4.2 anzusehen ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls sind die Merkmale 4.4 bis 4.8 aus der D2 nicht bekannt. Der (zweite) Anschlag ist offensichtlich weder räumlich noch funktionell getrennt von dem ersten und dritten Anschlagmechanismus nach Merkmal 4.4 und umfasst somit ebenfalls nicht dessen konkrete konstruktive Ausgestaltungen entsprechend den weiteren Merkmalen 4.5 bis 4.8.
Die Druckschrift D3 zeigt eine sogenannte Kappsäge, die zwar auch zu der Familie der Kreissägen gehört, jedoch nicht zu den Handkreissägen, bei denen die Säge über das Werkstück geführt wird, so dass sich der Stand der Technik nach der D3 bereits durch Merkmal 1 vom Streitpatentgegenstand nach dem geltenden Patentanspruch 1 unterscheidet. Die bekannte Kappsäge gemäß der D3 hat eine Sägeeinheit mit Sägeblatt (15) und einen Drehtisch (7), auf den ein Werkstück aufgelegt werden kann und somit eine Basis für das Werkstück bildet. Der Drehtisch (7) ist gegenüber dem Sägeblatt (15) drehbar. Weiterhin ist aber auch das Sägeblatt (15) relativ zum Drehtisch (7) über einen beweglichen Zylinderabschnitt (19) gegenüber einem festen Zylinderabschnitt (17) schwenkbar, um unterschiedliche Schnittwinkel einstellen zu können. Durch Lösen bzw. Festziehen eines Gewindeelements (29), das durch einen gebogenen Schlitz (31) durchgeführt und mit dem festen Zylinderabschnitt (17) verbunden ist, kann das Sägeblatt (15) zum Schwenken freigegeben bzw. festgesetzt werden. In diesem Fall begrenzen die jeweiligen Enden des Schlitzes den maximalen bzw. minimalen Schwenkwinkel jenseits 0¡ bzw. 45¡, indem das Gewindeelement (29) dort anschlägt.
Die bekannte Kappsäge hat einen weiteren Anschlag, so dass die Sägeeinheit an einem zweiten Schwenkwinkel, der sich zwischen dem ersten (maximalen) und dem dritten (minimalen) Schwenkwinkel befindet, mittels des Anschlages anhaltbar ist (Merkmale 4 und 4.1). Hierzu sind an dem festen Zylinderabschnitt (17) Anschläge (43) mit Anschlagelementen (48) angeschraubt. Diese Anschlagelemente, die den ersten Anschlagelementen des Streitpatentgegenstandes entsprechen, sind bei einem Schwenkwinkel von 0¡ und 45¡ angebracht. Ein verschiebbarer Stift (45), der als weiteres Anschlagelement dient, ist an dem beweglichen Zylinderabschnitt angeordnet (siehe Figuren 7 und 8) und ist dadurch entsprechend Merkmal 4.7 des Patentanspruchs 1 des Streitpatent seitlich in einer festen Beziehung zur Sägeeinheit schwenkbar.
Ist der Stift in einer inaktiven Position, bei der er an den (ersten) Anschlagelementen (48) vorbei führt, kann die Sägeeinheit vom ersten Schwenkwinkel (jenseits 0¡) zum dritten Schwenkwinkel (jenseits 45¡) schwenken, ohne an einer Zwischenposition zu stoppen (Merkmal 4.2). Ist der Stift in Arbeitsposition, bei der er an den (ersten) Anschlagelementen (48) anschlägt, kann die Schwenkeinheit bei einem zweiten Schwenkwinkel (entweder 0¡ oder 45¡) stoppen (Merkmal 4.3). Dies hat zur Folge, dass entsprechend Merkmal 4.8 das erste Anschlagelement und der Stift als zweites bzw. weiteres Anschlagelement einander berühren, um die Sägeeinheit beim zweiten Schwenkwinkel zu stoppen, wenn der Anschlag in der Arbeitsposition ist, und wobei das erste Anschlagelement und das zweite Anschlagelement einander nicht berühren, wenn sich der Anschlag in der inaktiven Position befindet.
Deutlich ersichtlich sind der verschiebbare Stift und beide (ersten) Anschlagelemente (48) an unterschiedlichen Orten und auch funktionell getrennt von dem Gewindeelement (29) sowie den Endbereichen des gebogenen Schlitzes (31) vorgesehen. Aus diesem Grund ist der Anschlag für den zweiten Schwenkwinkel somit zweifellos getrennt von den Anschlagmechanismen für den ersten und dritten Schwenkwinkel im Sinne des Merkmals 4.4 des Patentanspruchs 1 des Streitpatentgegenstandes angeordnet.
Anders als beim Streitpatentgegenstand nach den Merkmalen 4.5.1 bis 4.5.3 ist jedoch das erste Anschlagelement der bekannten Kappsäge nicht durch die obere Fläche der Basis oder durch eine mit der Basis verschraubte Stellschraube oder durch ein an der Basis angebrachtes Bauteil mit einem oberen Plattenabschnitt gebildet, sondern an dem festen Zylinderabschnitt (17) verschraubt. Weil dieses bekannte Anschlagelement somit weder eine Stellschraube noch eine obere Fläche eines oberen Plattenabschnitts aufweist, kann die bekannte Kappsäge auch nicht das Merkmal 4.6 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents vorwegnehmen. Aus diesem Grund ist die bekannte Kappsäge nach der D3, die sich ohnehin im grundsätzlichen Aufbau zumindest nach Merkmal 1 von der streitpatentgemäßen Handkreissäge unterscheidet, auch hinsichtlich der Anordnung des Anschlagmechanismus für den zweiten Schwenkwinkel unterschiedlich gestaltet.
Weil somit keine der vorgenannten Druckschriften D1 bis D3 zumindest die im geltenden Anspruch 1 aufgeführten Merkmale 4.5.1 bis 4.6 aufweist, können sie weder für sich gesehen noch in Kombination untereinander den Fachmann dazu anregen, eine Handkreissäge dahingehend auszugestalten. Die beanspruchte Lehre war auch nicht durch einfache fachübliche Erwägungen ohne weiteres auffindbar; vielmehr bedurfte es darüber hinaus gehender Gedanken und Überlegungen, die auf erfinderische Tätigkeit schließen lassen, um zur beanspruchten Lösung zu gelangen.
Auch die übrigen im Zuge des Verfahrens in Betracht gezogenen Druckschriften D4 bis D7, die jedoch auch von der Einsprechenden nicht mehr aufgegriffen worden sind, liegen weiter ab vom Streitpatentgegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 und stehen diesem nicht patenthindernd entgegen, wie der Senat überprüft hat.
Der geltende Patentanspruch 1 hat daher Bestand.
2.5. Die geltenden Unteransprüche 2 bis 12 betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen des Streitpatentgegenstands nach dem Patentanspruch 1, die über Selbstverständlichkeiten hinausreichen. Sie haben daher ebenfalls Bestand.
Bei dieser Sachlage war das Patent in beschränktem Umfang aufrechtzuerhalten.
Dr. Zehendner Schwarz Rippel Dr. Dorfschmidt Cl
BPatG:
Beschluss v. 09.11.2010
Az: 8 W (pat) 315/06
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