Bundesgerichtshof:
Urteil vom 30. Juli 2015
Aktenzeichen: I ZR 18/14

(BGH: Urteil v. 30.07.2015, Az.: I ZR 18/14)

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts München - 29. Zivilsenat - vom 14. November 2013 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin ist die Rechtsanwaltskammer für den Bezirk des Oberlandesgerichts München. Die Beklagte zu 1 ist eine Rechtsanwaltsgesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die unter "ESCRO Treuhandgesellschaft mbH Rechtsanwaltsgesellschaft" firmiert. Der Beklagte zu 2 ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Beklagten zu 1.

Nachdem die Klägerin den Beklagten zu 2 mit Schreiben vom 1. Dezember 2010 darauf hingewiesen hatte, dass eine Zulassung der Beklagten zu 1 als Rechtsanwaltsgesellschaft wegen der in deren Satzung als Unternehmenszweck genannten Treuhandtätigkeiten nicht in Aussicht gestellt werden könne, ließ der Beklagte zu 2 die entsprechende Passage aus der Satzung der Beklagten zu 1 entfernen. Am 14. Dezember 2010 ließ die Klägerin die Beklagte zu 1 trotz bereits geäußerter Bedenken gegen die Zulässigkeit ihrer Firma als Rechtsanwaltsgesellschaft zu.

Die Beklagte zu 1 verwaltet treuhänderisch ungefähr 17.000 Fondsbeteiligungen für elf Publikums-Kommanditgesellschaften.

Die Klägerin hält die von der Beklagten zu 1 verwendete Firma für irreführend und unzulässig, weil eine Treuhandtätigkeit nicht Unternehmensgegenstand einer Rechtsanwaltsgesellschaft sein dürfe.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten unter Androhung bestimmter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für eine Rechtsanwaltsgesellschaft die Firma ESCRO Treuhandgesellschaft mbH Rechtsanwaltsgesellschaft zu führen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat die Klage als unbegründet angesehen, weil der Verkehr durch die beanstandete Firmierung nicht irregeführt werde und diese nicht gegen berufsrechtliche Bestimmungen verstoße. Dazu hat es ausgeführt:

Der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch zu. Die Gefahr einer Irreführung des Verkehrs über den tatsächlichen Unternehmensgegenstand der Beklagten zu 1 durch Verwendung des Firmenbestandteils "Treuhandgesellschaft" bestehe nicht. Dieser Firmenbestandteil sei objektiv zutreffend. Die angegriffene Firmierung rufe beim Verkehr auch nicht die Vorstellung hervor, die Treuhandtätigkeit sei der eigentliche Gegenstand der Tätigkeit der Beklagten zu 1. Ein Verbot komme nicht deshalb in Betracht, weil der Beklagten zu 1 als Rechtsanwaltsgesellschaft eine schwerpunktmäßige Treuhändertätigkeit nach § 59c Abs. 1 BRAO nicht gestattet sei. Die Treuhändertätigkeit zähle typischerweise zum Berufsbild der Rechtsanwälte.

II. Das gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsmittel der Klägerin ist nicht begründet. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, ein Unterlassungsanspruch der Klägerin nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2 UWG in Verbindung mit §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG sowie nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG wegen eines Verstoßes gegen §§ 43b, 59c Abs. 1, § 59k Abs. 1 BRAO, § 6 Abs. 1 BORA sei nicht gegeben, hält im Ergebnis den Angriffen der Revision stand.

1. Das Berufungsgericht hat die Unterlassungsklage, die die Klägerin auf mehrere rechtliche Aspekte gestützt hat, zu Recht als zulässig angesehen, ohne dass die Klägerin eine Prüfungsreihenfolge vorgegeben hat. Es liegt nur ein prozessualer Anspruch (Streitgegenstand) vor. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. nur BGH, Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 Rn. 18 - Biomineralwasser). Zu dem Lebenssachverhalt, der die Grundlage für die Bestimmung des Streitgegenstands bildet, rechnen alle Tatsachen, die bei einer natürlichen Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören (BGHZ 194, 314 Rn. 19 - Biomineralwasser). Ob der vorgetragene Lebenssachverhalt die Voraussetzungen mehrerer Verbotsnormen erfüllt, ist für die Frage, ob mehrere Streitgegenstände vorliegen, ohne Bedeutung. Die rechtliche Würdigung der beanstandeten konkreten Verletzungshandlung ist allein Sache des Gerichts (vgl. nur BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - I ZR 157/10, GRUR 2012, 184 Rn. 15 = WRP 2012, 194 - Branchenbuch Berg; Urteil vom 16. Mai 2013 - I ZR 175/12, GRUR 2014, 91 Rn. 15 = WRP 2014, 61 - Treuepunkte-Aktion).

2. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen auf Unterlassung der von der Beklagten zu 1 verwendeten Firmierung gerichteten Anspruch der Klägerin nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2 UWG verneint.

a) Der Klägerin steht ein solcher Anspruch unter dem Gesichtspunkt einer Irreführung des Verkehrs über den tatsächlichen Unternehmensgegenstand der Beklagten zu 1 durch Verwendung des Firmenbestandteils "Treuhandgesellschaft" nach §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG nicht zu.

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, der von der Beklagten zu 1 verwendete Firmenbestandteil "Treuhandgesellschaft" sei mit Blick auf die tatsächliche Tätigkeit der Beklagten zu 1 objektiv zutreffend. Der Begriff "Treuhandgesellschaft" weise auf eine Besorgung fremder Vermögensangelegenheiten im eigenen Namen hin. Die Beklagte zu 1 verwalte rund 17.000 Fondsbeteiligungen für elf Publikumsgesellschaften. Sie betätige sich deshalb in nennenswertem Umfang als Treuhänderin. Gegen diese Beurteilung, die Rechtsfehler nicht erkennen lässt, wendet sich die Revision nicht.

bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Begriff "Treuhandgesellschaft" erzeuge beim Verkehr nicht die unrichtige Vorstellung, die Treuhandtätigkeit sei der Schwerpunkt der Tätigkeit der Beklagten zu 1 oder ihre einzige Tätigkeit. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

(1) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, gegen eine solche Verkehrsauffassung spreche, dass die Firma der Beklagten zu 1 auch die Bezeichnung "Rechtsanwaltsgesellschaft" enthalte. Ihrer prominenten Platzierung am Ende der Firmierung entnehme der Verkehr den Hinweis, dass es sich nicht um eine reine Treuhandgesellschaft, sondern auch um eine Rechtsanwaltsgesellschaft handele. Der Verkehr messe der Bezeichnung "Rechtsanwaltsgesellschaft" nicht deshalb eine geringere Bedeutung für die Bezeichnung des Unternehmensgegenstandes bei, weil diese Angabe nach § 59k BRAO gesetzlich geboten sei. Es sei nicht davon auszugehen, dass der angesprochene Verkehr diese Regelung kenne. Daran ändere auch die Bezeichnung "ESCRO" nichts. Möglicherweise habe das englische Wort "escrow" (in deutscher Übersetzung: Treuhandkonto, Treuhandvertrag) die Firmenwahl beeinflusst und den Bestandteil "Treuhandgesellschaft" verstärken sollen. Der angesprochene Verkehr werde die Bezeichnung "ESCRO" dennoch als Phantasiewort einordnen, weil das englische Wort "escrow" auch mit der englischen Sprache gut vertrauten Mitgliedern des angesprochenen Verkehrs kaum geläufig sei.

(2) Diese vom Berufungsgericht zur Verkehrsauffassung und zum Fehlen einer Irreführung getroffenen Feststellungen liegen im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Sie können im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht bei seiner Würdigung gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. September 2013 - I ZR 89/12, GRUR 2013, 1254 Rn. 16 = WRP 2013, 1596 - Matratzen Factory Outlet; Urteil vom 6. November 2013 - I ZR 104/12, GRUR 2014, 88 Rn. 31 = WRP 2014, 57 - Vermittlung von Netto-Policen, jeweils mwN; Urteil vom 12. Februar 2015 - I ZR 36/11, GRUR 2015, 403 Rn. 21 = WRP 2015, 444 - Monsterbacke II). Ein solcher Rechtsfehler ist nicht erkennbar und wird von der Revision auch nicht geltend gemacht.

cc) Die Firmenbezeichnung der Beklagten zu 1 kann nicht deshalb als irreführend angesehen werden, weil die Treuhandtätigkeit als Unternehmenszweck aus der Satzung der Beklagten zu 1 entfernt worden ist.

(1) Allerdings trifft die Rüge der Revision zu, dass die Klägerin die Firma der Beklagten zu 1 mit dieser Begründung als irreführend beanstandet hat und dass das Berufungsurteil hierzu keine Ausführungen enthält.

(2) Dies verhilft der Revision jedoch nicht zum Erfolg. Aus den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zum Umfang der von der Beklagten zu 1 tatsächlich entfalteten Treuhandtätigkeit ergibt sich ohne weiteres, dass auch insoweit keine Irreführung des angesprochenen Verkehrs vorliegt. Es ist nicht ersichtlich und wird von der Revision nicht dargelegt, dass ein die Unternehmenstätigkeit beschreibender Bestandteil der Firma einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bei den beteiligten Verkehrskreisen eine Vorstellung über den Inhalt der gesellschaftsvertraglichen Regelungen der Gesellschaft hervorruft. Macht sich der angesprochene Verkehr über die Regelungen des Gesellschaftsvertrags keine Gedanken, kann er in diesem Punkt keiner Fehlvorstellung erliegen.

(3) Soweit die Revision geltend macht, die Beklagte zu 1 hebe im Briefkopf der von ihr verwandten Schreiben den Firmenbestandteil "ESCRO Treuhandgesellschaft" hervor, ist dies für den Streitfall nicht entscheidungserheblich. Streitgegenstand ist nicht die Verwendung des Briefkopfs der Beklagten zu 1 in einer bestimmten Ausgestaltung, sondern das Führen der Firma "ESCRO Treuhandgesellschaft mbH Rechtsanwaltsgesellschaft". Auf den Vortrag der Beklagten, die Beklagte zu 1 verwende den von der Klägerin beanstandeten Briefkopf nicht im geschäftlichen Verkehr, kommt es deshalb nicht an.

b) Der von der Klägerin gegen die Beklagten geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist nicht unter dem Gesichtspunkt der Angabe eines berufsrechtlich unzulässigen Unternehmensgegenstands in der Firmierung der Beklagten zu 1 begründet. Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich weder aus § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG noch aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit §§ 43b, 59c Abs. 1, § 59k Abs. 1 BRAO, § 6 Abs. 1 BORA. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, die Tätigkeit einer Rechtsanwaltsgesellschaft als Treuhänderin sei nicht nach § 59c BRAO unzulässig. Deshalb dürfe die Bezeichnung "Treuhandgesellschaft" in deren Unternehmensbezeichnung genannt werden.

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, eine gesetzliche Regelung, nach der Rechtsanwälten oder Rechtsanwaltsgesellschaften Treuhandtätigkeiten verboten seien, bestehe nicht. Die Treuhandtätigkeit zähle typischerweise zum Berufsbild des Rechtsanwalts. Bei der Abwicklung von Kapitalanlageverträgen würden Rechtsanwälte häufig als Treuhänder eingeschaltet. Nach § 80 Abs. 3 des am 22. Juli 2013 in Kraft getretenen Kapitalanlagegesetzbuches seien Rechtsanwälte für die von der Beklagten zu 1 betriebene Tätigkeit als Verwahrstelle für geschlossene alternative Investmentfonds als Treuhänder vorgesehen. Die Tätigkeit von Rechtsanwälten als Treuhänder könne eine Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten darstellen. Selbst wenn das zulässige Tätigkeitsfeld von Rechtsanwaltsgesellschaften auf die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten beschränkt sei, könne die Tätigkeit von Rechtsanwaltsgesellschaften als Treuhänder deshalb nicht als unzulässig bewertet werden. Die Klägerin habe nicht behauptet, dass die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten bei der Treuhandtätigkeit der Beklagten zu 1 keine Rolle spielten und ausschließlich auf die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange beschränkt seien.

bb) Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, die von der Beklagten zu 1 ausgeübte Treuhandtätigkeit könne gemäß § 59c Abs. 1 BRAO Unternehmensgegenstand einer Rechtsanwaltsgesellschaft sein.

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein im Rahmen eines Kapitalanlagemodells geschlossener Treuhandvertrag vom Rechtsberatungsgesetz (nunmehr: Rechtsdienstleistungsgesetz) erfasst werden, wenn der Treuhänder nach dem Vertrag nicht nur die wirtschaftlichen Belange des Anlegers wahrzunehmen, sondern dessen Rechte zu verwirklichen oder dessen Rechtsverhältnisse zu gestalten, insbesondere in dessen Namen die erforderlichen Verträge abzuschließen hat (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2000 - IX ZR 279/99, BGHZ 145, 265, 269 ff.; Urteil vom 18. September 2001 - XI ZR 321/00, NJW 2001, 3774, 3775; Urteil vom 14. Juni 2004 - II ZR 393/02, NJW 2004, 2736, 2737; Urteil vom 8. Mai 2006 - II ZR 123/05, NJW-RR 2006, 1182 Rn. 9). Nicht jeder im Rahmen eines Kapitalanlagemodells geschlossene Treuhandvertrag hat jedoch rechtsberatende Tätigkeiten zum Gegenstand. Vielmehr ist es möglich, dass der Treuhänder keine Verträge abzuschließen hat und auch das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung nur unter engen Voraussetzungen ausüben darf. In einem solchen Fall ist die vom Treuhänder geschuldete Tätigkeit keine Rechtsbesorgung (BGH, NJW-RR 2006, 1182 Rn. 9).

(2) Das Berufungsgericht hat die Treuhandtätigkeit der Beklagten zu 1 als Tätigkeit im Rahmen der Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten bewertet und deshalb einen Verstoß gegen § 59c Abs. 1 BRAO verneint. Damit hat es den Vortrag der Klägerin zwar nicht ausgeschöpft. Die Klägerin hat ihr Klagebegehren vorrangig damit begründet, dass eine im Rahmen von Publikumsgesellschaften erbrachte Treuhandtätigkeit gerade nicht als Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten angesehen werden kann. Es gab für das Berufungsgericht angesichts der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgenommenen differenzierten Betrachtung der Treuhänderstellung in Publikumsgesellschaften auch Anhaltspunkte dafür, dass diese Sichtweise der Klägerin im Einzelfall zutreffen kann. Die Auffassung des Berufungsgerichts erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig.

(3) Sollte die Beklagte zu 1 im Rahmen ihrer Treuhandtätigkeit die Rechte der Treugeber ausüben oder deren Rechtsverhältnisse gestalten, wäre diese Tätigkeit als Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten und damit nach § 59c Abs. 1 BRAO als zulässig anzusehen. Hiervon ist das Berufungsgericht ausgegangen, ohne dass die Revision dagegen Rügen erhoben hat.

(4) Auch wenn die Beklagte zu 1 nur die wirtschaftlichen Belange ihrer Treugeber wahrnehmen und in dieser Weise nicht rechtsberatend, sondern gewerblich tätig werden würde, wäre ihr diese Tätigkeit nach § 59c Abs. 1 BRAO nicht verboten.

Die gesetzliche Regelung sieht als Unternehmensgegenstand von Rechtsanwaltsgesellschaften die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten vor. Eine Treuhandtätigkeit wird als möglicher Unternehmensgegenstand einer Rechtsanwaltsgesellschaft nicht erwähnt (zur Frage, ob der in § 59c Abs. 1 BRAO vorgegebene Unternehmensgegenstand von Rechtsanwaltsgesellschaften über die Rechtsberatung hinaus erweitert werden kann, vgl. Brüggemann in Feuerich/Weyland/Vossebürger/Böhnlein/Brüggemann, BRAO, 8. Aufl., § 59c Rn. 3; Bormann in Gaier/Wolf/Göcken/Bormann, Anwaltliches Berufsrecht, § 59c BRAO Rn. 27; Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 59c Rn. 7; Hartung, BRAO, 5. Aufl., § 59c Rn. 4; Zuck, MDR 1998, 1317, 1318; Römermann, GmbHR 1999, 1175, 1177). Dennoch kann eine Treuhandtätigkeit Unternehmensgegenstand einer Rechtsanwaltsgesellschaft sein. Die Bundesrechtsanwaltsordnung enthält - anders als das Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 3, § 27 Abs. 2 WPO) und das Steuerberatungsgesetz (§ 57 Abs. 3 Nr. 2 in Verbindung mit § 72 StBerG) - keine besondere gesetzliche Regelung, die Rechtsanwälten eine Treuhandtätigkeit gestattet. Dies ist jedoch nicht erforderlich. Die Treuhandtätigkeit gehört seit jeher zum Berufsbild der Rechtsanwälte (BGH, Beschluss vom 4. März 1985 - AnwZ (B) 43/84, BGHZ 94, 65, 70; Urteil vom 9. November 1992 - II ZR 141/91, BGHZ 120, 157, 159; vgl. auch Urteil vom 18. Juli 2011 - AnwZ (BrfG) 18/10, NJW 2011, 3036 Rn. 8 bis 10; Beschluss vom 15. Juli 2014 - II ZB 2/13, BGHZ 202, 92 Rn. 21). Sie kann daher von Rechtsanwälten auch ohne eine entsprechende ausdrückliche gesetzliche Gestattung im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit ausgeübt werden. Das Berufsbild eines Rechtsanwalts, der Treuhandtätigkeiten ausführt, liegt im Übrigen dem Erwägungsgrund 34 der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds zugrunde, die der deutsche Gesetzgeber mit dem Kapitalanlagegesetzbuch (dort § 80 Abs. 3) umgesetzt hat. Da den Rechtsanwälten eine freiberufliche oder gewerbliche Treuhandtätigkeit gestattet ist, kann jedenfalls eine untergeordnete Treuhandtätigkeit auch Unternehmensgegenstand einer Rechtsanwaltsgesellschaft sein.

(5) Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob eine Treuhandtätigkeit ohne jegliche Einschränkung, das heißt auch eine solche Treuhandtätigkeit, die gegenüber der Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten im Vordergrund steht, mit Blick auf die Unabhängigkeit der Rechtsanwaltschaft zulässig wäre, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden (vgl. hierzu BGH, NJW 2011, 3036 Rn. 22). Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin spielt die Treuhandtätigkeit bei der Beklagten zu 1 nur eine untergeordnete Rolle. Nichts Gegenteiliges ergibt sich daraus, dass die Beklagte zu 1 eine Vielzahl von Fondsbeteiligungen verwaltet. Aus der Anzahl der verwalteten Beteiligungen kann weder auf den Umfang der hierfür erforderlichen Tätigkeit der Beklagten zu 1 noch darauf geschlossen werden, dass die rechtsberatende Tätigkeit gegenüber der Treuhandtätigkeit nur eine untergeordnete Bedeutung haben kann.

III. Die Revision der Klägerin ist somit zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher Schaffert Kirchhoff Schwonke Feddersen Vorinstanzen:

LG München I, Entscheidung vom 26.02.2013 - 33 O 5440/12 -

OLG München, Entscheidung vom 14.11.2013 - 29 U 1315/13 -






BGH:
Urteil v. 30.07.2015
Az: I ZR 18/14


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