Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 5. Juni 2008
Aktenzeichen: 7 U 4388/07
(OLG München: Beschluss v. 05.06.2008, Az.: 7 U 4388/07)
Gründe
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
II. Hierzu wird bis zum 30.06.2008 Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
Die Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung auf noch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils kann Bezug genommen werden. Ergänzend ist zu den vorgebrachten Berufungsgründen folgendes anzumerken:
Das Landgericht hat den Beratungsvertrag vom 22.05.1999 zu Recht gemäß § 113 AktG, 134 BGB als nichtig angesehen.
1. Die nach § 113 Abs. 1 Satz 1 AktG erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung zu diesem Vertrag ist unstreitig nicht erteilt worden. Es kann offen bleiben, ob die Zustimmung des Aufsichtrats vorliegt. Denn der mit dem als Aufsichtsrat der E€@com AG berufenen Beklagten geschlossene Vertrag ist bereits aufgrund des vereinbarten Inhalts nichtig.
62. Nach § 114 AktG zulässig sind nur Verträge über Dienst- oder Werkleistungen, die nicht in den Aufgabenbereich des Aufsichtsrats fallen. Um Umgehungen des § 113 AktG zu verhindern, muss der Beratungsvertrag eindeutige Feststellungen darüber ermöglichen, ob die zu erbringende Leistung außer- oder innerhalb des organschaftlichen Pflichtenkreises des Aufsichtsratsmitglieds liegt und ob der Vertrag darüber hinaus keine verdeckten Sonderzuwendungen € etwa in Form einer überhöhten Vergütung € enthält. Dazu gehört, dass die speziellen Beratungsgegenstände und das dafür zu entrichtende Entgelt so konkret bezeichnet werden, dass sich der Aufsichtsrat ein eigenständiges Urteil über die Art und den Umfang der Leistung sowie über die Höhe und die Angemessenheit der Vergütung bilden kann. Verträge, die diese Anforderungen nicht erfüllen, sind nicht nach § 114 Abs. 1 AktG genehmigungsfähig, sondern nichtig (vgl. BGH NJW 2007, 298). Im vorliegenden Fall erfüllt der Vertrag vom 22.5.1999 schon aufgrund seiner Ausgestaltung und seines Regelungsinhalts diese Anforderungen nicht.
7Der Vertrag vom 22.05.1999 lässt eine konkrete Zuordnung der Aufgaben des Beklagten im Rahmen seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat und der sonstigen Beratungstätigkeiten nicht zu. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach § 111 Abs. 1 AktG der Aufsichtsrat die Geschäftsführung zu überwachen hat, wobei die Überwachungspflicht sowohl die vergangenheitsbezogene Kontrolle der vom Vorstand bereits entfalteten Tätigkeit als auch eine in die Zukunft hinein wirkende Überwachungsfunktion hat, in dem der Aufsichtsrat durch Beratung mit dem Vorstand auf die künftige Geschäftspolitik Einfluss nimmt und in diesem Sinne an der Leitungsaufgabe des Vorstandes teilnimmt (vgl. Hüffer AktG, 6. Aufl., § 111 Rn. 4 und 5). Der Vertrag vom 22.05.1999 lässt eine Trennung der Tätigkeiten, die der Beklagte aufgrund seiner Organstellung als Aufsichtsrat gegenüber der Insolvenzschuldnerin schuldet und denjenigen Tätigkeiten, die er außerhalb des organschaftlichen Pflichtenkreises erbringen soll, nicht erkennen. So ist in § 1 des Beratungsvertrages aufgeführt, dass der Beklagte der Gesellschaft beratend zur Verfügung steht, wobei sich die Beratungstätigkeit insbesondere auf die technischen Konzeption und Planung der Software-Infrastruktur und der notwendigen Geräte- und Kommunikationstechnik bezieht, er Kontakt zu den einschlägigen Forschungsaktivitäten der Technischen Universität hält und ferner die Aufgabe der Vorbereitung und Installation einschlägiger Forschungs- und Entwicklungsvorhaben in Kooperation mit Forschungseinrichtungen, insbesondere der Technischen Universität, sowie die Initiierung und Pflege der Verbindung zum Deutschen Forschungsnetz e.V. wahrnimmt, bei dem er die Interessen der Insolvenzschuldner in der Mitgliederversammlung vertreten sollte. Diese Aufgabenbeschreibung in § 1 des Vertrages lässt eine exakte Trennung der Aufgaben, die ein Aufsichtsrat im Rahmen der Beratung des Vorstands im Hinblick auf die künftige Geschäftspolitik zu leisten hat und sonstigen Tätigkeiten des operativen Geschäfts nicht erkennen. Weder der Beratungsumfang, der nach § 3 des Vertrages mit 4 bis 9 Tagen pro Monat im Durchschnitt angesetzt ist, noch die Regelung des Honorars in § 4 des Vertrages von pauschal 15.000 DM monatlich lassen eine weitere Zuordnung von Tätigkeiten des Aufsichtsrats und sonstigen Tätigkeiten zu. Damit ist der Beratungsvertrag vom 22.05.1999 nach §§ 113 AktG, 134 BGB nichtig.
Dass der Beklagte seine ausgeübte Tätigkeit dahin beschreibt, dass der Aufbau der Software-Infrastruktur und der notwendigen Geräte- und Kommunikationstechnik das Ergebnis seiner Konzeption sowie seiner Planung gewesen sei, ändert an der nicht ausreichenden Trennung von Aufgaben des Aufsichtsrats und sonstiger Leistungen im Beratungsvertrag nichts.
93. Die Nichtigkeit des abgeschlossenen Beratungsvertrages ergibt sich auch aus dem Verstoß gegen die aktienrechtliche Aufgabenverteilung. Nach § 76 Abs. 1 AktG hat der Vorstand unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten. Der Aufsichtsrat hat nach § 111 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung zu überwachen. Die Beratungstätigkeit sollte sich nach § 1 Satz 2 des Vertrages insbesondere auf die technische Konzeption und Planung der Software-Infrastruktur und der notwendigen Geräte- und Kommunikationstechnik beziehen. Hierzu hat der Beklagte vorgetragen, dass er die technischen Grundlagen für den Betrieb des geplanten deutschlandweiten Glasfaser-Verbindungsnetzes, die Zusammenschaltung mit dem Telekommunikationsnetz der D. Telekom, geplant fortgeführt habe. Dabei habe bei einem geplanten Investitionsvolumen in der Anlaufphase von mehr als 10 Mio. Euro der Aufbau des operativen Geschäftsbetriebes der E€@com AG mindestens zur Hälfte an ihm gehangen, wobei die Insolvenzschuldnerin auf ihn um so mehr angewiesen gewesen sei, als der Technik-Vorstand, Prof. Dr. W., aufgrund seiner Professur nur halbtags zur Verfügung habe stehen können (Bl. 48 d. A.). Aus diesem Vortrag des Beklagten ergibt sich, dass das in dem Beratungsvertrag vereinbarte Honorar von monatlich 15.000 DM u. a. für die nicht nur unerhebliche aktive Mitwirkung beim Aufbau des operativen Geschäftsbetriebes der E€@com AG dienen sollte und damit eine dem Aktiengesetz widersprechende Aufgabenzuweisung vorgesehen war. Denn der Vorstand hat das operative Geschäft durchzuführen, der Aufsichtrat hat den Vorstand zu überwachen. Die Verlagerung wesentlicher Vorstandsaufgaben der Geschäftsführung über einen Beratervertrag auf den Aufsichtrat, wie sie in dem Vertrag vorgenommen und nach den Angaben des Beklagten auch praktiziert worden ist, steht nicht im Einklang mit dessen Überwachungsfunktion gemäß § 111 Abs. 1 AktG. Sie führt zu einer Interessenkollision und als Folge zur Nichtigkeit des Vertrages.
4. Der Beklagte hat die Voraussetzungen eines etwaigen Anspruchs nach § 114 Abs. 2 Satz 2 AktG nicht dargetan.
Der Senat rät an zu prüfen, ob die Berufung zur Meidung weiterer Kosten zurückgenommen werden soll.
OLG München:
Beschluss v. 05.06.2008
Az: 7 U 4388/07
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