Oberlandesgericht Stuttgart:
Urteil vom 18. Dezember 2008
Aktenzeichen: 2 U 53/08

(OLG Stuttgart: Urteil v. 18.12.2008, Az.: 2 U 53/08)

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Vorsitzenden der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ravensburg vom 13.06.2008 wird

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung wegen der Hauptsache durch Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 EUR, wegen der Kosten in Höhe von 110 % des insoweit vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 250.000,00 EUR

Gründe

I.

Die Berufung ist zulässig, sie hat der Sache nach keinen Erfolg.

A

Zum einen wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Zusammenfassend und ergänzend:

Die Klägerin sieht im stattgehabten Vertrieb des Pflanzenschutzmittelzusatzstoffes RC-Netzmittel einen Verstoß gegen §§ 2 Ziff. 13, 31 c Abs. 1 PflSchG i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, was den geltend gemachten Unterlassungsanspruch rechtfertige.

Die Klägerin ist ein agrochemisches Großunternehmen und vertreibt neben Pflanzenschutzmitteln auch Zusatzstoffe im Sinne des § 31 c Abs. 1 PflSchG, jedoch keine Netzmittel. Ein Netzmittel ist ebenfalls ein Zusatzstoff. Dieser hat keine eigene pflanzenschützende Wirkung, sondern dient allein dazu, die Grenzflächenspannung zwischen einer festen Oberfläche (Blatt der Pflanze) und einer Flüssigkeit (Pflanzenschutzmittel) herabzusetzen. Hierdurch fließt Wasser leichter ab anstatt Tropfen zu bilden (Bl. 70). Damit wird die Haftung des Pflanzenschutzmittels auf der Pflanze erhöht und damit die Wirkung verbessert (Bl. 118).

Die Beklagte vertreibt ihrerseits Pflanzenschutzmittel und Zusatzstoffe.

Am 29.06.2006 bot sie einer Firma A. GmbH in B. das von ihr vertriebene RC-Netzmittel an (K 9, K 10) und hat jedenfalls zwischen April bis Juni 2006 (Bl. 182), im Jahr 2006 kurzzeitig (Bl. 45) mit RC-Netzmittel gehandelt (Bl. 45) und dieses in den Verkehr gebracht (Bl. 70).

Dieser Zusatzstoff ist aber nicht in der vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gemäß § 31 c Abs. 1 PflSchG geführten Liste (vgl. etwa K 8) aufgenommen noch aufgenommen gewesen. Gelistet ist dort aber der Pflanzenschutzzusatzstoff proagro Netzmittel (vgl. K 8) einer Firma P. GmbH.

Die Beklagte behauptet, dieses Produkt bei jenem Unternehmen erworben, es ins Ausland ausgeführt, dort die Umkartons der Kanister umetikettiert und stofflich unverändert, somit das Originalprodukt, wieder eingeführt zu haben.

Ob dieser tatsächliche Vorgang zutrifft und - selbst wenn - ob dadurch trotz formalen Defizits (keine Listung des Produkts unter RC-Netzmittel) das Netzmittel verkehrsfähig ist, ist der Kern des vorliegenden Streits.

Die Klägerin hat dafür gehalten,

dass durch Inkrafttreten des PflSchG vom 22.06.2006 zum 29.06.2006 dessen Änderung den vorliegenden Fall uneingeschränkt erfasse, wonach jedenfalls durch die Neueinfügung der §§ 16 c bis g einem Parallelvertrieb ohne eigene Verkehrsfähigkeitsbescheinigung eine Absage erteilt worden sei, was in Bezug auf Zusatzstoffe schon immer außer Zweifel gestanden habe. Nichts anderes gelte für den behaupteten, im Übrigen wegen der Umetikettierung gar nicht vorliegenden Fall eines Re-Imports.

Die Klägerin hat beantragt

[wie zugesprochen].

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ein Wettbewerbsverhältnis bestritten, da die Klägerin gerade keine Netzmittel in ihrem Sortiment führe, jedenfalls aber sei ein Altfall, also ein vor der Gültigkeit der bezeichneten Änderung des PflSchG stattgehabter Vorgang, betroffen, für den die BGH-Rechtsprechung (Stichwörter: Zulassungsnummer I bis III) bei Produktidentität freien Warenverkehr ohne eigene, damit weitere Zulassungspflicht für das parallelimportierte Pflanzenschutzmittel eröffnet habe. Diese Rechtsprechung gelte erst recht für die weit ungefährlicheren bloßen Zusatzstoffe und nicht minder für reine Re-Importe. Da § 31 c PflSchG nicht geändert worden sei, drücke sich darin auch der gesetzgeberische Wille aus, hinsichtlich Zusatzstoffen es bei der vom Europarecht vorgegebenen Erleichterung (keine eigene Listungspflicht bei Produktidentität als Verkehrsfähigkeitsvoraussetzung) zu belassen.

Das Landgericht sah im geänderten PflSchG ein geschlossenes Regelsystem, das wie beim Pflanzenschutzmittel ebenfalls bei Zusatzstoffen neben materiellen Anforderungen (Unschädlichkeit) auch die formelle Schranke (dort Verkehrsfähigkeitsbescheinigung, hier Listung) zur Voraussetzung der Verkehrsfähigkeit erhoben habe, woran es vorliegend fehle.

Es sprach deshalb aus:

1.Die Beklagte hat es zu unterlassen im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Zusatzstoffe für Pflanzenschutzmittel - insbesondere den von ihr unter der Bezeichnung RC-Netzmittel angebotenen Zusatzstoff - im Geltungsbereich des deutschen Pflanzenschutzgesetzes in Verkehr zu bringen, d.h. Zusatzstoffe anzubieten und/oder zur Abgabe vorrätig zu halten und/oder feil zu halten und/oder an andere abzugeben, soweit der jeweilige Zusatzstoff nicht in die Liste für Zusatzstoffe des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gemäß § 31 c Abs. 1 und 2 PflSchG aufgenommen worden ist.

2.[Ordnungsmittelandrohung].

Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten,

die unter vertiefender Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens an ihren Wertungen festhält.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 13.06.2008, Az. 8 O 114/07 KfH2, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt:

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 13. Juni 2007 - 8 O 114/07 KfH 2 - wird zurückgewiesen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie die Verhandlungsniederschriften verwiesen (§ 313 Abs. 2 S. 2 ZPO).B1.

Anders als die Klägerin mit ihren wiederholten Anträgen auf Einholung einer Auskunft des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit [BVL] (etwa Bl. 113; K 25 = Bl. 87 - Anl.), und es das Landgericht in seiner Verfügung vom 20.02.2008 (Bl. 97 unter IV.) noch zu erkennen gegeben hat, meint, kann die vorliegende Frage der Verkehrsfähigkeit des Beklagtenprodukts nicht durch eine Auskunft des BVL geklärt werden. Dass dessen Bescheid Bindungswirkung zukäme, ist gesetzlich nicht bestimmt und auch sonstigen Rechtsgrundsätzen nicht zu entnehmen. Dies wird schlagend darin deutlich, dass selbst ein Verwaltungsakt nicht per se binden würde, vielmehr seinerseits vor Gericht angefochten und in einem gerichtsförmigen Verfahren überprüft werden könnte. Die Rechtsfrage der Verkehrsfähigkeit hat das hier angerufene Gericht in eigener Verantwortung zu beantworten. Dies sieht trotz der Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 27.11.2008 das BVL in seinem von der Beklagten in Bezug genommenem Schreiben vom 07.03.2007 im Übrigen nicht anders, wenn es schließt mit: Insofern werden möglicherweise erst Gerichtsentscheidungen für die nötige Klarheit sorgen (Bl. 211).

2.

Dem geltend gemachten Anspruch steht nicht entgegen, dass es zwischen den Parteien an einem konkreten Wettbewerbsverhältnis im Sinne der §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG mangeln würde.

a) Ein solches ist anzunehmen, wenn die Beteiligten versuchen, gleichartige Dienstleistungen oder Waren innerhalb desselben Abnehmerkreises abzusetzen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten den Gegner beeinträchtigen, d.h. in seinem Absatz behindern oder stören kann (BGH NJW 2006, 3490, 3491 - Kontaktanzeigen; GRUR 2007, 1079 - [Tz. 22] - Bundesdruckerei). An dieses gesetzliche Merkmal sind keine hohen Anforderungen zu stellen (BGH GRUR 2004, 877 [juris Tz. 21] - Werbeblocker; Fezer in Fezer, UWG [2005], § 2, 99; Ernst in Ullmann in jurisPK-UWG [Stand: 28.07.2006], § 2, 22). Dabei genügt ein mittelbares Wettbewerbsverhältnis (BT-Drs. 15/1487 [S. 16] zu § 2, Nummer 3; so schon BGH GRUR 1999, 69 [juris Tz. 18] - Preisvergleichsliste II). Ausreichend ist eine mittelbare Absatzbehinderung (Fezer a.a.O. 104). So treten etwa die Vertreiber von Geräten mit Fernsehwerbeblockern, trotz Andersartigkeit der gewerblichen Leistung, mit einem werbefinanzierten Fernsehsender in ein konkretes Wettbewerbsverhältnis; denn eine geringe Anzahl von Werbezuschauern mindert aus der Sicht der Werbekunden die Attraktivität der vom Sender angebotenen Werbesendeplätze und kann daher dessen Absatz behindern (BGH a.a.O. [juris Tz. 22] - Werbeblocker; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl. [2008], § 2, 67).

b) Diese Beeinträchtigungswirkung kann vorliegend nicht fraglich sein. Die Produkte sind einander schon in hohem Maße angenähert und unterfallen deshalb einheitlich dem Gesetzesbegriff der Zusatzstoffe. Im Übrigen trägt die Beklagte selbst vor: Zudem kann es für einen Anbieter von Vorteil sein, sein Sortiment abzurunden und ein Vollsortiment anzubieten. Denn hierdurch können Kunden alle Produkte beziehen und müssen für einzelne Produkte nicht an andere Unternehmen und insbesondere Wettbewerber verwiesen werden (Bl. 91). Damit wird augenfällig, dass dieses Produkt als Hilfsstoff auch die Fähigkeit besitzt, die Kaufentscheidung hinsichtlich des Hauptproduktes im Sinne einer Paketlösung zu beeinflussen und damit selbst in Bezug auf Pflanzenschutzmittel den Absatz der Klägerin zu stören.

3.

Dem geltend gemachten Anspruch steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte dieses Produkt nur in einem behaupteten Testlauf als Nischenprodukt vertrieben, den Vertrieb aber längst eingestellt haben will. Denn allein durch die Aufgabe des rechtsverletzenden Verhaltens wird die Wiederholungsgefahr nicht ausgeräumt, solange damit nicht jede Wahrscheinlichkeit dafür beseitigt ist, dass der Verletzer erneut ähnliche Rechtsverletzungen begeht (BGH GRUR 2008, 996 [Tz. 33] - Clone-CD; 2008, 702 [Tz. 56] - Internet-Versteigerung III). Vorliegend besteht die behauptete Beendigung der angeblichen Rechtsverletzung allein in der Vertriebseinstellung. Eine Wiederaufnahme des Vertriebs ist aber ohne nennenswerten wirtschaftlichen Aufwand jederzeit möglich und noch weniger gehindert, als wäre ein ganzer Geschäftsbetrieb eingestellt.

4.

Auch kann dem Landgericht darin beigetreten werden, dass die Abgabe der Unterlassungserklärung (Bl. 47) durch die Beklagte kein erledigendes Ereignis geschaffen hat, womit dann die Vermutung der Wiederholungsgefahr entfallen wäre. Die durch einen bereits begangenen Verstoß begründete tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr kann regelmäßig nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden (herrschend, etwa BGH a.a.O. [Tz. 33] - Clone-CD). Daran fehlt es vorliegend. Die Beklagte hat sich trotz entsprechender Vorhalte (Bl. 61) nur auf die Abgabe einer nicht strafbewehrten Unterlassungserklärung beschränkt.

5.

Der auf Wiederholungsgefahr gestützte, in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch besteht nur, wenn das beanstandete Wettbewerbsverhalten der Beklagten zur Zeit der Begehung wettbewerbswidrig war und ein Anspruch auf der Grundlage der nunmehr geltenden Rechtslage noch gegeben ist (BGHZ 171, 73 [Tz. 12] - Außendienstmitarbeiter; GRUR 2007, 251 [Tz. 14] - Regenwaldprojekt II). Dagegen bestehen im Ergebnis keine durchgreifenden Bedenken. Denn die Handlung war zum Zeitpunkt ihrer Begehung (29.06.2006) bereits rechts- und wettbewerbswidrig gewesen, wie sich aus dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Pflanzenschutzgesetzes ergab, das auch insoweit heute unverändert gilt und damit die Rechtswidrigkeit des Beklagtenhandelns auch heute noch vorgibt.

a) So kann der Klägerin darin gefolgt werden, dass das Zweite Gesetz zur Änderung des Pflanzenschutzgesetzes vom 22.06.2006 nach seinem Art. 3 am Tag nach der Verkündung in Kraft getreten ist. Und die Verkündung erfolgte im BGBl I 2006 Nr. 26, ausgegeben zu Bonn am 28.6.2006. Damit war dieses Gesetz am Tag der behaupteten Verletzungshandlung (29.06.2006) gerade in Kraft und damit bereits für die Beklagte im Ansatz beachtlich.

b) Danach kann die Rechtswidrigkeit des Vertriebsverhaltens in Bezug auf den streitbetroffenen Zusatzstoff unmittelbar den insoweit bestehenden Vorschriften, aber auch verstärkend dem Gesetzgebungsgang und den Wertungen im Hinblick auf Pflanzenschutzmittel entnommen werden.

aa) § 11 Abs. 1 PflSchG gab in der Fassung vom 22.06.2006 - wie auch in seiner heutigen Fassung - vor, dass Pflanzenschutzmittel nur in den Verkehr gebracht oder eingeführt werden dürfen, wenn sie vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zugelassen sind. Als zugelassen gilt und galt ein Pflanzenschutzmittel aber auch, für das die Verkehrsfähigkeit nach § 16 c PflSchG festgestellt worden ist.bb)

(1) Die §§ 16 c bis g PflSchG waren neu eingefügt. Durch diese Gesetzesänderung wurde der sog. Parallelimport ausdrücklich geregelt. In § 16 c hieß/heißt es nun:

Verkehrsfähigkeitparallel eingeführter Pflanzenschutzmittel

(1) Ein Pflanzenschutzmittel, das in einem anderen Mitgliedsstaat oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen ist und mit einem in Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmittel übereinstimmt, darf nur eingeführt und in den Verkehr gebracht werden, wenn derjenige, der die Einfuhr oder das Inverkehrbringen vornehmen will, beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vor dem erstmaligen Inverkehrbringen die Feststellung der Verkehrsfähigkeit beantragt und das Bundesamt diese festgestellt hat. § 12 Abs. 2 gilt entsprechend.

Damit sollte dem Umstand abgeholfen werden, dass die fehlende gesetzliche Regelung ... in den letzten Jahren zunehmend zu Problemen geführt [hat] (BT-Drs. 16/645 [A]). Es ist erforderlich, ein Verfahren einzuführen, mit dem die Übereinstimmung derartiger Pflanzenschutzmittel mit einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Mittel vor der erstmaligen Einfuhr festgestellt wird (BT-Drs. a.a.O. [B]). Danach ist jeder, der ein solches Pflanzenschutzmittel einführen oder in den Verkehr bringen will, künftig verpflichtet, vor der erstmaligen Einfuhr dieses Mittels die Feststellung der Verkehrsfähigkeit des Mittels beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu beantragen. Diese wird festgestellt, wenn das Mittel den gleichen Wirkstoff in vergleichbarer Menge enthält und ansonsten in Zusammensetzung und Beschaffenheit übereinstimmt (BT-Drs. a.a.O. [S. 7] zu Nummer 6 [§§ 16 c bis 16 g]; vgl. auch VGH Baden-Württemberg U. v. 23.01.2007 - 4 S 1379/04 [juris Tz. 20 bis 22]; VG Köln U. v. 07.02.2008 - 13 K 197/07 [juris Tz. 20]; VG Braunschweig U. v. 30.09.2008 - 2 A 184/07 [juris Tz. 19 f]).

(2) § 16 g Nr. 10 PflSchG [2006] bestimmte allerdings

Dem § 45 werden folgende Absätze 12 und 13 angefügt(12) Die §§ 16 c bis 16 g sind erstmals ab dem 1. Januar 2007 anzuwenden.

Als Begründung wird insoweit angefügt:

Um einen sachgerechten Übergang zu gewährleisten, werden eine Frist von sechs Monaten für die Antragstellung und, soweit die Verkehrsfähigkeit bereits nach dem derzeitig praktizierten Verfahren festgestellt wurde, ein Inverkehrbringen von einem Jahr nach Inkrafttreten dieses Gesetzes eingeräumt (BT-Drs. a.a.O. [S. 7, zu Nummer 10 {§ 45}]).

(3) Danach ist ein Inverkehrbringen oder eine Einfuhr nur zulässig, wenn das Pflanzenschutzmittel entweder vom BVL zugelassen worden ist oder über eine Feststellung der Verkehrsfähigkeit verfügt (vgl. auch VGH Baden-Württemberg a.a.O. [juris Tz. 20]). § 16 g Nr. 10 PflSchG will dem Umstand Rechnung tragen, dass angesichts des kurzfristigen Inkrafttretens des Gesetzes eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung nicht schon erlangt sein kann. Diese durch die Übergangsregelung getroffene Lücke kann nach Sinn und Zweck der Übergangsvorschrift und angesichts der verschärften, formalisierten Anforderungen an das Inverkehrbringen insgesamt nach dem Verständnis des Senats nur dahin ausgelegt werden, dass - wenngleich, wie auch der Senat nicht verkennt, die Übergangsregelung solches nicht ausdrücklich besagt - ein Inverkehrbringen unter dem ergänzend geschaffenen Erlaubnistatbestand der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung nur zulässig sein konnte, wenn wenigstens in der Übergangszeit ein Antrag gestellt worden war. Dies ergibt sich aus der amtlichen Begründung, wonach eine [Übergangs-] Frist von sechs Monaten für die Antragstellung... eingeräumt worden ist. Es vertrüge sich schwerlich mit der klaren Intension des Gesetzes, nicht formalisiert erfasste Parallelimporte zu verbieten, wenn in der Übergangszeit die nach der BGH-Rechtsprechung insbesondere unter Zulassungsnummer III geschaffenen Erleichterungen fortgelten sollten, also der Markt für Pflanzenschutzmittel ohne Zulassung und ohne Verkehrsfähigkeitsbescheinigungen freigegeben werden sollte. Für die Richtigkeit dieser Sicht kann - nur flankierend, da indiziell - herangezogen werden, dass die auf diesem Gebiet auch rechtlich ersichtlich sehr beschlagene Beklagte einen Antrag veranlasst haben will und - wie sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als unstreitig ergeben hat - das BVL in dieser Übergangszeit mit Anträgen geradezu überschwemmt worden ist.

(4) Die Beklagte hat aber keinen Antrag gestellt oder stellen lassen. Dass sie damit die P. GmbH beauftragt haben will, ist schon deshalb unerheblich, da die Beklagte selbst vorträgt: Wie die Beklagte im Juni 2006 erfahren hat, hat es die P. GmbH unterlassen, für die Beklagte den Antrag beim BVL auf Aufnahme in die Liste zu stellen (Bl. 47). Maßgeblich ist aber das objektive Vorliegen eines Antrags. Störungen im Auftragsverhältnis gehen auch hier mit der Beklagten heim (arg. § 8 Abs. 2 UWG).

(5) Eine andere Sicht ist auch nicht deshalb geboten, weil die Gesetzesbegründung zu den §§ 16 c bis 16 d PflSchG die weitere Anmerkung enthält:

Für sogenannte Reimporte, d.h. Mittel, die selbst in Deutschland zugelassen sind, ist die Feststellung der Verkehrsfähigkeit nicht erforderlich (BT-Drs. a.a.O. [S. 7] zu Nummer 6).

Dabei kann offen bleiben, ob auch bei re-importierten Produkten nicht ihrerseits eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung oder Zulassung vorliegen muss oder ob diese nicht in der korrespondierenden Inlandszulassung/Bescheinigung bereits zu sehen sind (vgl. allg. zum insofern betroffenen Normensystem VGH Baden-Württemberg a.a.O. [Tz. 20], dort zum Parallelimport). Denn ein Re-Import liegt nicht vor. Die Beklagte trägt nämlich selbst vor, das Originalprodukt nicht nur umverpackt, sondern insbesondere umetikettiert, also auch mit einem neuen, gänzlichen anderen Produktnamen (von proagro-Netzmittel zu RC-Netzmittel) versehen zu haben. Jedenfalls Letzteres hebt den vom Gesetz nach den bezeichneten Materialien angesprochenen Sonderfall eines reinen Re-Imports, also die Aus- und Wiedereinfuhr des stofflich und namensidentischen Produktes, auf.

cc) Damit hätte es dem vorliegenden Produkt, wäre es Pflanzenschutzmittel, mangels Zulassung, Verkehrsfähigkeitsbescheinigung oder jedenfalls in der Übergangszeit gestellten Antrages insoweit an der Verkehrsfähigkeit gefehlt, womit ein Inverkehrbringen rechtswidrig gewesen wäre, weil nach der Gesetzesänderung die Beklagte sich jedenfalls nicht mehr auf die von ihr in Anspruch genommene, angeblich in den Entscheidungen BGH NJW 1995, 137 - Zulassungsnummer I; NJW-RR 1996, 419 - Zulassungsnummer II und GRUR 2003, 254 - Zulassungsnummer III angelegte Besserstellung hätte berufen können.

c) Nichts anderes gilt für die hier betroffenen Zusatzstoffe.

Dies ergibt sich aus der in der Parallelwertung zu Pflanzenschutzmitteln deutlich gewordenen grundsätzlichen Verschärfung des PflSchG, seiner Stringenz und normativen Geschlossenheit, die auch in Bezug auf den Regelungskreis: Zusatzstoffe diesem unmittelbar, bekräftigt durch die Parallelbetrachtung, entnommen werden kann.aa)

(1) § 31 c Abs. 1 PflSchG in der Fassung vom 22.06.2006 hat für Zusatzstoffe ein Inverkehrbringen nur erlaubt, wenn die Stoffe nicht nur die materiellen Voraussetzungen nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 erfüllen, sondern (kumulativ) auch in die Liste des BVL aufgenommen sind.

(2) Genau diesen Inhalt hatte die Norm auch während ihrer Geltungszeit vom 28.11.2003 bis 28.06.2006, also der Zeit vor der gesetzlichen Regelung des Parallelimports durch die §§ 16 c bis g PflSchG und danach während der Zeit der von der Beklagten beanspruchten Erleichterungen für das Inverkehrbringen durch die bezeichneten BGH-Entscheidungen Zulassungsnummer I bis III.

bb) § 31 c Abs. 1 PflSchG hat durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Pflanzenschutzgesetzes vom 22.06.2006 keine Änderung erfahren. Der von der Beklagten daran geknüpften Schlussfolgerung, in diesem Bereich würden danach, nachdem der Gesetzgeber nur den Rechtskreis des Pflanzenschutzmittels geregelt hat, die durch die genannten BGH-Entscheidungen angeblich geschaffenen Importerleichterungen fortgelten, vermag der Senat nicht zu folgen.

Wie aufgezeigt wollte der Gesetzgeber den Umgang mit parallel importierten Pflanzenschutzmitteln, deren fehlende gesetzliche Regelung zunehmend zu Problemen geführt habe, regeln (BT-Drs. 16/1645 [A]). Dies hat er - wie aufgezeigt - durch ein vereinfachtes, aber streng formalisiertes Verfahren getan. Er hat damit zum Ausdruck gebracht, dass jedenfalls ab nun kein Raum mehr für eine Erleichterung hinsichtlich der Verkehrsfähigkeit besteht, die sich aus der reinen Produktidentität ergeben haben soll. Danach ist jeder, - hinzuzufügen ist: der über keine Zulassung als höchste Verkehrsfreigabeform verfügt - der ein solches Pflanzenschutzmittel einführen und in den Verkehr bringen will, künftig verpflichtet, vor der erstmaligen Einfuhr dieses Mittels die Feststellung der Verkehrsfähigkeit des Mittels beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu beantragen (BT-Drs. a.a.O. [S. 7]). Damit hat der Gesetzgeber eine völlige Neuregelung des Parallelimports vorgenommen, Rechtswirkungen aus früherem Richterrecht beseitigt (vgl. insoweit auch OLG Köln GRUR 2005, 962, 964) und damit ein in sich geschlossenes und stimmiges Regelungssystem getroffen. Dass er § 31 c Abs. 1 PflSchG unangetastet gelassen hat, taugt nicht als Argument dafür, diesen Rechtskreis: Zusatzstoffe habe er ersichtlich weiterhin als Einfallstor für die richterrechtlich erarbeiteten Erleichterungen angesehen. Vielmehr fügt sich die Vorschrift des § 31 c Abs. 1 PflSchG bruchlos in das insgesamt formal ausgestaltete Marktregulierungsrecht ein. Gerade die Geschlossenheit des Systems machte eine Gesetzesänderung insofern oder eine ausdrückliche gesetzgeberische Erstreckung auch dieser Norm in das durchgängige Regelungssystem entbehrlich. Der Gesetzgeber hätte nur erklären können: Es bleibt jetzt erst recht beim Regelungssystem für Zusatzstoffe. Er hat, was beim Wertungsansatz der Beklagten nicht minder geboten gewesen wäre, für Zusatzstoffe gerade keine korrespondierende Übergangsfrist geschaffen. Der Gesetzgeber hat - wie aufgezeigt - ein durchgängiges, einheitliches Regelungssystem getroffen und vorgesetzlichen Erwägungen eine klare Absage erteilt. Insofern verfängt auch das Beklagtenargument nicht, die Zusatzstoffe enthielten, da sie nur die Eigenschaften oder Wirkungen von Pflanzenschutzmitteln veränderten, ein geringeres Gefährdungspotenzial für Mensch, Tier und Umwelt (§ 1 PflSchG) und erforderten deshalb auch nur ein abgesenktes Regulierungsinstrumentarium. Diesem Einwand der Beklagten ist auch, systemkonform, letztlich dadurch Rechnung getragen, dass beim Listungsverfahren Erleichterungen bestehen (vgl. § 31 Abs. 2 PflSchG i.V.m. § 3 b Abs. 2 PflSchMGV und § 31 a Abs. 2 und 3 PflSchG), es aber gleichwohl streng formalisiert bleibt.

An dieser maßgeblichen formalen Schranke hat es schon zu Zeiten des Inverkehrbringens gefehlt, sie ist auch nach der heute unverändert gültigen Rechtslage erforderlich, weshalb eine Verletzungshandlung vorgelegen hat.

6.

a) Die Zulassungsbestimmungen des PflSchG sind Marktverhaltensregeln im Sinn des § 4 Nr. 11 UWG (OLG Köln GRUR 2005, 962, 964; vgl. auch Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm a.a.O. § 4, 11.148 [dort zu §§ 11, 20 PflSchG]; Link in Ullmann a.a.O. [Stand: 28.07.2006], § 4 Nr. 11, 164).

b) Angesichts des Schutzgutes Gesundheit (§ 1 Nr. 4 PflSchG) handelt es sich auch nicht um einen bloßen Bagatellverstoß im Sinn des § 3 UWG (BGH GRUR 2008, 1014 [Tz. 34] - Amlodipin).

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 542, 543 i.V.m. § 3 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.






OLG Stuttgart:
Urteil v. 18.12.2008
Az: 2 U 53/08


Link zum Urteil:
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