Bundespatentgericht:
Urteil vom 8. Mai 2007
Aktenzeichen: 4 Ni 13/06

(BPatG: Urteil v. 08.05.2007, Az.: 4 Ni 13/06)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents DE 196 35 258 (Streitpatent), das am 30. August 1996 angemeldet worden ist. Das Streitpatent betrifft ein Bohr- und Fräswerk zum Verarbeiten von Werkstoffstangen und umfasst vier Patentansprüche, die insgesamt angegriffen sind. Anspruch 1 lautet ohne Bezugszeichen wie folgt:

Bohr- und Fräswerk zum Verarbeiten von Werkstoffstangen zu einzelnen Werkstücken, mit - einem Maschinenbett, das eine Längsrichtung und eine Querrichtung definiert,

- einem Fahrständer, der auf dem Maschinenbett längs und quer gesteuert verstellbar ist,

- zumindest einer Werkzeugspindel, die am Fahrständer entlang einer zur Längsrichtung und zur Querrichtung normalen Spindelachse gesteuert verstellbar ist,

- einem Werkstückträger, der eine Spannachse definiert, um diese Spannachse gesteuert dreheinstellbar ist und eine Spanneinrichtung enthält, durch die eine Werkstoffstange hindurchschiebbar ist, und in der die Werkstoffstange festspannbar ist, wobei ein vorderer Abschnitt der Werkstoffstange als zu bearbeitendes Werkstück im Arbeitsbereich der Werkzeugspindel angeordnet ist, und - einer Zuführeinrichtung zum Hindurchschieben der Werkstoffstange durch die Spanneinrichtung, dadurch gekennzeichnet, dass der Werkstückträger um eine zur Spannachse sowie zur Spindelachse normale Schwenkachse gesteuert in einem Bereich schwenkbar ist, der sich mindestens von einer Spindelachse normalen Lage der Spannachse bis zu einer zur Spindelachse parallelen Lage der Spannachse erstreckt.

Wegen der weiter angegriffenen und auf Anspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 4 wird auf die Streitpatentschrift 196 35 258 C1 Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Gegenstand des Streitpatents sei weder neu noch erfinderisch. Zur Begründung trägt sie vor, im Stand der Technik seien zum Anmeldezeitpunkt Bohr- und Fräswerke mit den Merkmalen des Patentgegenstands bereits bekannt gewesen. Hierzu beruft sie sich auf folgende Druckschriften und Dokumente:

A3 EP 0 368 996 B1 A4 AT 390 023 B A5 DE 38 24 602 A1 A6 EP 0 375 783 B1 A7 DE 689 26 780 T2 (deutsche Übersetzung von A6)

A8 US 4 868 969 A9 Kopie von Titelblatt, Impressum und S. 184-187 aus: Weck, Manfred, "Werkzeugmaschinen Fertigungssysteme 1 - Maschinenarten und Anwendungsbereiche", 5. Auflage, Springer-Verlag, 1998 Die Klägerin beantragt, das deutsche Patent 196 35 258 insgesamt für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin vollumfänglich entgegen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist nicht begründet, denn das Ergebnis der mündlichen Verhandlung hat zu keiner eindeutigen Feststellung im Sinne des Vorbringens der Klägerin geführt. Nachdem der Beklagten eine durch ein ordnungsgemäß erteiltes Patent erlangte Rechtsstellung nur dann genommen werden könnte, wenn feststünde, dass sie zu Unrecht erlangt wurde (vgl. BGH, GRUR 1991, 522, 523 m. w. N.), und der Senat die fehlende Patentfähigkeit des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht feststellen konnte, geht dies zu Lasten der Klägerin.

Die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 4 werden durch die Rückbeziehung mitgetragen, ohne dass es weiterer Feststellungen bedürfte (vgl. Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 84 Rdnr. 42 m. w. N.).

II.

1. Das Streitpatent betrifft ein Bohr- und Fräswerk zum Verarbeiten von Werkstoffstangen zu einzelnen Werkstücken. Nach der Patentbeschreibung sind derartige, im Stand der Technik bekannte Bohr- und Fräswerke dadurch gekennzeichnet, dass eine Bearbeitung der rückwärtigen Seite des Werkstücks erst nach dessen Abtrennung von der Werkstoffstange erfolgt. Dies setzt voraus, dass eine Abtrennung und Übergabe des Werkstücks von der Spanneinrichtung am Werkstückträger an das Spannfutter der Greif- und Schwenkeinrichtung erfolgen muss, wodurch sich eine vor der Übergabe noch realisierbare, hohe Bearbeitungsgenauigkeit nicht mehr erzielen lässt, da sich bei jeder Werkstückübergabe Ungenauigkeiten einschleichen können. Die Nachteile der nach dem Stand der Technik vorbekannten Bohr- und Fräswerke liegen also in der aus dieser Übergabe resultierenden verminderten Bearbeitungsgenauigkeit.

2. Demnach bezeichnet die Streitpatentschrift als zu lösendes technisches Problem die Schaffung eines Bohr- und Fräswerkes zum Verarbeiten von Werkstoffstangen zu einzelnen Werkstücken, bei dem die besonders vielseitige Bearbeitung des jeweils vordersten, noch mit der Werkstoffstange zusammenhängenden Werkstücks ermöglicht wird, um so die Bearbeitungsgenauigkeit zu steigern.

3. Patentanspruch 1 beschreibt demgemäß ein

(a) Bohr- und Fräswerk zum Verarbeiten von Werkstoffstangen zu einzelnen Werkstücken

(b) mit einem Maschinenbett, das eine Längsrichtung und eine Querrichtung definiert,

(c) mit einem Fahrständer, der auf dem Maschinenbett längs- und quergesteuert verstellbar ist,

(d) mit zumindest einer Werkzeugspindel, die am Fahrständer entlang einer zur Längsrichtung und zur Querrichtung normalen Spindelachse gesteuert verstellbar ist,

(e) mit einem Werkstückträger, der eine Spannachse definiert und um diese Spannachse gesteuert dreheinstellbar ist,

(f) der Werkstückträger enthält eine Spanneinrichtung, durch die eine Werkstoffstange hindurchschiebbar ist, und in der die Werkstoffstange festspannbar ist, wobei ein vorderer Abschnitt der Werkstoffstange als zu bearbeitendes Werkstück im Arbeitsbereich der Werkzeugspindel angeordnet ist,

(g) mit einer Zuführeinrichtung zum Hindurchschieben der Werkstoffstange durch die Spanneinrichtung,

(h) der Werkstückträger ist um eine zur Spannachse sowie zur Spindelachse normale Schwenkachse gesteuert in einem Bereich schwenkbar, der sich mindestens von einer zur Spindelachse normalen Lage der Spannachse bis zu einer zur Spindelachse parallelen Lage der Spannachse erstreckt.

Die Merkmale a, f und g legen für den Durchschnittsfachmann, einen Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit vertieften Kenntnissen in der Werkzeugmaschinentechnik, den Aufbau des patentgemäßen Bohr- und Fräswerks dahingehend fest, dass dieses für eine sogenannte Be- bzw. Verarbeitung "von der Stange" ausgebildet ist. Der Ausdruck "hindurchschieben" bestimmt die Ausgestaltung des Werkstückträgers in eindeutiger Weise dahingehend, dass er eine durchgehende Öffnung aufweisen muss, so dass eine Werkstoffstange von einer (rückwärtigen) auf die andere Seite geschoben werden kann. Die im Werkstückträger angeordnete Spanneinrichtung ermöglicht ein Festspannen, sobald ein vorderer Abschnitt der Werkstoffstange den Arbeitsbereich der Werkzeugspindel erreicht hat. Nach der Bearbeitung wird der vordere Abschnitt der Werkstoffstange von der Reststange abgetrennt, so dass auf diese Weise ein fertig bearbeitetes Werkstück "von der Stange" entsteht. Diese Vorgänge werden solange wiederholt, bis die gesamte Werkstoffreststange durch den Werkstückträger hindurchgeschoben und in mehrere einzelne Werkstücke verarbeitet worden ist.

Das Merkmal h legt fest, dass beim Streitpatentgegenstand der Werkstückträger, zusätzlich zu einer Schwenkung um die Spannachse (Merkmal e) um eine weitere (normal zur Spann- und Spindelachse gerichtete) Achse schwenkbar ist, und zwar beidseitig um mindestens 90¡. Durch die mehrfache Verwendung des bestimmten Artikels "der" in Bezug auf den Werkstückträger ist im Patentanspruch 1 eindeutig festgeschrieben, dass der Streitpatentgegenstand nur einen einzigen Werkstückträger aufweist, der entsprechend der im Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmale derart ausgebildet ist, dass durch ihn die Werkstoffstange hindurchschiebbar ist, der weiterhin die Spanneinrichtung für die Werkstoffstange aufweist und der zudem um zwei Achsen schwenkbar ist.

Durch diese konkret gegenständliche Ausgestaltung des Werkstückträgers ist es bei dem erfindungsgemäßen Bohr- und Fräswerk nach Spalte 1, Zeilen 53 bis Spalte 2, Zeilen 5 der Streitpatentschrift in Verbindung mit den anderen Merkmalen des Patentanspruchs 1 möglich, ein Werkstück in einer Einspannung nicht nur an seiner vorderen Stirnseite und an seinen (vier) Längsseiten zu bearbeiten, sondern weitgehend auch schon an seiner Rückseite, solange noch eine ausreichend starke Verbindung des Werkstücks mit dem Rest der Werkstoffstange besteht. Dies hat zur Folge, dass bei allen Arbeitsgängen, die von an der Werkzeugspindel befestigten Werkzeugen am Werkstück ausgeführt werden, grundsätzlich die gleiche hohe Genauigkeit erreichbar ist, unabhängig davon, welchen Winkel die Spindelachse mit der Spannachse einschließt.

Zum Schluss kann diese Verbindung von einem an der Werkzeugspindel befestigten Werkzeug durchtrennt werden - eine zusätzliche Säge ist nicht erforderlich.

4. Das aufgrund seiner Zweckbestimmung ohne Zweifel gewerblich anwendbare Fräsverfahren nach dem Patentanspruch 1 ist zulässig.

Die Zulässigkeit der Ansprüche wurde von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Die Merkmale der erteilten Patentansprüche 1 bis 4 sind auch nahezu wörtlich in den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 4 offenbart, so dass auch keine Zweifel an der Zulässigkeit bestehen.

5. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Erfindung des Streitpatents nach dem Patentanspruch 1 nicht neu ist.

Soweit die im geltend gemachten Stand der Technik gezeigten Bohr- und Fräswerke überhaupt eine Verarbeitung "von der Stange" (vgl. Ausführungen in Punkt 3) ermöglichen (vgl. EP 0 368 996 B1, AT 390 023 B und US 4 868 969), weisen diese grundsätzlich zwei getrennte Werkstückträger und zwei Spanneinrichtungen auf, währenddessen der Streitpatentgegenstand nur einen Werkstückträger mit einer Spanneinrichtung aufweist.

6. Die Klägerin vermochte den Senat auch nicht davon zu überzeugen, dass das Fräsverfahren nach dem Patentanspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Die EP 0 368 996 B1, die nach der Beschreibungseinleitung den Ausgangspunkt des Streitpatents bildet, zeigt (unstrittig) alle Merkmale des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 des Streitpatents (Merkmale a bis g gemäß Merkmalsgliederung), wodurch eine Verarbeitung "von der Stange" und eine Bearbeitung an den Umfangsseiten des Werkstücks möglich ist. Zum Bearbeiten der vorne liegenden Stirnseite der Werkstoffstange kann nach einem Ausführungsbeispiel gemäß Seite 4, Zeile 5ff. bei diesem bekannten Bohr- und Fräswerk ein Winkel-Bohr-Fräskopf verwendet werden. Zur Bearbeitung der sechsten Seite muss das Werkstück von der Stange abgetrennt werden und in eine zusätzlichen Greif- und Schwenkeinheit (44) übergeben werden. Zwar ist der Klägerin insofern zuzustimmen, dass diese zusätzliche Greif- und Schwenkeinheit (44) zweifelsfrei auch um zwei Achsen schwenkbar ist. Jedoch erfordert eine zusätzliche Greif- und Schwenkeinheit (44) mit einer (zusätzlichen) Spanneinrichtung, die für ein einzelnes Werkstück und nicht - wie beim Streitpatentgegenstand - für eine Werkstoffstange ausgebildet ist, einen zusätzlichen Übergabe-, Greif- und Spannvorgang. Gerade dies will jedoch die Patentinhaberin gemäß den Ausführungen in Spalte 1, Zeilen 37 bis 42 der Streitpatentschrift vermeiden, da jeder zusätzliche Übergabe-, Greif- und Spannvorgang die Bearbeitungsgenauigkeit verschlechtert. Daher kann die EP 0 368 996 B1 dem Fachmann keine Anregungen dahingehend geben, den (einzigen) Werkstückträger, der die Spanneinrichtung für die Werkstoffstange aufweist, um eine zur Spannachse sowie zur Spindelachse normale und somit weitere Schwenkachse gesteuert in einem Bereich schwenkbar auszugestalten, der sich mindestens von einer zur Spindelachse normalen Lage der Spannachse bis zu einer zur Spindelachse parallelen Lage der Spannachse erstreckt.

Die AT 390 023 B (Anlage A4) sowie die nahezu inhaltsgleiche US 4 868 969 (Anlage A8) zeigen gemäß Figur 2 (Horizontal-) Bohr- und Fräswerkzeugmaschinen zum Verarbeiten von Werkstoffstangen (6) zu einzelnen Werkstücken (10). Ein Fahrständer (25) ist auf einem Maschinenbett (43) längs- und quergesteuert (Kreuzschlitten 27) verstellbar. Eine Werkzeugspindel (23) ist am Fahrständer (25) entlang einer weiteren Raumachse und einer Schwenkachse (Figur 1) verstellbar. Zum Bearbeiten der vorne liegenden Stirnseite des Werkstücks ist hier gemäß Figur 4 ein Verschwenken der Werkzeugspindel (23) vorgesehen. Für das Bearbeiten der anderen (abgetrennten) Stirnseite muss auch hier (wie bei der EP 0 368 996 B1) das Werkstück von der Stange abgetrennt werden und in eine zusätzliche Greif- und Schwenkeinheit (Spindelstock 18 mit Spannvorrichtung 14) übergeben werden. Nichts anderes offenbart die US 4 868 969 (Anlage A8), wenngleich mit Figur 3 eine weitere, in der AT 390 023 B (Anlage A4) nicht enthaltene Ansicht der Bohr- und Fräswerkzeugmaschine gezeigt ist. Somit gehen weder die AT 390 023 B (Anlage A4) noch die US 4 868 969 (Anlage A8) über das hinaus, was bereits aus der oben genannten EP 0 368 996 B1 bekannt geworden ist. Auf entsprechende Ausführungen wird verwiesen. Auch die von der Klägerin vorgebrachte Sichtweise (vgl. Schriftsatz vom 5. April 2007, Seite 4 unten bis Seite 5 erster Absatz), wonach die zusätzliche Greif- und Schwenkeinheit (Spindelstock 18 mit Spannvorrichtung 14) für sich gesehen als ein Werkstückträger im Sinn des Streitpatents gesehen werden kann, der auch eine Werkstoffstange bearbeiten kann, trifft nicht zu. Denn auf Seite 6, Zeilen 2 bis 26 ist unmissverständlich beschrieben, dass das Werkstück (10) vom Ausgangsmaterial, der Profilstange (6) nach erfolgter Spannung durch eine zweite Spannvorrichtung (14) abgetrennt wird, um auch eine Bearbeitung des Werkstücks auf der sechsten Seite zu ermöglichen, wobei gemäß Zeile 16 die zweite Spannvorrichtung (14) keine Profilstange mehr spannt. Somit offenbart die AT 390 023 B (Anlage A4), wie eingangs beschrieben, eine Bohr- und Fräswerkzeugmaschine mit grundsätzlich zwei Werkstückträgern, die jeweils eigene Spanneinrichtungen aufweisen.

Bei dieser Sachlage kann es dahingestellt bleiben, ob die AT 390 023 B (Anlage A4) oder die US 4 868 969 (Anlage A8) das Merkmal d des Streitpatentgegenstandes aufweisen oder nahelegen, denn dies ist für die Entscheidung nicht mehr erheblich.

Die EP 0 375 783 B1 (Anlage A6) und die entsprechende deutsche Übersetzung DE 689 26 780 T2 (Anlage A7) zeigen Bearbeitungsmaschinen für Dreh- und Bohrbearbeitungen von rotationssymmetrischen Teilen, wobei gemäß Seite 10, Abs. 3 auch Fräsbearbeitungen möglich sind. Als Werkstückträger für das Werkstück W ist ein drehbarer Aufspannkopf (4) vorgesehen, der in X und Z-Achse verfahrbar ist. Als Werkstück W wird zwar auf Seite 8, Zeile 16 der Anlage A7 eine zylindrische Stange erwähnt. Jedoch ist dies keine Werkstoffstange im Sinne des Streitpatents, die durch die Spanneinrichtung (von hinten) hindurch schiebbar ist, so dass vorne einzelne (bearbeitete) Werkstücke abgetrennt werden können. Vielmehr zeigt die Figur 2 der EP 0 375 783 B1 (Anlage A6) bzw. der DE 689 26 780 T2 (Anlage A7), dass hier die gezeigte Spanneinrichtung ein Konusspannfutter (21) ist. Ein derartiges Konusspannfutter ist, wie die Querschnittabbildung in Figur 2 eindeutig beweist, nicht dazu geeignet, eine lange Werkstoffstange durch die Spanneinrichtung für eine Bearbeitung "von der Stange" im Sinne des Streitpatentgegenstandes hindurchzuschieben, weil es keine durchgehende Öffnung für das Durchschieben einer Werkstoffstange aufweist. Bei einem derartigen Konusspannfutter wird jeweils ein einzelnes zylindrisches Werkstück von der Vorderseite beispielsweise mittels Werkstückwechsler eingeschoben bzw. nach der Bearbeitung wieder entfernt. Daher offenbart diese Druckschrift die Bearbeitung von einzelnen zylindrischen Werkstücken und nicht das Verarbeiten von Werkstoffstangen zu einzelnen Werkstücken. Die EP 0 375 783 B1 (Anlage A6) und entsprechende deutsche Übersetzung DE 689 26 780 T2 (Anlage A7) können daher dem Fachmann keine Anregungen geben, ein Bohr- und Fräswerk mit einem Werkstückträger zu gestalten, durch den eine Werkstoffstange hindurchschiebbar ist und der dadurch eine Verarbeitung "von der Stange" ermöglicht.

Auch eine Zusammenschau von einzelnen, jeweils für sich den Patentgegenstand nicht nahe legenden Entgegenhaltungen A3, A4, A6, A7 und A8 kann den Fachmann nicht ohne erfinderische Tätigkeit zu dem Streitpatentgegenstand hinführen. Denn da keine der herangezogenen Druckschriften diesen besonderen, zum Hindurchschieben und Festspannen einer Werkstoffstange gestalteten Werkstückträger aufweist, der um eine zur Spannachse sowie zur Spindelachse normale und somit weitere Schwenkachse gesteuert in einem Bereich schwenkbar ist, der sich mindestens von einer zur Spindelachse normalen Lage der Spannachse bis zu einer zur Spindelachse parallelen Lage der Spannachse erstreckt, kann der Fachmann aus diesen Druckschriften auch keine Anregungen erhalten, ein Bohr- und Fräswerk mit einem derartigen Werkstückträger zu versehen. Nur durch diese Ausgestaltung des Werkstückträgers ist es erfindungsgemäß möglich, ein Werkstück in einer Einspannung nicht nur an seiner Vorderseite und an seinen (vier) Längsseiten zu bearbeiten, sondern weitgehend auch schon an seiner Rückseite, solange noch eine ausreichend starke Verbindung des Werkstücks mit dem Rest der Werkstoffstange besteht.

Die Textstelle aus dem Fachbuch "Werkzeugmaschinen Fertigungssysteme 1 - Maschinenarten und Anwendungsbereiche", liegt weiter ab vom Streitpatentgegenstand und wurde von der Klägerin lediglich bezüglich dem Merkmal d des Streitpatentgegenstandes genannt.

Die weitere im Verfahren befindlichen Druckschrift (DE 38 24 602 A1) ist in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin nicht mehr aufgegriffen worden. Die Überprüfung durch den Senat hat ergeben, dass sie weiter ab liegt und dem Gegenstand des Streitpatents nach Patentanspruch 1 nicht patenthindernd entgegensteht.

Der entgegengehaltene Stand der Technik konnte somit weder für sich genommen, noch in einer Zusammenschau betrachtet, einem Fachmann den Gegenstand nach dem Patentanspruch 1 nahe legen.

Der Patentanspruch 1 hat daher Bestand.

7. Nachdem der Patentanspruch 1 Bestand hat, sind die angegriffenen und auf diesen unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Ansprüche 2 bis 4 ebenfalls rechtsbeständig. Denn diese Patentansprüche bilden das Bohr- und Fräswerk nach Patentanspruch 1 vorteilhaft weiter und sind daher von diesem aufgrund ihrer Rückbeziehungen getragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.






BPatG:
Urteil v. 08.05.2007
Az: 4 Ni 13/06


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