Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. August 2004
Aktenzeichen: 33 W (pat) 445/02
(BPatG: Beschluss v. 10.08.2004, Az.: 33 W (pat) 445/02)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Gegen die Eintragung der Wortmarke 399 42 439 Zytosfür Kl. 1: chemische Erzeugnisse für gewerbliche und wissenschaftliche Zwecke;
Kl. 5: pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege;
Kl. 10: chirurgische, ärztliche, zahnärztliche und tierärztliche Instrumente und Apparateist Widerspruch erhoben worden aus der Wortmarke 2 088 863 Zytaxfür Kl. 5: pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich rezeptpflichtige Zytostatika.
Der Widerspruch richtet sich nur gegen folgende Waren der angegriffenen Marke:
"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege".
Mit Beschluss vom 2. August 2002 hat die Markenstelle für Klasse 1 durch ein Mitglied des Patentamts den Widerspruch zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle besteht zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr, obwohl unbedenklich von einer Warenidentität ausgegangen werden könne. Da sich die beiderseitigen Waren nicht nur an Fachkreise sondern auch an Endverbraucher wendeten, sei auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen, zumal dieser allen Waren, die einen gesundheitlichen Bezug aufwiesen, eine eher gesteigerte Aufmerksamkeit beimesse. Allerdings sei im Hinblick auf die Rezeptpflichtigkeit der Waren der Widerspruchsmarke vermehrt auf das Unterscheidungsvermögen der Fachkreise (Ärzte und Apotheker) abzustellen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei die Ähnlichkeit der Vergleichsmarken nicht so ausgeprägt, dass eine Gefahr von Verwechslungen vorliege. Die beiden Marken stimmten nur im beschreibenden und damit kennzeichnungsschwachen Bestandteil "Zyto" überein, der einen erkennbaren Bedeutungsanklang an den Begriff "Zelle" aufweise. An den Wortenden unterschieden sich die Marken hinreichend voneinander. Angesichts der Kürze der Markenwörter fielen die Abweichungen in den Änderungen "os" und "ax" deutlich auf und verhinderten eine klangliche Ähnlichkeit. Auch in schriftbildlicher Hinsicht wiesen die Vergleichsmarken hinreichende Unterschiede auf; insbesondere sei der markante Buchstabe "x" nicht mit dem Buchstaben "s" zu verwechseln.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Zur Begründung führt sie aus, dass die Markenstelle zwar zu Recht von einer möglichen Warenidentität, zumindest hochgradigen Ähnlichkeit der Waren, und sich daraus ergebenden strengen Anforderungen an den Abstand der Marken ausgegangen sei, jedoch die Ähnlichkeit der Marken und ihre Auswirkung auf die Verwechslungsgefahr nicht richtig beurteilt habe Die sich gegenüberstehenden Marken "Zytos" und "Zytax" seien fast identisch. Beide Markenwörter seien mit fünf Buchstaben gleich lang und würden zweisilbig gesprochen. Die Zeichenanfänge bestünden beiderseits optisch und akustisch aus der ungewöhnlichen, dominanten Buchstabenfolge "Zyt", die wie "ZÜT" gesprochen werde. Auf Grund der Rezeptpflichtigkeit der Waren der Widerspruchsmarke trete die schriftbildliche Verwechslungsgefahr in den Vordergrund. Die Ober- und Unterlängen beider Wörter stimmten identisch überein. Die abweichenden Buchstaben "a" und "o" ähnelten sich sehr, insbesondere bei handschriftlicher Wiedergabe. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass es auf dem pharmazeutischen Sektor üblich sei, Indikationshinweise in abgekürzter Form in Markennamen zu integrieren und durch Einfügung von Änderungen einen unterscheidungskräftigen und wohlklingenden Anklang zu erhalten. Dies führe jedoch nicht zwingend zu wenig aussage- und unterscheidungskräftigen Marken. Wie aus einem beigefügten Auszug aus der ROTEN LISTE 2002 hervorgehe, gebe es nur ein weiteres Präparat ("Zytrim") mit der Buchstabenfolge "Zyt-". Außerdem werde der Verkehr den Anfangsbestandteilen der Marken entscheidende Bedeutung beimessen und den Endbestandteilen nur eine geringere Aufmerksamkeit schenken. Demnach sei - bei normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke - in klanglicher, optischer und begrifflicher Hinsicht von einer hochgradigen Markenähnlichkeit auszugehen.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit der Widerspruch aus der Marke 2 088 863 zurückgewiesen worden ist, und die Löschung der Marke 399 42 439 wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 088 863 im beantragten Umfang anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich auf die ihr zugestellte Beschwerde und Beschwerdebegründung nicht geäußert.
II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet. Zwischen den Marken besteht keine Gefahr von Verwechslungen i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage einer markenrechtlichen Verwechselungsgefahr i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Warenidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2001, 544, 545 = WRP 2002, 537 - BANK 24, m.w.N.; GRUR 2002, 1067 - DKV/OKV).
Die sich gegenüberstehenden Waren liegen, soweit dies auf Seiten der angegriffenen Marke pharmazeutische Erzeugnisse betrifft, im Identitätsbereich, während die übrigen angegriffenen Waren der jüngeren Marke mit den Waren der Widerspruchsmarke hochgradig ähnlich sind.
Den danach erforderlichen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke hält die angegriffene Marke jedoch in jeder Hinsicht ein. Zwar stimmen die Marken in ihren Wortanfängen "Zyt" identisch überein. Auch weisen die sich an die Wortanfänge anschließenden Vokale "a" bzw. "o" klanglich und (in der Kleinschreibung) schriftbildlich beachtliche Gemeinsamkeiten auf. Des weiteren enthält der Schlussbuchstabe der Widerspruchsmarke "x" den Auslaut "s", so dass die Marken bei isolierter Betrachtung ihrer Buchstaben bzw. Laute eine deutliche Ähnlichkeit aufweisen würden.
Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit und einer sich ggf. daraus ergebenden Verwechslungsgefahr sind jedoch auch die Waren der beiderseitigen Marken, soweit sie streitgegenständlich sind, mit zu berücksichtigen. Wie sich schon aus dem Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke ergibt, ist diese für eine bestimmte Arzneimittelart, nämlich "Zytostatika", eingetragen. Die klanglichen und schriftbildlichen Übereinstimmungen der Marken beschränken sich jedoch weitestgehend gerade auf deren Anfangsbestandteile, die wiederum mit dem für die Charakterisierung dieser Arzneimittelart entscheidenden Anfangsbestandteil "Zyt(o)" des Fachbegriffes "Zytostatika" identisch sind.
Soweit die Widersprechende vorträgt, dass es auf dem pharmazeutischen Sektor üblich sei, Indikationshinweise in abgekürzter Form in Markennamen zu integrieren und durch Einfügung von Änderungen einen unterscheidungskräftigen und wohlklingenden Anklang zu erhalten, übersieht sie, dass die Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit zwar durchaus über eine normale Kennzeichnungskraft im Arzneimittelbereich verfügen mag, dies ändert jedoch nichts daran, dass sie aus dem als bloßem Indikationshinweis dienenden Anfangsbestandteil ihrer Marke (isoliert) keine Rechte herzuleiten vermag. Vielmehr bezieht die Widerspruchsmarke ihre Kennzeichnungskraft nicht unwesentlich aus dem Wortende. Aus diesem Grund kann der Widersprechenden auch nicht darin gefolgt werden, dass der Verkehr den Anfangsbestandteilen der vorliegenden Marken entscheidende Bedeutung beimessen, den Endbestandteilen hingegen nur eine geringere Aufmerksamkeit schenken werde. Vielmehr kommt es bei der vorliegenden Fallgestaltung entscheidend auf die Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede der Marken in ihren Wortendungen "os" und "ax" an.
Hier sind die Unterschiede jedoch ausreichend deutlich ausgeprägt. In klanglicher Hinsicht stellt der Schlussbuchstabe der Widerspruchsmarke einen klangstarken Doppellaut dar, da er sich aus der Lautfolge "ks" zusammensetzt. Zusammen mit dem - wenn auch für sich genommen nur geringen - Unterschied zwischen den Schlussvokalen "o" und "a" sind die entscheidenden Schlusssilben daher deutlich voneinander unterscheidbar. Dies gilt auch in schriftbildlicher Hinsicht, da der für den schriftbildlichen Gesamtcharakter einer Marke wichtige Schlussbuchstabe "x" in der Widerspruchsmarke eine charakteristische, an ein Andreaskreuz erinnernde geometrische Form aufweist, die in der angegriffenen Marke keine Entsprechung findet. Auch unter Berücksichtigung der (in ihrer Gesamtheit) normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke kann daher eine Verwechslungsgefahr nicht festgestellt werden. Die Beschwerde war damit zurückzuweisen.
Winkler Dr. Hock Kätker Cl
BPatG:
Beschluss v. 10.08.2004
Az: 33 W (pat) 445/02
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