Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Juli 2006
Aktenzeichen: 33 W (pat) 45/04

(BPatG: Beschluss v. 17.07.2006, Az.: 33 W (pat) 45/04)

Tenor

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 vom 28. November 2003 teilweise aufgehoben, nämlich hinsichtlich der Dienstleistungen

"Geldgeschäfte, nämlich Geldaus- und -einzahlungen, Geldwechsel, Dienstleistungen eines Inkassounternehmens, Geldtransfer, Geldaufbewahrung; Immobilienwesen".

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I Die Anmeldung der Wort-/Bildmarke Grafik der Markeursprünglich angemeldet für Klasse 36: Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesenist mit Beschluss der Markenstelle vom 28. November 2003 nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Unter Verweis auf ihren Beanstandungsbescheid vom 16. Oktober 2003 hat die Markenstelle zur Begründung ausgeführt, dass der Begriff "Rente" üblicherweise regelmäßige Zahlungen aufgrund einer Versicherung oder aus einem angelegten Kapital bezeichne. Das ursprünglich aus der englischen Sprache stammende Adjektiv "classic" für "klassisch" werde werbeüblich i. S. v. "Standardprodukt" gebraucht. Die Marke stelle daher lediglich eine beschreibende Sachaussage dahingehend dar, dass die so gekennzeichneten Dienstleistungen hinsichtlich einer Rente im "klassischen" Sinn - vergleichbar mit einer standardisierten gesetzlichen Altersrente - erbracht würden. Als unmittelbar verständliche beschreibende Angabe unterliege die angemeldete Marke einem Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und ihr fehle darüber hinaus jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Hieran ändere auch die Verwendung unterschiedlicher Schriftarten nichts, da es sich hierbei um eine werbeübliche Gestaltung handele, die zudem die Erfassung des Sinngehalts der Einzelwörter und des Gesamtbegriffs erleichtere.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass die Anmeldemarke mit ihrer Zusammenschreibung der beiden Bestandteile in unterschiedlichem Schriftschnitt nicht sprachüblich aufgebaut sei. Sprachüblich wäre allenfalls die Trennung in "Rente" und "classic". Die Verwendung der angemeldeten Marke sei für den inländischen Verkehr unüblich, ein unmittelbar beschreibender Charakter sei ihr nicht entnehmbar. Zudem sei ihr Begriffsinhalt nicht eindeutig. So könne etwa "classic" neben einem Standardprodukt auch auf ein beliebtes, altbewährtes oder konventionelles Produkt hinweisen. Zudem sei dem Wortbestandteil "Rente", anders als dem Begriff "Rentenversicherung", kein beschreibender Begriffsinhalt für die betreffenden Dienstleistungen zugeordnet. Außerdem werde nur für die konkrete Darstellung der Wort-/Bildmarke Schutz begehrt. Die meisten der vom Senat ermittelten Belege, die der Anmelderin übersandt worden seien, bezögen sich auf das Gebiet des Versicherungswesens. Jedenfalls für rein technische Geldgeschäfte könne ein Schutzhindernis nicht festgestellt werden.

Nach einer Überprüfung des Inhalts des in der Nizzaer Klassifikation enthaltenen Dienstleistungsbegriffs "Geldgeschäfte" hat der Senat mit Beschluss vom 16. Mai 2006 der Anmelderin anheim gestellt, entsprechend der von ihr in der mündlichen Verhandlung hilfsweise vorgetragenen Anregung das Dienstleistungsverzeichnis, soweit es die Dienstleistung "Geldgeschäfte" betrifft, wie folgt zu formulieren:

"Geldgeschäfte, nämlich Geldaus- und -einzahlungen, Geldwechsel, Dienstleistungen eines Inkassounternehmens, Geldtransfer, Geldaufbewahrung".

Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2006 hat die Anmelderin ein neu gefasstes Dienstleistungsverzeichnis eingereicht, in dem die Dienstleistung "Geldgeschäfte" mit dem o. g. Wortlaut eingeschränkt wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II 1. Die Beschwerde ist nur teilweise begründet. Für die Dienstleistungen "Versicherungswesen; Finanzwesen" weist die zur Eintragung angemeldete Bezeichnung nicht die für eine Marke erforderliche Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

Entsprechend der Hauptfunktion der Marke, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, ist unter Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung zu verstehen, Waren oder Dienstleistungen als von einem Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2002, 804 Nr. 35 - Philips/Remington; GRUR 2004, 428 Nr. 30, 48 - Henkel). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist. Kann einer Wortmarke ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden oder handelt es sich sonst um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so ergibt sich daraus ein tatsächlicher Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice).

Die angemeldete Marke setzt sich, wie bereits die schriftbildliche Gestaltung nahe legt, aus den Bestandteilen "Rente" und "classic" zusammen. Eine Rente ist das Ergebnis bzw. die Leistung einer privaten Rentenversicherung, wobei es Konkurrenz zu entsprechenden Versicherungen, insbesondere Lebensversicherungen, auch Rentenansparpläne von Banken mit einer Rente als Ansparziel gibt, die dem Finanzwesen zuzuordnen sind. Zudem bieten Banken innerhalb ihrer Angebote auch selbst Rentenversicherungen an, teilweise ohne dabei unmittelbar deutlich zu machen, ob und ggf. welches Versicherungs-Partnerunternehmen dabei die Ausführung eines solchen Vertrags übernimmt (vgl. z. B. Werbung der Postbank unter http://altersvorsorge.postbank.de/...).

Die angemeldete Marke ist ohne Weiteres als zwar nicht völlig sprachregelgemäße, aber doch werbeüblich aufgebaute Wortkombination mit dem Bedeutungsgehalt "klassische Rente" verständlich. Unter einer "klassischen Rente", die im Internet umfangreich beworben wird (vgl. z. B. http://altersvorsorge.postbank.de/...; www.asuro.de/versicherungsvergleich/direktversicherung/v1304.jsp; www.helvetia.da/Privatpersonen/Leben_und_Alter/) ist entsprechend der unter www.awd.de/relaunch ... unter dem Stichwort "Klassische Rente" gegebenen Erläuterung in etwa Folgendes zu verstehen:

"Die private Rentenversicherung ist eine unkomplizierte Anlageform mit zwei Varianten. Bei der aufgeschobenen Rentenversicherung erfolgen regelmäßige Beitragszahlungen und nach Ablauf der Police besteht Wahlrecht zwischen Einmalauszahlung oder monatlicher Rente. Die andere Möglichkeit ist die Sofortrente gegen Einmalbeitrag."

Im Internet ließen sich insbesondere Verwendungen von Wortkombinationen wie "Rente klassisch", "Rentenversicherung klassisch", "Rente Classic" oder "RenteClassic" auffinden, die also nach Aufbau und Wortwahl teilweise exakt der angemeldeten Marke entsprechen (vgl. etwa www.axa.de/servlet/PB/menu/...; www.versicherungsnetz.de/News/Meldung.asp€Meldung=2224; www.gerling.de/-de/MaklerNet/content/Vertriebspartner/...; www.victoria.de/leistungen...; www.walterundpartner.com/inhaltsseiten/bav1.htm; www.hdileben.de/presse/pressemitteilungen/2002/20020910.html; www.germanwatch.org/rio/sirent03.pdf). Zwar handelt es sich bei den meisten dieser Verwendungen um selbstgewählte Produktnamen und nicht etwa um lexikalisch belegbare Sachbegriffe des Finanz- und Versicherungswesens, aus den beschreibenden und leicht zu einem Gesamtsinn kombinierbaren Einzelbestandteilen der Wortkombination, sowie aus dem Umstand, dass viele miteinander konkurrierende Versicherungsunternehmen auf dem gleichen Markt solche und gleichartige Wortkombinationen zur Kennzeichnung ihrer Produkte verwenden, geht jedoch ein Mangel jeglicher Unterscheidungskraft für Versicherungs- und Finanzdienstleistungen hervor. Eine Wortfolge wie "Rente classic" ist unter diesen Umständen nicht mehr geeignet, auf die Herkunft entsprechender Dienstleistungen aus einem bestimmten Finanz- oder Versicherungsunternehmen hinzuweisen. Angesichts der vom Senat dabei zugleich festgestellten Verwendungen unterschiedlichster Schreibweisen durch verschiedene Unternehmen wird die erforderliche Unterscheidungskraft auch nicht durch die Zusammenschreibung der beiden Bestandteile der Anmeldemarke unter teilweise kursiver Schrift begründet. Mit ihrer einfachen Kombination aus normaler und kursiver Schrift bleibt die Marke weit hinter dem Werbeüblichen zurück und betont zudem nur ihre Zusammensetzung aus zwei Bestandteilen. Für die Dienstleistungen "Versicherungswesen; Finanzwesen" steht der Anmeldung damit ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, so dass die Beschwerde teilweise erfolglos bleiben musste.

2. Für die Dienstleistungen "Geldgeschäfte, nämlich ..." und "Immobilienwesen" stellt die angemeldete Marke hingegen keine unmittelbare Bezeichnung eines Merkmals dar.

Nachdem die Anmelderin den beanspruchten Dienstleistungsbegriff "Geldgeschäfte" mit einer "nämlich ..." - Aufzählung auf geldtechnische Dienstleistungen und das Inkassowesen beschränkt hat, ist nicht erkennbar, dass die angemeldete Marke vom Verkehr insoweit ohne Weiteres als Merkmalsbezeichnung verstanden werden kann. Die nunmehr noch beanspruchten technischen Geldgeschäfte, wie Geldaus- und -einzahlungen oder Geldtransfer können zwar bei der Ein- und Auszahlung von Renten oder von Geldleistungen, die auf das Ansparen einer Rente gerichtet sind, erbracht werden, es liegt jedoch fern, dass sie gerade hierauf spezialisiert sind. Eine nachvollziehbar Merkmalsbezeichnung vermag die angemeldete Marke hierfür nicht darzustellen.

Erst recht kann kein Eintragungshindernis für die weiter beanspruchte Dienstleistung "Immobilienwesen" festgestellt werden. Ein Zusammenhang zwischen Renten und dem Handel, der Vermittlung oder der Verwaltung von Immobilien ist in keiner Weise ersichtlich. Zwar mögen Renten auch in Zusammenhang mit Immobilien ein Rolle spielen. So könnte etwa die Anschaffung einer Immobilie mit Hilfe einer Rente finanziert werden, ebenso wie eine Immobilie gegen Zahlung einer Rente zur Nutzung überlassen wird. Jedoch ist nicht erkennbar, dass es spezielle Immobilien oder Immobiliendienstleistungen gibt, die bei ihrer Erbringung oder Finanzierung an Renten als verkehrswesentliches Merkmal anknüpfen. Der Senat hat auch nicht feststellen können, dass das Wort in Zusammenhang mit Immobilien über eine andere Bedeutung verfügen kann, die irgendwie eine Merkmalsbezeichnung von Immobilienwesen darstellen könnte.

Der Beschwerde war damit teilweise stattzugeben.






BPatG:
Beschluss v. 17.07.2006
Az: 33 W (pat) 45/04


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