Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. November 2009
Aktenzeichen: 35 W (pat) 464/07

(BPatG: Beschluss v. 12.11.2009, Az.: 35 W (pat) 464/07)

Tenor

1.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

2.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin ist Inhaberin des am 15. März 2002 als Abzweigung der europäischen Patentanmeldung EP 02 71 5112.5 angemeldeten, die US-Priorität 276837 P vom 16. März 2001 in Anspruch nehmenden und am 20. Oktober 2005 unter der Bezeichnung

"Transdermal-Pflaster zum Verabreichen von Fentanyl"

mit 28 Schutzansprüchen eingetragenen Gebrauchsmusters 202 21 397. Der eingetragene Schutzanspruch 1 lautet:

"1. Transdermal-Pflaster zum Verabreichen von Fentanyl oder einem Analogstoff desselben durch die Haut, umfassend:

(a)

eine Trägerlage, und

(b)

einen auf der Trägerlage angeordneten Vorrat, wobei der Vorrat eine einphasige Polymerzusammensetzung aus einem Polyacrylat-Klebstoff frei von ungelösten Bestandteilen, mit einem Anteil an Fentanyl oder an einem Analogstoff desselben umfasst, welcher ausreicht, um beim Menschen Schmerzfreiheit herbeizuführen und für mindestens drei Tage aufrechtzuerhalten, wobei der Polyacrylat-Klebstoff vernetzt ist und eine Löslichkeit für Fentanyl oder dessen Analogstoffe von zwischen 1 Masse-% bis 25 Masse-% aufweist."

Wegen des Wortlauts der rückbezogenen eingetragenen Ansprüche 2 bis 28 wird auf die Gebrauchsmusterschrift verwiesen.

Die Gebrauchsmusterabteilung II des Deutschen Patentund Markenamts hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2007 gemäß Antrag der Antragstellerin die Löschung des Streitmusters beschlossen. Sie hat ihre Entscheidung auf die Entgegenhaltungen D9 EP0622075A1und D10 US3900610A gestützt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie verfolgt ihr Schutzbegehren zunächst mit den Schutzansprüchen gemäß Hauptantrag vom 4. November 2009 und hilfsweise im Umfang des Hilfsantrags I, eingereicht mit Schriftsatz vom 6. September 2007, weiter hilfsweise mit Hilfsantrag II, eingereicht mit Schriftsatz vom 26. Mai 2008 weiter. In der mündlichen Verhandlung erklärt die Antragsgegnerin auf den Hinweis des Senats zur Fassung des Schutzanspruches 1 gemäß Hauptantrag, sie nehme den Hauptantrag zurück und verfolge ihr Schutzbegehren nur noch im Umfang der Hilfsanträge I und II weiter.

Die Schutzansprüche 1 bis 13 gemäß Hilfsantrag I lauten:

"1. Transdermal-Pflaster zum Verabreichen von Fentanyl oder einem Analogstoff desselben durch die Haut, um beim Menschen Schmerzfreiheit herbeizuführen und für mindestens drei Tage aufrechtzuerhalten, bestehend aus:

(a)

einer Trägerlage, und

(b)

einen auf der Trägerlage angeordneten Vorrat, wobei der Vorrat aus 1) einem einphasigen Polyacrylat-Klebstoff aus einem Copolymer oder Terpolymer der Komponenten ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus 2-Ethylhexylacrylat, Methylacrylat und Hydroxyethylacrylat und 2) einem vollständig gelösten Anteil an Fentanyl oder an einem Analogstoff desselben von zwischen 0,1 mg/cm bis 0,75 mg/cm des Vorrats besteht, wobei der Polyacrylat-Klebstoff vernetzt ist und eine Löslichkeit für Fentanyl oder dessen Analogstoffe von zwischen 4 Masse-% bis 12 Masse-% aufweist.

2.

Pflaster nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Polyacrylatklebstoff vernetztes Polyacrylat der Firma National Starch mit der Erzeugnisnummer 87-2510 ist.

3.

Pflaster nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Polyacrylat-Klebstoff ein Molekulargewicht, ausgedrückt als Gewichtsdurchschnitt (MW), vor der Durchführung jeglicher Vernetzungsreaktionen im Bereich von 25.000 bis 10.000.000 vorzugsweise von 50.000 bis etwa 3.000.000 und insbesondere von 100.000 bis 1.000.000 aufweist.

4.

Pflaster nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß der Vorrat eine Löslichkeit für Fentanyl oder dessen Analogstoffe von 6 Masse-% bis 10 Masse-% aufweist.

5.

Pflaster nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß der Vorrat eine Löslichkeit für Fentanyl oder dessen Analogstoffe von 10 Masse-% aufweist.

6.

Pflaster nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß es einen stationären Wirkstofffluss von 1 µg/cm/h bis 10 µg/cm/h aufweist.

7.

Pflaster nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß es Fentanyl enthält.

8.

Pflaster nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß es Alfentanil, Lofentanil, Remifentanil oder Sufentanil als einen FeNtanyl-Analogstoff enthält.

9.

Pflaster nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß es weiterhin eine abziehbare Schutzfolie umfasst.

10.

Pflaster nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, daß der Vorrat eine Dicke von 0,0125 mm (0,5 Tausendstel Zoll) bis 0,1 mm (4 Tausendstel Zoll) hat.

11.

Pflaster nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, daß die Trägerlage aus einem Polyurethan, Polyvinylacetat, Polyvinylidenchlorid, Polyethylen, Polyethylenterephthalat (PET), PET-Polyolefin-Laminat oder einem Polybutylenterephthalat-Polymer besteht.

12.

Pflaster nach einem der Ansprüche 1 bis 11, bestehend aus:

(a)

einer Trägerlage,

(b)

einer abziehbaren Schutzfolie, und

(c)

einen auf der Trägerlage angeordneten Vorrat, wobei der Vorrat aus 1) einem einphasigen vernetzten Polyacrylat-Klebstoff aus einem Terpolymer der Komponenten ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus 2-Ethylhexylacrylat, Methylacrylat und Hydroxyethylacrylat und 2) einem vollständig gelösten Anteil an Fentanyl von 0,55 mg/cm des Vorrats besteht, und wobei das Pflaster einen stationären Wirkstofffluss von Fentanyl von 1 µg/cm/h bis 10 µg/cm/h aufweist.

13.

Pflaster nach einem der Ansprüche 1 bis 11, bestehend aus:

(a)

einer Trägerlage,

(b)

einer abziehbaren Schutzfolie, und

(c)

einen auf der Trägerlage angeordneten Vorrat, wobei der Vorrat aus 1) einem einphasigen vernetzten Polyacrylat-Klebstoff der Firma National Starch mit der Erzeugnisnummer 872510 ist und 2) einem vollständig gelösten Anteil an Fentanyl von 0,55 mg/cm des Vorrats besteht, und wobei das Pflastereinen stationären Wirkstofffluss von Fentanyl von 1 µg/cm/h bis 10 µg/cm/h aufweist."

Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags II lautet:

"1. Monolithisches, nicht in seiner Abgaberate gesteuertes Transdermal-Pflaster zum Verabreichen von Fentanyl durch die Haut, um beim Menschen Schmerzfreiheit herbeizuführen und für mindestens drei Tage aufrechtzuerhalten, bestehend aus:

(a)

einer Trägerlage, und

(b)

einen auf der Trägerlage angeordneten Vorrat, wobei der Vorrat aus einem Polyacrylat-Klebstoff aus einem Copolymer oder Terpolymer der Komponenten ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus 2-Ethylhexylacrylat, Methylacrylat und Hydroxyethylacrylat besteht, der Polyacrylat-Klebstoff vernetzt ist, der Polyacrylat-Klebstoff für Fentanyl eine Löslichkeit von zwischen 12 Masse-% und 18 Masse-% aufweist, und 2) die Polymerzusammensetzung einphasig ist, mit einem Anteil an Fentanyl, so dass über einen wesentlichen Anteil der Verabreichungszeit in der Zusammensetzung keine ungelösten Bestandteile vorliegen."

Wegen des Wortlauts der rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7 des Hilfsantrags II wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, der Gegenstand des Gebrauchsmusters beruhe gegenüber dem im Beschluss zitierten Stand der Technik auf einem erfinderischen Schritt. Es seien darin nämlich keine speziellen Monomere genannt und die streitmustergemäßen Polyacrylate ließen sich vom Stand der Technik ausgehend nicht durch übliche Anpassung herstellen. Eine Zusammenschau des Standes der Technik führe auch nicht zum Gegenstand des Streitgebrauchsmusters; zu diesem könne der Fachmann vom Stand der Technik ausgehend allenfalls durch eine expost Betrachtung gelangen. In ihrem schriftsätzlichen Vorbringen geht die Beschwerdeführerin u. a. noch auf die im Löschungsverfahren genannte Druckschrift D2 Roy S.D. et al, Journal of Pharmaceutical Sciences, Vol. 85, No. 5, May 1996, S. 491 bis 495 ein und macht hierzu auch durch Hinweis auf ihren Vortrag im parallelen Verfahren 35 W(pat) 467/07 geltend, das beanspruchte TTS unterscheide sich auch in mehrfacher Hinsicht von den Gegenständen der Untersuchung, die in der Entgegenhaltung D2 publiziert worden sei. So stimme die beanspruchte Zusammensetzung des TTS nach Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags I mit der Zusammensetzung des Polyacrylat-Klebstoffs der D2 nicht überein. Desweiteren liege der Wirkstoff Fentanyl beim TTS des Streitmusters in einem anderen Aggregatzustand als im Untersuchungsgegenstand der D2 vor und auch der Wirkstofffluss zur Schmerzbekämpfung stimme nicht mit dem des TTS nach dem Streitmuster überein. Ersichtlich niedriger sei ferner die nach 28 Stunden aus dem Polyacrylat Gelva¨ 737 freigesetzte Menge an Fentanyl verglichen mit den weiteren in D2 untersuchten Klebstoff-Matrices, so dass die Autoren der Druckschrift D2 zu dem Fazit gelangt seien, eine Klebstoffmatrix aus Polyacrylat sei für die Freisetzung von Fentanyl ungeeignet.

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Löschungsantrag im Umfang des Hilfsantrags I vom 6. September 2007 bzw. im Umfang des Hilfsantrags II vom 26. Mai 2008 zurückzuweisen.

Die Beschwerdegegnerin ist der Ansicht, das Streitmuster könne schon deshalb nicht aufrecht erhalten werden, weil das in den Schutzansprüchen 1 genannte Monomer "Methylacrylat" im Streitmuster nicht wörtlich aufgeführt sei, die Ansprüche mithin unzulässig erweitert seien. Sie hält das Streitgebrauchsmuster in den nun verteidigten Fassungen nach den Hilfsanträgen I und II mangels Neuheit und mangels eines erfinderischen Schritts für nicht schutzfähig, da der Fachmann aus dem Stand der Technik alle erforderlichen Informationen zur Ausgestaltung des Streitmusters enthalte. Ersichtlich enthalte die Streitmusterschrift zudem kein einziges Beispiel, das zur Stützung der derzeit verfolgten Schutzansprüche herangezogen werden könne. Die Beurteilung des Standes der Technik, insbesondere der Druckschrift D2, durch die Gebrauchsmusterinhaberin sei unzutreffend; es werde darin nicht festgestellt, dass eine Polyacrylatmatrix für ein mit Fentanyl beladenes TTS nicht geeignet sei. Hinsichtlich der Bestimmung der Löslichkeit des Fentanyls verweist sie noch auf die Druckschrift D12 Labtec GmbH, Study report: Determination of solubility of fentanyl in polyacrylates, S. 1 bis 9, 2007.

Im Übrigen versuche die Gebrauchsmusterinhaberin im vorliegenden Fall Schutz für einen Gegenstand zu erlangen, über den bereits rechtskräftig entschieden sei.

Sie beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Weitere Einzelheiten ergeben sich aus dem Inhalt der Akten.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, da der geltend gemachte Löschungsgrund der fehlenden Schutzfähigkeit (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG) besteht. Die Löschungsantrag war mithin begründet.

1.

Die Antragstellerin hat die Zulässigkeit der Schutzansprüche nach den Hilfsanträgen I und II in Abrede gestellt, weil das Monomer "Methylacrylat" nicht ursprünglich offenbart sei. Den Bedenken der Antragstellerin hinsichtlich der mangelnden Offenbarung der Komponente "Methylacrylat" in den ursprünglichen Unterlagen vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach der ursprünglichen Offenbarung des Streitmusters können die Komponenten der Cooder Terpolymere aus der Gruppe der "Alkylacrylate" ausgewählt sein. Der Fachmann wird das "Methylacrylat" als erste Verbindung in der homologen Reihe der Alkylacrylate ohne Weiteres als offenbart mitlesen, insbesondere auch deshalb, weil das Polyacrylat der Firma National Starch mit der Erzeugnisnummer 87-2510 ein Polyacrylat mit 23 Gew.-% Methylacrylat-Anteil ist (Gebrauchsmusterschrift Abs. [0051]). Nach Überzeugung des Senats kann die Zulässigkeit der nach den Hilfsanträgen I und II verteidigten Schutzansprüche jedoch dahinstehen, da das Streitgebrauchsmuster aus den Gründen eines mangelnden erfinderischen Schrittes scheitert.

2.

Dem Streitgebrauchsmuster liegt sinngemäß die Aufgabe zu Grunde, ein Matrix-Pflaster zu schaffen, bei dem der Wirkstoff Fentanyl und seine Analogstoffe wegen ihres engen therapeutischen Index sicher und wirksam über Perioden von mindestens 3 Tagen abgegeben werden können, wobei die Herstellung des Pflasters vereinfacht, seine Stabilität verbessert und ein komfortableres und patientenfreundlicheres Pflaster bereitgestellt werden soll, welches mit dem in seiner Abgaberate gesteuerten Flüssigkeitsvorrat-Depot-Transdermal-Fentanyl-Pflaster DURAGESIC¨ bioäquivalent sowie pharmakologisch äquivalent ist (Streitgebrauchsmusterschrift Abs. [0011, 0012 und 0013]).

1.

Monolithisches, nicht in seiner Abgaberate gesteuertes Transdermal-Pflaster 2.

zum Verabreichen von Fentanyl oder einem Analogstoff desselben durch die Haut, 3.

um beim Menschen Schmerzfreiheit herbeizuführen und für mindestens drei Tage aufrechtzuerhalten, 4.

bestehend aus einer Trägerlage, und 5.

einem auf der Trägerlage angeordneten Vorrat, wobei 6.

der Vorrat aus einem einphasigen Polyacrylat-Klebstoff 7.

aus einem Copolymer oder Terpolymer 8.

der Komponenten ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus 2-Ethylhexylacrylat, Methylacrylat und Hydroxyethylacrylat und 9.

einem vollständig gelösten Anteil an Fentanyl oder einem Analogstoff desselben 10.

von zwischen 0,1 mg/cm bis 0,75 mg/cm des Vorrats besteht, wobei 11.

der Polyacrylat-Klebstoff vernetzt ist und eine Löslichkeit für Fentanyl oder dessen Analogstoffe von zwischen 4 Masse-% bis 12 Masse-% aufweist.

3.

Der maßgebende Fachmann ist ein Pharmazeut oder Chemiker mit praktischer Erfahrung und speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Entwicklung von Wirkstoffpflastern, der -bei Besonderheiten die eingesetzten Polymerkleber betreffend -gegebenenfalls auf die Spezialkenntnisse eines Polymerchemikers zurückgreift.

4.

Die Neuheit der Gegenstände nach den Schutzansprüchen 1 gemäß Hilfsantrag I und II kann dahinstehen. Nähere Ausführungen hierzu erübrigen sich, weil ihre Bereitstellung nicht auf einem erfinderischen Schritt beruht (§ 1 GebrMG).

Gelöst werden soll die Aufgabe durch den Gegenstand des nach Hilfsantrag I verteidigten Schutzanspruchs 1 mit folgenden Merkmalen: 4.1. Das TTS nach den Schutzansprüchen 1 bis 13 des Hilfsantrags I beruht nicht auf einem erfinderischen Schritt.

Die Entgegenhaltung D9 kommt dem Streitgebrauchsmuster gemäß Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags I am nächsten. Sie (D9) betrifft ein Transdermal-Pflaster mit einem Anteil an Fentanyl zum Verabreichen durch die Haut gemäß den Merkmalen 1, 2 und 9 der vorstehenden Merkmalsanalyse des Schutzanspruches. Das TTS besteht aus einer Trägerlage gemäß Merkmal 4 und einem auf der Trägerlage angeordneten Vorrat nach Merkmal 5 (Ansp. 1 und Ansp. 7 i. V. m. S. 5, Z. 20). Geeignete Polyacrylate sind nach den Angaben in der Entgegenhaltung D9 solche, wie sie in der US 3 900 610 (D10) beschrieben sind (S. 3, Z. 55 bis S. 4, Z. 14, insb. Z. 12). Nachdem die Entgegenhaltung D9 ausdrücklich auf die Lehre der Druckschrift D10 Bezug nimmt, ist deren Lehre als mit offenbart anzusehen (BGH GRUR 1980, 283 -Terephthalsäure). Bei den in den Beispielen 1 und 5 der D10 angegebenen Polyacrylaten handelt es sich um Terpolymere, deren Zusammensetzung aus den Bestandteilen 2-Ethylhexylacrylat, Methylacrylat und 2-Hydroxyethylacrylat den Merkmalen 7 und 8 entspricht (Sp. 5, Tab. 1 Beispiele 1 und 5). Das TTS der D9 weist ferner einen Wirkstoffgehalt bevorzugt zwischen 0,5 bis 50 Gew.-% bezogen auf das Trockengewicht des Polyacrylatklebers auf (S. 5, Z. 22 bis 26). Die Dicke einer Schicht kann gemäß D9 zwischen 1 und 3 mil liegen

(S. 6, Z. 23 bis 35 i. V. m. Beispielen 10 bis 20), wobei 1 mil 25 µm entspricht. Ein bevorzugter Wirkstoffgehalt von 0,5 bis 50 Gew.-% bedeutet somit bei einer angenommenen Dichte für das Polymer von 1 g/cm, dass der Anteil an Fentanyl in 1 cm mit 25 µm Dicke zwischen 0,0125 mg/cm und 1,25 mg/cm liegt. Damit ist auch das Merkmal 10 des Schutzanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I erfüllt. Ferner ist der Polyacrylat-Klebstoff der Entgegenhaltung D9, wie in Merkmal 11 vorstehender Gliederung angegeben, vernetzt (vgl. Ansp. 1 und 8).

Das TTS gemäß Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags I unterscheidet sich somit von dem aus D9/D10 bekannten TTS dadurch, dass in der Entgegenhaltung D9 keine Angaben darüber enthalten sind, wie lange die durch das TTS herbeigeführte Schmerzfreiheit beim Menschen andauern soll (Merkmal 3). Es wird auch nicht explizit erwähnt, ob eine "einphasige Polymerzusammensetzung" gemäß Merkmal 6 im Sinne der Definition des Streitgebrauchsmusters vorliegt (Streitgebrauchsmusterschrift Abs. [0018]). Die Löslichkeit für Fentanyl oder dessen Analogstoffe im Polyacrylat-Klebstoff ist in D9 ebenfalls nicht angegeben.

Die Unterschiede können nach Überzeugung des Senats zur Begründung des erfinderischen Schrittes jedoch nichts betragen.

In ihrer Aufgabenstellung geht die Gebrauchsmusterinhaberin nach eigenen Angaben davon aus, ein TTS bereitstellen zu wollen, welches zu einem bekannten Depotpflaster, nämlich dem Flüssigkeitsvorrat-Depot-Transdermal-Fentanyl-Pflaster DURAGESIC¨ bioäquivalent sowie pharmakologisch äquivalent sein soll (vgl. Abs. II.2.). Dieses Pflaster ist nach den Angaben im Streitgebrauchsmuster zum Zeitpunkt seiner Anmeldung bereits zugelassen und verabreicht Fentanyl über 3 Tage (Abs. [0003]), so dass das Merkmal 3, wenn es denn nicht, wie die Antragstellerin vorträgt, ein funktionales Merkmal ist, sondern als eine im Zusammenhang mit den in Rede stehenden transdermalen Wirkstoffpflastern bekannte und alleine schon aus Gründen der Praktikabilität bedingte Vorgabe, die zu erfüllen lediglich eine dem Routinekönnen des Fachmannes zuzurechnende Anpassung erfordert. Bestätigung erfährt diese Auffassung dadurch, dass das Streitgebrauchsmuster ausdrücklich Bezug auf die Druckschrift US 4 588 580 nimmt (Streitgebrauchsmusterschrift Abs. [0003]), deren deutsches Familienmitglied die Entgegenhaltung D3 (DE 35 26 339 A1) im vorliegenden Verfahren ist (Streitgebrauchsmusterschrift Abs. [0003]). Darin ist bereits angegeben, mit welchem Wirkstofffluss über 3 Tage Schmerzfreiheit erzielt werden kann, so dass es auf einen weiteren Hinweis nicht ankommt (vgl. D3, S. 7, Z. 21 bis S. 8, Z. 5). Es ist weder aus der Streitgebrauchsmusterschrift ersichtlich, noch hat die Antragsgegnerin vorgetragen, dass das Erfüllen dieser im Allgemeinen mit solchen Systemen verbundenen Vorgabe mit Schwierigkeiten, die das Können des Fachmannes übersteigen, verbunden gewesen sein könnte. Vielmehr musste der Fachmann dazu aus den ihm zur Verfügung stehenden handelsüblichen Klebern lediglich die dafür geeigneten auswählen. Eines erfinderischen Zutuns bedurfte es zum Erfüllen dieser Maßgabe daher nicht.

Unter einer "einphasigen Polymerzusammensetzung" versteht das Streitgebrauchsmuster eine Zusammensetzung, in welcher der Wirkstoff und alle anderen Bestandteile in einem Polymer gelöst sind und in Konzentrationen im Vorrat vorhanden sind, welche nicht größer und vorzugsweise kleiner sind als ihre Sättigungskonzentrationen, so dass über einen wesentlichen Anteil der Verabreichungszeit in der Zusammensetzung keine ungelösten Bestandteile vorliegen und alle Bestandteile in Kombination mit dem Polymer eine einzige Phase bilden (Streitgebrauchsmusterschrift Abs. [0018]). Diese Bedingungen erfüllt auch das TTS nach der Entgegenhaltung D9/D10. Denn die Sättigungskonzentration des Wirkstoffs im Vorrat ist abhängig von der gewählten Polymermatrix. Jede Polymermatrix weist nämlich für jeden Wirkstoff eine definierte Sättigungslöslichkeit auf. Nachdem aber die Polymermatrix im Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag I des Streitgebrauchsmusters und nach der Entgegenhaltung D9/D10, wie vorstehend ausgeführt, identisch sind und auch der Anteil an Wirkstoff gemäß Merkmal 10 sich mit den Konzentrationsangaben in D9/D10 überschneidet, ist auch beim TTS der Entgegenhaltung D9/D10 von einer einphasigen Polymerzusammensetzung auszugehen.

In Merkmal 11 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag I wird die Löslichkeit des Fentanyls oder dessen Analogstoffe in dem angegebenen Polyacrylat mit 4 bis 12 Masse-% angegeben. Das Streitmuster selbst gibt kein Verfahren an, nach dem die Löslichkeit bzw. Sättigungslöslichkeit bestimmt wurde. Bei der Sättigungslöslichkeit aber handelt es sich, wie vorstehend dargelegt, um eine Stoffeigenschaft der Polyacrylatmatrix und damit um ein inhärentes Merkmal. Dass sich der im Schutzanspruch 1 angegebene Wertebereich im Übrigen im für vernetzte Polyacrylate mit der in Rede stehenden Zusammensetzung üblichen Bereich bewegt, erweist sich an Hand der gutachterlich von der Antragstellerin im Verfahren genannten D12. Diese betrifft Untersuchungen zur Sättigungslöslichkeit von in D9/D10 beschriebenen, entsprechend zusammengesetzten Polyacrylaten (vgl. D10, Sp. 5, Tab. I, Beisp. 5), wobei je nach Bestimmungsmethode, wie die Antragstellerin aufgezeigt hat, Schwankungen bei den ermittelten Konzentrationen auftreten können. So wurde dort für eine Polyacrylatmatrix aus einem Terpolymer aus den Komponenten ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus 2-Ethylhexylacrylat, Methylacrylat und Hydroxyethylacrylat, wie sie auch im vorliegenden Schutzanspruch 1 -Merkmale 7 und 8 -beschrieben ist, die Sättigungslöslichkeit für Fentanyl mit 16 ± 1,5 Gew.-% bestimmt (vgl. D12, S. 4, Summary).

Die rückbezogenen Schutzansprüche 2 bis 13 des Hilfsantrags I werden von dem Löschungsausspruch zum Schutzanspruch 1 miterfasst. Für diese Ansprüche ist ein eigenständiger schutzfähiger Gehalt nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht erkennbar. Die Gegenstände sind aus dem Stand der Technik bekannt bzw. übersteigen nicht das handwerkliche Können und das Fachwissen des Fachmannes und sind schon deshalb nicht schutzfähig (zu den Ansp. 2 und 4 bis 7: vgl. D9, S. 3, Z. 55 bis S. 4, Z. 14 und Ansp. 7 i. V. m. D10, Sp. 5, Tab. I Beisp. 1 und 5; D12: S. 4, Summary; zum Ansp. 3: vgl. D10, Sp. 3, Z. 51 bis 58; zum Ansp. 9: D9, S. 5, Z. 32 bis 36; zum Ansp. 10: D9, Beispiele; zum Ansp. 11: D9, S. 5, Z. 27 bis 31; zu den Ansp. 12 und 13: aus den vorstehend zum Ansp. 1 genannten Gründen).

Soweit die Antragsgegnerin geltend gemacht hat, die Zusammenschau der Entgegenhaltungen D9 und D10 führe nicht zum Gegenstand des Streitgebrauchsmusters, der Fachmann habe ausgehend von diesem Stand der Technik allenfalls durch eine expost Betrachtung zum TTS des Streitgebrauchsmusters gelangen können, kann ihr nicht gefolgt werden. Der Einwand kann nämlich schon deshalb nicht durchdringen, weil die Entgegenhaltung D9/D10, wie aufgezeigt, mit Ausnahme des Merkmals 3 alle Merkmale des TTS nach Schutzanspruch 1 bereits offenbart und die Streitgebrauchsmusterschrift selbst zur Herstellung des TTS auf Standardmethoden und -materialien verweist. Es ist daraus nicht ersichtlich, inwiefern besondere Maßnahmen ergriffen worden sein könnten oder der Fachmann abweichend von der Lehre des Standes der Technik vorgegangen wäre.

Auch der weitere Einwand der Antragsgegnerin, das beanspruchte TTS unterscheide sich in mehrfacher Hinsicht von den Gegenständen der Untersuchung, die in der Entgegenhaltung D2 publiziert worden sei, so dass der Fachmann daraus keine Anregung zur Ausgestaltung des TTS nach Hilfsantrag I habe entnehmen können, kann zu keiner anderen Beurteilung führen, denn auf eine solche Anregung kommt es aus den vorstehend dargelegten Gründen nämlich nicht mehr an.

4.2. Auch das TTS nach den Schutzansprüchen 1 bis 7 des Hilfsantrags II beruht nicht auf einem erfinderischen Schritt.

In Schutzanspruch 1 von Hilfsantrag II beansprucht die Antragsgegnerin ein TTS ausschließlich mit dem Wirkstoff Fentanyl; ferner sind die Merkmale 9 bis 11 vorstehender Merkmalsgliederung wie folgt formuliert:

- mit einem Anteil an Fentanyl, so dass über einen wesentlichen Anteil der Verabreichungszeit in der Zusammensetzung keine ungelösten Bestandteilevorliegen, wobei - der Polyacrylat-Klebstoff vernetzt ist und eine Löslichkeit für Fentanyl oderdessen Analogstoffe von zwischen 12 Masse-% und 18 Masse-% aufweist.

Im Merkmal gemäß erstem Spiegelstrich stützt sich die Antragsgegnerin auf Absatz [0018] der Beschreibung des Streitmusters und bringt mit dieser Zielsetzung zum Ausdruck, dass die Beladung der Polyacrylatmatrix mit Fentanyl im TTS nach Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags II an deren Sättigungslöslichkeitsgrenze erfolgt, bzw. nicht größer und vorzugsweise kleiner ist als ihre Sättigungskonzentration, um die Folgen einer Übersättigung zu vermeiden. Die Gefahr des Auftretens ungelöster Bestandteile durch Übersättigung der Polyacrylatmatrix mit dem Wirkstoff wird dadurch verringert. Das Einhalten dieser Beladungsgrenze ist für den Fachmann jedoch selbstverständlich, insbesondere wenn es sich, wie bei Fentanyl, um einen teuren Wirkstoff handelt und dieser daher am Ende der Verabreichungszeit möglichst vollständig verbraucht sein soll.

Hinsichtlich des Merkmals, wonach der Polyacrylat-Klebstoff vernetzt ist und eine Löslichkeit für Fentanyl von zwischen 12 Masse-% und 18 Masse-% aufweisen soll, wird insofern auf die Ausführungen zum Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags I verwiesen, als Polyacrylat-Klebstoffe gleicher Zusammensetzung auch gleiche Sättigungslöslichkeiten für einen Wirkstoff, hier Fentanyl, aufweisen müssen (vgl. Abs. II, 4.1).

Die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7 des Hilfsantrags II stimmen mit den Ansprüchen 2, 3, 5 und 8 bis 10 des Hilfsantrags I überein. Ihre Gegenstände beruhen, wie zum Hilfsantrag I ausgeführt, ebenfalls nicht auf einem erfinderischen Schritt, so dass auch sie der Löschung anheim fallen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2Satz1 und 2 PatG und i.V.m. §97Abs. 1 ZPO.

Müllner Dr. Procksch-Ledig Dr. Schuster Pr






BPatG:
Beschluss v. 12.11.2009
Az: 35 W (pat) 464/07


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