Oberlandesgericht Stuttgart:
Beschluss vom 23. Januar 2006
Aktenzeichen: 8 W 20/06
(OLG Stuttgart: Beschluss v. 23.01.2006, Az.: 8 W 20/06)
1. § 140 Abs. 3 MarkenG bestimmt den Erstattungsanspruch für Kosten eines Patentanwalts, nicht aber das Verfahren, in dem diese Kosten geltend zu machen sind. Ob Patentanwaltskosten im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden können, bestimmt sich allein nach den §§ 91, 103 ff ZPO.
2. Danach können nur solche vorgerichtlich entstandene Kosten für einen Patentanwalt im Kostenfestsetzungsverfahren einbezogen werden, die einen ausreichend engen Bezug zum konkreten Rechtsstreit haben.
3. Für den nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderlichen konkreten Prozessbezug genügt es nicht, dass die Kentnisse aus der Tätigkeit der Patentanwälte irgendwann in einem Rechtsstreit verwendet werden, sondern die Tätigkeit der Patentanwälte muss sich auf den konkreten Rechtsstreit beziehen und gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben worden sein.
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Stuttgart vom 28.12.2005 dahin abgeändert, dass der ergänzende Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten vom 28.11.2005 als unbegründet zurückgewiesen wird.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Streitwert der sofortigen Beschwerde: 275,96 EUR
Gründe
I.Auf die am 17.05.2005 bei Gericht eingegangene Klage, die dem Beklagten am 07.06.2005 zugestellt worden war, schlossen die Parteien in der Sitzung vom 13.09.2005 einen das Verfahren abschließenden Prozessvergleich, laut dem der Kläger 20 % der Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Auf die wechselseitigen Kostenfestsetzungsanträge setzte die Rechtspflegerin nach Kostenausgleich die vom Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten mit Beschluss vom 21.11.2005 mit 5.653,78 EUR nebst Zinsen fest.
Ergänzend beantragte der Beklagte mit Schriftsatz vom 28.11.2005 die Ausgleichung seiner Kosten für die vorgerichtlich tätig gewesenen Patentanwälte in Höhe von 1.600,57 EUR brutto. Der Beklagte legte hierzu eine Rechnungskopie der von ihm beauftragten Patentanwälte vom 08.06.2005 vor, wonach die Tätigkeit der Patentanwälte mit einem abschließenden Bericht über ein Telefonat mit Schreiben vom 24.11.2004 endete.
Unter Berücksichtigung der Vorsteuerabzugsberechtigung des Beklagten und der Kostenquote setzte die Rechtspflegerin des Landgerichts Stuttgart mit Beschluss vom 28.12.2005 die vom Kläger dem Beklagten zu erstattenden Patentanwaltskosten mit 275,96 EUR fest. Die Mehrkosten des Patentanwalts seien ohne eine gesonderte Notwendigkeitsprüfung in einem Markenrechtsstreit stets erstattungsfähig.
Gegen den am 30.12.2005 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 02.01.2006 sofortige Beschwerde eingelegt, weil der Patentanwalt des Beklagten am vorliegenden Rechtsstreit nicht mitgewirkt habe.
Der Beklagte ist der sofortigen Beschwerde entgegengetreten.
Mit Beschluss vom 16.01.2006 hat die Rechtspflegerin des Landgerichts Stuttgart die Akten ohne Abhilfe dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
II.Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Die vom Beklagten zur Kostenausgleichung angemeldeten Patentanwaltskosten sind hier im Kostenfestsetzungsverfahren nicht festsetzungsfähig.
1. a) Gemäß § 140 Abs. 3 MarkenG sind von den Kosten, die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts in einer Kennzeichenstreitsache entstehen, die Gebühr nach § 13 RVG und die notwendigen Auslagen des Patentanwalts zu erstatten. Dafür kann auch eine vorgerichtliche Mitwirkung des Patentanwalts genügen (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 140 Rn. 71; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 140 Rn. 15; Eichmann/Vogel v. Falckenstein, Geschmacksmustergesetz, 3. Aufl., § 52 Rn. 13 zu § 52 Abs. 4 Geschmacksmustergesetz; Loth, Gebrauchsmustergesetz, § 27 Rn. 58 zu § 27 Abs. 5 Gebrauchsmustergesetz). Ob auf die Patentanwaltskosten des Beklagten hier § 140 Abs. 3 MarkenG anwendbar ist (vgl. OLG München WRP 1982, S. 542: Im unmittelbaren Vorfeld des Klagverfahrens; OLG Düsseldorf JurBüro 1984, 928: Mitwirkung im Rahmen eines Prozessauftrages; OLG Düsseldorf OLGR 2001, 424: Auch Tätigkeit vor Prozessauftrag), kann dahinstehen.
b) Die Patentanwaltskosten des Beklagten gehören hier nicht zu den Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO und bleiben deshalb im Kostenfestsetzungsverfahren unberücksichtigt.
Während teilweise eine vorgerichtliche Tätigkeit eines Patentanwalts, sofern sie sich auf den späteren Streitgegenstand bezieht, zu festsetzbaren Vorbereitungskosten führen soll (OLG Düsseldorf, OLGR 2001, 424 = Anwaltsblätter 2001, 187), verlangen andere einen konkreten Prozessbezug zur Einbeziehung von Patentanwaltskosten in das Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. Senat, MittdtschPatAnw 1990, 238; OLG Köln, WRP 2002, 1092). Der Senat verbleibt bei der letzteren Rechtsauffassung.
§ 140 Abs. 3 MarkenG bestimmt den Erstattungsanspruch für Kosten eines Patentanwalts, nicht aber das Verfahren, in dem diese Kosten geltend zu machen sind. Ob Patentanwaltskosten im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden können, bestimmt sich allein nach den §§ 91, 103 ff ZPO. Danach können nur solche Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren einbezogen werden, die einen ausreichend engen Bezug zum konkreten Rechtsstreit haben (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zu den Prozesskosten sind nicht nur die durch die Einleitung und Führung eines Prozesses ausgelösten Kosten, sondern auch diejenigen Kosten zu rechnen, die der Vorbereitung eines konkret bevorstehenden Rechtsstreits dienen (BGH, Beschluss vom 20.10.2005, Az.: I ZB 21/05). Diese werden aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit den Prozesskosten zugerechnet und können im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden. Daher können auch vorprozessuale Anwaltskosten als Kosten der Vorbereitung des Rechtsstreits angefallen sein (Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 91 Rn. 7). Jedoch handelt es sich dann nicht um Kosten des konkreten Rechtsstreits, wenn die den Kosten zu Grunde liegende Tätigkeit des Rechtsanwalts oder Patentanwalts dem Versuch der Abwendung eines Rechtsstreits dienen sollte (Thomas/Putzo, a.a.O., Rn. 8).
c) Hier ist kein ausreichender Bezug der Tätigkeit der Patentanwälte des Beklagten zum vorliegenden Rechtsstreit vorgetragen und glaubhaft gemacht (§ 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Tätigkeit der Patentanwälte endete rund ein halbes Jahr vor Einreichung der Klage und deren Zustellung. Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass zum Zeitpunkt der Tätigkeit der Patentanwälte der Beklagte mit dem vorliegenden Rechtsstreit konkret rechnen musste.
Selbst wenn die Patentanwaltskosten dem Beklagten im Zusammenhang mit einer Abmahnung entstanden wären, gehörten die Kosten nicht zu den einen Rechtsstreit unmittelbar vorbereitenden Kosten (BGH, a.a.O.), was hier aufgrund der unzureichenden Darlegung der Vorgeschichte des Prozesses nicht nachvollzogen werden kann.
Insbesondere ist auch nicht auszuschließen, dass der Beklagte die Kosten für seine Patentanwälte zur Klärung der Erfolgsaussichten einer möglichen Rechtsverteidigung oder/und zur Herbeiführung einer außergerichtlichen Einigung aufgewendet hat. Bei solchen Bemühungen handelt es sich nicht um notwendige Vorbereitungskosten für eine Rechtsverteidigung im Rechtsstreit (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Darüber hinaus ist allein aus Gründen der Prozessökonomie eine Einbeziehung vorgerichtlicher Kosten in das Kostenfestsetzungsverfahren nicht geboten (BGH, a.a.O.). Ob dem Beklagten gegen den Kläger ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch zusteht, ist nicht im Kostenfestsetzungsverfahren zu klären.
2. Der Beklagte hat vorgetragen, die beratende Tätigkeit der Patentanwälte sei im Rahmen der Auseinandersetzung im Streitverfahren mit verwertet worden. Durch die Verwendung der Erkenntnisse aus der früheren Tätigkeit der Patentanwälte wurden diese nicht zu den Vorbereitungskosten des Rechtsstreits i.S.d. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt eine Berücksichtigung im Kostenfestsetzungsverfahren ausscheidet.
Die Lage ist insoweit vergleichbar mit der einer Partei, die sich mit einem Privatgutachten auf den Rechtsstreit vorbereitet (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 25. Aufl., § 104 Rn. 21 außergerichtliche Anwaltskosten). § 140 Abs. 3 MarkenG ist die Folge einer besonderen Sach- und Rechtskenntnis, die Patentanwälten in Kennzeichenstreitsachen vom Gesetzgeber zugebilligt wird. Es kann auch in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob die Notwendigkeit für die Einholung eines (Rechts-)Gutachtens der Patentanwälte im vorprozessualen Bereich gemäß § 91 Abs. 1 ZPO zu prüfen wäre oder § 140 Abs. 3 MarkenG anzuwenden wäre. Für den nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderlichen konkreten Prozessbezug genügt es nämlich nicht, dass Gutachten bzw. hier die Kenntnisse aus der Tätigkeit der Patentanwälte irgendwann in einem Rechtsstreit verwendet werden, sondern das Gutachten bzw. die Tätigkeit der Patentanwälte muss sich auf den konkreten Rechtsstreit beziehen und gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben worden sein, auch wenn er nicht ausschließlich auf den konkreten Prozess ausgerichtet sein muss. Diejenigen Aufwendungen, die veranlasst werden, bevor sich der Rechtsstreit einigermaßen konkret abzeichnet, sind nicht erstattungsfähig (BGH NJW 2003, 1398, 1399 m.w.N. zu vorprozessualen Privatgutachten).
Im vorliegenden Fall ist nicht festzustellen, dass die Tätigkeit der Patentanwälte in unmittelbarer Beziehung zu dem vorliegenden Rechtsstreit gestanden hat und sie im Hinblick auf den konkreten Rechtsstreit beauftragt wurden und damit unmittelbar prozessbezogen tätig geworden sind. Insbesondere ist nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass zum Zeitpunkt der Tätigkeit der Patentanwälte bereits eine konkrete Klageandrohung vorgelegen hätte (vgl. hierzu BGH a.a.O.), die in den vorliegenden Rechtsstreit gemündet hätte.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus Nr. 1811 KV/GKG und § 91 ZPO.
Gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 u. 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO war die Rechtsbeschwerde im Hinblick auf die abweichende Entscheidung des OLG Düsseldorf (OLGR 2001, 424) zuzulassen.
OLG Stuttgart:
Beschluss v. 23.01.2006
Az: 8 W 20/06
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