Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Juli 2007
Aktenzeichen: 30 W (pat) 96/05
(BPatG: Beschluss v. 30.07.2007, Az.: 30 W (pat) 96/05)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I Gegen die am 7. Dezember 1999 für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 5, 10 und 42
"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandsmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; chirurgische, ärztliche, zahnärztliche Instrumente und Apparate, künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne; orthopädische Artikel; chirurgisches Nahtmaterial; Beratung auf dem Gebiet der Kosmetik, Pharmazie und Ernährung sowie der Gesundheits- und Schönheitspflege"
eingetragene Wortmarke 399 59 217 PädiLaxist Widerspruch erhoben worden von der Inhaberin der älteren, mit Priorität vom 19. Februar 1960 für
"Behälter aus Kunststoff zur Applikation von Arzneimitteln; Arzneimittel"
geschützten Wortmarke 733 943 BABYLAX.
Der Widerspruch ist auf die Waren "Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke" beschränkt worden.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat dem Widerspruch zunächst teilweise stattgegeben, ihn aufgrund der Erinnerung der Inhaberin der angegriffenen Marke jedoch vollständig zurückgewiesen mit der Begründung, dass die Widersprechende auf die von der Markeninhaberin zulässigerweise erhobenen Einrede der Nichtbenutzung zwar Unterlagen für den Benutzungszeitraum von 1995 bis 2000, nicht jedoch für den Benutzungszeitraum gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG vorgelegt habe.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die nunmehr weitere Benutzungsunterlagen einreicht und unter Hinweis auf die intensive Benutzung ihrer Marke die Auffassung vertritt, dass angesichts der engen Warenähnlichkeit und mit Rücksicht auf die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch Endverbraucher als medizinische Laien gehörten, der erforderliche Abstand der Marken aufgrund der zahlreichen Gemeinsamkeiten nicht mehr eingehalten sei.
Die Widersprechende stellt den Antrag, den Beschluss des DPMA vom 3. Mai 2005 aufzuheben, soweit der Widerspruch aus ihrer Marke zurückgewiesen worden ist.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung ist die Benutzung der Widerspruchsmarke nicht hinreichend glaubhaft gemacht; lediglich für "Laxantien in Rectiolen zur Behandlung von Darmträgheit und Verstopfung bei Säuglingen" werde die Benutzung anerkannt. Jedoch sei die Verwechslungsgefahr in jeder Richtung zu verneinen, zumal der Verkehr im Umgang mit pharmazeutischen Produkten, insbesondere für Kleinkinder, besonders aufmerksam und gewohnt sei, sogar auf kleinste Unterschiede zu achten, gerade wenn sie am Wortanfang auftauchten und die Endung wie hier kennzeichnungsschwach sei. Denn "Lax" verweise nur auf Laxantien und finde sich in vielen Arzneimittelbezeichnungen. Unter diesen Voraussetzungen träten die Zeichenunterschiede sowohl im Klang- als auch im Schriftbild hinreichend zutage. Zudem trage der unterschiedliche Sinngehalt der Anfangssilben (Pädi und Baby) zum hinreichenden Abstand gegenüber der Widerspruchsmarke bei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlüsse der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 MarkenG.
In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Der nach § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erhobene Widerspruch ist von der Markenstelle im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen worden.
Allerdings greift die Einrede der mangelnden Benutzung nur noch hinsichtlich der Widerspruchswaren "Behälter aus Kunststoff zur Applikation von Arzneimitteln" durch. Insoweit fehlt es an der fehlenden Glaubhaftmachung der Benutzung. Insbesondere beziehen sich die eingereichten eidesstattlichen Versicherungen vom 19. August 2005 und 5. April 2007 nicht konkret auf derartige Behälter, sondern nur auf solche im Zusammenhang mit der Verabreichung der Arznei. Die Benutzung der Behälter als eigenständige Ware kann aber nur dann anerkannt werden, wenn diese Ware losgelöst von einer anderen Ware selbständig angeboten und vertrieben wird. Soweit die Widersprechende darauf verweist, dass es sich insoweit auf die notwendige Verpackung bezieht, greift dies nicht durch; denn bei einer Rectiole handelt es sich nicht um ein derart ungewöhnliches Behältnis, das den Verkehr zu der Annahme veranlassen würde, dieses würde von der Widersprechenden selbst unter eigener Marke vertrieben. Hiervon könnte man nur ausgehen, wenn der Verkehr ausnahmsweise die Marke auch auf den Bestandteil (Behälter) bezieht, weil dieser eine besondere Bedeutung für das Gesamtprodukt hat, wofür hier keine hinreichenden Anhaltspunkte vorliegen. Vielmehr bleibt es insoweit bei dem Grundsatz, dass sich die Marke auf die in der Verpackung enthaltene Ware bezieht, insbesondere wenn der Schwerpunkt der Sachgesamtheit eindeutig auf dem Arzneimittel liegt (vgl. Ströbele in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 26 Rdn. 20 m. w. N.).
Nachdem die Benutzung der Widerspruchsmarke für "Laxantien" unstreitig ist, liegt Warenidentität hinsichtlich der Waren der angegriffenen Marke "Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege" vor, jedoch nur Ähnlichkeit hinsichtlich der "diätetischen Erzeugnisse für medizinische Zwecke" vor, die sich wiederum im engeren Ähnlichkeitsbereich bewegt (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl. 2005, S. 68/69 m. w. N.).
Dennoch besteht nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, da die angegriffene Marke auch den sich daraus ergebenden einzuhaltenden Abstand noch einhält.
Verwechslungsfördernd ist zwar zu berücksichtigen, dass es sich auch um solche Waren handeln kann, die von den allgemeinen Verkehrskreisen typischerweise im Wege der Selbstmedikation und nicht selten in Drogerie- oder Supermärkten auch ohne fachkundige Beratung erworben werden. Dabei ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen, dessen Aufmerksamkeit allerdings je nach Art der Ware unterschiedlich hoch sein kann (vgl. EuGH WRP 1999, 806, 809 Tz. 26 - Lloyd/Loint's; BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ/TISSERAND), wobei der Verkehr erfahrungsgemäß gerade bei Waren, die - wie vorliegend - den Gesundheitssektor betreffen, eine gesteigerte Aufmerksamkeit aufzubringen pflegt (vgl. dazu BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal), was der Verwechslungsgefahr entgegenwirkt; da sich die beiderseitigen Waren, wie die Widersprechende vorträgt, nur in Apotheken begegnen, in denen fachkundiges Personal bedient, ist der Verkehr im besonderen gegen Verwechslungen geschützt, zumal ihnen bekannt ist, dass im pharmazeutischen Bereich die Kennzeichnungen insgesamt große Ähnlichkeiten aufweisen können, die Sorgfalt und Aufmerksamkeit erfordern.
Entgegen der Auffassung der Widersprechenden ist ihrer Marke allenfalls eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft und damit ein normaler Schutzumfang zuzubilligen. Denn wie das Bundespatentgericht bereits früher festgestellt hat (Entsch. vom 24.10.96, Az. 25 W (pat) 258/94- BISOLAX/BABYLAX); Entsch. v. 13.08.02, Az. 24 W (pat) 237/01 - ratioLax/ Agiolax; jeweils zitiert nach PAVIS-PROMA), wird der Bestandteil "Lax" auch vom Durchschnittverbraucher als warenbeschreibender Gattungshinweis auf "Laxantien" verstanden werden (vgl. auch HABM, Az. R0434/06-2, vom 20.10.06 - IMOLAX/IDROLAX). Er ist zudem mit dem weiteren Bestandteil "BABY" zusammengefügt, der ebenfalls glatt beschreibend ist, so dass die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke allein in der Kombination ihrer Bestandteile liegt (so schon BPatG Az. 25 W (pat) 258/94, s. o.). Selbst wenn man darin noch eine hinreichende Verfremdung und nur eine sprechende Andeutung sieht, so dass jedenfalls keine gravierende Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung angenommen würde - auch weil im pharmazeutischen Bereich Markenbildungen üblich sind, welche die Art, Zusammensetzung, Wirkung, Indikation und dergleichen des zu kennzeichnenden Präparats jedenfalls für den Fachmann erkennen lassen -, fehlt es doch andererseits an substantiierten Nachweisen für die Anerkennung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft, wofür jedenfalls reine Benutzungsunterlagen nicht ausreichen, sondern die Markverhältnisse detailliert dargelegt werden müssen (vgl. Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 188 ff., 191 m. w. N.).
Bei dieser Ausgangslage von einer noch durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und teilweise enger Warenähnlichkeit ist nach Auffassung des Senats die Ähnlichkeit der Vergleichsmarken in keiner Richtung derart ausgeprägt, dass die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu bejahen wäre. Auch wenn angesichts möglicher Warenidentität und uneingeschränkter Berücksichtigung breiter Verkehrskreise strenge Anforderungen an den Markenabstand gestellt werden, wird die jüngere Marke diesen Anforderungen gegenüber der Widerspruchsmarke gerade wegen des allgemein sorgfältigen Umgangs des Verkehrs mit Gesundheitsartikeln (vgl. BGH GRUR 1995, 50 (53) - Indorektal) noch gerecht.
In klanglicher Hinsicht stimmen die Markenwörter in ihrer Gesamtheit zwar bei gleicher Silbenzahl, ähnlichem Sprech- und Betonungsrhythmus und in der Schlusssilbe "lax" überein. Bei der Beurteilung des Gesamteindrucks der Marken und der Verwechslungsgefahr ist allerdings zu beachten, dass die Übereinstimmung der Marken in der regelmäßig weniger beachteten Endsilbe "lax" nicht so stark ins Gewicht fällt, wie dies bei einem reinen Phantasiebestandteil der Fall wäre. Diese Schlusssilbe weist, wie oben dargelegt, erkennbar auf Laxantien hin und stellt darüber hinaus ein gebräuchliches und häufig verwendetes Wortelement im Bereich pharmazeutischer Kennzeichnungen dar (vgl. BPatG a. a. O.). Zwar muss die gemeinsame Schlusssilbe bei der Beurteilung des jeweiligen klanglichen Gesamteindrucks und der Verwechslungsgefahr angemessen berücksichtigt werden, jedoch käme ihr bei isolierter Betrachtungsweise kaum kennzeichnende Bedeutung zu. Die Aufmerksamkeit des Verkehrs wird sich daher noch stärker, als dies ohnehin der Fall ist, auf den Wortanfang und die dort vorhandenen Unterschiede richten, die hier - anders als in einem höchstrichterlich entschiedenen Fall (BGH GRUR 2004, 783 - NEURO-VIBOLEX) - hinreichend hervortreten. In diesen im Allgemeinen stärker beachteten Anfangsbestandteilen (vgl. dazu Hacker a. a. O. Rdn. 131 m. w. N.) "Pädi" gegenüber "BABY" unterscheiden sich die Marken nämlich noch hinreichend deutlich, was sich entsprechend auf den maßgeblichen klanglichen Gesamteindruck auswirkt. Die Vergleichsworte beginnen zwar mit ähnlichen Konsonanten. Gleichwohl entsteht nach Auffassung des Senats daraus kein verwechselbar ähnlicher Gesamteindruck der Markenwörter. Denn die Anfangsbuchstaben kommen markant in ihrem abweichenden Klangbild zur Geltung. Gerade der Anfangsvokal "Ä" fällt im Zusammenwirken mit dem Dentallaut "D" in der angegriffenen Marke auf und verändert den Gesamteindruck gegenüber der angegriffenen Marke deutlich, bei der die Konsonantenwiederholung "B" ebenfalls unüberhörbar in Erinnerung bleibt und der eingeschlossene Vokal "A" im deutschen Sprachraum wie ein gedehntes "E" ausgesprochen wird, weil der Sinngehalt "Baby" ohne Weiteres erkannt wird, zumal er im Zusammenhang mit den als benutzt anerkannten Widerspruchswaren auf der Hand liegt. Gerade dieser Begriffsgehalt, auf dessen sofortige Erfassbarkeit es selbst bei flüchtiger Wahrnehmung ankommt (vgl. EuG GRUR Int. 2003, 1017 (1019) - BASS/PASH), sorgt für ein sicheres Auseinanderhalten. Demgegenüber ist es unerheblich, ob die betroffenen Verkehrskreise die Anfangssilben der angegriffenen Marke mit Kleinkindern assoziieren, was eher unwahrscheinlich ist; denn insofern ist eigentlich nur der Wortstamm "päda" bekannt (Pädagoge, pädagogisch), nicht jedoch "pädi", das aus dem Fremdwort "Pädiatrie" entnommen nur einem sehr eingeschränkten Kreis geläufig sein wird. Dessen ungeachtet bedeutet dies auch nicht "Säugling", sondern beschreibt einen anderen Personenkreis.
Auch in schriftbildlicher Hinsicht heben sich die Vergleichszeichen in allen verkehrsüblichen Wiedergabeformen durch die Abweichungen an den auch insoweit besonders stark beachteten Wortanfängen ausreichend voneinander ab, wobei hier ebenfalls die Konsonantenwiederholung in der Widerspruchsmarke und der markante Vokal "Y" wegen seiner ausgeprägten Form selbst in der Wortmitte auffallen.
Die Ähnlichkeiten können auch nicht im Zusammenwirken zu einer (komplexen) Verwechslungsgefahr führen, weil - abgesehen von der gebotenen zurückhaltenden Anwendung dieser Verwechslungsform (vgl. Hacker a. a. O. Rdn. 156 m. w. N.) - sich die begriffliche Gesamtaussage auf beschreibende Hinweise beschränkt und die besondere Aufmerksamkeit des Verkehrs der Verwechslungsgefahr entgegenwirkt.
Im Übrigen wird auf die Entscheidungen in ähnlich gelagerten Fällen verwiesen, in denen in demselben Warengebiet keine Verwechslungsgefahr angenommen wurde bei "ratioLax" und "Agiolax" sowie "BISOLAX" und "BABYLAX" (vgl. BPatG a. a. O.).
Nach alledem konnte mangels anderer verwechslungsbegründender Gesichtspunkte die Beschwerde der Widersprechenden im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.
Dr. Vogel von Falckenstein Richterin Winter ist wegen Urlaubs an der Unterzeichnung gehindert.
Dr. Vogel von Falckenstein Paetzold Ko
BPatG:
Beschluss v. 30.07.2007
Az: 30 W (pat) 96/05
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