Landgericht Dortmund:
Beschluss vom 16. Juli 2007
Aktenzeichen: 18 AktE 23/03
(LG Dortmund: Beschluss v. 16.07.2007, Az.: 18 AktE 23/03)
Tenor
Die Anträge auf gerichtliche Bestimmung der angemessenen Abfindung und der angemessenen Ausgleichszahlung werden zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Spruchstellenverfahrens einschließlich der den Antragsgegnerinnen entstandenen außergerichtlichen Auslagen.
Der Geschäftswert wird auf 474.804,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Das vorliegende Spruchstellenverfahren betrifft die Festsetzung eines angemessenen Ausgleiches (§ 304 AktG) und einer angemessenen Abfindung (§ 305 AktG) aus Anlass des Abschlusses eines Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages zwischen der Antragsgegnerin zu 1) als beherrschtem und der Antragsgegnerin zu 2) als herrschendem Unternehmen am 17.06.2002.
Die Antragsgegnerin zu 2) wurde im Jahre 1981 gegründet. Sie ist im Handelsregister des Amtsgerichts Bochum unter der Registernummer HRB ...... eingetragen. Ihr Unternehmensgegenstand ist die geschäftsleitende Tätigkeit einer Holding für Versorgung und Verkehr für die Stadtwerke C GmbH und die Fernheizgesellschaft C2 GmbH sowie die Verwaltung des Aktienbesitzes an der Antragsgegnerin zu 1). Ihre Gesellschaftsanteile werden zu 99 % von der Energie- und Wasserversorgung N GmbH, C (N) und zu 1 % von der Stadt C4 gehalten. Die Antragsgegnerin zu 2) hält 95 % der Geschäftsanteile der Stadtwerke C GmbH; die übrigen 5 % hält die Stadt C4 unmittelbar. An der Mehrheitsgesellschafterin der Antragsgegnerin zu 2), der N GmbH, sind die Stadt C4 mit 57 %, die Stadt I mit
27,8 % und die Stadt X mit 15,2 % beteiligt.
Die Antragsgegnerin zu 1) wurde im Jahre 1896 gegründet und im Handelsregister des Amtsgerichts Bochum unter HRB # eingetragen. Ihr Unternehmensgegenstand ist im Wesentlichen die Erbringung von Leistungen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) auf dem Gebiet der Städte C3, H, I2, I und X. Sie verfügt über 259 Busse und 117 Schienenfahrzeuge, die im Linienverkehr eingesetzt werden. Die Gleislänge des schienenverbundenen Verkehrs beträgt insgesamt 207,5 km, insgesamt beziffert sich die Streckenlänge auf rund 700 km. Sie verfügt über Konzessionen, die die ausschließliche Bedienung der Strecken durch sie gewährleisten. Überwiegend werden ihre Verkehrsleistungen im Bereich des Zweckverbandes Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) erbracht, jedoch nicht auf dem Schienennetz der Deutsche Bahn AG. Daneben werden in beschränktem Umfang sogenannte verbundneutrale Leistungen erbracht, z. B. Planungsleistungen für den Stadtbahnbau, Reparaturleistungen in ihren Werkstätten oder Sonderverkehre außerhalb des regulären Liniendienstes. Das Grundkapital der Antragsgegnerin zu 1) beträgt 15.360.000,00 €. Es ist eingeteilt in 600.000 auf den Inhaber lautende Stückaktien. Zum Bewertungsstichtag befanden sich 50,01 % des Aktienkapitals bei der Antragsgegnerin zu 2), 44,91% bei der H2 Bahngesellschaft mbH, 3,36 % bei der Stadt H3 und 1,48 % im eigenen Besitz der Antragsgegnerin zu 1). 0,24 % oder 1.452 Aktien befanden sich im Streubesitz. Sie sind zum amtlichen Handel an der Düsseldorfer Börse zugelassen (WKN: ............#; ISIN: DE .....................).
Die Antragstellerin ist eine Vermögensverwaltungsgesellschaft. Sie ist Inhaberin einer Aktie der Antragsgegnerin zu 1).
Weil nach dem Steuersenkungsgesetz vom 29.10.2000 von Tochtergesellschaften erwirtschaftete Verluste bei der Konzernmutter nur noch dann mit steuerlicher Wirkung verrechnet werden können, wenn zwischen beiden Gesellschaften ein Organschaftsverhältnis besteht, fassten die Antragsgegnerinnen im Jahre 2002 den Beschluss, einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag zu schließen. Danach sollte die Antragsgegnerin zu 1) verpflichtet sein, ihren gesamten Gewinn an die Antragsgegnerin zu 2) abzuführen. Der Antragsgegnerin zu 2) sollte die Verpflichtung obliegen, entsprechend der gesetzlichen Vorschrift des § 302 AktG jeden während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen. Der Abschluss des Vertrages, für dessen genauen Wortlaut im Weiteren auf die Ablichtung Blatt 90 bis 93 der Akten Bezug genommen wird, fand am 17.06.2002 statt. Die Gesellschafterversammlung der Antragsgegnerin zu 2) billigte ihn am 11.07.2002. Am 30.08.2002 hielt die Antragsgegnerin zu 1) eine Hauptversammlung ab, die mit einer Gegenstimme (der Antragstellerin) dem Abschluss dieses Gewinnabführungsvertrages zustimmte.
Der gemeinsame Bericht der Geschäftsführung der Antragsgegnerin zu 2) und des Vorstandes der Antragsgegnerin zu 1) gemäß § 293 a AktG war von der durch Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 11.04.2002 zum gemeinsamen Vertragsprüfer gemäß § 293 c Abs. 1 S. 1 AktG bestellten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft E geprüft und gebilligt worden. Danach hatte die Antragsgegnerin zu 1) in den Jahren 1998 bis 2001 jährliche Verluste zwischen 55,4 und 48,4 Mio. Euro erwirtschaftet. Für die Jahre 2002 bis 2006 wurden Jahresfehlbeträge zwischen 48,3 und 38,0 Mio. Euro prognostiziert. Daraus ergab sich ein körperschaftssteuerlicher und gewerbesteuerlicher Verlustvortrag in Höhe von ca. 920 Mio. Euro. An nicht betriebsnotwendigem Vermögen der Antragsgegnerin zu 1) ist ein Grundstück im Buchwert von 1,7 Mio. Euro vorhanden.
Zwischen dem 01.06.2000 und dem 31.05.2002 wurden insgesamt 71 der im Streubesitz befindlichen Aktien umgesetzt. Die Börsenkurse bewegten sich zwischen 120,00 und 160,00 €. An einem einzigen Handelstag wurde ein Börsenkurs von 181,00 € notiert. Dieses Niveau behielt der Aktienkurs auch bis zum Ende des Jahres 2002 bei.
Wegen des sich aus den erwirtschafteten Verlusten ergebenden negativen Ertragswertes wurde der Ausgleich gemäß § 304 AktG auf 0,00 € und die Abfindung, anlehnend an die Börsenkursrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf 180,00 € festgesetzt.
Gegen den Beschluss der Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 1) hat die Antragstellerin Anfechtungsklage erhoben, die mit Urteil des Landgerichts Bochum vom 19.02.2003 (13 O 192/02) zurückgewiesen wurde. Die hiergegen gerichtete Berufung wurde mit Urteil des OLG Hamm vom 18.11.2003 (27 U 66/03) zurückgewiesen. Die von der Antragstellerin eingelegte Revision wies der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 13.02.2006 (NJW 2006, Seite 1663 = NZG 2006, Seite 347) zurück. Das vorliegende Spruchverfahren, das die Antragstellerin zunächst nur fristwahrend beantragt hatte, war während der Dauer des Anfechtungsrechtsstreits ausgesetzt. Nun verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren auf Festsetzung eines angemessenen Ausgleichs und einer angemessenen Abfindung weiter und trägt zur Begründung vor:
Der Umstand, dass die Antragsgegnerin zu 1) chronisch und dauerhaft Defizite erwirtschafte, sei nur die Folge der Einflussnahme des kommunalen Großaktionärs, der nicht die Profitabilität des Unternehmens in den Vordergrund stelle. Stattdessen würde der Antragsgegnerin zu 1) aufgezwungen, die Verluste aus der Wahrnehmung der Aufgaben zu tragen, die sich aus der Zurverfügungstellung der Verkehrsinfrastruktur für die Allgemeinheit ergeben. Deshalb, so meint die Antragstellerin, habe eine komplette Neubewertung der Antragsgegnerin zu 1) unter Ausklammerung aller unternehmerischer Aufgaben zu erfolgen, die die defizitäre Situation induzieren.
Für die Bemessung der Abfindung komme zudem in Betracht, den Liquidationswert der Antragsgegnerin zu 1) vor Beginn der defizitären Situation festzustellen und diesen bis zum Stichtag aufzuzinsen. Wenn eine Liquidation des Unternehmens ausscheide, sei stattdessen auf ihren Rekonstruktionszeitwert abzustellen.
Wegen der faktischen Beherrschung und Ausrichtung der Antragsgegnerin zu 1) an ertragsfremden, kommunalen Interessen sei ihr als Vermögensgegenstand zudem eine Ausgleichsforderung gegen die öffentliche Hand in Höhe des weitaus überwiegenden Anteiles des Verlustvortrages von 920 Mio. Euro fiktiv zuzurechnen. Weil diese Ausgleichsforderung nicht geltend gemacht worden sei, bestünden im Übrigen auch Regressansprüche der Antragsgegnerin zu 1) gegenüber ihrem Vorstand, dem Aufsichtsrat und dem städtischen Großaktionär.
Unzutreffend sei der Verlustvortrag nicht mit seinem Barwert als Sonderwert in die Bewertung eingeflossen. Wenn der Barwert des Verlustvortrages nur mit 30 % angenommen würde, entspreche dies 307 Mio. Euro, woraus sich ein Unternehmenswert von 512,00 € je Aktie ergäbe.
Hinsichtlich der Ausgleichsforderung sei mindestens die Verzinsung des Eigenkapitals zum Zeitpunkt der Hauptversammlung zugrunde zu legen.
Die Antragsgegnerin zu 2) verteidigt die Beschlüsse der Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 1).
Mit Beschluss vom 04.09.2006 hat die Kammer die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre unter Verweis auf § 306 Abs. 4 S. 4 AktG a. F. abgelehnt und zur Begründung darauf hingewiesen, dass von der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nicht nur dann abgesehen werden kann, wenn die Wahrung der Rechte der außenstehenden Aktionäre auf andere Weise sichergestellt ist (§ 306 Abs. 4 S. 4 AktG a. F.), sondern auch dann, wenn der Antrag auf Durchführung eines Spruchverfahrens offensichtlich unbegründet und zu wahrende Rechte außenstehender Aktionäre deshalb nicht ersichtlich sind. Das hiergegen von der Antragstellerin eingelegte Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
II.
Der Antrag der Antragstellerin ist zulässig. In der Sache bleibt der Antrag aber ohne Erfolg. Der Antragstellerin steht weder ein Anspruch auf eine höhere als die angebotene Abfindung zu, noch kann sie aus Anlass des Abschlusses des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages zwischen den Antragsgegnerinnen die Zahlung eines Ausgleichsbetrages verlangen.
1. Ausgleichsanspruch
Gemäß § 304 Abs. 1 AktG ist den außenstehenden Aktionären bei Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages ein angemessener Ausgleich für die ihnen durch diesen Unternehmensvertrag entstehenden Vermögenseinbußen anzubieten. Gemäß § 304 Abs. 2 AktG ist als Ausgleichszahlung mindestens die jährliche Zahlung des Betrages zuzusichern, der nach der bisherigen Vertragslage der Gesellschaft und ihren zukünftigen Ertragsaussichten voraussichtlich als durchschnittlicher Gewinnanteil auf die einzelne Aktie verteilt werden könnte.
Mit der Rechtsprechung des zuständigen Obergerichts (OLG Düsseldorf DB 2000, Seite 81 (83)), geht die erkennende Kammer davon aus, dass bei der Berechnung des Ausgleichsbetrages lediglich die auf den Stichtag prognostizierten Ertragsaussichten zugrundegelegt werden können.
Die Ertragsprognose für die Antragsgegnerin zu 1) ist negativ. Sie hat in der Vergangenheit Ergebnisse (Verluste) in der Größenordnung von ca. 50 Mio. Euro pro Jahr erwirtschaftet. Nach der Prognose des sachverständigen Prüfers ist auch nicht davon auszugehen, dass in absehbarerer Zeit irgendein positives Betriebsergebnis erzielt werden könnte. Dies entspricht auch nicht dem Unternehmensziel der Antragsgegnerin zu 1). Zwar sind die Feststellungen und Ableitungen des sachverständigen Prüfers in seinem Prüfgutachten vom 18.06.2002 grenzwertig knapp. Gleichwohl sind die Angaben ausreichend plausibel, um der gerichtlichen Bewertung zugrundegelegt werden zu können. Einmal sind die prognostizierten Ertragszahlen von der Antragstellerin nicht angezweifelt worden. Des Weiteren gerichtsbekannt, dass im Groß-Ballungsraum Rhein/Ruhr kein einziges Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs (soweit es ausschließlich Bus- und Straßenbahnverkehr außerhalb des Schienennetzes der Deutsche Bahn AG anbietet) existiert, das nicht in ähnlicher Weise defizitär arbeitet.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Ausgleichszahlung auch nicht aus einer Aufzinsung eines fiktiven Liquidationswertes herzuleiten. Denn gemäß § 304 Abs. 2 S. 1 AktG hat der Anteilsinhaber lediglich einen Anspruch auf einen Mindestausgleich in Höhe des fiktiven "Gewinnanteils". Auch vor dem Abschluss des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages hätte der Aktionär nicht eine feste Verzinsung seines Anteils am Liquidationswert der Gesellschaft verlangen können. Folglich entsteht ihm durch den Abschluss des Unternehmensvertrages auch kein entsprechender Nachteil, für den er jetzt durch Zubilligung eines Ausgleichsanspruchs zu entschädigen wäre.
Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch auf eine alternative, fiktive Ertragswertprognose unter Ausklammerung aller unternehmerischer Aufgaben, die die defizitäre Situation der Antragsgegnerin zu 1) verursachen. Denn einen Anspruch darauf, dass ein Unternehmen in einer bestimmten Art und Weise geführt wird mit der Folge, dass er anderenfalls einen Teilhabeanspruch hätte, dessen Höhe sich an den "vorsätzlich nicht erzielten Gewinnen" orientieren würde, hat der einzelne Anteilsinhaber nicht.
2. Abfindungsanspruch
Gemäß § 305 Abs. 1 AktG muss ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag die Verpflichtung des anderen Vertragsteils enthalten, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs dessen Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zu erwerben. Durch diese Abfindung nach § 305 AktG soll der Aktionär einen vollen Ausgleich für die Vermögensverluste erhalten, die ihm durch den Unternehmensvertrag entstanden sind (BGH ZIP 2001, Seite 734, 736; Bundesverfassungsgericht, ZIP 1999, Seite 1436, 1441). Für die Bemessung der Höhe der angemessenen Abfindung ist die Bewertung des beherrschten Unternehmens erforderlich. Denn nach diesen Grundsätzen ermittelte Wert stellt die angemessene Abfindung dar, weil der ausscheidende Aktionär die Summe erhalten muss, die dem Wert seiner Beteiligung am Unternehmen voll entspricht. Nur die volle Abfindung ist angemessen (BVerfGE 14, Seite 263, 284; OLG Düsseldorf AG 1990, Seite 397).
In Rechtsprechung und Lehre (HansOLG Hamburg NZG 2001, Seite 471; OLG Düsseldorf AG 1999, Seite 321; BayObLG AG 1995, Seite 509; Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung, 4. Aufl., Seite 203) ist anerkannt, dass der sogenannte Liquidationswert die Untergrenze des Unternehmenswertes darstellt. Hierbei handelt es sich um den Erlös, der sich erzielen lässt, wenn sämtliche Gegenstände des Unternehmens veräußert werden (Summe der Einzelveräußerungspreise nach Abzug von Schulden, Liquidationskosten und evt. Steuern). Auf ihn abzustellen kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn es sich nicht lohnt, das Unternehmen fortzuführen oder der Barwert der aus dem Veräußerungserlös zu erzielenden Gewinne höher wäre als der Barwert der ausschüttungsfähigen Unternehmensgewinne. Hinzu treten muss aber ferner noch, dass es rechtlich überhaupt möglich ist, eine Liquidation durchzuführen (Großfeld, a.a.O., Seite 206; BGH-NJW 1973, Seite 509). Hier haben sich die Mehrheitseigner der Beklagten zu 1) im Interesse der Erreichung des Gesellschaftszweckes, der Versorgung der Bevölkerung ihrer Gebietskörperschaften mit Angeboten des öffentlichen Personennahverkehrs zur Fortführung der Antragsgegnerin zu 2) auch für die Zukunft und unter Inkaufnahme der Notwendigkeit anderweitiger Deckung der erwirtschafteten Verluste wegen nicht kostendeckender Preise entschlossen. Damit bestünde für die Antragstellerin auch ohne den Unternehmensvertrag keine Aussicht auf Erhalt eines Liquidationswertes. Die Zuerkennung eines Abfindungsanspruchs gemäß § 305 AktG hat aber nicht den Gesetzeszweck, dem Anteilseigner eine bessere Rechtsposition zukommen zu lassen, als er vor dem Unternehmensvertrag inne hatte. Ihm soll lediglich die Möglichkeit gegeben werden, eine angemessene Kompensation für die tatsächlich bei ihm eingetretene Rechtsbeeinträchtigung zu erhalten (OLG Düsseldorf AG 2004, Seite 324, 328).
Der Unternehmenswert hat sich auch nicht an einem sogenannten Rekonstruktionszeitwert zu orientieren. Soweit die Antragstellerin insoweit auf die Randziffer 162 des IdW S 1 (2005) verweist, geht dies fehl: Der Bewertungsstandard 1 des IdW wurde für eine Vielzahl von Bewertungsanlässen geschaffen, nicht nur zwecks Schaffung einer Schätzgrundlage in Spruchverfahren (vgl. Rd. 8 bis 12 IdW S 1). Dem entspricht, dass der Bewertungsstandard Wertermittlungsansätze aus verschiedenen Sichtweisen enthält, deren Ergebnisse differieren können. So gibt es eine Sicht des Veräußerers eines Unternehmens, eines Erwerbers, eines abzufindenden Anteilseigners, eines objektiven Dritten u. a. m. (vgl. Rd. 17 des IdW S 1). Der Ansatz in Ziffer 8.2.2. des IdW S 1 (2005) stellt ausdrücklich und nur auf die Sicht des Leistungserstellers und nicht auf die des Anteilseigners ab. Dem entspricht völlig die Regelung im von der Antragstellerin zitierten FEE 2001, Rd. 151 ("from the point of view of the producer"). Der Rekonstruktionswert ist ersichtlich nicht gedacht und geeignet, den Wert eines Unternehmensanteils (Rd. 13 IdW S 1) zu definieren.
Der nach der Ertragswertmethode ermittelte Unternehmenswert ist negativ. Die Antragsgegnerin zu 2) arbeitet dauerhaft chronisch defizitär. Angesichts der jährlich erwirtschafteten Verluste von 40 bis 50 Mio. Euro bleibt der Wert des im nicht betriebsnotwendigen Vermögens befindlichen Grundstücks mit einem Buchwert von rund 1,7 Mio. Euro außer Betracht. Dieser wird durch die jährlich erwirtschafteten Verluste jeweils vielfach aufgezehrt.
Der vom sachverständigen Prüfer festgestellte negative Ertragswert ist auch nicht um einen Sonderwert in Form von steuerlichen Verlustvorträgen in Höhe von 920 Mio. Euro oder den Barwert dieser Summe zu korrigieren. Steuerliche Verlustvorträge stellen nur dann einen Vermögenswert dar, wenn man sie nutzen kann. Voraussetzung dafür ist, dass Gewinne erwirtschaftet werden, mit denen die Verluste verrechnen werden können. Dieser Fall ist vorliegend definitiv nicht in Sicht, weil die Antragsgegnerin zu 1) bei gleichem Unternehmensgegenstand als klassisches sog. nonprofit-Unternehmen dauerhaft chronisch defizitär bleiben wird.
Als Sonderwert kommt auch nicht der Ansatz eines Ausgleichsanspruchs gemäß § 311 Abs. 2 AktG und/oder ein Schadensersatzanspruch gegen den Vorstand wegen unterlassener Geltendmachung desselben in Betracht. Die Voraussetzungen für einen solchen Ausgleichsanspruch hat die Antragstellerin nicht ansatzweise dargetan.
Der Abfindungsbetrag gemäß § 305 AktG hatte sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 100, Seite 189) daher allein am Börsenwert des Anteils zu orientieren. Angesichts des Kursverlaufes der Aktie der Antragsgegnerin zu 1) ist die Zuerkennung eines Kurswertes von 180,00 € nicht nur nicht zu beanstanden, sondern als großzügig zu bezeichnen. Ein höherer Börsenwert des Anteils kommt ersichtlich nicht in Betracht; dies wird von der Antragstellerin auch nicht geltend gemacht.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 S. 1 2 FGG. Da die Einleitung dieses Spruchstellenverfahrens, wie insbesondere die insoweit außerordentlich gerichtserfahrene Antragstellerin zweifelsfrei erkennen konnte, offensichtlich unbegründet war, entspricht es der Billigkeit, dass die Antragstellerin auch die von den Antragsgegnerinnen entstandenen außergerichtlichen Kosten trägt. Dies folgt umso mehr, als dass es sich bei den wirtschaftlichen Eigentümern der Antragsgegnerin zu 1) um die öffentliche Hand und damit letztlich um den Steuerzahler handelt. Ihm aus diesem unnötigen Spruchstellenverfahren entstandene Kosten aufzuerlegen, erscheint der Kammer nicht billig und angemessen.
4.
Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 30 Abs. 1 KostO. Da weder hinsichtlich des Ausgleichs noch der Abfindung ein zusätzlicher Betrag festgesetzt wurde, war insoweit eine Ermessensentscheidung zu treffen. Hierfür war insbesondere das Antragsziel maßgeblich (KölnKomm/SpruchG-Roßkopf, § 15 Rd. 16; Fritzsche/Dreier/Verführt, § 15, Rd. 7; BayObLG AG 1996, Seite 275; OLG Karlsruhe DB 1997, Seite 2479). Hier hat die Antragstellerin den nach ihrer Auffassung unter Berücksichtigung des Sonderwertes "steuerlicher Verlustvortrag" vom Gericht festzusetzenden Anteilswert mit 512,00 € beziffert. Die Antragstellerin begehrte damit eine Verbesserung des Abfindungsangebotes um 332,00 € pro Aktie. Multipliziert mit der Anzahl der außenstehenden Aktien ergibt dies den aus dem Tenor ersichtlichen Geschäftswert.
LG Dortmund:
Beschluss v. 16.07.2007
Az: 18 AktE 23/03
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