Landgericht Bonn:
Urteil vom 4. März 2004
Aktenzeichen: 6 S 171/03
(LG Bonn: Urteil v. 04.03.2004, Az.: 6 S 171/03)
Ist Gegenstand eines für den Mandanten geführten Rechtsstreits die Feststellung, das Geschäftsführerverhältnis sei nicht durch Kündigung beendet und führt der Anwalt während des Rechtsstreits außergerichtliche Verhandlungen mit dem Ziel, alle in Betracht kommenden Ansprüche des Mandanten zu realisieren, die er bei fortbestehendem Vertragsverhältnis hätte, kann die außergerichtliche Tätigkeit gesondert abgerechnet werden, auch wenn ein außergerichtlicher Vergleich den Rechtsstreit miterledigt hätte.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 11.06.2003 - 12 C 142/02 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beklagten vertraten den Kläger als Prozessbevollmächtigte in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Düsseldorf. Der Kläger verlangt von ihnen die Auszahlung restlicher Kosten, die die Gegnerin des Vorprozesses ihm erstatten musste und die die Beklagten für ihn vereinnahmten. Der Beklagte zu 1) erklärt die Aufrechnung mit einem angeblichen Honoraranspruch der Beklagten für außergerichtliche Vergleichsverhandlungen, der den Beklagten nach ihrer Auffassung neben den vom Kläger für die gerichtliche Tätigkeit gezahlten Gebühren zusteht. Mit Urteil vom 11.06.2003, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht Bonn der auf Zahlung von 4.227,37 EUR nebst Zinsen gerichteten Klage - abgesehen von einer Zuvielforderung bei den Zinsen - stattgegeben, da die außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen mit den Gebühren für die gerichtliche Tätigkeit abgegolten seien. Das Urteil ist dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1) am 01.07.2003 zugestellt worden.
Mit ihrer am 30.07.2003 eingelegten und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 01.10.2003 begründeten Berufung beantragen die Beklagten, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Beklagten meinen, den außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen, die der Beklagte zu 1) mit der Gegnerin des Vorprozesses geführt habe, habe ein gesonderter Auftrag des Klägers zu Grunde gelegen. Es habe hingegen zu keinem Zeitpunkt Veranlassung dazu bestanden, über die im Vorprozess streitgegenständliche Frage der Wirksamkeit der Kündigung des Anstellungsvertrages Vergleichsgespräche zu führen. Denn es sei vollkommen klar gewesen, dass die Kündigung unwirksam war. Da dem Kläger jedoch auch klar gewesen sei, dass eine Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses faktisch nicht mehr möglich gewesen wäre, habe er den Beklagten einen separaten Auftrag erteilt, um die von ihm errechneten zukünftigen Forderungen aus dem Dienstverhältnis geltend zu machen. Der Kläger habe auf diesem Weg sein Erfüllungsinteresse durchsetzen wollen und nicht eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Er meint, er habe die Beklagten lediglich mit einer Tätigkeit im Rahmen des Kündigungsrechtsstreits beauftragt. Im Rahmen dieses Rechtsstreits sei lediglich überlegt worden, ob dessen vergleichsweise Beendigung in Betracht komme - ein Verfahrensgang der in jedem Arbeitsrechtsstreit normal sei und der auch bei der Beendigung von Geschäftsführerverträgen gang und gebe sei. Es sei jedoch nur über den Fortbestand des Anstellungsvertrags verhandelt worden. Nach Beendigung des Verfahrens seien die Beklagten vom Kläger nicht mehr beauftragt gewesen, weiter tätig zu werden.
Die Kammer hat nach § 12 Abs. 2 BRAGO ein Gebührengutachten der Rechtsanwaltskammer Köln vom 22.12.2003 eingeholt, auf das Bezug genommen wird (Blatt 128 ff. der Akten).
II.
Die zulässige - insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete (§§ 517, 519 f. ZPO) - Berufung ist begründet, da das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 513 ZPO). Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist die Klage unbegründet.
Zwar hatte der Kläger gegen die Beklagten als Gesamtschuldner aus den §§ 675 Abs. 1, 667 BGB einen Anspruch auf Auszahlung der von der Gegnerin des Vorprozesses erstatteten Kosten in Höhe von 20.538,81 DM. Denn diese Kosten hatten die Beklagten als Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen vereinnahmt. Der Anspruch ist jedoch in Höhe von 12.270,80 DM durch die von den Beklagten geleistete Zahlung (§ 362 Abs. 1 BGB) und in Höhe weiterer 8.268,01 DM ( 4.227,37 EUR) durch die vom Beklagten zu 1) mit Schriftsatz vom 13.01.2003 erklärte Aufrechnung (§§ 389, 422 Abs. 1 BGB) erloschen.
Entgegen der Auffassung des Klägers steht den Beklagten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Anwaltsvertrag neben der Vergütung für die gerichtliche Tätigkeit im Vorprozess auch ein Honorar für die während des Vorprozesses geführten außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen zu. Erhebt ein Rechtsanwalt im Auftrag seines Mandanten Klage und werden im Verlauf des Rechtsstreits nicht rechtshängige weitere Ansprüche, hinsichtlich derer der Rechtsanwalt keinen Klageauftrag hat, in außergerichtliche Vergleichsverhandlungen einbezogen, so sind die Vergleichsverhandlungen über die nicht rechtshängigen Ansprüche nicht nach § 37 Nr. 2 BRAGO mit den Gebühren für die gerichtliche Tätigkeit abgegolten. Vielmehr stehen dem Anwalt insoweit gesondert zu berechnende Gebühren nach § 118 BRAGO zu (BGH, Urteil vom 16.01.1969 - VII ZR 66/66 - NJW 1969, 932, 933). So liegt es hier.
Zwischen den Parteien steht nicht im Streit, dass der Beklagte zu 1) nach Erhebung der Feststellungsklage für den Kläger mit der Gegnerin des Vorprozesses über eine Gesamtlösung verhandelt hat. Zwischen den Parteien steht ferner außer Streit, dass der Kläger die zunächst von der Gegnerin initiierten Verhandlungen billigend zur Kenntnis genommen hat und dass er den Beklagten zu 1) in der Folgezeit - unter anderem mit Schreiben vom 30.01.2001 - auch von sich aus zu weiteren Verhandlungen mit der Gegnerin aufgefordert hat. Diese Verhandlungen betrafen nicht, jedenfalls nicht nur, den Gegenstand des Vorprozesses sondern zumindest auch weitere Ansprüche, hinsichtlich derer der Kläger den Beklagten keinen Klageauftrag erteilt hatte.
Gegenstand des Vorprozesses war ausschließlich das Begehren des Klägers, festzustellen, dass der Anstellungsvertrag vom 08.06.2000 nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 09.10.2000 aufgelöst worden ist. Gegenstand der Vergleichsverhandlungen waren hingegen Zahlungsansprüche des Klägers aus dem Anstellungsvertrag vom 08.06.2000, die bis zum Ablauf der vereinbarten Befristung am 28.05.2003 fällig geworden wären. Allein der Umstand dass das Feststellungsbegehren und die Zahlungsansprüche eng zusammenhingen und dass das Bestehen der Zahlungsansprüche von der Entscheidung über das Feststellungsbegehren abhängig war, nötigt nicht dazu, das Feststellungsbegehren und die Vergütungsansprüche als einen einheitlichen Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit der Beklagten anzusehen.
Insoweit kommt es entscheidend darauf an, dass es dem Kläger bei der Geltendmachung der Zahlungsansprüche nicht nur darum ging, sich im Rahmen einer Abfindung seine Einwände gegen die Wirksamkeit der Kündigung abkaufen zu lassen. Die Geltendmachung der Zahlungsansprüche hatte für den Kläger vielmehr eine über das Feststellungsbegehren hinaus gehende selbständige Bedeutung, da er offensichtlich auch für den Fall eines Obsiegens im Vorprozess nicht davon ausging, seine Tätigkeit bei der Gegnerin wiederaufzunehmen. Dementsprechend verfolgte er in den Vergleichsverhandlungen das Ziel, sein finanzielles Interesse an der Erfüllung sämtlicher bis zum Ablauf der Befristung fällig werdender Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag vom 08.06.2000 durchzusetzen. Dies ergibt sich aus dem Schreiben des Beklagten zu 1) vom 12.02.2001, das dieser auf Veranlassung des Klägers gefertigt hat, insbesondere aus der Aufstellung auf Seite 2 des Schreibens. Dass der Auftrag, den der Kläger den Beklagten erteilt hatte, nicht auf die Führung des Vorprozesses beschränkt war, folgt ferner daraus, dass der Kläger das Mandatsverhältnis mit den Beklagten am 01.07.2001 gekündigt hat. Hierzu hätte er keine Veranlassung gehabt, wenn sich der Auftrag alleine durch den rechtskräftigen Abschluss des Vorprozesses erledigt hätte. Gegen das am 22.05.2001 im Vorprozess verkündete Urteil wurde kein Rechtsmittel eingelegt.
Das den Beklagten zustehende Honorar für die außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen ist fällig, da sich der Auftrag durch die Kündigung des Klägers vom 01.07.2001 erledigt hat (§ 16 Satz 1 BRAGO) und da sie dem Kläger unter dem 02.07.2001 eine unterzeichnete und den Anforderungen des § 18 Abs. 2 BRAGO genügende Berechnung mitgeteilt haben (§ 18 Abs. 1 Satz 1 BRAGO).
In dieser Berechnung haben die Beklagten das ihnen zustehende Honorar auch der Höhe nach zutreffend ermittelt. Der von ihnen zu Grunde gelegte Gegenstandswert von 600.000,- DM ist jedenfalls nicht zu hoch (§§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 BRAGO). Denn der Kläger selbst hat bereits in seiner dem Beklagten zu 1) übermittelten Aufstellung vom 27.10.2000 eine mögliche Gesamtforderung in Höhe von über 900.000,- DM ermittelt. Da der Beklagte zu 1) im Einverständnis mit den Klägern mündliche Verhandlungen geführt hat, steht den Beklagten neben der Geschäftsgebühr auch eine Besprechungsgebühr zu (§ 118 Abs. 1 BRAGO). Soweit die Beklagten diese Gebühren dem Kläger jeweils zu 7,5/10 berechnet haben, entspricht diese Bestimmung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände billigem Ermessen (§ 12 Abs. 1 BRAGO). Die Kammer folgt insoweit dem überzeugenden und von den Parteien nicht angegriffenen Gebührengutachten der Rechtsanwaltskammer Köln vom 22.12.2003. Neben den Gebühren können die Kläger eine Auslagenpauschale und die auf die Vergütung entfallende Umsatzsteuer beanspruchen (§§ 25 Abs. 2, 26 BRAGO).
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sowie auf einer entsprechenden Anwendung von § 710 ZPO; von Anordnungen nach § 711 ZPO wird nach § 713 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist (§§ 543 Abs. 1, 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO). Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Streitwert: 4.227,37 EUR
LG Bonn:
Urteil v. 04.03.2004
Az: 6 S 171/03
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