Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Juni 2007
Aktenzeichen: 9 W (pat) 32/04
(BPatG: Beschluss v. 18.06.2007, Az.: 9 W (pat) 32/04)
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der angefochtene Beschluss aufgehoben.
II. Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
- Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung,
- Patentansprüche 2 bis 9, eingegangen am 31. Mai 2007,
- Beschreibung Spalten 1 bis 5 gemäß Patentschrift unter Einfügung einer ergänzten Beschreibungsseite, überreicht in der mündlichen Verhandlung, in Spalte 2 zwischen Zeilen 11 und 12,
- Zeichnungen Fig. 1 bis 4 gemäß Patentschrift.
Gründe
I.
Die Patentabteilung 21 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat nach Prüfung des Einspruchs das am 31. Juli 1999 angemeldete Patent mit der Bezeichnung
"Hardtop-Fahrzeugdach"
mit Beschluss vom 19. November 2003 in vollem Umfang aufrechterhalten, weil das mit Streitpatent beanspruchte Hardtop-Fahrzeugdach nach ihrer Auffassung patentfähig sei.
Auf die Beschwerde der Einsprechenden gegen diesen Beschluss verteidigt die Patentinhaberin das Patent in beschränkter Fassung und ist der Meinung, dass das nunmehr beanspruchte Hardtop-Fahrzeugdach neu und durch den nachgewiesenen Stand der Technik nicht nahegelegt sei.
Sie beantragt, das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
- Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung,
- Patentansprüche 2 bis 9, eingegangen am 31. Mai 2007,
- Beschreibung Spalten 1 bis 5 gemäß Patentschrift unter Einfügung einer ergänzten Beschreibungsseite, überreicht in der mündlichen Verhandlung, in Spalte 2 zwischen Zeilen 11 und 12,
- Zeichnungen Fig. 1 bis 4 gemäß Patentschrift.
Die Einsprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Ihrer Meinung nach sind die beanspruchten Gegenstände nicht patentfähig. Sie würden durch den Stand der Technik nach der DE 197 51 660 C1 i. V. m. dem nach der DE 40 25 936 C2 nahegelegt.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
Hardtop-Fahrzeugdach, mit einem oberen Dachteil (3) und einem Heckteil (4), von denen zumindest das Heckteil (4) zwischen einer den Fahrzeuginnenraum überdeckenden Schließstellung und einer Öffnungsstellung verstellbar ist, in der das Heckteil (4) in einem heckseitigen Ablageraum (20) abgelegt ist, und mit einer im Heckteil (4) gehaltenen und relativ zum Heckteil verschwenkbaren Heckscheibe (5), wobei die Heckscheibe (5) in Öffnungsstellung im Ablageraum (20) eine gegenüber dem Heckteil (4) nach oben versetzte Position einnimmt, wobei die Heckscheibe (5) und das Heckteil (4) von einem gemeinsamen, als Viergelenk-Mechanismus ausgebildeten Verstellmechanismus (8) zwangsgesteuert sind und wobei die Heckscheibe (5) über einen schwenkbar gelagerten Steuerhebel (12) mit dem Verstellmechanismus (8) verbunden ist, und wobei die Heckscheibe (5) über ein Gelenk (17) mit dem Heckteil (4) drehbar verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass das Gelenk (17) in Schließstellung bezogen auf die Fahrzeugvorwärtsrichtung am hinteren Ende von Heckscheibe (5) und Heckteil (4) angeordnet ist, dass das Heckteil (4) und die Heckscheibe (5) in Öffnungsstellung mit der konvex gekrümmten Seite nach unten im Ablageraum (20) verstaut sind und dass in der im Ablageraum (20) verstauten Lage der Relativwinkel () zwischen dem Heckteil (4) und der Heckscheibe (5) ein Maximum einnimmt.
Dem Patentanspruch 1 schließen sich auf diesen zumindest mittelbar rückbezogene Patentansprüche 2 bis 9 an.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. In der Sache führt sie zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents.
1. Das geltende Patentbegehren ist zulässig.
Der geltende Patentanspruch 1 geht inhaltlich auf den erteilten Patentanspruch 1, Teile der Beschreibung (Sp. 2, Z. 21-26), das Ausführungsbeispiel (Sp. 4, Z. 12-14, 53-54, 60-61 i. V. m. 49-50) und die Figuren 2 bis 4 zurück, wobei der Beschreibung der Hinweis zu entnehmen ist, dass es auf den Abstand zwischen Steuerhebel 12 zur Drehachse 17 der Heckscheibe 5 am Heckteil 4 ankommt, weil dadurch Stellkräfte, die über den Steuerhebel 12 auf die Heckscheibe 5 übertragen werden und die vom Verstellmechanismus 8 aufzubringen sind, klein gehalten werden können (Sp. 4, Z. 23-28). Es kommt also auf die Lage des Drehpunkts der Heckscheibe am Heckteil an. Die Lage des Gelenkes 17, wie sie in allen Figuren 2 bis 4 am hinteren Ende von Heckscheibe 5 und Heckteil 4 dargestellt ist, ist somit ein zur Erfindung gehörendes Merkmal. Dies wird auch von der Beschwerdeführerin ausdrücklich nicht bestritten.
Die vorhergehend genannten Textpassagen sind den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen: S. 2, Satz 1 des längeren Absatzes, S. 6, mittlerer Absatz; S. 7, 3. Absatz bis Satz 1 des letzten Absatzes. Der erteilte Patentanspruch 1 findet seine Stütze in einer Zusammenfassung der ursprünglich eingereichten Patentansprüche 1, 2 und 4 bis 6. Die Patentansprüche 2 bis 9 entsprechen den erteilten Ansprüchen 3 bis 10, welche den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 7 bis 14 entsprechen.
2. Das beanspruchte, zweifellos gewerblich anwendbare Hardtop-Fahrzeugdach ist unbestritten neu. Außer der nachveröffentlichten DE 199 32 503 A1 zeigt oder beschreibt keine der im Verfahren berücksichtigten Druckschriften ein Fahrzeugdach, bei dem ein Gelenk am hinteren Ende von Heckscheibe und Heckteil angeordnet ist mit der Folge, dass das Heckteil und die Heckscheibe in Öffnungsstellung mit der konvex gekrümmten Seite nach unten im Ablageraum verstaut sind und dass in der im Ablageraum verstauten Lage der Relativwinkel zwischen dem Heckteil und der Heckscheibe ein Maximum einnimmt. Das aus der nachveröffentlichten DE 199 32 503 A1 bekannte Fahrzeugdach unterscheidet sich vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 zumindest dadurch, dass eine Heckscheibe und ein Heckteil nicht von einem gemeinsamen als Viergelenk-Mechanismus ausgebildeten Verstellmechanismus zwangsgesteuert sind.
Die Beschwerdeführerin konnte den Senat nicht davon überzeugen, dass sich das beanspruchte Hardtop-Fahrzeugdach für einen Durchschnittsfachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.
Als Durchschnittsfachmann legt der Senat einen bei einem Fahrzeughersteller oder einem seiner Zulieferer tätigen Maschinenbauingenieur/Konstrukteur mit Fachhochschulausbildung und einschlägiger Berufserfahrung zugrunde, der mit der Entwicklung, Konstruktion und Anpassung von Fahrzeugdächern befasst ist.
Aus der DE 197 51 660 C1 ist ein Fahrzeug mit einem Hardtopdach bekannt, das aus einem Frontdachteil 1 und einem Heckdachteil 2 besteht und das zwischen einer den Fahrzeuginnenraum überdeckenden Schließstellung (vgl. Fig. 1) und einer Öffnungsstellung verstellbar ist, in der das Heckdachteil in einem heckseitigen Ablageraum (vgl. Fig. 4) abgelegt ist. Das Heckdachteil 2 weist eine Heckscheibe 3 mit seitlichem Rahmen 4 nebst Dichtteilen 5 und 6 und seitliche C-Säulen 7 auf. Die Heckscheibe 3 ist mit dem seitlichen Rahmen 4 relativ zur C-Säule 7 des Heckdachteils 2 verschwenkbar (vgl. Fig. 2, 3 i. V. m. Sp. 2, Z. 27-31) und nimmt in Öffnungsstellung in abgelegtem Zustand eine gegenüber dem Heckdachteil 7 nach oben versetzte Position ein (vgl. Fig. 4). Heckscheibe 3 und Heckdachteil 2 werden gemeinsam von einem mit einem Hauptlager 8 und Zwischenlenker 12 verbundenen Viergelenk-Mechanismus (Hauptlenker 11, C-Säule 7, Scharnier 10) zwangsgesteuert verstellt (vgl. Fig. 1 und 2 i. V. m. Sp. 2, Z. 37-50), wobei die Heckscheibe 3 über einen schwenkbar gelagerten Zwangsführungshebel 15 und über einen weiteren, mit dem Rahmen der Heckscheibe fest verbundenen Hebel 13 mit dem Verstellmechanismus verbunden ist. Die Heckscheibe 3 ist über den Hebel 13 mittels eines Gelenks 14 mit dem Heckteil (C-Säule 7 als Teil des Heckteils 2) drehbar verbunden (vgl. Fig. 1 bis 3).
Ein Hardtop-Fahrzeugdach ist auch aus der DE 40 25 936 C2 bekannt. Das Dach 3 des Fahrzeuges weist einen hinteren Dachbereich 4 mit einer in einem Tragrahmen 7 gehaltenen Heckscheibe 6 auf. Der Tragrahmen 7 ist schwenkbar (Schwenkzapfen 26) in einem Lager 8 des hinteren Dachbereichs gehalten (vgl. Fig. 1, 2). Das Dach 3 kann in eine Ablagestellung in einen Heckraum 21 verfahren werden. Die hintere untere Kante des Tragrahmens 7 kommt im letzten Abschnitt der Einfahrbewegung mit einem im Bereich der hinteren Begrenzungswand 14 des Heckraums 21 vorgesehenen Anschlag 15 in Kontakt. Beim weiteren Einfahren des Daches in die Ruhestellung wird durch den Anschlag der Tragrahmen 7 nach vorn geschwenkt und nach Erreichen der Endstellung gegen die Schwerkraftwirkung in dieser Stellung gehalten (vgl. Sp. 4, Z. 45-53).
Die Beschwerdeführerin meint, dass dem zuständigen Fachmann klar sei, dass das aus der DE 197 51 660 C1 bekannte Fahrzeugdach aufgrund der vorliegenden Kraftbedingungen kein betriebssicheres Verhalten aufweise, und dass er daher mit dem Problem konfrontiert sei, eine vereinfachte betriebssichere Ablage zu schaffen. In Fig. 4 der DE 197 51 660 C1 sei eine gestrichelt eingezeichnete Heckscheibe dargestellt, deren Heckkante angehoben werden müsse, um Platz zu schaffen. Der DE 40 25 936 C2 entnehme dann der Fachmann, dass er die Ablageposition durch Verschwenken verkürzen könne und die Grundidee, eine sehr einfache Lagerung um ein festes Schwenklager vorzusehen. Das würde er bei der gestrichelt eingezeichneten Heckscheibe an deren Heckteil anbringen.
Dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Zunächst ist festzustellen, dass in Fig. 4 der DE 197 51 660 C1 der abgelegte Zustand des Dachteils und insbesondere der Heckscheibe in zwei Situationen gegenübergestellt ist. Die eine Situation bezieht sich auf ein gattungsgemäßes Dach, wie weiter vorhergehend dargelegt, und die andere, gestrichelt eingezeichnete auf eine Bewegung nach dem Stand der Technik, bei der Heckscheibe und Heckdachteil starr verbunden sind (vgl. Sp. 2, Z. 56-59). Würde der Fachmann bei der in DE 197 51 660 C1 beschriebenen schwenkbaren Heckscheibe die Kraftbedingungen verändern wollen, würde er nach dem Vorbild in der DE 40 25 936 C2 die Heckscheibe verschwenkbar beibehalten, auf die kinematische Kopplung durch den Zwangsführungshebel 15 verzichten und dafür die Heckscheibe durch gegen sie drückende fahrzeugseitige Anschläge gegenüber dem Heckdachteil verdrehen. Eine Veranlassung, den Schwenkpunkt an das Heckende der Scheibe zu verlegen und gleichzeitig auch noch den Zwangsführungshebel beizubehalten, gibt es nicht. Ginge er von der gestrichelt dargestellten Situation aus, würde er bestenfalls einen Drehpunkt in der Scheibe vorsehen und diese durch einen Anschlag zum Verschwenken veranlassen. Um Raum zu gewinnen, müsste er, wie auch die Beschwerdeführerin angibt, die Heckkante der Heckscheibe anheben. Dafür muss der Drehpunkt zwangsläufig von der Heckkante wegliegend sein. Somit können die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Überlegungen des Fachmanns nicht zum beanspruchten Gegenstand führen.
Die im angefochtenen Beschluss berücksichtigte DE 199 32 503 A1 ist nachveröffentlicht und bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht zu ziehen (§ 4 Satz 2 PatG). Ebenso wie diese wurden die weiteren noch im Prüfungsverfahren genannten DE 196 42 154 A1, DE 197 06 397 C1 und DE 44 45 580 C1 mit vom Patentgegenstand weiter abliegenden Fahrzeugdächern von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht aufgegriffen.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist somit patentfähig. Die Patentansprüche 2 bis 9 sind alle zumindest mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen und betreffen zweckmäßige weitere Ausbildungen des Gegenstandes des Patentanspruchs 1, die nicht selbstverständlich sind; deren Gegenstände sind daher ebenfalls patentfähig.
BPatG:
Beschluss v. 18.06.2007
Az: 9 W (pat) 32/04
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