Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. April 2009
Aktenzeichen: 15 W (pat) 318/05
(BPatG: Beschluss v. 27.04.2009, Az.: 15 W (pat) 318/05)
Tenor
Das Patent 199 45 734 wird widerrufen.
Gründe
I.
Auf die am 23. September 1999 beim Deutschen Patentund Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das Patent 199 45 734 mit der Bezeichnung
"Dachbahn für die Abdichtung von Flachdächern und flach geneigten Dächern und Verfahren zur Herstellung einer Dachbahn"
erteilt worden. Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung in Form der DE 199 45 734 B4 ist der 16. September 2004.
Das Streitpatent umfasst fünfzehn Patentansprüche, die folgenden Wortlaut haben:
"1. Dachbahn für eine Flachdachabdichtung bestehend aus einer Dichtungsbahn aus Kunststoff, die mit mechanischen Verstärkungsmitteln versehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Verstärkungsmittel mit einer Kunststoffschicht umhüllt sind und dieses kunststoffumhüllte Verstärkungsmittel einseitig mit der Dichtungsbahn verbunden ist.
2. Dachbahn nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die kunststoffumhüllten Verstärkungsmittel als Faser-, Gewebeoder Folienbahn ausgebildet und auf der Unterseite der Dichtungsbahn aufgebracht sind.
3.
Dachbahn nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Dichtungsbahn und die Kunststoffumhüllung aus einem copolymerisiertem Vinylacetat mit Ethylen (VAE) oder aus anderen flexiblen copolymerisierten Kunststoffen besteht.
4.
Dachbahn nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Dichtungsbahn und die umhüllten Verstärkungsmittel durch eine Heißverschmelzung fest miteinander verbunden sind.
5.
Dachbahn nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Verstärkungsmittel gitterförmig ausgebildet sind, wobei die Gitter quadratisch, rechteckig, vieleckig, rund oder in anderen offenmaschigen Gitterformen ausgebildet sind.
6.
Dachbahn nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß an den Befestigungsrändern eine Gitterstruktur von kleinerer Maschenweite vorgesehen ist, die zur höheren mechanischen Verstärkung an den Dachbahnrändern dient.
7.
Dachbahn nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die kunststoffumhüllten Verstärkungsmittel wasserdicht umhüllt sind und die Fasern keine Feuchtigkeit aufnehmen.
8.
Dachbahn nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Verstärkungsmittel aus Polyesterfasern bestehen.
9.
Dachbahn nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß auf einer Seite der Oberfläche der verstärkten Dichtungsbahn eine weiche elastische Schicht oder ein Faservlies aufgebracht ist.
10.
Dachbahn nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, daß das Faservlies aus Polyesterfasern besteht.
11.
Dachbahn nach Anspruch 9 oder 10, dadurch gekennzeichnet, daß auf das Faservlies oder die weiche elastische Schicht zusätzlich noch eine weitere Schicht aus feuerfesten Materialien aufgebracht ist.
12.
Dachbahn nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, daß die Schicht aus feuerfestem Material als Glasvlies ausgebildet ist.
13.
Verfahren zur Herstellung einer Dachbahn nach einem der vorhergehenden Ansprüche 1 bis 12, dadurch gekennzeichnet, daß die Verstärkungsmittel mit einer flüssigen Kunststoffschicht umgeben, auf eine Seite der Dichtungsbahn aufgebracht und durch Aufschweißen mit dieser fest verbunden werden.
14.
Verfahren nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, daß auf eine Seite der verstärkten Dichtungsbahn ein Faservlies oder eine weiche elastische Schicht aufgebracht wird.
15.
Verfahren nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet, daß auf das Faservlies oder die weiche elastische Schicht zusätzlich eine weitere Schicht aus feuerfestem Material aufgebracht wird."
Gegen das Patent haben die H... AG & Co. KGaA in D..., DE, mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2004, eingegangen per Telefax am 15.
Dezember 2004 beim Deutschen Patentund Markenamt (Einsprechende 1), die a... GmbH & Co. in T..., DE, mit Schriftsatz vom 16.
Dezember 2004, eingegangen per Telefax am 16. Dezember 2004 beim Deutschen Patentund Markenamt (Einsprechende 2), die S... AG in B..., CH, mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2004, eingegangen per Telefax am 16. Dezember 2004 beim Deutschen Patentund Markenamt (Einsprechende 3), die L... AG in W..., DE, mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2004, eingegangen per Telefax am 16. Dezember 2004 beim Deutschen Patentund Markenamt (Einsprechende 4), Einspruch erhoben und übereinstimmend beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Die Einsprechenden 1 bis 3 haben hilfsweise noch die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Sie stützen ihr Vorbringen u. a. auf folgende Entgegenhaltungen:
D2 DE 197 55 422 A1 D3 DE 35 16 605 A1 D4 DE 298 11 128 U1 D7e Produkthandbuch der Grünau Illertissen GmbH, Hanau, vom April 1995 betreffend Dachabdeckungsfolien der Produktserie WOLFIN¨ , Deckblatt sowie Seiten 15, 20 und 21 D8 DE 296 09 139 U1 E4 Produktprospekt Wolfin GWSK Dachund Dichtungsbahnen der Firma Wolfin/Henkel Bautechnik; Produkt und Produktprospekt vertrieben und erhältlich seit 1992;
S1 DE 39 40 727 A1 S2 DE 34 32 813 A1.
Begründet werden die Einsprüche damit, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 u. a. sowohl gegenüber der DE 39 40 727 A1 (S1), als auch gegenüber derDE3432813 A1 (S2) nicht mehr neu sei (vgl. z. B. Einspruchsschriftsatz der E3 vom 16. Dezember 2004, Seite 3, Absatz 3 bis Seite 4, Absatz 7), zumindest aber gegenüber dem genannten Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Zudem sei der Gegenstand des Streitpatents durch eine offenkundige Vorbenutzung neuheitsschädlich vorweggenommen (vgl. z. B.
Einspruchsschriftsatz der E1 vom 15. Dezember 2004, Seite 10, Absatz 2 bis Seite 13, letzter Absatz). Des Weiteren machen die Einsprechenden 1, 2 und 4 geltend, dass das Streitpatent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG) (vgl. Schriftsatz der E1 vom 15. Dezember 2004, Seiten 18 bis 20, Abschnitt IV.; vgl. Schriftsatz der E2 vom 16. Dezember 2004, Seite 10, vorletzter Absatz i. V. m. Seite 6, vorletzter Absatz bis Seite 7, Absatz 1; vgl. Schriftsatz der E4 vom 16. Dezember 2004, Seite 3, letzter Absatz). Weiter sind die Einsprechenden 1, 3 und 4 der Ansicht, dass der Gegenstand des Streitpatents über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe und deshalb unzulässig erweitert worden sei (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG) (vgl. Schriftsatz der E1 vom 15.
Dezember 2004, Seiten 20 bis 21, Abschnitt V.; vgl. Schriftsatz der E3 vom 16.
Dezember 2004, Seite 7, Abschnitt 6.; vgl. Schriftsatz der E4 vom 16. Dezember 2004, Seite 3, vorletzter Absatz).
Der Patentinhaber hat dem Einspruchsvorbringen unter Vorlage eines eingeschränkten, neuen Patentanspruchs 1 mit Schriftsatz vom 17. April 2009 widersprochen und im Wesentlichen die Ansicht vertreten, dass der nunmehr verteidigte Patentgegenstand durch den entgegengehaltenen Stand der Technik weder vorbeschrieben sei, noch nahegelegt werde.
In der mündlichen Verhandlung vom 27. April 2009 verteidigt der Patentinhaber das Streitpatent zuletzt im Umfang der Patentansprüche 1 bis 4 gemäß "neuem Hauptantrag" sowie der Patentansprüche 5 bis 14 gemäß "ursprünglichem Hauptantrag", jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung. Dieser verteidigte Anspruchssatz hat folgenden Wortlaut (Änderungen sind kursiv dargestellt):
"1. Dachbahn für eine Flachdachabdichtung bestehend aus einer Dichtungsbahn aus Kunststoff, die mit mechanischen gitterförmigen Verstärkungsmitteln versehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß die gitterförmigen Verstärkungsmittel mit einer Kunststoffschicht umhüllt sind und dieses kunststoffumhüllte Verstärkungsmittel einseitig unter der Dichtungsbahn mit dieser verbunden ist, wobei die Dichtungsbahn und die umhüllten Verstärkungsmittel durch eine Heißverschmelzung fest miteinander verbunden sind.
2.
Dachbahn nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die kunststoffumhüllten Verstärkungsmittel als Faseroder Gewebebahn ausgebildet und auf der Unterseite der Dichtungsbahn aufgebracht sind.
3.
Dachbahn nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Dichtungsbahn und die Kunststoffumhüllung aus einem copolymerisiertem Vinylacetat mit Ethylen (VAE) besteht.
4.
Dachbahn nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Verstärkungsmittel gitterförmig ausgebildet sind, wobei die Gitter quadratisch, rechteckig, vieleckig, rund oder in anderen offenmaschigen Gitterformen ausgebildet sind.
5.
Dachbahn nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß an den Befestigungsrändern eine Gitterstruktur von kleinerer Maschenweite vorgesehen ist, die zur höheren mechanischen Verstärkung an den Dachbahnrändern dient.
6.
Dachbahn nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die kunststoffumhüllten Verstärkungsmittel wasserdicht umhüllt sind und die Fasern keine Feuchtigkeit aufnehmen.
7.
Dachbahn nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Verstärkungsmittel aus Polyesterfasern bestehen.
8.
Dachbahn nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß auf einer Seite der Oberfläche der verstärkten Dichtungsbahn eine weiche elastische Schicht oder ein Faservlies aufgebracht ist.
9.
Dachbahn nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, daß das Faservlies aus Polyesterfasern besteht.
10.
Dachbahn nach Anspruch 8 oder 9, dadurch gekennzeichnet, daß auf das Faservlies oder die weiche elastische Schicht zusätzlich noch eine weitere Schicht aus feuerfesten Materialien aufgebracht ist.
11.
Dachbahn nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, daß die Schicht aus feuerfestem Material als Glasvlies ausgebildet ist.
12.
Verfahren zur Herstellung einer Dachbahn nach einem der vorhergehenden Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, daß die Verstärkungsmittel mit einer flüssigen Kunststoffschicht umgeben, auf eine Seite der Dichtungsbahn aufgebracht und durch Aufschweißen mit dieser fest verbunden werden.
13.
Verfahren nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, daß auf eine Seite der verstärkten Dichtungsbahn ein Faservlies oder eine weiche elastische Schicht aufgebracht wird.
14.
Verfahren nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, daß auf das Faservlies oder die weiche elastische Schicht zusätzlich eine weitere Schicht aus feuerfestem Material aufgebracht wird."
Der Vertreter des Patentinhabers stellt den Antrag, das Patent aufrechtzuerhalten im Umfang der Patentansprüche 1 bis 4 gemäß "neuem Hauptantrag", überreicht in der mündlichen Verhandlung, Patentansprüche 5 bis 14 gemäß "ursprünglichem Hauptantrag", überreicht in der mündlichen Verhandlung.
Der Vertreter der Einsprechenden zu 1 stellt den Antrag, das Patent vollumfänglich zu widerrufen. Der Vertreter der Einsprechenden zu 2 stellt den Antrag, das Patent vollumfänglich zu widerrufen. Der Vertreter der Einsprechenden zu 3 stellt den Antrag, das Patent vollumfänglich zu widerrufen. Der Vertreter der Einsprechenden zu 4 stellt den Antrag, das Patent vollumfänglich zu widerrufen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Das Bundespatentgericht bleibt auch nach Wegfall des § 147 Abs. 3 PatG für die Entscheidung über die Einsprüche zuständig, die in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2006 eingelegt worden sind (BGH GRUR 2007, 859 - Informationsübermittlungsverfahren I und BGH GRUR 2007, 862 - Informationsübermittlungsverfahren II sowie BGH GRUR 2009, 184 - Ventilsteuerung).
Die fristund formgerecht eingelegten Einsprüche sind zulässig, weil in den Einspruchsschriftsätzen die Tatsachen, die die Einsprüche rechtfertigen, im Einzelnen so angegeben sind, dass die Merkmale des Patentanspruchs 1 erteilter Fassung im konkreten Bezug zum genannten Stand der Technik gebracht wurden. Der Patentinhaber und der Senat haben daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen der geltend gemachten Widerrufsgründe ohne eigene Ermittlungen ziehen können (§ 59 Abs. 1 PatG).
Die Einsprüche haben auch Erfolg. Das Patent war zu widerrufen, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der verteidigten Fassung vom 27. April 2009 mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig ist.
III.
1. Das Streitpatent betrifft eine Dachbahn für die Abdichtung von Flachdächern und flach geneigten Dächern sowie ein Verfahren zu dessen Herstellung (DE 199 45 734 B4, Absatz [0001]).
In der Streitpatentschrift wird zum Stand der Technik einleitend ausgeführt, dass Dachbahnen für die Flachdachabdichtung hohen Anforderungen unterliegen, da sie für viele Jahre starken Temperaturschwankungen, intensiver UV-Strahlung und hohen Windkräften und Bewegungen des Baukörpers widerstehen müssen. Nach der Schilderung in der Beschreibung haben sich neben bituminösen Dachbahnen hierfür seit Jahren Dachbahnen aus Kunststoff, wie z. B. ein flexibler copolymerisierter Kunststoff aus Vinylacetat und Ethylen (VAE), bewährt. Dieser bestehe aus einer auf der Dachoberfläche ausrollbaren, bahnartigen Folie von ca. 1 bis 2 mm Dicke, die man an den Rändern miteinander heißluftoder quellverschweiße. Weiter sei es bekannt, diese Bahnen mit Gewebeverstärkung zu versehen. So werde zunächst die Gewebeverstärkung zwischen zwei dünnen Kunststofffolien als Dichtungsbahn vorgesehen und mit diesen zusammengefügt. Da die Gewebearmierung eine geringere Flexibilität als die Kunststofffolie aufweise, verschlechtere sich jedoch durch eine derartige Verbindung die Flexibilität der Dachbahn. Ferner könne sich die Trennkraft, Duplierfestigkeit, Dicke über den Gewebeknoten, unterschiedliche Qualitäten zwischen Unterund Oberschicht und die Feuchtigkeitsaufnahme des Gewebes nachteilig auf die Haltbarkeit und die Verarbeitung des Produktes auswirken, was dann leicht zu Beschädigungen und Undichtheiten führen könne (Absatz [0002]). Des Weiteren seien auch Kunststoffdachbahnen bekannt, die aus einer einteiligen Dichtungsbahn bestehen, in die ein Verstärkungsgitter eingepresst sei. Das Einwalzen führe aber u. a. zu Spannungen in der Dachbahn (Absatz [0003]). Aus der EP 0 018 691 A1 sei eine Dachabdeckbahn bekannt, bei der ein Vollgewebe als Verstärkungsmittel vorgesehen sei, das beidseitig mit einer Weich-PVC-Schicht verbunden sei, so dass durch die Einkaschierung der Verstärkungsschicht eine dreischichtige Dachbahn entstehe. Auch hier sei die Flexibilität der Dichtungsbahn beeinträchtigt und die obere Dichtungsbahnhälfte sei bei hohen thermischen und mechanischen Belastungen rissgefährdet, so dass beim Eintritt von Feuchtigkeit beide Dachbahnhälften sich von der Gewebeschicht abschälen könnten (Absatz [0004]). Aus der DE 19755422 A1 (D2) sei eine selbstklebende Dichtungsbahn bekannt, bei der zwischen einer thermoplastischen Folie und einer Butylkautschukschicht eine Gewebeoder Glasfasermatte zur Stabilisierung einkaschiert sei. Auch hier könne es an den Übergangsflächen zu Spannungen kommen, die die Flexibilität der Dachabdeckbahn ungünstig beeinflussten (Absatz [0005]).
3.
Vor diesem technischen Hintergrund bezeichnet es das Streitpatent als zu lösendes technisches Problem, eine verstärkte Kunststoffdachbahn zu schaffen, deren mechanische Verstärkungswirkung zusätzlich erzeugt wird, ohne die hervorragenden Eigenschaften einer homogenen Bahn negativ zu beeinflussen, sondern diese noch zu fördern. Weiterhin soll im Belastungsfalle die Gewebeverstärkung alle Lasten aufnehmen, ohne die Dichtigkeit der homogenen Bahn zu gefährden; im Überlastungsfalle sich aber erst das Gewebe löst und die Elastizität der Dachbahn voll zum Tragen kommt (Absatz [0006]).
4.
Zur Lösung dieser Aufgabe beschreibt der geltende Patentanspruch 1, nach Merkmalen gegliedert, eine M1 Dachbahn M1a für eine Flachdachabdichtungbestehend aus M2 einer Dichtungsbahn aus Kunststoff, M3 die mit mechanischen gitterförmigen Verstärkungsmitteln versehenist, dadurch gekennzeichnet, dass M4 die gitterförmigen Verstärkungsmittel mit einer Kunststoffschicht umhüllt sind und M5 dieses kunststoffumhüllte Verstärkungsmittel einseitig M6 unter der Dichtungsbahn mit dieser verbunden ist, M7 wobei die Dichtungsbahn und die umhüllten Verstärkungsmittel durcheine Heißverschmelzung fest miteinander verbunden sind.
5.
Als zuständiger Fachmann ist ein Textil-Ingenieur oder Bauchemiker anzusehen, der aufgrund seiner Ausbildung und mehrjährigen Berufserfahrung, etwa in der Entwicklungsabteilung eines einschlägigen Unternehmens, über fundierte Kenntnisse auf dem Gebiet der Herstellung von Abdichtungsmaterialien verfügt.
Daraus leiten sich umfassende Kenntnisse und praktische Erfahrungen in der Entwicklung von Dachbahnen und Verstärkungsmaterialien hierfür ab.
6.
Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 geht nicht über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie beim Deutschen Patentund Markenamt ursprünglich eingereicht worden ist (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).
Der geltende Patentanspruch 1 geht inhaltlich auf die erteilten Patentansprüche 1, 2, 4 und 5 zurück und findet seine Grundlage in den am Anmeldetag eingereichten Unterlagen, dort in den Ansprüchen 1, 2, 4 und 5 i. V. m. Seite 6, Zeilen 10 bis 12. Die geltenden Patentansprüche 2 bis 14 lassen sich im Wesentlichen auf die erteilten Patentansprüche 2, 3 und 5 bis 15 zurückführen. Mit Ausnahme des Merkmals "offenmaschigen" im geltenden Unteranspruch 4 bzw. im erteilten Anspruch 5 lassen sich alle weiteren Merkmale und Verfahrensmaßnahmen aus den ursprünglichen Ansprüchen 2, 3 und 5 bis 15 herleiten. Ob das Merkmal "offenmaschig" im geltenden Anspruch 4 sinngemäß in den Ursprungsunterlagen offenbart ist, kann jedoch dahingestellt bleiben.
7.
Der von den Einsprechenden I, II und IV geltend gemachte Widerrufsgrund der unzureichenden Offenbarung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG liegt nicht vor. Das Streitpatent beschreibt die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
8.
Die Neuheit des Gegenstandes nach verteidigtem Patentanspruch 1 kann unerörtert bleiben, denn er beruht gegenüber den genannten Druckschriften DE3940727 A1 (S1) und DE 298 11 128 U1 (D4) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist von der Aufgabe auszugehen, die darin besteht, eine verstärkte Kunststoffbahn zu schaffen, deren mechanische Verstärkung zusätzlich erzeugt wird, ohne die hervorragenden Eigenschaften einer homogenen Bahn negativ zu beeinflussen, sondern diese noch zu fördern.
Das bedeutet für den Fachmann nichts anderes, als dass die Dachbahn eine hohe Flexibilität aufweisen und hohen thermischen und mechanischen Belastungen standhalten soll.
Gelöst wird diese Aufgabe durch eine Dachbahn mit den Merkmalen M1 bis M7 gemäß verteidigtem Patentanspruch 1. Diese Lösung war indessen für einen Fachmann ausgehend von der Druckschrift DE 39 40 727 A1 (S1) in Kenntnis und unter Berücksichtigung des Inhalts der DE 298 11 128 U1 (D4) naheliegend.
Die DE39 40727 A1(S1) betrifft eine Bauwerksabdichtung, insbesondere Dachabdichtungsbahnen (Merkmal M1). Diese Dachbahn umfasst eine Dichtungsbahn 1 aus thermoplastischen Olefinen (TPO), die also aus Kunststoff (Merkmal M2) besteht. Weiter weist die Dachbahn mit dem Glasgitter 3 ein mechanisches, gitterförmiges Verstärkungsmittel (Merkmal M3) auf. Dieses Glasgitter 3 ist von einer Schicht 2 aus thermoplastischen Elastomeren (TPE) umgeben (vgl. S1, Anspruch 1 i. V. m. Figur 1), so dass S1 auch ein kunststoffumhülltes Verstärkungsmittel (Merkmal M4) offenbart. Wie aus Figur 1 i. V. m. Anspruch 1 zudem ersichtlich, ist dieses kunststoffumhüllte Verstärkungsmittel einseitig (Merkmal M5) unter der Dichtungsbahn (Merkmal M6) mit dieser verbunden. Nachdem in Spalte 1, Zeilen 33 bis 37, ausgeführt ist, dass eine so aufgebaute Dichtungsbahn den Vorteil habe, dass die guten Alterungseigenschaften und gute Temperaturbeständigkeit erhalten blieben, wobei die Verlegemöglichkeiten auf alle Bereiche ausgedehnt seien, ist es für den angesprochenen Fachmann selbstverständlich, dass die in S1 beschriebene Dachbahn auch für eine Flachdachabdichtung geeignet ist (Merkmal M1a).
Somit erschließen sich alle Sachmerkmale M1 bis M6 bereits aus der S1. Zur Herstellung der Dachbahn - und damit zu productbyprocess-Merkmal M7 - finden sich in S1 keine Hinweise. Dem Fachmann ist aber geläufig, dass Verbindungen zwischen Kunststoffen häufig durch Hitzeeinwirkung, d. h. durch Heißverschmelzung, hergestellt werden, wenn homogene, dichte und feste Verbindungen gefordert sind. So beschreibt auch die S1 beispielsweise, dass das Schließen der Dachbahnnähte beim Verlegen der Dachbahn mit Heißgas, also durch Verschmelzung, erfolgt (vgl. S1, Spalte 1, Zeilen 8/9).
Dass es sich bei dem productbyprocess-Merkmal M7 um eine bekannte, fachübliche Verbindungsmaßnahme handelt, belegt die DE 298 11 128 U1 (D4). Diese Druckschrift befasst sich mit dem Problem der Haftung bei mehrschichtigen Verbunden untereinander. Wie aus Seite 2, Zeilen 14 bis 19, hervorgeht, sollte sich die Verbindung der Schichten einer Unterspannbahn bei den Verlegearbeiten und insbesondere auch im Laufe ihrer Lebenszeit, in denen die Unterspannbahn hohen Temperaturund Feuchteschwankungen ausgesetzt ist, nicht lösen, da sonst die gewünschte Funktion nicht mehr gegeben ist. Dazu schlägt die D4 eine Unterspannbahn vor, bestehend aus wenigstens einer Vliesschicht, einem offenmaschigen Verstärkungselement und einer wasserdampfdurchlässigen, aber wasserdichten Schicht, wobei die Vliesschicht mit einer ersten thermoplastischen Elastomerschicht (TPE) innig verbunden ist und das offenmaschige Verstärkungselement auf der der Vliesschicht abgewandten Seite des Verbundes vollständig zwischen der ersten und einer zweiten thermoplastischen Elastomerschicht eingeschlossen ist. Die erste TPE-Schicht ist mit der zweiten TPE-Schicht zum überwiegenden Teil verschmolzen (D4, Anspruch 1), so dass das Verstärkungsmittel von dem TPE umhüllt ist. Als Verstärkungsmittel werden offenmaschige Gewebe, Gewirke oder Netze eingesetzt (D4, Anspruch 7). Der monolithische -also homogene -Aufbau ermöglicht die Bildung von dichten Oberflächenschichten ohne Mikrolöcher (D4, Seite 3, Zeilen 21 bis 26). Hierzu wird das Vlies mit dem thermoplastischen Elastomer (TPE) durch Extrusion verbunden, wobei die Temperatur des TPE so gewählt wird, dass die TPE-Schmelze in die Vliesschicht eindringt und somit ein inniger Verbund entsteht (D4, Seite 9, Zeilen 2 bis 9). Weiter heißt es, dass der im ersten Schritt gebildete Verbund mit einem Netz (als mechanisches Verstärkungsmittel) belegt wird und soviel schmelzflüssiges TPE aufextrudiert wird, dass das Netz vollständig vom Polymer umgeben ist. Die Temperatur der Schmelze wird so gewählt, dass die Oberfläche der im ersten Schritt gebildeten Bahn angeschmolzen wird, um eine gute Haftung mit dem zweiten TPE zu erzielen (D4, Seite 9, Zeilen 11 bis 22). Die weitgehende Verschmelzung ist die Verschmelzung der einander berührenden Oberflächen der Elastomerschichten in den Maschen (D4, Seite 7, Zeilen 13 bis 24). Durch die hohe Temperatur erweicht auch das offenmaschige Verstärkungselement, wodurch eine gute Haftung der Elastomerschichten mit dem offenmaschigen Verstärkungselement erzielt wird (D4, Seite 7, Zeilen 26 bis 28).
Somit offenbart die D4 eine Verbundbahn, die mit mechanischen Verstärkungsmitteln einseitig versehen ist (Merkmale M3 und M5), und wobei die Verstärkungsmittel mit einer Kunststoffschicht umhüllt sind (Merkmal M4). Im Unterschied zum Streitgegenstand ist dieses kunststoffumhüllte Verstärkungsmittel zumindest einseitig mit einem Vlies verbunden, während beim Streitgegenstand anstelle des Vlieses der D4 eine Dichtungsbahn aus Kunststoff (Merkmal M2), wie sie aus der S1 bekannt ist, zum Einsatz kommt.
Das Vlies der D4 nun durch eine Folie (Merkmal M2) zu ersetzen und durch Heißverschmelzung gemäß D4 einen Verbund herzustellen, ist für den Fachmann eine naheliegende Maßnahme, zu der die S1 das Vorbild liefert.
Dem Patentanspruch 1 mangelt es daher an erfinderischer Tätigkeit, so dass dieser Anspruch keinen Bestand hat.
Bei dieser Sachlage brauchte der offenkundigen Vorbenutzung nicht nachgegangen zu werden.
9. Der Patentinhaber hat in der mündlichen Verhandlung nach ausführlicher Erörterung der Sachlage nur einen Anspruchssatz vorgelegt. Weitere Anhaltspunkte für ein stillschweigendes Begehren einer weiter beschränkten Fassung haben sich nicht ergeben. Infolgedessen hat der Patentinhaber die Aufrechterhaltung des Patentes erkennbar nur im Umfang eines Anspruchssatzes beantragt, der zumindest einen nicht rechtsbeständigen Anspruch enthält. Deshalb war das Patent insgesamt zu widerrufen. Auf die übrigen Patentansprüche brauchte bei dieser Sachlage nicht gesondert eingegangen zu werden (BGH GRUR 2007, 862 -Informationsübermittlungsverfahren II; Fortführung BGH GRUR 1997, 120 -Elektrisches Speicherheizgerät).
Feuerlein Schwarz-Angele Egerer Zettler Bb
BPatG:
Beschluss v. 27.04.2009
Az: 15 W (pat) 318/05
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