Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 13. August 1993
Aktenzeichen: 6 U 2O3/92
(OLG Köln: Urteil v. 13.08.1993, Az.: 6 U 2O3/92)
Tenor
Die Berufungen der Klägerin und des Beklagten gegen das am 7. Oktober 1992 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 176/92 - wer-den zurückgewiesen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 17% und der Beklagte 83%. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beschwer der Klägerin und des Beklagten übersteigt jeweils nicht 6O. OOO,OO DM.
Gründe
Die Berufung der Klägerin und des
Beklagten sind jeweils zulässig, aber unbegründet.
Das Rechtsmittel des Beklagten bleibt
in der Sache ohne Erfolg, denn die Klägerin verlangt von dem
Beklagten zu Recht gemäß §§ 54 Abs. 2 Satz 2 Abs. 6 UrhG, 13 b Abs.
2 WahrnG für die Jahre 1985 bis 1991 einschließlich die Zahlung von
Kopiervergütungen in Höhe von insgesamt 8.O65,O7 DM inklusive
Mehrwertsteuer, wie vom Landgericht im angefochtenen Urteil
erkannt.
Der Tatbestand des § 54 Abs. 2 Satz
UrhG ist auch nach dem zweitinstanzlichen Vorbringen des Beklagten
erfüllt. Dieser hält in seinem Geschäftslokal mehrere Kopiergeräte
für die Anfertigung von Fotokopien gegen Entgelt bereit.
Unerheblich ist dabei, ob diese Geräte vom Beklagten konkret dazu
bestimmt worden sind, Vervielfältigungen von urheberrechtlich
geschützten Werken vorzunehmen. Dies gilt selbst dann, wenn man
der Ansicht des Beklagten folgt, wonach § 54 Abs. 2 Satz 2 UrhG
hinsichtlich der dort angesprochenen Geräte auf § 54 Abs. 2 Satz 1
UrhG Bezug nimmt, also nur solche Geräte meint, die zur Vornahme
von vergü-tungspflichtigen Vervielfältigungen bestimmt sind. Mit
dem Hinweis der erkennbaren Zweckbestimmung in § 54 Abs. 2 Satz 1
UrhG sollte lediglich klargestellt werden, daß die bloße Eignung
zur Vervielfältigung nicht ausreicht, es sich vielmehr um ein zur
Anfertigung von Vervielfältigungen durch den Endverbraucher
bestimmtes Gerät handeln muß (vgl. Schricker-Löwenheim, UrhG 1987,
§ 54 Rdn. 5 sowie BT - Drucksache 1O/837 Seite 19). Daß aber die
vom Beklagten betriebenen Kopiergeräte in diesem Sinne zur
Anfertigung von Vervielfältigungen durch den Endverbraucher
bestimmt sind, ist unzweifelhaft.
Der Einwand des Beklagten, seine Geräte
seien von ihm nicht zur Anfertigung vergütungspflichtiger Kopien
bestimmt und es würden im wesentlichen auch keine Kopien
urheberrechtlich geschützter Werke auf seinen Geräten hergestellt,
vermag entgegen dem Berufungsvorbringen des Beklagten ebenfalls
nicht gemäß § 54 Abs. 3 UrhG zum Wegfall seiner
Zahlungsverpflichtung aus § 54 Abs. 2 Satz 2 UrhG zu führen. § 54
Abs. 3 UrhG gilt nur für die Tatbestände des § 54 Abs. 1 und Abs. 2
Satz 1 UrhG, nicht aber für die hier allein interessierende
Betreiberabgabe nach § 54 Abs. 2 Satz 2 UrhG.
Der Vortrag des Beklagten zu der
Nutzungsart seiner Geräte kann vielmehr allenfalls gemäß § 54 Abs.
2 Satz 3 UrhG bei der Bemessung der Höhe der vom Beklagten
geschuldeten Betreiberabgabe von Bedeutung sein. Nach dieser
Vorschrift bemißt sich die Höhe der Betreiberabgabe nach der Art
und dem Umfang der Nutzung des Geräts, die nach den Umständen,
insbesondere nach dem Standort und der üblichen Verwendung
wahrscheinlich ist. Die Klägerin stützt ihre Zahlungsansprüche auf
die - unstreitigen - Tarifsätze im Sinne von § 54 Abs. 4 UrhG, die
aber auf diesen Wahrscheinlichkeitsmaßstäben des § 54 Abs. 2 Satz 3
UrhG beruhen. Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, daß damit dem
Betreiber im Hinblick auf § 54 Abs. 2 Satz 3 UrhG nicht der
Gegenbeweis über die tatsächliche Anzahl der vergü-tungspflichtigen
Kopien einschließlich des Nachweises, daß das Gerät überhaupt
nicht zur Vervielfältigung geschützter Werke dient, abgeschnitten
wird (vgl. dazu Schricker-Löwenheim, aaO. § 54 UrhG Rdn. 18, 24),
vermag dies der Berufung des Beklagten nicht zum Erfolg zu
verhelfen und ein Abweichen von den der Zahlungsansprüche der
Klägerin zugrundeliegenden Tarifsätze zu begründen.
Daß auf den Geräten des Beklagten in
den Jahren 1985 bis 1991 überhaupt keine urheberrechtlich
geschützten Werke vervielfältig worden sind oder jedenfalls nur in
einem derart geringem Umfang, daß dieser einer Nichtbenutzung der
Geräte in diesem Sinne gleich zu stellen wäre, kann dem Vortrag des
Beklagten nicht entnommen werden. Unstreitig hielt und hält der
Beklagte seine Kopiergeräte für jederman bereit, fertigt also nicht
nur sogenannte Auftragsarbeiten, die von seinen Mitarbeitern
ausgeführt werden und dementsprechend von diesen auch ohne weiteres
kontrolliert werden können. Der Beklagte hätte daher darlegen
müssen, daß und in welcher Weise er durch geeignete Maßnahmen die
Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Ware durch den
Endverbraucher unterbunden hat, bzw. unterbindet. An einer
Darlegung derartiger Maßnahmen fehlt es jedoch.
Das Hinweisschild des Beklagten an der
Eingangstür seines Geschäfts und über den Geräten ist ungeeignet,
Kunden von der Anfertigung vergütungspflichtiger Kopien
abzuhalten. Wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt, entspricht
es der allgemeinen Lebenserfahrung, daß trotz derartiger
Hinweisschilder in Kopierläden Vervielfältigungen der genannten Art
nicht nur im Einzelfall gefertigt werden, weil sich die Kunden über
diese Hinweise schlicht hinwegsetzen. Zudem bleibt die Wertung,
was urheberrechtlich geschützt ist, dem Kunden überlassen. Diese
Wertung ist aber im konkreten Falle sehr schwierig und bedarf im
Zweifel besonderer juristischer Kenntnisse, die bei dem
durchschnittlichen Kunden derartiger Kopierläden nicht
vorausgesetzt werden können. Daß der Beklagte zumindest in seinem
Hinweisschild an der Eingangstür einzelne Werke aufgezählt hat,
führt zu keiner anderen Beurteilung, und zwar schon deshalb, weil
diese Aufzählung (ausweislich der mit Schriftsatz des Beklagten vom
8. Mai 1992 überreichten Fotografie: " z.B. Bücher, Noten,
Landkarten, Zeitschriften etc. ") nicht sämtliche
urheberrechtsfähigen Werke umfaßt.
Nach dem Vortrag des Beklagten kann
aber ebenfalls nicht davon ausgegangen werden, daß seine
Mitarbeiter zumindest ausreichende und geeignete Kontrollen
vornehmen, um die Vervielfältigungen von urheberrechtlich
geschützten Werken durch den Endverbraucher zu verhindern, denn
der Beklagte hat nicht konkret dargelegt, daß und in welcher Weise
jeder einzelne Kunde überwacht wird. Zudem gilt auch hier - wie bei
dem Kunden selbst - daß es den ersichtlich nicht juristisch
vorgebildeten Mitarbeitern des Beklagten im Einzelfall kaum möglich
sein dürfte, sicher zu entscheiden, was urheberrechtsfähig ist und
was nicht, zumal sich eine derartige Bewertung einer Publikation
häufig nicht durch bloßes Ansehen der Publikation vornehmen läßt,
sondern die Kenntnis weiterer Umstände voraussetzt. Es ist deshalb
nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten nicht auszuschließen,
daß urheberrechtlich geschützte Werke auf den auch dem
Endverbraucher zur Verfügung gestellten Geräte des Beklagten
kopiert werden, und dies nicht nur in unbedeutender Anzahl.
Die Darlegungen des Beklagten bieten
jedoch auch keine geeignete Grundlage für eine Berechnung bzw.
Schätzung der auf seinen Geräten gefertigten vergü-tungspflichtigen
Kopien und damit keine Grundlage, um von dem
Wahrscheinlichkeitsmaßstab, auf dem die tariflichen
Vergütungsberechnung der Klägerin basiert, abzuweichen. Mangels
ausreichender konkreter Anhaltspunkte kann weder von der vom
Beklagten in seiner Berufungsschrift angeführten Schätzung
vergütungspflichtiger Kopien in Höhe von 1 p. m. der Gesamt-
Kopiervorlagen ausgegangen noch eine andere Berechnung bzw.
Schätzung vorgenommen werden. Dies geht zu Lasten des insoweit
darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten, so daß es bei den von
der Klägerin gemäß § 54 Abs. 4 UrhG ihren Vergütungsansprüchen
zugrundegelegten Tarifsätzen bleibt.
Bedenken zur Höhe der von der Klägerin
geforderten Betreiberabgabe für die Jahre 1985 bis 1991 bestehen -
soweit sie vom Landgericht der Klägerin zuerkannt worden ist -
nicht. Der Vortrag des Beklagten im erstinstanzlichen Schriftsatz
vom 28. Juli 1992, wonach er erst ab 1989 sechs Kopierer der
Geschwindigkeitsklasse II besessen habe, wird vom Beklagten in der
Berufungsinstanz ersichtlich nicht mehr weiterverfolgt. Abgesehen
davon hat der Beklagte trotz der Hinweise im angefochtenen Urteil
nicht dargelegt, aus welchen Gründen er selbst vorprozessual
gegenüber der Klägerin im Februar 1988 sechs Gerä-te der
Geschwindigkeitsklasse II angemeldet hat. Schließlich hat der
Beklagte auch keinen Beweis für sein Vorbringen im Schriftsatz vom
28. Juli 1992 angeboten.
Der Zinsanspruch der Klägerin für die
vom Beklagten danach für die Jahre 1985 bis 1991 geschuldete
Betreiberabgabe in Höhe von 8.O65,O7 DM ergibt sich aus §§ 288 Abs.
1, 284 BGB.
Unbegründet ist jedoch ebenfalls die
Berufung der Klägerin, mit der diese vom Beklagten für das Jahr
1991 über den vom Landgericht bereits zuerkannten Betrag von
1.OO2,8O DM hinaus die Zahlung von weiteren 1.662,78 DM als
Betreiberabgabe gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 UrhG begehrt.
Die Klägerin stützt ihr
Zahlungsverlangen auf § 54 Abs. 5 Satz 3 UrhG, wonach vom
Auskunftspflichtigen der doppelte Vergütungssatz der
Betreiberabgabe verlangt werden kann, wenn dieser seiner
Auskunftspflicht nicht, nur unvollständig oder sonst unrichtig
nachgekommen ist. Die Voraussetzungen des § 54 Abs. 5 Satz 3 UrhG
sind jedoch vorliegend nicht erfüllt, andere Anspruchsgrundlagen,
die die Klageforderung insoweit rechtfertigen könnten, aber - auch
nach Ansicht der Klägerin - nicht gegeben.
Der Wortlaut des § 54 Abs. 5 Satz 3
UrhG vermag das Zahlungsbegehren der Klägerin nicht zu begründen,
denn der Beklagte hat unstreitig freiwillig vollständig und
richtig für das Jahr 1991 Auskunft über die von ihm bereit
gehaltenen Kopiergeräte erteilt.
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht
aus der vom Gesetzgeber mit Schaffung des § 54 Abs. 5 Satz 3 UrhG
verfolgten Intention, mit dem Anspruch auf das doppelte Entgelt die
erhöhten Verwaltungskosten auszugleichen, die der
Verwertungsgesellschaft entstehen, "wenn sie wegen unbilliger oder
säumiger Schuldner einen aufwendigen Kontrollapparat unterhalten
muß" (BT - Drucksache 11/5744, Seite 35, BT - Drucksache 11/4929,
Seite 16). Dies kann nach Auffassung des Senats nicht dahin
verstanden werden, daß § 54 Abs. 5 Satz 3 UrhG damit jedwede Kosten
der Verwertungsgesellschaft im Zusammenhang mit einer Säumnis des
Auskunftspflichtigen Schuldners kompensieren soll, also
insbesondere ebenfalls die im Streitfall allein bei der Klägerin
angefallenen Kosten für die Mahnung des Schuldners zur Leistung der
Auskunft (anschließend vollständig und richtig erteilten)
Auskunft. Für eine derartig weite Auslegung des § 54 Abs. 5 Satz 3
UrhG entgegen seinem Wortlaut bieten die Gesetzesmaterialien keine
ausreichenden Anhaltspunkte, denn auch dort wird betont, daß der
doppelte Vergütungssatz der Betreiberabgabe als Schadensersatz
(nur) dann verlangt werden kann, wenn der Auskunftspflichtige seine
Auskunft schuldhaft nicht, nur unvollständig oder sonst unrichtig
nachkommt (vgl. BT - Drucksache 11/5744, Seite 35). Vor allem der
Tatbestand der nicht vollständigen oder sonst unrichtigen Erfüllung
der Auskunftspflicht weist dabei darauf hin, daß der pauschallierte
Schadensersatz des § 54 Abs. 5 Satz 3 UrhG nicht den bloßen
Verzögerungssachen der Verwertungsgesellschaft ausgleichen soll,
sondern diejenigen Kosten, die der Verwertungsgesellschaft
entstehen, weil sie die Berechnung der Betreiberabgabe nicht auf
der Grundlage der Schuldenauskunft vornehmen kann, vielmehr z.B.
zunächst eigene Ermittlungen anstellen muß, um sich die notwendigen
Bemessungsgrundlage als Ersatz für die fehlende Schuldnerauskunft
zu verschaffen. § 54 Abs. 5 Satz 3 UrhG mit der für den Schuldner
weitreichenden Folge der Verpflichtung zur Zahlung der doppelten
Betreiberabgabe soll danach ersichtlich erst dann eingreifen, wenn
die Verwertungsgesellschaft anstelle des auskunftspflichtigen
Schuldners zur Schaffung der Bemessungsgrundlage für die
Betreiberabgabe tätig wird, bzw. tätig werden muß (wobei es dann
allerdings nicht darauf ankommt, ob und welche besonderen Kosten
der Verwertungsgesellschaft entstehen).
Ohne Erfolg macht die Klägerin
demgegen-über geltend, ein derartiges Verständnis des § 54 Abs. 5
Satz 3 UrhG würde im Extremfall bedeuten, daß bei zunächst
jahrelanger Verweigerung der Auskunft der doppelte Vergütungssatz
durch Meldung des Schuldners noch nachträglich entfallen könne. Die
Verwertungsgesellschaft hat es in der Hand, ob sie trotz nicht
fristgerecht erteilter Auskunft den Betreiber weiterhin zur
Auskunft anhält oder aber davon absieht und die Betreiberabgabe
aufgrund einer von ihr selbst ermittelten Bemessungsgrundlage
berechnet und dabei von § 54 Abs. 5 Satz 3 UrhG Gebrauch macht.
Eine erst danach vom Schuldner erteilte Auskunft vermag dann dem
Anspruch der Verwertungsgesellschaft aus § 54 Abs. 5 Satz 3 UrhG
nicht den Boden zu entziehen. Zu erwägen ist allenfalls, ob der
Anspruch aus § 54 Abs. 5 Satz 3 UrhG nicht voraussetzt, daß der
Schuldner in dem Auskunftsersuchen der Verwertungsgesellschaft auf
die Konsequenzen einer nicht oder nicht vollständig bzw. richtig
erteilten Auskunft hingewiesen wird.
Im Streitfall hat aber die Klägerin aus
der Säumnis des Beklagten nach den drei Mahnungen vom 1O.O1, 19.O2,
und 14.O3.1991 keine Konsequenzen gezogen und z.B. die
Bemessungsgrundlage für die Betreiberabgabe für das Jahr 1991 in
anderer Weise ermittelt. Sie hat vielmehr vom Beklagten nochmals
Auskunft verlangt, diesmal mit anwaltlichem Schreiben vom
3.O6.1991. Damit hat sie zu erkennen gegeben, daß sie die mit
diesem Schreiben geforderte Auskunft noch als die vom Beklagten
geschuldete Leistung ansieht. Dieser Aufforderung der Klägerin vom
3.O6.1991 ist der Beklagte jedoch - innerhalb der ihm gesetzten
Frist - vollständig und richtig nachgekommen und die Beklagte hat
daraufhin die Betreiberabgabe für 1991 aufgrund dieser Auskunft
des Beklagten errechnet. Der Tatbestand der Nichterfüllung oder der
nicht vollständigen bzw. richtigen Erfüllung der Auskunftspflicht,
den § 54 Abs. 5 Satz 3 UrhG nach seinem Wortlaut voraussetzt,
liegt damit auch nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht
vor.
Die Entscheidung über die
zweitinstanzlichen Kosten beruht auf §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO.
Die übrigen Nebenentscheidungen ergehen
gemäß §§ 7O8 Nr. 1O, 713, 546 Abs. 2 ZPO.
OLG Köln:
Urteil v. 13.08.1993
Az: 6 U 2O3/92
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