Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Oktober 2004
Aktenzeichen: 6 W (pat) 701/03
(BPatG: Beschluss v. 26.10.2004, Az.: 6 W (pat) 701/03)
Tenor
Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten mit folgenden Unterlagen:
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 26. Oktober 2004, im übrigen mit den erteilten Unterlagen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I Gegen das Patent 37 45 156, das durch Teilung aus der Anmeldung P 37 21 711.9 entstanden ist und für das die Prioritäten der Voranmeldungen P 36 22 697.1 vom 5. Juli 1986, P 36 33 828.1 vom 4. Oktober 1986 und P 36 42 716.0 vom 13. Dezember 1986 in Anspruch genommen worden sind, ist von zwei Einsprechenden (Herrn Dr.-Ing. R..., Firma W...) am 28. Februar 2001 Einspruch erhoben worden.
Die Einsprechenden begründen den Widerruf des Patentes damit, dass der Gegenstand nach dem erteilten Patentanspruch 1 im Hinblick auf den noch genannten Stand der Technik nicht patentfähig sei. Der Einsprechende weist dazu auf die deutschen Offenlegungsschriften 29 26 012, 36 10 127 und 35 15 928 sowie auf die deutsche Auslegeschrift 28 48 748 und die US-Patentschriften 4 190 142, 2 476 043 und 3 952 545 hin und die Einsprechende führt aus, dass der Gegenstand nach dem erteilten Patentanspruch 1 gegenüber der europäischen Offenlegungsschrift 0 170 950 A1 nicht neu sei oder zumindest im Hinblick auf diese Druckschrift und die europäischen Offenlegungsschrift 0 136 825 A2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Zudem macht die Einsprechende auch den Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung geltend.
Die Patentinhaberin trägt vor, der Einspruch des Einsprechenden Dr.-Ing. R... sei unzulässig. Gemäß § 59 Abs. 1 PatG sei der Einspruch schriftlich zu erklären. Dies bedeute, dass eine eigenhändige Unterschrift erforderlich sei, die die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichne. Der Einspruch sei aber nur mit einem Unterschriftskürzel unterschrieben, bei dem lediglich der Buchstabe "M" mit einem daran angehängten etwa L-förmigen Schriftzug zu erkennen sei, wobei in der Unterschriftszeile zwei Namen wiedergegeben seien und somit auch nicht deutlich werde, welchem Namen die als Unterschrift ohnehin unzulässige Paraffe zugeordnet sein solle.
Der Einsprechende ist dagegen der Auffassung, dass der Einspruch ordnungsgemäß unterschrieben und dabei auch hinreichend erkennbar sei, dass Herr M. R1... die Unterschrift geleistet habe. Der Einspruch sei somit zulässig.
Der Einsprechende hat mit Schreiben vom 18. April 2002 beantragt, dass der zuständige Beschwerdesenat über den Einspruch entscheiden solle. Darüber hinaus trägt er vor, dass das Patent auch deswegen zu widerrufen sei, weil sich der gemäß Teilungserklärung abgetrennte Gegenstand in einer unzulässigen Erweiterung erschöpfe und die Teilung somit unzulässig sei. Zur mangelnden Neuheit des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 wird ergänzend noch auf die deutsche Offenlegungsschrift 36 28 774 hingewiesen.
Die Einsprechende (Firma W...) hat mit Schreiben vom 12. Mai 2004 (ein- gegangen am 13. Mai 2004) den Einspruch zurückgenommen und ist somit nicht mehr am Verfahren beteiligt.
Die Patentinhaberin verteidigt das Patent mit den erteilten Patentansprüchen 1 bis 64 (Hauptantrag) von denen der Patentanspruch 1 folgendermaßen lautet:
"Einrichtung zum Dämpfen von Schwingungen, insbesondere zwischen einem Motor und einer Kupplung in einem Antriebsstrang, mit zwischen zwei Schwungradelementen vorzusehender Dämpfungsvorkehrung, wobei das Eingangsteil das eine, mit dem Motor verbindbare, und das Ausgangsteil das andere, eine Gegenreibfläche zum Angriff einer Reibscheibe der Kupplung aufweisende Schwungradelement ist, gekennzeichnet durch die nachfolgend angeführten Merkmale:
a) die Dämpfungsvorkehrung besitzt eine radial nach außen geschlossene, ringförmige Kammer (30), die radial außen einen Ringkanal (51) bildet, in dem Kraftspeicher, wie Federn, aufgenommen sind.
b) an den seitlichen Begrenzungswandungen des Ringkanals (51) sind erste Abstützbereiche zur Beaufschlagung von Enden der Kraftspeicher vorgesehen, c) in den Ringkanal (51; 151; 251; 551) ragt ein mit dem zweiten Schwungradelement (4; 204; 504) in Drehschluß stehender Flanschkörper (41; 141; 241; 541), der zweite Abstützbereiche zur Beaufschlagung von Kraftspeicherenden bildet, hinein, d) die zwischen ersten und zweiten Abstützbereichen vorgesehenen Kraftspeicher (45; 145; 245) lassen zwischen den Schwungradelementen (3, 4; 203, 204) mindestens eine relative Verdrehung von ± 25 Grad, ausgehend von einer Mittelstellung, zu, e) das den Ringkanal bildende Schwungradelement besitzt Abschnitte, welche die Kraftspeicher axial übergreifen und fliehkraftmäßig abstützen."
Gemäß Hilfsantrag wird das Patent mit einem abgeänderten Patentanspruch 1 verteidigt, der wie folgt lautet:
"Einrichtung zum Dämpfen von Schwingungen, insbesondere zwischen einem Motor und einer Kupplung in einem Antriebsstrang, mit zwischen zwei Schwungradelementen vorzusehender Dämpfungsvorkehrung, wobei das Eingangsteil das erste, mit dem Motor verbindbare, und das Ausgangsteil das zweite, eine Gegenreibfläche zum Angriff einer Reibscheibe der Kupplung aufweisende Schwungelemente ist, gekennzeichnet durch die nachfolgend angeführten Merkmale:
a) die Dämpfungsvorkehrung besitzt eine radial nach außen geschlossene, ringförmige Kammer (30), die radial außen einen Ringkanal (51) bildet, in dem Kraftspeicher, wie Federn, aufgenommen sind.
b) an den seitlichen Begrenzungswandungen des Ringkanals (51) sind erste Abstützbereiche zur Beaufschlagung von Enden der Kraftspeicher vorgesehen, c) in den Ringkanal (51, 151, 251, 551) ragt ein mit dem zweiten Schwungradelement (4, 204, 504) in Drehschluß stehender Flanschkörper (41, 141, 241, 541), der zweite Abstützbereiche zur Beaufschlagung von Kraftspeicherenden bildet, hinein, d) die zwischen ersten und zweiten Abstützbereichen vorgesehenen Kraftspeicher (45, 145, 245) lassen zwischen den Schwungradelementen (3, 4, 203, 204) mindestens eine relative Verdrehung von ± 25 Grad, ausgehend von einer Mittelstellung, zu, e) das den Ringkanal bildende Schwungradelement besitzt Abschnitte, welche die Kraftspeicher axial übergreifen und fliehkraftmäßig abstützten, f) in der ringförmigen Kammer (30) ist ein viskoses Medium bzw. ein Schmiermittel, wie z.B. Silkonöl oder Fett vorgesehen".
Zum Wortlaut der erteilten Patentansprüche 2 bis 64, die sich auch an den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag anschließen sollen, wird auf die Patentschrift verwiesen.
Der Einsprechende vertritt die Auffassung, dass sowohl der erteilte Anspruch 1 (Hauptantrag) als auch der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag unzulässig erweitert worden sei. Beim Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag wird vor allem bemängelt, dass das hinzugekommene Merkmal f) nicht in der im Anspruch 1 angegebenen Weise offenbart sei, da das in der ringförmigen Kammer vorgesehene viskose Medium oder Schmiermittel in der Patentschrift und in den ursprünglichen Unterlagen der Stammanmeldung nur in Verbindung mit bestimmten Niveauangaben beschrieben werde. Wegen des Fehlens dieser Angaben lasse der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag somit auch die Möglichkeit zu, dass mit dem Schmiermittel keine hydraulische Dämpfung, sondern nur eine schmierende Wirkung erzielt werde. Außerdem ist der Einsprechende der Ansicht, dass der Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag gegenüber der deutschen Offenlegungsschrift 36 10 127 nicht neu oder zumindest im Hinblick auf diese Druckschrift nicht erfinderisch sei. Hierbei bildet die deutsche Offenlegungsschrift 36 10 127 einen vorveröffentlichten Stand der Technik, da die für das Streitpatent in Anspruch genommenen Prioritäten zu Unrecht bestehen würden. Dies wird damit begründet, dass die zur Stammanmeldung eingereichten Prioritätsdokumente dem jeweiligen Prioritätsdatum nicht zweifelsfrei zuzuordnen seien und aufgrund dieses Mangels die Inanspruchnahme der Prioritäten unwirksam sei. Falls der Senat diesbezüglich anderer Auffassung ist, regt der Einsprechende an, die Rechtsbeschwerde zu der Frage zuzulassen, ob bei der Inanspruchnahme mehrerer Prioritäten klar angegeben sein muss, welches Dokument, das als Nachweis eingereicht wurde, welche Priorität nachweist.
Für den Fall, dass die prioritätsbegründenden Voranmeldungen des Streitpatentes auf das letzte Prioritätsdatum, den 13. Dezember 1986 bezogen werden sollten, hat der Einsprechende vorgetragen, dass dann der Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag durch die deutsche Offenlegungsschrift 35 15 928 in Verbindung mit der deutschen Offenlegungsschrift 29 26 012, insbesondere mit der dortigen Schwingungsgleichung (3), oder dem schwingungstechnischen Grundwissen des Fachmannes nahegelegt sei.
Der Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent unverändert aufrecht zu erhalten, hilfsweise mit der Maßgabe, dass der Anspruch 1 die Fassung vom 26. Oktober 2004 erhält.
Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung die Teilung des Patentes erklärt.
Sie vertritt die Auffassung, dass bereits der erteilte Patentanspruch 1 zulässig sei und auch der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag mit dem Merkmal f) nicht über die ursprüngliche Offenbarung hinausgehe. Zum Vorbringen der unrechtmäßigen Inanspruchnahme der Prioritäten hat die Patentinhaberin vorgetragen, dass die Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag in ihrer Gesamtheit einem Prioritätsdokument zu entnehmen seien und diesem Dokument zumindest das letzte Prioritätsdatum, der 13. Dezember 1986, zustehe; dies habe zur Folge, dass die deutsche Offenlegungsschrift 35 15 127 nur als ältere nachveröffentlichte Druckschrift bei der Neuheitsüberprüfung zu berücksichtigen sei. Gegenüber dieser Druckschrift sei der Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Haupt- oder Hilfsantrag neu und ergebe sich auch nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik, den der Einsprechende in der mündlichen Verhandlung angezogen hat.
Die Patentinhaberin regt unter Hinweis auf die Kommentierung bei Busse, § 147 PatG Rdn. 22 bis 25, an zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 147 PatG die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II 1. Zur Aussetzung des Verfahrens und Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 1 BVerfGG besteht keine Veranlassung. Zulässigkeitsvoraussetzung der Vorlage ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass das vorlegende Gericht von der Verfassungswidrigkeit der betreffenden Norm überzeugt ist (vgl. BVerfGE 68, 337, 343; 78, 20, 24; 86, 52, 56). Nach Auffassung des Senats ist die Vorschrift des § 147 Abs. 3 PatG nicht verfassungswidrig. Insbesondere begründet der Wegfall des patentamtlichen Prüfungsverfahrens nach Auffassung des Senats keinen Verstoß gegen die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, da die verfassungsrechtlich gebotene gerichtliche Überprüfung der Patenterteilung erhalten bleibt (vgl. Bericht des Rechtsausschusses zum Kostenbereinigungsgesetz, BlPMZ 2002, 65, 66).
2. Die Teilungserklärung, die zur Trennanmeldung 37 45 156 bzw. im weiteren zum Patent führte, ist zulässig. Wie sich aus der "Sammelhefter"-Entscheidung des BGH (GRUR 2003, 47 ff.) ergibt, kann und muß der Gegenstand des in dem jeweiligen Verfahren erstrebten Patentschutzes erst am Ende des Erteilungsverfahrens und nicht schon bei Abgabe der Teilungserklärung feststehen.
3. Die Einsprüche sind zulässig. Dies gilt auch für den Einspruch des Herrn Dr.-Ing. R....
Die von der Patentinhaberin geltend gemachte Unzulässigkeit des Einspruchs infolge mangelnder eigenhändiger Unterschrift ist nach Auffassung des Senats schon deshalb nicht gegeben, weil sich die zweifellos über ein bloßes Namenszeichen hinausgehende, wenn auch weitgehend unleserliche Unterschrift des anwaltlichen Vertreters des Einsprechenden im Einspruchsschriftsatz (und in allen folgenden Schriftsätzen) über dem maschinenschriftlichen "M. R1..." befindet und weil auch das Kürzel "RR" als Bestandteil des Aktenzeichens C00078/RR auf den Namen des Unterzeichners hinweist.
Lesbarkeit der Unterschrift ist ohnehin nicht erforderlich; es muss nur ein Schriftgebilde als gewollte Widergabe des vollen Namens wahrnehmbar sein (Schulte, PatG, 6. Aufl., vor § 34 Rdn. 255). Selbst ein objektiv unzureichendes Gebilde gilt als ausreichende Unterschrift, wenn dieses längere Zeit nicht beanstandet wurde (Schulte aaO Rdn. 260). Wie sich weiter u.a aus der Entscheidung des 12. Senats des Bundespatentgerichts vom 19. Juli 1989 - 12 W (pat) 118/8 - (GRUR 1989, 908 f.) ergibt, schließt selbst das vollständige Fehlen einer Unterschrift trotz Schriftlichkeitserfordernisses die Formgerechtigkeit nicht aus, wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, das Rechtsmittelschreiben in den Verkehr zu bringen, ergibt. Die oben genannten Umstände untermauern nach Auffassung des Senats sowohl die Ernsthaftigkeit der Einspruchserklärung als auch die Identifizierbarkeit des Urhebers.
4. Die sachliche Prüfung der Einsprüche hat ergeben, dass der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag unzulässig ist und das Patent mit dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag beschränkt aufrecht zu erhalten war.
4.1 Zum Hauptantrag Der erteilte Patentanspruch 1 läßt, wie sich auch im Hinblick auf den erteilten Unteranspruch 63 ergibt, die Möglichkeiten zu, die ringförmige Kammer sowohl mit einem viskosen Medium als auch ohne ein solches Mittel auszubilden. Die zuletzt angesprochene Variante ist jedoch den ursprünglichen Unterlagen der Stammanmeldung nicht zu entnehmen und der Anspruch 1 ist insoweit unzulässig erweitert.
In den ursprünglichen Unterlagen der Stammanmeldung sind die Ausführungsbeispiele durchgehend in einer solchen Weise beschrieben, dass die ringförmige Kammer bzw. der Ringkanal mit einem viskosen Medium bzw. Schmiermittel befüllt ist und dadurch eine hydraulische Dämpfung erreicht wird (vgl. Sp. 21 Zeilen 40 bis 46, Sp. 23 Zeilen 58 bis 65, Sp. 24 Zeilen 15 bis 18, Sp. 26 Zeilen 45 bis 55, Sp. 28 Zeilen 10 bis 13, Sp. 31 Zeilen 2 bis 5, Sp. 32 Zeilen 21 bis 25 der deutsche Offenlegungsschrift 37 21 711). Dies geht auch im Zusammenhang mit der Beschreibungseinleitung der Stammanmeldung hervor, wo ausgeführt wird, dass die Dämpfungscharakteristik mechanisch arbeitender Dämpfungseinrichtungen unzureichend ist, dies gemäß der Aufgabe verbessert werden soll und im weiteren die besonderen dämpfungstechnischen Vorteile der hydraulischen Dämpfung ausführlich dargelegt werden (vgl. Sp. 6 Zeilen 15 bis 68, Sp. 8 Zeilen 3 bis 38 der deutschen Offenlegungsschrift 37 21 711). Angaben oder Hinweise dahingehend, dass die Stammanmeldung auch eine Dämpfungskonzeption umfassen soll, bei der der Ringkanal ohne ein viskoses Medium bzw. eine hydraulische Dämpfung ausgeführt ist, vermag der Fachmann - ein Fachhochschulingenieur des Maschinenbaus mit speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Dämpfungseinrichtungen insbesondere in Verbindung mit Schwungrädern von Kraftfahrzeugen - den dortigen Unterlagen nicht zu entnehmen.
Eine solche Ausführungsform ist auch nicht, wie die Patentinhaberin meint, aus dem ursprünglichen Anspruch 1 oder der in der Beschreibungseinleitung angeführten Lösung herleitbar. An diesen Stellen wird angegeben, dass die erfindungsgemäße Einrichtung zumindest drei der dort nachfolgend aufgeführten Merkmale a) bis f) aufweisen soll, wobei das Merkmal a) einen Ringkanal vorsieht, der die Kraftspeicher aufnimmt und zumindest teilweise mit einem viskosen Medium gefüllt ist. Auch dort ist der Ringraum nur in Verbindung mit einem viskosen Medium vorgesehen und eine Ringkanalausbildung entsprechend dem erteilten Anspruch 1 (vgl. insbes. Merkmal a) des erteilten Anspruchs 1) ist dadurch nicht offenbart. Das viskose Medium bzw. die damit bewirkte hydraulische Dämpfung bildet aufgrund der Gesamtoffenbarung der Stammanmeldung ein zur Erfindung gehöriges Merkmal und ist somit unverzichtbar. Schon wegen des Fehlens dieses Merkmals hat der erteilte Patentanspruch 1 eine unzulässige Erweiterung erfahren.
4.2 Zum Hilfsantrag 4.2.1 Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist zulässig. Dieser Anspruch ergibt sich aus den erteilten Ansprüchen 1 und 63 in Verbindung mit der Beschreibung Spalte 16 Zeilen 22 bis 24 der Patentschrift und ist gegenüber der erteilten Fassung eingeschränkt. In den ursprünglichen Unterlagen der Stammanmeldung geht der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag auf den ursprünglichen Anspruch 1 mit den Merkmalen a), b) und c) zurück und weist darüber hinaus Einzelheiten aus der Beschreibung auf (Sp. 18 Zeilen 56 bis 58, 66 bis Sp. 19 Z. 3, Sp. 19 Zeilen 33 bis 36, 50 bis 52, Sp. 20 Zeilen 9 bis 13, Sp. 21 Zeilen 40 bis 42, Sp. 19 Z. 66 bis Sp. 20 Z. 2 der deutschen Offenlegungsschrift 37 21 711).
Auch wenn die Merkmale a) und b) des ursprünglichen Anspruchs 1 der Stammanmeldung nicht vollständig im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag enthalten sind und in diesem Anspruch die Angaben fehlen, dass der Ringkanal mit einem praktisch geschlossenen Querschnitt ausgeführt und durch den hineinragenden Flansch verschlossen sein soll, ist der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag dadurch nicht unzulässig erweitert. Diese Merkmale sind, wie der Fachmann ohne weiteres erkennt, für die beanspruchte Konzeption mit großen Federwegen und hydraulischer Dämpfung nicht zwingend und haben nur Einfluss auf das Maß oder die Stärke der Drosselung bzw. Verdrängung des viskosen Mediums. Es handelt sich bei diesen Angaben um detaillierte Auslegungsmaßnahmen, denen hier nur eine untergeordnete Bedeutung zuzumessen ist.
Der Einwand des Einsprechenden, dass das Merkmal f), wonach in der ringförmigen Kammer ein viskoses Medium bzw. Schmiermittel, wie z.B. Silikonöl oder Fett vorgesehen ist, in dieser Weise nicht offenbart sei und der Anspruch 1 mit dem Einsatz eines Schmiermittels und der fehlenden Niveauangabe auch eine bloße Schmierung ohne Dämpfungswirkung umfasse, kann nicht überzeugen. Zu diesem Merkmal wird zwar in den ursprünglichen und in den erteilten Unterlagen stets auf bestimmte Füllstandshöhen hingewiesen (vgl. z.B. Sp. 21 Zeilen 40 bis 53 der deutsche Offenlegungsschrift 37 21 711, Sp. 16 Zeilen 22 bis 34 der Patentschrift), doch handelt es sich hierbei um zweckmäßige bzw. beispielhafte Angaben, die den Anspruch 1 unangemessen einschränken würden. Dennoch versteht der Fachmann den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag bei sachgemäßer Auslegung nicht so weitreichend, dass das Schmiermittel auch nur als Schmierfilm im Ringkanal vorgesehen sein kann und somit eine bloße Schmierwirkung für die Federn erreicht wird. Zur Ermittlung des Sinngehalts des Anspruchs ist die Beschreibung mit heranzuziehen und dabei ist das Merkmal f) vor allem im Rahmen der beschriebenen Nachteile früherer Ausführungen, der gestellten Aufgabe und der angegebenen Wirkungen und Vorteile des Patentgegenstandes zu sehen. Dort wird das viskose Medium in einem untrennbaren Zusammenhang mit der hydraulischen Dämpfung beschrieben und auch der Einsatz eines Schmiermittels ist ausschließlich in einem solchen hydraulisch dämpfenden Sinne zu verstehen, da sich dies aus den Ausführungen zur Wirkungsweise des im Ringkanal vorgesehenen viskosen Mediums bzw. Schmiermittels eindeutig ergibt (vgl. Sp. 16 Zeilen 22 bis 34) und andere nur auf die Schmierung gerichtete Hinweise der Patentschrift und den ursprünglichen Unterlagen der Stammanmeldung nicht zu entnehmen sind. Den weiteren Ausführungen wird somit ein derartiges Verständnis des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag zugrundegelegt.
4.2.2 Der Auffassung des Einsprechenden, dass die Prioritäten für das Streitpatent zu Unrecht in Anspruch genommen worden seien und für die Beurteilung der Patentfähigkeit des Patentgegenstandes nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag die deutsche Offenlegungsschrift 36 10 127 als vorveröffentlichter Stand der Technik zu berücksichtigen sei, kann sich der Senat aufgrund der hier bestehenden Sach- und Rechtslage nicht anschließen. Die inneren Prioritäten sind für das Streitpatent wirksam beansprucht. Dass sich aus der Akte nicht eindeutig die Zuordnung der drei eingereichten Voranmeldungen zum jeweiligen Prioritätsdatum entnehmen lässt, steht dem nicht entgegen.
Die Prioritätserklärung ist wirksam, wenn sie innerhalb von zwei Monaten nach dem Anmeldetag der Nachanmeldung unter Angabe des Aktenzeichens erklärt wird (§ 40 Abs. 4 PatG). Dies gilt auch bei Inanspruchnahme mehrerer Prioritäten nach § 40 Abs. 2 PatG. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass das Deutsche Patent- und Markenamt im Rahmen der Formalprüfung von der Patentinhaberin eine Zuordnung der eingereichten Voranmeldungen zum jeweiligen Prioritätsdatum hätte verlangen müssen, handelt es sich insoweit um einen Verfahrensfehler, der nicht zur Unwirksamkeit der Prioritätserklärung führt. Inwieweit bei der Prüfung der materiellen Wirksamkeit der Prioritätsinanspruchnahme etwaige Unklarheiten zu Lasten der Patentinhaberin gehen, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Zumindest die unter der Nr. 538 A eingereichte Voranmeldung offenbart alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag, was auch vom Einsprechenden nicht bestritten wurde. Selbst wenn man für diese Voranmeldung vom ungünstigsten Prioritätsdatum, nämlich dem 13. Dezember 1986 ausgeht, liegt dieses Datum jedenfalls vor dem 18. Dezember 1986, dem Offenlegungsdatum der deutschen Offenlegungsschrift 36 10 127. Diese Druckschrift bildet somit nur eine ältere nachveröffentlichte Anmeldung, die lediglich für die Neuheitsprüfung in Betracht zu ziehen ist.
4.2.3 Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist neu. Bei der Ausführung nach der älteren, nachveröffentlichten deutsche Offenlegungsschrift 36 10 127 ist nicht verwirklicht, dass in den Ringkanal ein mit dem zweiten Schwungradelement in Drehschluß stehender Flanschkörper ragt (vgl. Merkmal c)) und dabei das Ausgangsteil der Dämpfereinrichtung das zweite, eine Gegenreibfläche zum Angriff einer Reibscheibe der Kupplung aufweisende Schwungradelement ist (vgl. Oberbegriff des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag), denn dort ist der in den Ringkanal hineinragende Flanschkörper mit der Antriebswelle verbindbar ausgeführt und bildet im Gegensatz zur Ausführung nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag das Eingangsteil der Dämpfungsvorkehrung (vgl Anspruch 1, Fig. 1 bis 3).
Auch die deutsche Offenlegungsschrift 35 15 928 kann den Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag nicht vorwegnehmen, da diese Druckschrift keine konkreten Angaben über den Verdrehungswinkel der Schwungradelemente aufweist und sich für den sachkundigen Fachmann daraus auch keine Ausführung erschließt, bei der die Kraftspeicher derart ausgebildet sind, dass zwischen den Schwungradelementen eine relative Verdrehung von mindestens ± 25 Grad ermöglicht wird. Ein solcher Verdrehwinkel ist auch der älteren nachveröffentlichten deutschen Offenlegungsschrift 36 28 774 nicht zu entnehmen. Diese Druckschrift geht nämlich nicht näher auf den Verdrehwinkel ein und die Ausführung nach Figur 2 zeigt mit den dortigen für den Wirkbereich der hydraulischen Dämpfung vorgesehenen Begrenzungsanschlägen einen Verdrehwinkel, der deutlich kleiner als ± 25 Grad ist. Schließlich sind bei der deutschen Auslegeschrift 28 48 748, wie die dortige Figur 3 zu erkennen gibt, nur mehrere relativ kurzhubige Federn am Umfang vorgesehen, so dass auch bei dieser Ausführung das Merkmal d) des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag fehlt.
Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften offenbaren Ausführungen, bei denen entweder das Merkmal f) oder die gattungsgemäßen Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag nicht verwirklicht sind.
4.2.4 Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Mit dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag wird eine Einrichtung zum Dämpfen von Schwingungen ausgebildet, die als Zweimassenschwungrad konzipiert ist und bei der die Dämpfungscharakteristik vor allem durch die Merkmale d), e) und f) des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag bestimmt wird. Dabei wird mit dem gemeinsamen Zusammenwirken der hydraulischen Dämpfung und der große Verdrehwinkel der Schwungradelemente zulassenden Kraftspeicher erreicht, dass die Dämpfung an die jeweiligen Betriebsbedingungen besser anpassbar ist und damit ein breites Spektrum an schwingungstechnischen Betriebszuständen abgedeckt werden kann. Gedankliche Ansätze, diese beiden Maßnahmen miteinander zu kombinieren, ergeben sich für den Fachmann aus dem Stand der Technik nicht.
Die deutsche Offenlegungsschrift 35 15 928 (vgl. Fig. 4, 5) beschreibt ein Zweimassenschwungrad mit einer Torsionsdämpfereinrichtung, bei der eine ringförmige Kammer zur Aufnahme der Federn und eines Schmiermittels vorgesehen ist, womit eine hydraulische Dämpfung bewirkt wird. Nähere Angaben zur Federausbildung und zum Federweg bzw. Verdrehwinkel der Schwungradelemente sind in dieser Druckschrift nicht enthalten und somit sind für diese Ausführung Verdrehwinkel anzunehmen, wie sie bei Zweimassenschwungrädern vor dem Prioritätsdatum 13. Dezember 1986 üblich waren und sich beispielsweise aus den deutschen Offenlegungsschriften 35 20 853 (Fig. 2), 28 26 274 oder 29 26 012 (vgl. Fig. 3) ergeben. Daraus sind stets mehrere am Umfang angeordnete Federn bekannt, die gegenüber der 25 Grad-Verdrehung kleinere Verdrehwinkel der Schwungradelemente zulassen und offenbar ein hinreichendes Maß an Drehelastizität ermöglichten. Somit bestand für den Fachmann keine Veranlassung, zur Verbesserung der Dämpfungscharakteristik gezielt an der Federausbildung anzusetzen und den Federweg bzw. den Verdrehwinkel der Schwungradelemente entsprechend dem Merkmal d) des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag auszuführen.
Auch durch die zusätzliche Kenntnis der deutschen Offenlegungsschrift 29 26 012 ergeben sich für den Fachmann keine Anhaltspunkte, in der im Anspruch 1 angegebenen Weise vorzugehen und die Merkmale d) und f) miteinander zu kombinieren. Der Auffassung des Einsprechenden, dass insbesondere aus der Gleichung 3 der deutschen Offenlegungsschrift 29 26 012 herleitbar sei, den Federweg bzw. den Verdrehwinkel der Schwungradelemente möglichst groß zu wählen, kann nicht gefolgt werden, da diese Gleichung im Kontext zu sehen ist und es dort um theoretische Betrachtungen zur Festlegung der Trägheitsmomente der Schwungradelemente unter Berücksichtigung der jeweils daran angekoppelten Teile geht (vgl. Anspruch 1). Somit liegen dieser Druckschrift andere schwingungstechnische Gesichtspunkte zugrunde und die dortige Ausführung (vgl. Fig. 2, 3) sieht eine mechanisch arbeitende Dämpfungseinrichtung mit mehreren am Umfang vorgesehenen Federn vor, die einen Verdrehwinkel der Schwungradelemente zulassen welcher ersichtlich kleiner als ± 25 Grad ist. Der Fachmann erhält durch diese Druckschrift weder die Anregung, den Verdrehwinkel in der im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag angegebenen Weise auszubilden, noch einen Hinweis, Federn mit einem solchen vergrößerten Federweg auf die Ausführung nach der deutschen Offenlegungsschrift 35 15 928 zu übertragen.
Nicht anders zu beurteilen ist auch das weitere Vorbringen des Einsprechenden, wonach der Fachmann aufgrund seines schwingungstechnischen Grundwissens ohne weiteres zur Ausbildung von Kraftspeichern gelangen konnte, die zwischen den Schwungradelementen einen relativen Verdrehwinkel von mindestens ± 25 Grad zulassen. Der Einsprechende hat diesbezüglich dargelegt, dass bereits die für ein Masse-Feder-System geltende Schwingungsgleichung und die bei Kraftfahrzeugantrieben einzuhaltende Forderung, die Eigenfrequenz des Schwingungssystems möglichst niedrig zu halten, zwangsläufig zu großen Federwegen bzw. großen Verdrehwinkeln zwischen den Schwungradelementen führen würden. Diese Ausführungen können schon deswegen nicht überzeugen, weil die Schwingungsgleichung lediglich die Zustände eines einfachen Masse-Feder-Systems erfasst und dieses nicht ohne weiteres mit einem komplexen Schwingungssystem vergleichbar ist, wie es durch ein Zweimassenschwungrad mit einer Torsionsdämpfungseinrichtung und weiteren durch den Antriebsstrang angekoppelten Massen gebildet wird.
Abgesehen davon geht es beim Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag nicht allein um die Vergrößerung des Federweges bzw. Verdrehwinkels der Schwungradelemente, sondern es bedurfte zur Schaffung des Gegenstandes nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag der Erkenntnis, dass mit dem gemeinsamen Zusammenwirken dieser Maßnahme mit einer hydraulischen Dämpfung vielfältige Dämpfungsmöglichkeiten und Dämpfungsraten erreicht werden können. So sind auch bei der europäischen Offenlegungsschrift 0 136 825 A2 keine in diese Richtung gehenden Ansätze zu erkennen, da diese Druckschrift lediglich lange Federn bzw. große Federwege und somit nur ein Einzelmerkmal offenbart und diese Federn weder in Verbindung mit einem Zweimassenschwungrad noch mit einer hydraulischen Dämpfung ausgebildet sind.
Die übrigen vorveröffentlichten Druckschriften wurden vom Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen. Sie liegen ersichtlich weiter ab und können weder allein noch in Verbindung mit dem vorabgehandelten Stand der Technik zum Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag führen.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist somit bestandsfähig.
4.2.5 Die Ansprüche 2 bis 64, die sich an den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag anschließen, betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen des Gegenstandes nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag und sind in Verbindung mit diesem ebenfalls bestandsfähig.
5. Die Rechtsbeschwerde wird zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 147 Abs. 3 PatG und den Voraussetzungen der wirksamen Inanspruchnahme mehrerer Prioritätsrechte zugelassen.
Dr. Lischke Schmidt-Kolb Sperling Fink Cl
BPatG:
Beschluss v. 26.10.2004
Az: 6 W (pat) 701/03
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