Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 8. Oktober 2007
Aktenzeichen: 37 O 75/07
(LG Düsseldorf: Urteil v. 08.10.2007, Az.: 37 O 75/07)
Tenor
Den Antragsgegnern wird im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, gegenüber Dritten (insbesondere Kunden und Fachpersonal) in schriftlicher und mündlicher Form zu behaupten, dass die Nutzung von Fremd-Zubehör zu einem Verlust von Gewährleistungsrechten an den Insulinpumpen der Antragsgegnerin führen könne.
Der Antragsgegnern wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,-- € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder gegen die Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht. Gegen die Antragsgegnerin zu 1.) zu verhängende Ordnungshaft wird gegen deren Geschäftsführer vollstreckt.
Im Übrigen werden die Anträge der Antragstellerin zurück gewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand
Die Antragstellerin vertreibt deutschlandweit Medizinprodukte und Zubehör zur Diabetes - Behandlung.
Die Antragsgegnerin zu 1.) (Antragsgegnerin), deren Geschäftsführer der Antragsgegner zu 2.) ist, stellt Insulinpumpen und deren Zubehör her.
Mit Hilfe der Insulinpumpe wird Insulin aus einem besonderen Reservoir durch ein Infusionsset (Katheter) in den Körper des Patienten gepumpt. Katheter und Reservoir sind Verbrauchsmaterialien, die regelmäßig erneuert werden müssen. Beide Parteien vertreiben diese Verbrauchsmaterialien. Die Antragsgegnerin verkaufte bis zum Jahr 2000 ihre Pumpen (auch) mit Infusionssets anderer Hersteller. Im Jahr 2000 brachte sie ein neues Infusionsset auf den Markt, welches sie seitdem mit ihren Pumpen vertreibt.
Im Juli 2007 richtete die Antragsgegnerin an ihre Kunden sowie an Fachpersonal (z. B. Krankenhausbedienstete) ein Schreiben, in dem es unter dem Betreff "X" u. a. hieß:
"Als Hersteller von Insulinpumpensystemen legt X stets höchsten Wert auf die Abstimmung und Zuverlässigkeit aller zugehörigen Komponenten: Insulinpumpe, Reservoir und Infusionsset. Entsprechend bieten wir über die gesetzliche Gewährleistung hinaus eine umfassende Insulinpumpen - Garantie über 4 Jahre.
Diese Garantieleistung sowie einen umfassenden Service können wir jedoch nur unter Verwendung von X Originalprodukten gewährleisten. Sollten Produkte anderer Hersteller mit unseren Insulinpumpen verwendet werden, kann dies zu einem Verlust von Gewährleistungs- und Garantieansprüchen für unsere Insulinpumpen führen. Entsprechend stehen die X Mitarbeiter unserer 24 - Stunden - Produkt - Hotline ... für Fragen zur Anwendung, bei Problemen oder Zwischenfällen, die Fremdprodukte einschließen, nicht zur Verfügung, denn unser Team ist ausschließlich auf X - Produkte geschult."
In einem Brief vom 15. August 2007 (in Kopie als Anlage AS4 vorgelegt), gerichtet an die Knappschaft (gesetzliche Krankenkasse) in Bochum, schrieb die Antragsgegnerin u.a.:
"X entscheidet als Hersteller, welche Verbrauchsmaterialien … zum Betrieb der Insulinpumpen geeignet sind. Bei der Anmeldung und Listung der Insulinpumpe im Hilfsmittelverzeichnis werden diese Verbrauchsmaterialien separat aufgeführt und explizit benannt und somit wird hier ein System dargestellt. … In dem Moment wo Sie unsere Insulinpumpen mit einem anderen Reservoir oder Infusionsset (Katheter) kombinieren bzw. deren Kombination empfehlen, werden Sie - bzw. der Händler (hier: Herr X) - quasi zum Hersteller des dann neu geschaffenen Systems und damit geht die Systemverantwortung auf Sie bzw. Herrn X über."
Die Knappschaft hatte zuvor ihre Mitglieder schriftlich auf die Möglichkeit des Betriebs der Insulinpumpe der Antragsgegnerin mit kostengünstigen Verbrauchsmaterialien von Fremdherstellern hingewiesen (vgl. AS 3).
Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Inhalts, wird auf die bei der Akte befindlichen Kopien der beiden genannten Schreiben Bezug genommen.
Die Antragstellerin hält die Aussagen der Antragsgegnerin in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht für falsch und irreführend. Sie meint, die Aussagen der Antragsgegnerin in deren Juli - Schreiben an Kunden und Fachpersonal suggerierten, die Verbrauchsmaterialien von Fremdherstellern seien von minderer Qualität, deren Verwendung sich negativ auf die Funktion der von der Antragsgegnerin vertriebenen Insulinpumpe auswirkten. Dies bedeute für die Anwender unmittelbar eine tödliche Gefahr. Die Antragsgegnerin setze diese Angst der Umworbenen gezielt zur Steigerung ihres Absatzes ein.
Die Antragstellerin hat zunächst beantragt,
den Antragsgegnern zu untersagen im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken
1. gegenüber Dritten (insbesondere Kunden und Fachpersonal) in schriftlicher und mündlicher Form zu behaupten, dass die Nutzung von Fremd-Zubehör zu einem Verlust von Gewährleistungsrechten an den Insulinpumpen der Antragsgegnerin führen könne;
2. gegenüber der Knappschaft in schriftlicher und mündlicher Form zu behaupten, dass die Nutzung von Fremd-Kathedern in Verbindung mit der XY Insulinpumpe aus Sicherheitsgründen bedenklich sei.
In der mündlichen Verhandlung hat sie ihren ursprünglichen Antrag zu 2. zurück genommen und durch einen anderen Antrag ersetzt. Nunmehr beantragt sie, den Antragsgegnern zu untersagen im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken
1. gegenüber Dritten (insbesondere Kunden und Fachpersonal) in schriftlicher und mündlicher Form zu behaupten, dass die Nutzung von Fremd-Zubehör zu einem Verlust von Gewährleistungsrechten an den Insulinpumpen der Antragsgegnerin führen könne;
2. gegenüber der Knappschaft in schriftlicher und mündlicher Form zu behaupten, dass die Empfehlung von Fremd-Zubehör (Reservoir/Infusionsset) in Verbindung mit der XY Insulinpumpe zu einer Systemhaftung der Knappschaft führe.
Die Antragsgegner beantragen,
die Anträge der Antragstellerin zurück zu weisen.
Sie halten die von der Antragstellerin beanstandeten Aussagen für zutreffend und als bloße Meinungsäußerungen für zulässig.
Gründe
Der Antrag zu 1.) des Antragstellerin ist begründet, während der Antrag zu 2.) nicht gerechtfertigt ist.
I.
Die Äußerung der Antragsgegnerin, deren Unterlassung die Antragstellerin mit ihrem Antrag zu 1.) geltend macht, stellt eine unlautere, weil irreführende Wettbewerbshandlung dar, deren Unterlassung die Antragstellerin von beiden Antragsgegnern beanspruchen kann (§§ 3, 5, 8 I, II, III Nr. 1 UWG).
Die Aussage, die Nutzung von Fremd-Zubehör könne zu einem Verlust von Gewährleistungsrechten bezüglich der Insulinpumpen der Antragsgegnerin führen, stellt nicht nur die Wiedergabe einer Rechtsmeinung dar, sondern sie beinhaltet nach dem maßgebenden (vgl. Hefermehl / Köhler Bornkamm, Wettbewerbsrecht, § 5 UWG, RN 2.67, 2.35) Verständnis der angesprochenen Adressaten (Kunden und Fachpersonal ohne besondere Rechtskenntnisse) die Behauptung, schon die bloße Verwendung der Verbrauchsmaterialien von Fremdherstellern könne sich - anders als die Nutzung der Verbrauchsmaterialien der Antragsgegnerin - negativ auf die Funktion der Insulinpumpe auswirken, mit der Folge, dass die Antragsgegnerin für Funktionsmängel sogar nach den Regeln der gesetzlichen Gewährleistung nicht einstehen müsse. Rechtlich erscheint diese Aussage kaum haltbar. Die Aussage der Antragsgegnerin lässt sich auch nicht mit der Überlegung rechtfertigen, dass bei der Verwendung eines nur aus Pumpe und Verbrauchsmaterial der Antragsgegnerin bestehenden Systems die Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen gegen die Antragsgegnerin leichter möglich ist, weil Material- und Funktionsfehler dann zwangsläufig dem Haftungsbereich der Antragsgegnerin zuzuordnen sind. Theoretisch mögen Fallgestaltungen denkbar sein, in denen die Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen bei der Verwendung von Fremdhersteller - Verbrauchsmaterial erschwert ist, weil die Fehlerursache dem Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin nicht zugeordnet werden kann. Anhaltspunkte dafür, dass es sich dabei nicht bloß um eine theoretische, sondern eine in der Praxis relevante Möglichkeit handelt, hat die Antragsgegnerin jedoch nicht aufgezeigt. Dies geht im Entscheidungsfall zu ihren Lasten, auch wenn die Antragstellerin grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für den irreführenden Charakter der Behauptung der Antragsgegnerin trifft. Denn von demjenigen, der derartige Behauptungen aufstellt ist zumindest zu verlangen, dass er sich substantiiert dazu äußert, aufgrund welcher konkreter Anhaltspunkte er sich zu seiner Äußerung berechtigt fühlt. Hierzu fehlt aber jeder Vortrag der Antragsgegnerin.
II.
Der Antrag zu 2.) der Antragstellerin ist nicht begründet. Die Antragstellerin kann von den Antragsgegnern aus keinem Rechtsgrund die Unterlassung der Äußerung gegenüber der Knappschaft beanspruchen, dass die Empfehlung von Fremd-Zubehör (Reservoir/Infusionsset) in Verbindung mit der XY Insulinpumpe der Antragsgegnerin zu einer Systemhaftung der Knappschaft führe. Insbesondere ist diese Äußerung nicht im Sinne des § 5 UWG irreführend, weil es sich bei der in Rede stehenden Äußerung um eine reine Rechtsmeinung, ein Werturteil, und nicht um eine Tatsachenangabe handelt (vgl. Hefermehl / Köhler Bornkamm, Wettbewerbsrecht, § 5 UWG, RN 2.25 ff., 2.35).
Auch im Wege der Auslegung ist nicht erkennbar, welchen über die eine rein rechtliche Beurteilung hinausgehenden tatsächlichen, wettbewerbsrechtlich zu beanstandenden Gehalt die Äußerung der Antragsgegnerin haben könnte. Der Sachverhalt, auf den die Antragsgegnerin sich bezieht - die Empfehlung, die Verwendung von Verbrauchsmaterial von Fremdherstellern mit der Insulinpumpe der Antragsgegnerin aus Gründen der Wirtschaftlichkeit zu prüfen - ist als solcher unstreitig. Daran knüpft die Antragsgegnerin eine rechtliche Wertung, die keinen darüber hinaus gehenden oder den zugrunde liegenden Sachverhalt entstellenden tatsächlichen Gehalt hat. Bei der Äußerung der Antragsgegnerin handelt es sich deshalb nicht um eine Äußerung, deren Richtigkeit bewiesen werden kann, weil sie lediglich die rechtliche Bewertung des unstreitigen Verhaltens der Knappschaft zum Ausdruck bringt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 ZPO. § 269 III ZPO findet keine Anwendung, da das prozessuale Vorgehen der Antragstellerin in Bezug auf den Antrag zu 2.) als Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO zu werten ist (Zöller - Greger, ZPO - Kommentar, 26. Aufl., § 263 ZPO, RN 18).
Ein Ausspruch zur Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst. Wegen der Kostenaufhebung gilt dies auch für die Kostenentscheidung zur teilweisen Abweisung der Anträge der Antragstellerin.
IV.
Streitwert: 100.000,00 € (je Antrag 50.000,00)
LG Düsseldorf:
Urteil v. 08.10.2007
Az: 37 O 75/07
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