Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. November 2003
Aktenzeichen: 29 W (pat) 144/02

(BPatG: Beschluss v. 19.11.2003, Az.: 29 W (pat) 144/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Angemeldet ist die Wortmarke RETRO-CLASSICS zur Eintragung in das Markenregister für die Waren und Dienstleistungen

"16: Papier, Pappe (Karton), und Waren aus den Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse, insbesondere Zeitschriften und Bücher; Photographien; Schreibwaren; Spielkarten;

25: Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen;

38: Telekommunikation".

Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung durch Beschluß vom 2. April 2002 zurückgewiesen, weil ihr jegliche Unterscheidungskraft fehle. Die angemeldete Marke werde im Verkehr als beschreibende Angabe dahingehend verstanden, daß es sich bei den angemeldeten Waren um Klassiker im Sinne von bewährten Produkten von früher handele, die im Zuge der Nostalgiewelle wieder aufgelegt werden sollten. "RETRO-CLASSICS" beschreibe die Art der Waren bzw. das Thema der beanspruchten Dienstleistungen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor, die angemeldete Marke sei mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache "Babydry" vergleichbar. Wie dort stelle die Anmeldung "RETRO-CLASSICS" für den durchschnittlichen Verbraucher keine normale Ausdrucksweise für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen dar noch beschreibe sie deren wesentliche Merkmale. Außerdem sei die angemeldete Marke mehrdeutig, weil der Begriff "Retro Motor" für technisch andere Waren wie Motorräder oder auch Raketenantriebe im Sinne von Rückstoßtriebwerken verwendet werde. Sie vermittle einen fantasievollen Gesamteindruck, der den geringen Anforderungen an die Unterscheidungskraft nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genüge. Selbst wenn "Retro" als Bezeichnung für rückgerichtete Moden und Stilrichtungen angesehen würde, ergebe die Kombination mit "Classics" eine interessante Verdoppelung von ihrem Sinn nach gleichgerichteten Aussagen. Auch bestehe kein Freihaltebedürfnis, da kein direkter Bezug zu den angemeldeten Waren oder etwa zu Dienstleistungen wie "Veranstaltung von Messen, Ausstellungen, Märkten" oder "Werbung" gegeben sei.

Der Anmelder beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der angemeldeten Bezeichnung steht das Eintragungshindernis des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG entgegen.

Der angemeldeten Marke fehlt jegliche Unterscheidungskraft, d.h. die konkrete Eignung, die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Wie der Anmelder zwar mit Recht hervorhebt, ist bei der Prüfung der Unterscheidungskraft ein großzügiger Maßstab anzulegen, um dem Grundsatz der Entwicklungsbegünstigung der Eintragungsmarke Rechnung zu tragen, so daß bereits eine wenn auch geringe Unterscheidungskraft für die Eintragung als Marke genügt. Kann einer Wortmarke aber ein für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden oder handelt es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so ergibt sich daraus ein tatsächlicher Anhalt dafür, daß ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt (stRspr BGH GRUR 1999, 1093 - FOR YOU; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKalk; zuletzt BGH, Beschluß vom 28.8.2003 - I ZB 6/03 - Cityservice).

So ist es hier. Der Bestandteil "RETRO-", vom Lateinischen "retro" = "zurückgerichtet", ist im deutschen wie im englischen Sprachgebrauch lexikalisch belegt als Bezeichnung für einen Stil, eine Mode oder einen Trend, ehemalige Moderichtungen oder bewährte Produkte, sogenannte Klassiker, wieder aufleben zu lassen. Der Begriff wird sowohl in der Musik und der Popkultur als auch im Zusammenhang mit Bekleidung, Schuhen, Brillen, Spielzeug, Autos, Motorrädern, Oldtimern etc. zur Beschreibung bestimmter Stilelemente der Artikel und Modelle verwendet (vgl DUDEN Wörterbuch der Szenesprachen, 2000, S 76, 106; The Oxford Dictionary of NEW WORDS, 1998, S 260, 261; Alfons Hofer, Textil- und Mode-Lexikon, 1997, Bd 2, S 744). Der Begriff "Retro" ist selbst Trendwort geworden und Teil von Wortzusammensetzungen, die wie die angemeldete Bezeichnung gebildet sind (z.B. "Retro Classics Poster: All of Shopping; Retro Classics: Lady Retro Styles; Let's Go Retro: classics, toys und games; Women Casual Shoes Flats & Loafers Oxfords & Clogs Retro/Classics Sandals Belts Handbags ...; Retro Classics Auctions; Retro Classics Classic and Funky! Old Fashion Quality The Originals (Brillen); RETRO CLASSICS-Internationale Börse für Oldtimer, Classics Motorräder; Retro Classic Tattoo Collection" - vgl www.google.de/search vom 19.9.2003;."Retro-Design, Retro-Look, Retro-Stil, Retro-Land, Der Retrokult hat uns fest im Griff, Retro-Topia: Warum keiner den Rückwärts-Trend herbeigeführt hat, wir ihn aber trotzdem nicht entkommen können; Retro-Retailer: Der Handel in Retro-Topia blüht, Firmen schwimmen auf der Retro-Welle mit - alte Telefonapparate, Retro-Mobile, Nostalgieautos" - in Zukunftsletter 11/03, S 1 und 2).

In Verbindung mit dem englischen Wort "classics", das dem deutschen Begriff "Klassiker" gleichkommt, ergibt die Kombination "RETRO-CLASSICS" einen verständlichen Ausdruck, der den allgemeinen Sprachregeln entspricht und dem der Begriffsinhalt im Sinne eines "Wiederaufgreifens von Retro-Klassikern als bewährte Produkte vergangener Mode- oder Stilrichtungen" zugeordnet werden kann. Angesichts des bestehenden Retro-Trends wird der angesprochene Durchschnittsabnehmer in der angemeldeten Bezeichnung lediglich den Hinweis sehen, daß es sich bei den beanspruchten Waren um Klassiker vergangener Zeiten handelt oder daß über sie und die Art und Beschaffenheit der jeweiligen Modelle und Stilrichtungen inhaltsbeschreibend berichtet und thematisch informiert wird. Im Hinblick auf die beanspruchte Dienstleistung der "Telekommunikation" stellt sich "RETRO-CLASSICS" als Inhaltsangabe bzw als Suchbegriff für die Inanspruchnahme von Datendiensten und Suchmaschinen dar, so daß auch insoweit ein beschreibender Bezug besteht.

Entgegen der Auffassung des Anmelders ist die angemeldete Marke nicht mit der "Babydry"-Entscheidung vergleichbar, weil sie weder vom englischen noch von dem hier maßgeblichen inländischen Sprachgebrauch abweicht, wovon der Europäische Gerichtshof bei der Wortmarke "Babydry" für die englische Sprache ausgegangen ist (vgl GRUR 2001, 1145).

Ebenso wenig ist eine auf das Bestehen von Unterscheidungskraft hinweisende Mehrdeutigkeit im Sinne der vom Anmelder genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Sache "LOGO" (GRUR 2000, 722, 723) gegeben. Denn daß "retro" daneben noch die englische Abkürzung für Bremsrakete ist, hat für die Waren und Dienstleistungen der hier vorliegenden Anmeldung keine im Vordergrund stehende Bedeutung (vgl auch BGH Mitt 2003, 514 - Energieketten).

Bei der gegebenen Sachlage kam es nicht mehr darauf an, ob der angemeldeten Bezeichnung als verständlichem Ausdruck, der ohne erläuternde Zusätze zur Verwendung als Sachangabe für die Waren und Dienstleistungen der Anmeldung im inländischen Verkehr dienen kann, auch das Eintragungshindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegensteht.

Grabrucker Pagenberg Fink Cl






BPatG:
Beschluss v. 19.11.2003
Az: 29 W (pat) 144/02


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