Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 27. März 2006
Aktenzeichen: VI-W (Kart) 2/06

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 27.03.2006, Az.: VI-W (Kart) 2/06)

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Be-schluss des Landgerichts Köln vom 13. Januar 2006 wird auf ih-re Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 250.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin bietet über das Netz ihrer Muttergesellschaft, der "f. C. GmbH" (nachfolgend: "f."), unter der Netzvorwahl "0." Telefondienstleistungen im Orts- und Fernbereich an. Die Telefonverbindungen können dabei entweder über das sog. "Callby-Call-Verfahren" - bei dem der Teilnehmer bei jedem Telefonat die Vorwahl der Antragstellerin eingeben muss - oder über das sog. "Preselection-Verfahren" - bei dem der Telefonanschluss des Teilnehmers dauerhaft auf die Netzvorwahl der Antragstellerin voreingestellt wird - abgewickelt werden.

Zur Durchführung der Preselection-Aufträge ist die Antragstellerin auf die Mitwirkung der Antragsgegnerin angewiesen, weil diese derzeit noch mehr als 90 % aller Festnetzanschlüsse unterhält und dementsprechend das Preselection-Verfahren in der Mehrzahl der Fälle über die elektronische Schnittstelle mit dem Telefonnetz der Antragsgegnerin abzuwickeln ist. In ihrer "Vereinbarung zur elektronischen Übermittlung von Preselection-Auftragsdaten" vom 17.01.2004 macht die Antragsgegnerin das "Preselection-Verfahren" grundsätzlich davon abhängig, dass ein schriftlicher Auftrag des Telefonkunden zur Voreinstellung seines Telefonanschlusses auf die Vorwahl der Antragstellerin vorliegt.

Die Antragstellerin hält dieses "Schriftformerfordernis" für rechtswidrig. Zum einen - so macht sie geltend - lasse die Antragsgegnerin dann, wenn der Kunde eines konkurrierenden Netzbetreibers die Voreinstellung auf ihr eigenes (der Antragsgegnerin) Netz wünsche, einen formlosen Preselection-Auftrag genügen. Zum anderen habe die Antragsgegnerin in der Vergangenheit der "C. S. T. GmbH" (nachfolgend: T.) die Vorlage formloser Preselection-Aufträge gestattet. Davon habe sie selbst am 31. Oktober 2005 erfahren. Erst zu diesem Zeitpunkt sei ihr nämlich aus dem Urteil des Senats vom 4. Mai 2005 in dem Klageverfahren VI-U(Kart) 8/05 bekannt geworden, dass die Antragsgegnerin mit der T. eine entsprechende Sondervereinbarung getroffen und der Senat die von der Antragsgegnerin später erklärte Kündigung jener Vereinbarung für unwirksam erklärt habe.

Mit der Behauptung, das von ihr einzuhaltende Schriftlichkeitserfordernis führe zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen gegenüber T. und infolge dessen zu beträchtlichen Einnahmeausfällen, begehrt die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung dahin, dass der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt wird,

die Annahme und Bearbeitung von Preselection-Auftragsdaten von Endkunden, die im Hinblick auf die "Vereinbarung zur elektronischen Übermittlung von Preselection-Auftragsdaten" vom 17.01.2004 von der Antragstellerin über die f. C. GmbH an die Antragsgegnerin übermittelt werden, von der Verpflichtung abhängig zu machen, dass die Endkunden ihren Auftrag in schriftlicher Form erteilt haben,

das von ihr der f. C. GmbH mit Schreiben vom 22.11.2005 vorgelegte Angebot sowie künftig von ihr vorzulegende Angebote zum Abschluss der "Vereinbarung zur elektronischen Übermittlung von Preselection-Auftragsdaten" von der Verpflichtung abhängig zu machen, dass die Endkunden ihren Auftrag in schriftlicher Form erteilt haben.

Das Landgericht hat den Verfügungsantrag vom 23.12.2005 abgelehnt.

Dagegen richtet sich die Beschwerde, mit der die Antragstellerin ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt sowie hilfsweise begehrt,

der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, die Antragsstellerin bei der Annahme und Bearbeitung von Preselection-Auftragsdaten von Endkunden, die im Hinblick auf die "Vereinbarung zur elektronischen Übermittlung von Preselection-Auftragsdaten" vom 17.01.2004 von der Antragstellerin über die f. C. GmbH an die Antragsgegnerin übermittelt werden, in Bezug auf das Schriftformerfordernis anders zu behandeln als die C. S. T. GmbH.

Das Landgericht hat dem Rechtsbehelf der Antragstellerin nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird den angefochtenen Beschluss sowie auf die Schriftsätze der Antragstellerin nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat es im Ergebnis mit Recht abgelehnt, die beantragte einstweilige Verfügung zu erlassen. Im Entscheidungsfall liegen die besonderen Voraussetzungen, unter denen einstweiliger Rechtsschutz in Anspruch genommen werden kann, nicht vor. Es fehlt an der Eilbedürftigkeit des nachgesuchten Rechtsschutzes.

A. Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer Leistungsverfügung. Sowohl mit dem Hauptantrag als auch mit dem hilfsweise gestellten Begehren soll der Antragsgegnerin verboten werden, Preselection-Aufträge deshalb abzulehnen, weil der entsprechende Kundenauftrag nicht in schriftlicher Form erteilt ist. In der Sache läuft der nachgesuchte Verbotsausspruch auf eine endgültige Befriedigung der Antragstellerin hinaus. Denn lässt die Antragsgegnerin in Befolgung des verlangten Untersagungstenors für das Preselection-Verfahren auch mündliche und fernmündliche Kundenaufträge genügen, wird der von der Antragstellerin reklamierte Anspruch, dass die Antragsgegnerin auch auf einen nicht schriftlich erteilten Preselection-Auftrag den Telefonanschluss des betreffenden Kunden auf ihre (der Antragstellerin) Netzvorwahl einzustellen habe, endgültig erfüllt und befriedigt.

Eine solche auf Befriedigung gerichtete einstweilige Verfügung ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig. Denn sie führt zu einer im Gesetz nicht vorgesehen Vorwegnahme der Hauptsache. Aus diesem Grund genügt es nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. WuW/E DE-R 619, 774 und 847; Urt. v. 25.4.03 - U (Kart) 1/03; Urt. v. 29.12.04 -U (Kart) 41/04, Urt. v. 26.1.2005 - VI-U(Kart) 32/04) und anderer Oberlandesgerichte (OLG Karlsruhe, WuW/E OLG 2319; OLG Saarbrücken, WuW/E OLG 2573; OLG Koblenz, WuW/E OLG 3893; KG, WuW/E OLG 4628; OLG Köln, NJW 1994, 56) nicht, dass ohne den Erlass der einstweiligen Verfügung die Verwirklichung eines Anspruchs des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO) oder der nachgesuchte einstweilige Rechtsschutz erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 940 ZPO). Eine Leistungsverfügung kommt vielmehr nur bei einer bestehenden oder zumindest drohenden Notlage des Antragstellers in Betracht. Dieser muss so dringend auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs angewiesen sein oder ihm müssen so erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen, daß ihm weder ein Zuwarten bei der Durchsetzung seines Anspruchs noch eine Verweisung auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zuzumuten ist. Dem Interesse der antragstellenden Partei an einer Gewährung effektiven Rechtsschutzes durch Erlass einer Leistungsverfügung ist dabei das schutzwürdige Interesse der verfügungsbeklagten Partei gegenüberzustellen, nicht in einem mit nur eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten ausgestatteten summarischen Verfahren zu einer Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs angehalten zu werden. In die erforderliche Abwägung der beiderseitigen Belange sind ferner die Erfolgsaussichten des Verfügungsantrags einzubeziehen. Ist die Rechtslage eindeutig und lässt sich die Berechtigung des verfolgten Anspruchs zweifelsfrei feststellen, so ist der Antragsgegner weniger schutzbedürftig und es überwiegt im Zweifel das Interesse des Antragstellers daran, dass ihm der Anspruch bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zuerkannt wird. Die dargestellten Beurteilungskriterien stehen dabei in einer Wechselbeziehung zueinander. Ist die Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs eindeutig und/oder liefe die Versagung einer Leistungsverfügung mehr oder weniger auf eine endgültige Rechtsverweigerung hinaus, so sind geringere Anforderungen an die wirtschaftliche Notlage zu stellen. Umgekehrt ist die Schwelle für die zu fordernde Notlage höher anzusetzen, sofern die Rechtslage zu Gunsten des Antragstellers nicht völlig zweifelsfrei und/oder eine spätere Geltendmachung von Schadensersatz zumutbar ist. Bei alledem trägt der Antragsteller eines Verfügungsverfahrens für das Vorliegen der die Annahme eines Verfügungsgrundes tragenden Tatsachen die Last der Darlegung und Glaubhaftmachung.

B. Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist die beantragte einstweilige Verfügung nicht zu erlassen. Die Antragstellerin hat nicht nachvollziehbar dargelegt und glaubhaft gemacht, dass ihr durch die - unterstellt: unberechtigte - Weigerung der Antragsgegnerin, auch mündliche und fernmündliche Preselection-Aufträge der Endkunden abzuwickeln, derart schwerwiegende und nicht wieder gutzumachende Nachteile entstehen, dass sie zumutbarer Weise weder auf das Klageverfahren noch auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verwiesen werden kann. Wie dem Senat aus dem Rechtsstreit - den die T. wegen der Kündigung ihrer Preselection-Vereinbarung geführt hat (VI-U(Kart) 8/05) - bekannt ist, hat die Antragsgegnerin die T. schon Anfang Februar 2003 von der Notwendigkeit schriftlicher Preselection-Aufträge freigestellt und die Vereinbarung erst zum 17. Mai 2004 gekündigt. T. hat folglich den von der Antragstellerin beklagten Wettbewerbsvorteil bei der Abwicklung von Preselection-Aufträgen nicht erst kurz vor Einreichung des Verfügungsantrags am 29. Dezember 2005 erlangt, sondern bereits längere Zeit zuvor eingeräumt erhalten und über einen Zeitraum von mehr als 15 Monaten in Anspruch nehmen können. Aufgrund des Senatsurteils vom 4. Mai 2005 verfügt die T. zudem seit Mai 2005 erneut über die Möglichkeit, Telefonanschlüsse der Antragsgegnerin auch dann auf ihre Netzvorwahl einstellen zu lassen, wenn die betreffenden Kundenaufträge nicht in schriftlicher Form vorliegen. Angesichts dieser Sachlage ist eine - den Erlass der begehrten Leistungsverfügung rechtfertigende - Notlage der Antragstellerin nicht alleine mit dem Hinweis dargetan, T. könne Preselection-Verfahren aufgrund bloß mündlicher oder fernmündlicher Kundenaufträge abwickeln, während sie selbst schriftliche Kundenerklärungen beizubringen habe. Berücksichtigt man, dass im Zeitpunkt des Verfügungsantrags die Bevorzugung der T. bereits über einen Zeitraum von mehr als 2 Jahren - nämlich von Februar 2003 bis Mai 2004 sowie von Anfang Mai bis Ende Dezember 2005 - praktiziert worden ist und die Antragstellerin über die gesamte Zeitspanne die sich aus dieser Vorzugsbehandlung resultierenden Wettbewerbsnachteile hingenommen hat, ohne sich gegen das Schriftlichkeitserfordernis zur Wehr zu setzen, hätte es der näheren Darlegung bedurft, inwieweit daraus gleichwohl eine Notlage entstanden sein soll, die den Erlass einer Leistungsverfügung erforderlich macht. An einem solchen Sachvortrag fehlt es. Insbesondere zeigt die Antragstellerin nicht auf, dass sich ihre Position im Wettbewerb mit der T. (erst) durch das Senatsurteil vom 4. Mai 2005 nachhaltig und schwerwiegend verschlechtert haben soll. Im Gegenteil trägt sie selbst vor, dass T. den Telefonkunden gegenüber gerade nicht mit der Möglichkeit wirbt, Preselection-Verfahren aufgrund bloß mündlicher oder fernmündlicher Aufträge abwickeln zu können.

C. Liegen nach alledem die besonderen Voraussetzungen, unter denen eine Leistungsverfügung in Betracht kommt, nicht vor, ist das Verfügungsbegehren zurückzuweisen. Das gilt auch, soweit die Antragstellerin den reklamierten Unterlassungsanspruch auf lauterkeitsrechtliche Ansprüche (§§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 4 Nr. 10 UWG) stützt. Zwar wird für wettbewerbliche Ansprüche die Dringlichkeit einstweiligen Rechtsschutzes gesetzlich vermutet (§ 12 Abs. 2 UWG). Hierdurch wird die Antragstellerin aber nicht von der Notwendigkeit entbunden, die für den Erlass einer Leistungsverfügung erforderlichen besonderen Dringlichkeitsgründe darzulegen. Denn § 12 Abs. 2 UWG befreit nur von der Obliegenheit, Dringlichkeitsgründe im Sinne der §§ 935, 940 ZPO darzulegen und glaubhaft zu machen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

B. K. Dr. M.






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