Bundespatentgericht:
Urteil vom 3. Dezember 2009
Aktenzeichen: 10 Ni 8/08
(BPatG: Urteil v. 03.12.2009, Az.: 10 Ni 8/08)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagten sind eingetragene Inhaber des deutschen Patents 101 21 921 (Streitpatent), das am 5. Mai 2001 angemeldet worden ist und eine Klammer betrifft. Das Streitpatent umfasst 3 Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut hat:
"1. Klammer zum Festklemmen eines Drahtgewebes (2) an einem Gitterrost (1), wobei die Klammer (3) zwei Schenkel (8, 9) mit jeweils einem Endbereich (6, 7) aufweist und auf den Gitterrost (1) und einen Randbereich (22) des Drahtgewebes (2) aufschiebbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Klammer (3) zum Aufschieben auf unterschiedliche Randformen (21) von Gitterrosten
(1)
einen Einführbereich (23) aufweist, welcher von in einem Winkel zueinander stehenden Endbereichen (6, 7) der Schenkel (8, 9)
der Klammer (3) gebildet ist, dass nach dem Einführbereich (23) zum Festklemmen des Drahtgewebes (2) am Gitterrostrand (4) sich die beiden Schenkel (8, 9) der Klammer (3) berühren oder in einem Abstand angeordnet sind, welcher kleiner als die Materialstärke des Randes (4) des Gitterrostes (1) ist, und dass die beiden Schenkel (8, 9) zur Aufnahme der unterschiedlichen Randformen
(21)
des Gitterrostes (1) und zur Begrenzung des Aufschiebeweges der Klammer (3) in Form eines Bogens (10) oder abgewinkelt miteinander verbunden sind."
Wegen der Patentansprüche 2 und 3 wird auf die Patentschrift Bezug genommen.
Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei gegenüber dem Stand der Technik nicht patenfähig. Ihm fehle die Neuheit, zumindest beruhe er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Sie beruft sich hierzu auf folgende vorveröffentlichte Druckschriften, nämlich die Gebrauchsmusterschriften:
DE 298 22 028 U1 (K2), DE-GM 73 25 817 (K3) und DE-GM 75 41 520 (K4).
Die Klägerin beantragt, das deutsche Patent 101 21 921 in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten treten den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und halten das Streitpatent gegenüber dem Stand der Technik für patentfähig.
Darüber hinaus halten sie die Klage bereits für unzulässig. In einem am 13.
Dezember 2007 gerichtlich protokollierten Vergleich in dem gegen dasselbe Streitpatent gerichteten Nichtigkeitsverfahren 10 Ni 11/07 hätten sich die damalige Klägerin, die Firma W... GmbH, sowie Herr W... unter Ziffer 6 des Vergleichs verpflichtet, keine weitere Nichtigkeitsklage gegen das Streitpatent zu erheben. Die jetzige Klägerin M... AG, Plauen, sei hieran gebunden. Denn W... sei ausweislich der Anlage B2, überschrieben mit "W... Gruppenstruktur", zu 100% Alleineigentümer der W... Holding AG, Baar, Schweiz. Die W... Holding AG, Baar, Schweiz sei wiederum Alleineigentümerin der M... Systems AG, P.... Entsprechendes gehe auch aus der vorgelegten Anlage B3 hervor, der "Niederschrift über eine außerordentliche Hauptversammlung der M... Systems AG mit dem Sitz in P..." vom 14.
Dezember 2007. Auf Seite 3 der Niederschrift ist u. a. angegeben: "Das Grundkapital der Firma M... Systems AG, Plauen beträgt 500.000,- EUR und ist eingeteilt in 1000 Stückaktien (Aktien ohne Nennbetrag). Sämtliche 1000 Stückaktien hält nach Angabe die Firma W... Holding AG, Baar/Schweiz". Ausweislich der dieser Niederschrift beigefügten Vollmacht hat die W... Holding AG mit Sitz in ..., ...straße ... -vertreten durch den einzelunterschriftsberechtigten Präsidenten, Herrn W... -Herrn S..., der Prokurist bei der Klägerin ist, Vollmacht zur Ausübung des Stimm rechts und weiterer Aktionärsrechte erteilt.
Die Beklagten tragen vor, es werde nicht behauptet, dass eine Personenidentität zwischen W...bzw. der W... GmbH und der jetzigen Klägerin bestehe, vielmehr werde auf die uneingeschränkte Durchgriffsmöglichkeit, mithin Weisungsund Entscheidungsbefugnis von W... hingewiesen. Es handle sich bei der Darstellung der Abhängigkeiten nicht um das Aufwerfen einer "Unternehmensfamilie" der W... GmbH, sondern um die Herausarbeitung der Strohmanneigenschaft der Klägerin. Hinzu komme, dass ungeachtet der Eigeninteressen der jetzigen Klägerin an der Patentvernichtung ihre Klage als unzulässig angesehen werden müsse, wenn sie und W... trotz der vorhandenen rechtlichen Selbständigkeit beider Rechtspersönlichkeiten bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Einheit darstellten (vgl. BGH GRUR 1987, 900 -Entwässerungsanlage; BPatG, Urteil vom 30. März 2004 -1 Ni 28/02 (EU)). Eine solche wirtschaftliche Personenidentität liege hier jedoch vor, da der durch den Vergleich gebundene W... als Einzelunterschriftsberechtigter der W... Holding AG gegenüber der Klägerin voll weisungsund handlungsbefugt sei, da letztere zu 100% in der Hand der W... Holding AG liege. Die Klage sei daher aus rechtlichen Gründen unzulässig.
Die Klägerin ist demgegenüber der Auffassung, dass ihre Klage zulässig sei. Die Nichtigkeitsklage sei als Popularklage ausgestaltet, weil ein öffentliches Interesse an der Nichtigerklärung schutzunwerter Patente bestehe. Daher dürfe das Rechtsschutzbedürfnis für eine Nichtigkeitsklage nur in besonderen Ausnahmefällen verneint werden. Ein solcher Ausnahmefall liege aber nicht vor. Zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits bestünden keine vertraglichen Bindungen, welche unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gegen die Zulässigkeit der Klage sprechen würden, insbesondere stehe ihr nicht der im Nichtigkeitsverfahren 10 Ni 11/07 geschlossene Vergleich vom 13. Dezember 2007 entgegen. Dieser Vergleich beziehe sich explizit auf die Parteien des damaligen Verletzungsrechtsstreits beim LG und OLG Düsseldorf, nämlich die Firma Windhager GmbH, Herrn W... und die hiesigen Beklagten sowie die Firma w... GmbH. Die hiesige Klägerin sei nicht Partei des Vergleichs. Bei ihr, der W... GmbH und W... handle es sich um verschiedene Rechtspersönlichkeiten. Insbesondere verbundene Unternehmen im Sinne von §§ 15 ff. AktG, aber auch sonstige Dritte, seien in dem Vergleich nicht ausdrücklich genannt und daher weder Parteien des Vergleichs noch Inhaber von Rechten oder Pflichten aus dem Vergleich. Darüber hinaus habe die W... GmbH bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs vom 13. Dezember 2007 Anteile an mehreren Unternehmen gehalten, was auch bekannt gewesen sei; dennoch sei das Unterlassungsgebot allein den im Vergleich genannten Parteien auferlegt worden. Der Vergleich habe somit nach dem Willen der Parteien ganz offensichtlich nur die Parteien des Vergleichs binden sollen. Es möge sein, dass Johann Windhager 100% Anteile an der Windhager GmbH halte und diese wiederum Beteiligungen an anderen Unternehmen, allein hieraus gründe sich noch keine Personenidentität mit der hiesigen Klägerin. Auch aus der Zugehörigkeit der Klägerin zur "Unternehmensfamilie" der W... GmbH lasse sich keine Unzulässigkeit der Klage folgern. Die Klägerin habe als Gewerbetreibende, deren gewerbliche Tätigkeit zumindest in der Zukunft durch das Streitpatent in Frage gestellt werde, ein eigenes Interesse an der Erhebung der Nichtigkeitsklage, was ausreiche, um die Nichtigkeitsklage als zulässig anzusehen (vgl. BGH GRUR 1998, 904 - Bürstenstromabnehmer). Auch im Urteil des 10. Senats vom 13. November 2008, 10 Ni 30/07 (EU), sei die Klage eines Mitglieds des Vorstandes einer Gesellschaft als zulässig angesehen worden, obwohl die von derselben Gesellschaft zeitlich vorangegangene Nichtigkeitsklage als unbegründet zurückgewiesen worden sei, weil ein eigenes wirtschaftliches Interesse des Klägers zu bejahen sei. Dies sei auch hier der Fall. Die Klägerin betreibe ein Unternehmen insbesondere zur Fertigung von Insektenschutzgittern. Das Streitpatent betreffe eine Klammer zur Befestigung eines Drahtgewebes an einem Gitterrost, um das Eindringen von u. a. kleinen Tieren, insbesondere Ungeziefer, zu verhindern. Das Streitpatent behindere die Klägerin damit direkt in der Ausübung ihrer Tätigkeit bei der Produktion von Insektenschutznetzen, so dass sie ein eigenes wirtschaftliches und rechtliches Interesse an der Vernichtung des Streitpatents habe.
Es liege auch eine andere Fallkonstellation vor als im Fall, der der BGH-Entscheidung "Entwässerungsanlage" (GRUR 1987, 900) zugrunde gelegen habe. Im dortigen Verfahren sei der Alleingesellschafter-Geschäftsführer der klagenden GmbH (Arbeitnehmer-)Erfinder des angegriffenen Patents, deren Inhaberin die ehemalige Arbeitgeberin des Alleingesellschafter-Geschäftsführers war. Die Unzulässigkeit der Nichtigkeitsklage sei in dem treuwidrigen Verstoß gegen die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitnehmererfinderrechtsverhältnis gesehen worden. Eine solche enge Bindung mit gegenseitigen Rechten und Pflichten zwischen den Parteien liege im vorliegenden Fall aber gerade nicht vor. Es lägen hier auch wirtschaftlich unterschiedliche Personen vor. Die von den Beklagten behaupteten uneingeschränkten Durchgriffsmöglichkeiten seien nicht schlüssig vorgetragen worden. Die Leitung des Unternehmens der Klägerin obliege nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 76 Abs. 1 AktG) gerade nicht dem jeweiligen Eigentümer, sondern allein dem jeweiligen Vorstand. Der Vorstand der Klägerin sei nicht Johann Windhager.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, abweichend von der in der Anlage B2 dargestellten W... Gruppenstruktur halte nunmehr die W... Real Estate GmbH, deren Alleingesellschafter W... sei, 100% an der Schweizer W... Holding AG. Die Klägerin sei hinzuerworben worden, die Eigentumsverhältnisse seien aber derart gestaffelt, dass kein Entscheidungsdurchgriff von oben nach unten möglich sei. Es liege kein identisches wirtschaftliches Interesse vor, die handelnden Personen seien ganz andere. Vorschriften des GWB seien nicht heranziehbar, denn Ziel des GWB sei es, eine Marktbeherrschung zu verhindern, während die Nichtigkeitsklage grundsätzlich von jedermann erhoben werden könne.
Gründe
Die Klage ist unzulässig. Ihr Ziel, das Streitpatent für nichtig zu erklären, widerspricht der Nichtangriffsverpflichtung in dem am 13. Dezember 2007 in dem Verfahren 10 Ni 11/07 abgeschlossenen Vergleich. Diese muss sich die Klägerin als eine zu 100% abhängige Tochter- bzw. Enkelgesellschaft des aus dem Vergleich Verpflichteten Herrn Johann Windhager entgegenhalten lassen, so dass ihre Klage gegen Treu und Glauben verstößt.
I.
Zur Erhebung der Klage auf Nichtigerklärung eines Patents ist zwar - außer im Fall der widerrechtlichen Entnahme (§ 81 Abs. 3 PatG) - grundsätzlich jedermann befugt, da sie Popularklage ist. Die Klage ist aber dann unzulässig, wenn sich der Kläger zuvor vertraglich verpflichtet hat, das Patent nicht anzugreifen.
Eine solche Nichtangriffsabrede ist zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits zwar nicht vereinbart worden. Der im Nichtigkeitsverfahren 10 Ni 11/07 am 13. Dezember 2007 vor dem Patentgericht geschlossene Vergleich ist von der damaligen Nichtigkeitsklägerin, der W... GmbH, den damaligen Beklagten (identisch mit den jetzigen Beklagten) sowie als Drittbeteiligten von der w... GmbH und Herrn W... geschlossen worden. Unter Nr. 6 dieses Vergleichs, der die Nichtangriffsverpflichtung regelt, heißt es, dass die "Beklagten des genannten Verletzungsverfahrens 4b O 147/06" sich verpflichten, keine weitere Nichtigkeitsklage gegen das deutsche Patent 101 21 921 -dies ist auch das jetzige Streitpatent - zu erheben. Bei diesen Beklagten des Verletzungsverfahrens 4b O 147/06 handelt es sich um die beiden vorgenannten Personen, nämlich die W... GmbH und W.... Zwischen diesen Personen und der jetzigen Klägerin, der M... Systems AG, besteht ersichtlich keine Personendentität, was im Übrigen auch von den Beklagten nicht geltend gemacht wird, so dass die jetzige Klägerin aus dem Vergleich unmittelbar keine vertraglichen Verpflichtungen treffen. Grundsätzlich bindet eine Nichtangriffabrede nur die Vertragspartner. Es sind zudem, wie die Klägerin richtig meint, auch keine Umstände für einen Willen der damaligen Vertragsparteien ersichtlich, noch weitere Personen, etwa konzernverbundene Unternehmen der W... GmbH oder von W..., in diese Nichtangriffsverpflichtung miteinzubeziehen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann aber eine Nichtigkeitsklage nicht nur im Fall einer vereinbarten Nichtangriffsabrede unzulässig sein, sondern auch dann, wenn sich aus der Person des Klägers oder aus den Beziehungen der Parteien zueinander besondere Umstände ergeben, welche die Durchführung des Nichtigkeitsverfahrens gerade zwischen diesen Parteien und unter den besonderen Umständen dieses Falles als anstößig oder jedenfalls als gegen den auch im Prozessrecht zu beachtenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) widersprechend erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 2009, Xa ZR 131/04, m. w. N.; Benkard/Rogge, PatG, 10. Aufl., § 22 Rdn. 43 ff.; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 81 Rdn. 68).
Solche besonderen Umstände sind etwa dann anzunehmen, wenn der Kläger als bloßer "Strohmann" eines früheren, rechtskräftig unterlegenen Nichtigkeitsklägers (bzw. eines durch eine Nichtangriffsabrede Verpflichteten) handelt, was voraussetzt, dass der jetzige Kläger ausschließlich im Auftrag und Interesse des früheren Klägers sowie auf dessen Weisung und Kosten ohne jedes eigene ins Gewicht fallende gewerbliche Interesse an der Vernichtung des Patents mit der Nichtigkeitsklage gegen dieses vorgeht (vgl. BGH GRUR 1998, 904 -Bürstenstromabnehmer). Dagegen scheidet die Annahme eines solchen Sachverhalts aus, wenn aufgrund der gewerblichen Tätigkeit des Nichtigkeitsklägers die Möglichkeit einer Beeinträchtigung seiner Betätigung für den Fall zu besorgen ist, dass das Patent bestehen bleibt. Danach ist hier die jetzige Klägerin nicht als "Strohmann" der W... GmbH oder von W... anzusehen, denn sie betreibt ein Unternehmen u. a. zur Herstellung von Insektenschutzgittern und Insektenschutzsystemen. Das Streitpatent, das eine Klammer zum Festklemmen eines Drahtgewebes an einem Gitterrost betrifft, um das Eindringen von u. a. kleinen Tieren, insbesondere Ungeziefer zu verhindern, berührt damit Waren der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin. Ein ins Gewicht fallendes eigenes Interesse der Klägerin kann daher nicht verneint werden.
Jedoch muss sich eine Partei nicht nur in den sogenannten "Strohmann"-Fällen Einwendungen aus der Person eines Dritten entgegenhalten lassen. Ungeachtet des Eigeninteresses eines Klägers an der Patentvernichtung muss seine Klage, selbst wenn er kein "Strohmann" ist, auch dann als unzulässig angesehen werden, wenn er und der durch eine Nichtangriffsabrede Verpflichtete - trotz der vorhandenen rechtlichen Selbständigkeit beider Rechtspersönlichkeiten -bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Einheit darstellen, so wie es in der Rechtsprechung beispielsweise für das Verhältnis einer GmbH zu ihrem Alleingesellschafter und umgekehrt angenommen worden ist (vgl. BGH GRUR 1987, 900 -Entwässerungsanlage; GRUR 1957, 482 - Chenillefäden; Benkard, a. a. O., § 22 Rdn. 44; Busse, a. a. O, § 81 Rdn. 67). Eine dem Alleingesellschafter obliegende Nichtangriffspflicht wäre wertlos, wenn er diese im Gewand der Gesellschaft ohne weiteres umgehen könnte. Andererseits ist es der Gesellschaft wegen der wirtschaftlichen Identität mit ihrem alleinigen Gesellschafter ohne weiteres zumutbar, die diesem gesetzten Grenzen wirtschaftlichen Handelns zu beachten (BGH a. a. O. -Entwässerungsanlage). Bloße Konzernverbundenheit reicht zwar für die Annahme einer wirtschaftlichen Identität in diesem Sinne nicht aus (vgl. BPatGE 27, 55). Letztere ist aber anzunehmen, wenn die Nichtangriffsverpflichtung für die Konzernmutter besteht und die Klage von einer zu 100% beherrschten Tochtergesellschaft erhoben wird, die die wirtschaftlichen Interessen der Konzernmutter als ihr verlängerter Arm wahrnimmt (vgl. BPatGE 43, 125 - Gatterfeldlogik).
Hiervon ausgehend erstreckt sich die in der Person des Herrn W... bestehende Nichtangriffsverpflichtung aus dem im Nichtigkeitsverfahren 10 Ni 11/07 geschlossenen Vergleich vom 13. Dezember 2007 auch auf die Klägerin. Ausweislich der insoweit unstreitigen Beteiligungsverhältnisse entsprechend der von den Beklagten vorgelegten Anlage B2 "W... Gruppenstruktur", die in der mündlichen Verhandlung durch die Klägerin noch um eine weitere Gesellschaft ergänzt worden ist, hält W...als Alleingesellschafter zu 100% die Anteile an der W... Real Estate GmbH, diese hält zu 100% die Anteile an der W... Holding AG, Schweiz, und diese hält wiederum zu 100% die Anteile an der Klägerin, der M... Systems AG in P.... Damit stellt sich die Klägerin als eine vollkommen beherrschte Konzerngesellschaft des Verpflichteten dar, wobei es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise keinen Unterschied macht, dass die Klägerin keine unmittelbare Tochtergesellschaft ist, sondern zwei Gesellschaften dazwischen geschaltet sind, denn der faktische Einfluss ist gleichwohl gegeben. So folgt etwa die Vermutungsregel des § 17 Abs. 2 AktG, wonach von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen vermutet wird, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist, der Erkenntnis, dass der Mehrheitsgesellschafter regelmäßig maßgebenden Einfluss auf die Personalpolitik der beherrschten Gesellschaft auszuüben vermag, so dass sich die Geschäftsführungsorgane der abhängigen Gesellschaft im Zweifel - schon im Interesse ihrer eigenen Wiederwahl -nach den Weisungen des herrschenden Unternehmens richten werden (vgl. Liebscher in Beck'sches Handbuch der AG, 2004, § 14 Rdn. 19). Angesichts der hier gegebenen Verflechtung zwischen Verpflichtetem und Klägerin, die nicht lediglich über einen Mehrheitsbesitz, sondern über hundertprozentige Beteiligungen vermittelt wird, ist davon auszugehen, dass der Verpflichtete W... in der Lage war, die Einhaltung der Nichtangriffsabrede durchzusetzen. Dementsprechend muss sich die Klägerin die gegen diesen bestehende Einwendung entgegenhalten lassen mit der Folge, dass ihre Klage wegen Unzulässigkeit abzuweisen war.
II.
Als Unterlegene hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
Schülke Püschel Harrer Hilber Schlenkprö
BPatG:
Urteil v. 03.12.2009
Az: 10 Ni 8/08
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