Bundesgerichtshof:
Urteil vom 16. Juli 2009
Aktenzeichen: III ZR 298/08

(BGH: Urteil v. 16.07.2009, Az.: III ZR 298/08)

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 12. November 2008 teilweise aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 21. Februar 2008 teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 164,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 23. Oktober 2007 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtzugs haben der Kläger 93 % und der Beklagte 7 % zu tragen.

Die Kosten des Berufungsrechtzugs hat der Kläger zu tragen mit Ausnahme der Kosten, die durch die Vernehmung der Zeugin K. entstanden sind, die der Beklagte zu tragen hat.

Die Kosten des Revisionsrechtszugs hat der Kläger zu tragen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, in welchem Umfang der Kläger die ihm im Rahmen eines gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens entstandenen Rechtsanwaltskosten nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) ersetzt verlangen kann.

Wegen des Verdachts der Steuerhehlerei erging im Dezember 2005 gegen den Kläger ein Durchsuchungsbeschluss. Bei der vom zuständigen Zollfahndungsamt durchgeführten Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 8. Februar 2006 wurden verschiedene Schriftstücke und ein USB-Stick sichergestellt. Am 8. Juni 2006 stellte das Hauptzollamt B. das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein und gab ihm die sichergestellten Sachen zurück. Mit Beschluss vom 27. Juli 2006 stellte das Amtsgericht die Entschädigungspflicht der Staatskasse rechtskräftig fest. Mit Bescheid vom 28. Juni 2007 erkannte die Generalstaatsanwaltschaft dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 118,37 € zu. Hiervon entfielen 82,67 € auf die von dem Kläger geltend gemachten Anwaltskosten in Höhe von insgesamt 413,36 € und 35,70 € auf die Rechtsanwaltsgebühren, die im Entschädigungsverfahren selbst angefallen sind. Im Übrigen wies sie die Entschädigungsforderung des Klägers zurück.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger vom beklagten Land unter anderem - soweit es für das Revisionsverfahren von Bedeutung ist - die Erstattung der restlichen von ihm geltend gemachten Anwaltskosten. Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers hatte namentlich hinsichtlich der geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren Erfolg. Hiergegen wendet sich das beklagte Land mit der - insoweit vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision.

Gründe

Die zulässige Revision ist begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, erstattungsfähig seien grundsätzlich die notwendigen Verteidigerkosten, soweit sie für die Abwehr der entschädigungsfähigen Strafverfolgungsmaßnahme - hier der Durchsuchung und Sicherstellung - erforderlich gewesen seien und nach den Bestimmungen der §§ 464 ff StPO keine Möglichkeit zur prozessualen Auslagenerstattung bestehe. Die vom Landgericht für eine bloß anteilige Erstattung der Kosten herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11. November 1976 (= NJW 1977, 957, 960) sei indes dahin zu verstehen, dass die Schätzung eines Anteils nur in Bezug auf solche Tätigkeiten in Betracht komme, die eindeutig ausscheidbar seien ("... vor dem Vollzug der Strafverfolgungsmaßnahme oder nach der Beendigung des Vollzugs ..."). Solche Anteile gebe es vorliegend nicht. Die Prozessbevollmächtigte sei nicht bereits vor der Strafverfolgungsmaßnahme tätig geworden, sondern erst mit der Durchsuchung bei dem Kläger. Die sichergestellten Sachen seien vollständig auch erst mit der Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO und damit mit der Beendigung der anwaltlichen Tätigkeit zurückgegeben worden. Das anwaltliche Bestreben habe deshalb stets sowohl darauf abgezielt, die sichergestellten Gegenstände wiederzubekommen als auch den Tatverdacht so zu entkräften, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt werde. Die Entkräftung des Tatverdachts habe die Aufhebung der Sicherstellung notwendig zur Folge gehabt. Gerade darin erweise sich die Deckungsgleichheit der anwaltlichen Tätigkeit. Soweit das Landgericht den an das Hauptzollamt gerichteten Schriftsatz der Verteidigerin vom 13. März 2006 ausschließlich dem Versuch der Entkräftung des Tatvorwurfs und dem Bestreben zuordne, eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens herbeizuführen, stimme dies zwar mit dem Wortlaut des Schriftsatzes überein. Indes habe die Entkräftung des Tatvorwurfs eben auch dem Ziel gedient, die sichergestellten Gegenstände zurückzuerhalten.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat dem Kläger zu Unrecht gemäß §§ 2, 7 StrEG die volle Verteidigervergütung zuerkannt.

Im Revisionsverfahren geht es allein um die Frage, wie der Umfang des Entschädigungsanspruchs gemäß § 7 StrEG zu bemessen ist, wenn sich - wie hier - innerhalb des entschädigungspflichtigen Rahmens die Verteidigung gegen die Strafverfolgungsmaßnahme von der allgemeinen Verteidigung nicht trennen lässt.

Nach § 7 Abs. 1 StrEG ist Gegenstand der Entschädigung der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden.

1. a) Der Senat hat bereits mit Urteil vom 18. September 1975 (BGHZ 65, 170) entschieden, dass der Entschädigungsanspruch aus §§ 2, 7 StrEG auch den Ersatz der Anwaltskosten beinhaltet, soweit die Kostenvorschriften der Strafprozessordnung die Möglichkeit einer prozessualen Erstattung dieser Auslagen nicht vorsehen. Der Umstand, dass der Beschuldigte die Kosten seines Verteidigers im Ermittlungsverfahren nach den Regelungen der Strafprozessordnung nicht ersetzt verlangen kann, wenn das Verfahren vor Anklageerhebung gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wird, schließt also die Möglichkeit des Beschuldigten nicht aus, die Verteidigungskosten zur Aufhebung bzw. Rückgängigmachung einer Strafverfolgungsmaßnahme gemäß §§ 2, 7 StrEG ersetzt zu verlangen (vgl. BGHZ 65, 170, 179 f; s. auch BGHZ 68, 86, 87 = NJW 1977, 957).

b) Im Anschluss hieran hat der Senat mit Urteil vom 11. November 1976 (III ZR 17/76) im Falle der Anordnung von Untersuchungshaft entschieden, dass die durch die Beeinträchtigung (den Vollzug der Maßnahme) entstandenen notwendigen Mehrauslagen des Betroffenen zur Wiedererlangung seiner Freiheit, aber auch die Verteidigungsauslagen, die nicht nur, aber auch diesem Ziel dienen - z.B. zur Entkräftung des Tatverdachts -, zu entschädigen sind (BGHZ 68, 86, 89). Verteidigungsauslagen, die für Tätigkeiten vor dem Vollzug der Strafverfolgungsmaßnahme oder nach der Beendigung des Vollzugs anfallen und zur Beseitigung des mit der Strafverfolgungsmaßnahme verbundenen Freiheitsverlustes nicht erforderlich sind, sind nach §§ 2, 7 StrEG nicht zu entschädigen. Soweit die dem Verteidiger gebührende Vergütung auch solche Tätigkeiten pauschal abgilt, steht dem Betroffenen eine Entschädigung zu, die dem Anteil der Verteidigung gegen die vollzogene Strafverfolgungsmaßnahme an der gesamten Verteidigung entspricht. Für die Bemessung dieses Anteils, die der Ermittlung eines ersatzfähigen Auslagenanteils in sonstigen Fällen des allgemeinen Schadensrechts vergleichbar ist, kommt eine Schätzung nach § 287 ZPO in Betracht (BGHZ aaO).

2. Lassen sich die Verteidigungsauslagen, die für Tätigkeiten im Ermittlungsverfahren anfallen, von denen, die für gegen die Strafverfolgungsmaßnahme gerichtete Tätigkeiten entstehen, nicht abgrenzen, so ist nach der Rechtsprechung des Senats der ersatzfähige Anteil nach Maßgabe des § 287 ZPO zu schätzen. Dies gilt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch dann, wenn - wie hier - während des gesamten Zeitraums, in dem der Verteidiger für seinen Mandanten tätig geworden ist, sowohl das Ermittlungsverfahren lief als auch die entschädigungsfähige Strafverfolgungsmaßnahme (hier: Sicherstellung von Sachen) aufrechterhalten wurde.

a) Die §§ 2, 7 StrEG sehen eine Entschädigung nur bei bestimmten Strafverfolgungsmaßnahmen vor, die der Gesetzgeber als schwerwiegende Eingriffe in den Rechtskreis des Betroffenen gewertet hat (BGHZ 65, 170, 180). Danach sind die durch eine entschädigungspflichtige Strafverfolgungsmaßnahme adäquat bedingten, objektiv notwendigen, nicht aber die sonstigen Auslagen zu ersetzen (Senat NJW 1977, 957, 959, insoweit in BGHZ 68, 86 nicht abgedruckt). Hierbei ist zu beachten, dass anwaltlicher Rat und anwaltliche Hilfe geeignet sind, eine sachdienliche und sachgerechte Verteidigung gegen derartige Eingriffe zu gewährleisten. Demzufolge darf der von einer solchen Strafverfolgungsmaßnahme Betroffene grundsätzlich einen Rechtsanwalt hinzuziehen, ohne sich dem Einwand auszusetzen, die Inanspruchnahme eines Anwalts sei zur Verteidigung gegen den für entschädigungspflichtig erklärten Eingriff nicht notwendig gewesen. Damit ist der Betroffene für die Kosten zu entschädigen, die er für die gesetzlichen Gebühren und Auslagen seines Rechtsanwalts aufwenden muss (BGHZ 68, 86, 88).

b) Die Bemessung der Entschädigung für die Verteidigervergütung bereitet jedoch immer dann Probleme, wenn der Verteidiger - wie häufig - nicht nur gegen die Strafverfolgungsmaßnahme, sondern darüber hinaus im Ermittlungsverfahren tätig wird, dessen Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO eine Kostenerstattung nicht nach sich zieht. Denn während sich die Entschädigungspflicht aus §§ 2, 7 StrEG ausschließlich auf die Strafverfolgungsmaßnahme erstreckt, gilt die im Ermittlungsverfahren anfallende Grund- und Verfahrensgebühr nach § 14 RVG in Verbindung mit Nr. 4100 und 4104 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (Vergütungsverzeichnis - VV) in der Regel die gesamte Tätigkeit des Verteidigers pauschal ab. Dabei umfasst die Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV neben den allgemeinen Verteidigungstätigkeiten etwa auch die Teilnahme an Durchsuchungsmaßnahmen (Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., S. 778) oder gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 RVG die Tätigkeit des Verteidigers im Beschwerdeverfahren (Gerold/Schmidt-Burhoff, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 18. Aufl., VV 4104, 4105 Rn. 7; Burhoff aaO S. 816; Hartung, in: Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., Vorbem. 4 VV Rn. 11 und Vorbem. 4.1 VV Rn. 2). Gesonderte Gebühren, die allein das gegen eine Strafverfolgungsmaßnahme als solche gerichtete Verteidigerhandeln betreffen und deshalb ohne Weiteres in vollem Umfang zu ersetzen sind, fallen demgegenüber nur ausnahmsweise an. Dies kommt in Betracht, wenn etwa gegen eine Beschlagnahmeanordnung nach § 304 StPO Beschwerde eingelegt und das Rechtsmittel begründet oder in der Rechtsmittelinstanz eingelegt wird (Hartung aaO; s. auch Burhoff aaO S. 817 f) oder aber der Verteidiger, dessen Mandant sich in Untersuchungshaft befindet, an einem Haftprüfungstermin teilnimmt und deshalb eine Terminsgebühr nach Nr. 4102 Nr. 3 VV beanspruchen kann.

c) Lässt sich die Verteidigung gegen die Strafverfolgungsmaßnahme von der allgemeinen Verteidigung nicht trennen, so ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob und in welchem Umfang eine Quotelung vorzunehmen ist. Dabei wird teilweise - und zwar, insoweit in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht, ebenfalls unter Berufung auf das Senatsurteil BGHZ 68, 86 - angenommen, dass jedenfalls dann, wenn, wie hier, während des gesamten Zeitraums, in dem der Verteidiger tätig geworden ist, sowohl das Ermittlungsverfahren angedauert hat als auch die Strafverfolgungsmaßnahme aufrechterhalten worden ist, die Verteidigervergütung in vollem Umfang zu ersetzen ist (vgl. einerseits LG Karlsruhe AnwBl. 1985, 158, 159; LG Braunschweig, Urteil vom 10. Dezember 2004 - 5 O 3286/03 - juris Rn. 31; GenStA Bamberg NStZ 1994, 39, 40; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 7 StrEG Rn. 5; Schätzler/Kunz, StrEG, 3. Aufl., § 7 Rn. 27 a.E.; andererseits OLG Rostock NStZ-RR 2003, 320; LG Rostock NStZ-RR 2002, 318, 319; LG Stuttgart, Urteil vom 26. Februar 2008 - 15 O 9/08 - juris Rn. 25; LG Saarbrücken, Urteil vom 9. September 2008 - 4 O 99/08 - juris Rn. 40 f; siehe auch LG Chemnitz, Wistra 2002, 279, 280; Meyer, StrEG, 7. Aufl., § 7 Rn. 23 ff).

Richtigerweise ist auch in den Fällen, in denen die gegen die entschädigungsfähige Strafverfolgungsmaßnahme und die wegen des Tatverdachts im Allgemeinen entfaltete anwaltliche Tätigkeit "deckungsgleich" ist, gemäß § 287 ZPO der Anteil der dem Verteidiger gebührenden, beide Tätigkeitsfelder abdeckenden, pauschalen Vergütung zu schätzen, der dem Gewicht der gegen die vollzogene Strafverfolgungsmaßnahme gerichteten Verteidigung an der gesamten Verteidigung entspricht.

Das Berufungsgericht sieht sich in seiner Rechtsauffassung durch das Senatsurteil BGHZ 68, 86 bestätigt. Diese Entscheidung, in der der Senat eine Schätzung nach § 287 ZPO für erforderlich erachtet hat, betraf eine Fallgestaltung, bei der der Verteidiger auch noch nach der Beseitigung der Strafverfolgungsmaßnahme tätig geworden war. Die Frage, ob und wie eine Kostenaufteilung vorzunehmen ist, wenn die anwaltliche Tätigkeit "deckungsgleich" entfaltet wird, hatte der Senat nicht zu entscheiden. Ob, wie das Berufungsgericht gemeint hat und von der Revision in Abrede gestellt wird, sich der Begründung des Senats entnehmen lässt, dass bei "Deckungsgleichheit" die entstandenen Anwaltskosten immer vollständig zu ersetzen sind, kann dahinstehen. Sofern das Senatsurteil BGHZ 68, 86 so zu verstehen sein sollte, würde der Senat hieran nicht mehr festhalten.

Der Senat hat in diesem Urteil vom 11. November 1976 zur Rechtfertigung der anteiligen Erstattung angefallener Verteidigerkosten unter anderem ausgeführt: Der von einer entschädigungspflichtigen Strafverfolgungsmaßnahme Betroffene erhält (neben einer Entschädigung nach §§ 2, 7 StrEG für sonstige Vermögensschäden) nach einem Freispruch im Strafprozess auf dem Wege der prozessualen Kostenerstattung eine Entschädigung für alle notwendigen Verteidigungsauslagen einschließlich derjenigen, die für die Beseitigung von Strafverfolgungsmaßnahmen notwendig waren. Demgegenüber wäre es widersprüchlich, wenn einem Betroffenen, bei dem die Verdachtsgründe nicht einmal zur Anklageerhebung ausgereicht haben, jede Entschädigung versagt würde, obwohl er eine vom Gesetzgeber als schwerwiegend bewertete Rechtsbeeinträchtigung hat hinnehmen müssen und obwohl er die Verteidigerauslagen (auch) dazu aufgewandt hat, um das ihm mit dem Vollzug der Strafverfolgungsmaßnahme abverlangte Opfer abzuwenden oder in Grenzen zu halten.

Ähnlich lässt sich, wie die Revision zu Recht geltend macht, auch vorliegend argumentieren: Es wäre in der Tat widersprüchlich, wenn Beschuldigte, gegen die "nur" ermittelt wird, nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO keinerlei Entschädigung erhalten, während diejenigen, gegen die zusätzlich eine Strafverfolgungsmaßnahme verhängt wird, sogar vollständigen Ersatz ihrer Verteidigerkosten verlangen könnten, sofern die anwaltliche Tätigkeit in einem zeitlichen Rahmen erfolgt, in dem sowohl die Ermittlungen geführt worden sind als auch die Strafverfolgungsmaßnahme angedauert hat. Im Übrigen wäre es auch unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes bedenklich, wenn vorliegend die Staatskasse, sofern der Kläger seinen Verteidiger nur wenige Tage vor der Durchsuchung mandatiert hätte, im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO gegebenenfalls nur einen Bruchteil der Verteidigerkosten entschädigen müsste - und zwar selbst dann, wenn der Verteidiger vor der Wohnungsdurchsuchung nur geringfügig tätig geworden wäre -, während die Staatskasse in der vorliegenden Konstellation der "Deckungsgleichheit" die angefallenen Verteidigerkosten in vollem Umfang erstatten müsste.

3. Das Berufungsurteil ist, da das Berufungsgericht die nach § 287 ZPO gebotene Schätzung unterlassen hat, aufzuheben. Der Senat kann jedoch in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO), da auszuschließen ist, dass dem Kläger bei der vorzunehmenden Schätzung eine höhere Quote zugesprochen werden kann als der vom Landgericht zuerkannten (50 %), die der Beklagte hingenommen hat.

a) Als Maßstab für die Aufteilung sind entsprechend § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG insbesondere die Bedeutung der vollzogenen Strafverfolgungsmaßnahme in ihrem Verhältnis zu den sonstigen vom Rechtsanwalt wahrgenommenen Angelegenheiten sowie die Schwierigkeit und der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit einerseits für die Aufhebung der Strafverfolgungsmaßnahme und andererseits für die Verteidigung im Übrigen heranzuziehen (vgl. BGHZ 68, 86, 89 zu § 12 Abs. 1 BRAGO a. F.).

Die gemäß § 287 ZPO vorzunehmende Würdigung kann durchaus ergeben, dass die entstandenen Verteidigergebühren voll zu ersetzen sind, wenn etwa der Betroffene in Untersuchungshaft war und sich die Bemühungen des Verteidigers auf die Aufhebung des Haftbefehls konzentrierten (vgl. dazu den vom Senat entschiedenen Fall BGHZ 68, 86). Andererseits setzt die anteilige Entschädigung nicht voraus, dass der Verteidiger überhaupt spezifisch gegen die Strafverfolgungsmaßnahme vorgegangen ist. Solange die Tätigkeiten des Verteidigers objektiv auch dem Zweck dienten, der Strafverfolgungsmaßnahme die Grundlage zu entziehen, wie namentlich durch die Entkräftung des Tatverdachts, steht das "ob" der Haftung und damit eine anteilige Haftung nicht in Frage. Inwieweit sich die vom Verteidiger entfalteten Aktivitäten ausdrücklich gegen die Strafverfolgungsmaßnahme gerichtet haben und welche Bedeutung gerade die Abwehr des Vollzugs der Maßnahme für den Betroffenen im Rahmen der Gesamtverteidigung hatte, ist vielmehr erst bei der Ermittlung des Haftungsanteils im Rahmen des § 287 ZPO zu prüfen und zu würdigen (zu letzterem LG Chemnitz, Wistra 2002, 279, 280).

b) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen entfallen auf ein etwaiges Vorgehen gegen die Durchsuchung die telefonische Beratung des Klägers am Tage der Durchsuchung sowie teilweise die Wahrnehmung des Anwaltstermins am 20. Februar 2006, dessen Gegenstand zum Teil die Überlegung gewesen war, inwieweit gegen die Durchsuchung einschließlich "Beschlagnahme" vorgegangen werden sollte. Mindestens teilweise dem gleichen Ziel - so das Landgericht - hat auch die mit Schriftsatz vom 10. Februar 2006 begehrte Akteneinsicht gedient. Der Kläger hat in seiner Berufung die Richtigkeit bzw. Vollständigkeit dieser vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht in Zweifel gezogen, sondern lediglich die - vom Berufungsgericht geteilte - Rechtsauffassung vertreten, dass wegen der "vollkommen deckungsgleichen" Tätigkeit der Verteidigerin unabhängig von der Gewichtung der einzelnen Verteidigungsmaßnahmen vollständiger Ersatz der angefallenen Anwaltskosten verlangt werden könne.

Auch wenn man mit dem Berufungsgericht den Schriftsatz der Verteidigerin vom 13. März 2006, mit dem sie ihre Erwartung zum Ausdruck gebracht hat, dass das Ermittlungsverfahren kurzfristig nach § 170 StPO eingestellt werde, dahin wertet, dieser habe auch dem Ziel gedient, die sichergestellten Gegenstände zurückzuerhalten, lässt eine Gesamtwürdigung der einzelnen Tätigkeiten der Verteidigerin eine die Hälfte der angefallenen Gebühren übersteigende Entschädigung nicht zu. Dies gilt vor allem deshalb, weil der Kläger - worauf die Revision zu Recht hingewiesen hat - im Verfahren nicht dargelegt hat, dass die Wiedererlangung der im Rahmen der Durchsuchung sichergestellten Gegenstände für ihn von besonderer Bedeutung gewesen war.

c) Der Kläger kann demnach vom beklagten Land gemäß §§ 2, 7 StrEG hinsichtlich der Verteidigung gegen die Strafverfolgungsmaßnahme Anwaltskosten in Höhe von 206,68 € abzüglich bereits geleisteter 82,67 €, also einen Betrag von 124,01 € ersetzt verlangen.

III.

Da der Kläger nur die Hälfte der Verteidigerkosten ersetzt verlangen kann, sind auch die vom Berufungsgericht zuerkannten Anwaltsgebühren für das Betreiben des Entschädigungsverfahrens selbst zu kürzen.

1. Beauftragt - wie hier - der Entschädigungsberechtigte einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung seiner Entschädigungsansprüche gemäß § 10 StrEG, so sind die dafür anfallenden Gebühren gleichfalls als Teil des Vermögensschadens erstattungsfähig.

Der Senat folgt der - von der Revision im Übrigen nicht angegriffenen - Auffassung der Vorinstanzen, wonach bei der Ermittlung des Gegenstandswerts, aus dem das zu erstattende Anwaltshonorar zu berechnen ist, die Höhe des von Gesetzes wegen zu erstattenden Entschädigungsbetrags zugrunde zu legen ist und nicht (nur) der von der Landesjustizverwaltung zuerkannte Betrag (ebenso OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Juli 2008 - 1 W 48/08 - juris Rn. 11; LG Saarbrücken, Urteil vom 9. September 2008 - 4 O 99/08 - juris Rn. 45; LG Bremen, Urteil vom 1. April 2003 - 1 O 1288/02 - juris Rn. 27). Dabei ist das Berufungsgericht bei seiner Gebührenberechnung - aus seiner Sicht folgerichtig - wegen des von ihm angenommenen Entschädigungsbetrags allerdings von einem zu hohem Gegenstandswert ausgegangen.

Die Gegenauffassung, wonach sich der Gegenstandswert nach dem von der Landesjustizverwaltung zuerkannten und nicht dem im Prozess erstrittenen Betrag richten soll (OLG München, Urteil vom 11. November 2004 - 1 U 4066/04 - juris Rn. 29; LG Flensburg VersR 1999, 200, 201; Meyer aaO Rn. 26), überzeugt nicht. Sie wird den allgemeinen Grundsätzen des Schadensrechts nicht gerecht. Danach ist dem Erstattungsanspruch des Geschädigten hinsichtlich der ihm entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zu Grunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (vgl. Senatsurteil vom 13. April 1970 - III ZR 75/69 - NJW 1970, 1122, 1123; BGH, Urteile vom 18. Januar 2005 - VI ZR 73/04 - NJW 2005, 1112 und vom 7. November 2007 - VIII ZR 341/06 - NJW 2008, 1888 f). Die Gegenmeinung lässt - worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat - die Möglichkeit außer Acht, dass das Entschädigungsverfahren mit einem abweichenden Ergebnis im Prozess fortgesetzt wird, wie nicht zuletzt das vorliegende Verfahren verdeutlicht.

2. Bei der Bemessung der dem Kläger für das Betreiben des Entschädigungsverfahrens zuzubilligenden Anwaltsgebühren ist von der Berechnung des Landgerichts auszugehen, das von einem Gegenstandswert von 206,68 € ausgegangen ist. Zwar ist diesem Wert noch der Betrag von 30 € für den USB-Stick hinzuzurechnen, der dem Kläger vom Berufungsgericht - von der Revision unangefochten - zusätzlich zuerkannt worden ist. Dies führt indes zu keinem Gebührensprung, so dass der Kläger die vom Landgericht ermittelten Anwaltsgebühren für das Entschädigungsverfahren in einer noch ausstehenden Höhe von 10,71 € beanspruchen kann.

IV.

Der im Tenor ausgewiesene Zahlbetrag in Höhe von 164,72 € ergibt sich mithin aus der Summe der noch zu beanspruchenden Anwaltsgebühren aus dem Ermittlungsverfahren (124,01 €) und dem Entschädigungsverfahren (10,71 €) sowie des Entschädigungsbetrages für den USB-Stick (30 €).

Schlick Dörr RiBGH Dr. Herrmann ist urlaubs-

abwesend und kann daher nichtunterschreiben.

Schlick Hucke Schilling Vorinstanzen:

LG Braunschweig, Entscheidung vom 21.02.2008 - 2 O 2535/07 -

OLG Braunschweig, Entscheidung vom 12.11.2008 - 3 U 34/08 -






BGH:
Urteil v. 16.07.2009
Az: III ZR 298/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/8a6c87fa90d8/BGH_Urteil_vom_16-Juli-2009_Az_III-ZR-298-08




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