Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. April 2011
Aktenzeichen: 17 W (pat) 16/07

(BPatG: Beschluss v. 19.04.2011, Az.: 17 W (pat) 16/07)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

BPatG 154

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung, die eine japanische Priorität vom 19. Juli 2001 in Anspruch nimmt, wurde am 18. Juli 2002 in japanischer Sprache beim Deutschen Patentund Markenamt eingereicht. Sie trägt in der deutschen Übersetzung die Bezeichnung:

"Produktionsplanungsberechnungsvorrichtung und Produktionsplanungsberechnungsprogramm".

Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patentund Markenamts mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe; denn er lasse sich durch einfache Aggregation der Mittel des bekannten Standes der Technik darstellen, die ihrem üblichen Zweck dienten, ohne in einer Weise zusammenzuwirken, die überraschende und somit nicht naheliegende technische Wirkungen entfalte. Anweisungen im Anspruch, die kein weiteres technisches Problem lösten, seien bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet. Sie trägt vor, dass der beanspruchte Gegenstand über eine bloße Aggregation an sich bekannter Mittel ohne erfinderisches technisches Zusammenwirken hinausgehe. Vor allem beruhe er nicht allein auf betriebswirtschaftlichen oder logistischen Überlegungen. Wesentliche technische Aspekte seien eine möglichst gleichmäßige Auslastung der Produktionskapazitäten und des eingesetzten Maschinenparks, ferner eine automatische Koppelung zwischen der Wiederaufbereitung und der Produktion. An die Stelle einer (unzuverlässigen) Schätzung des zukünftigen Bedarfs trete eine Informationsbeschaffung für die Produktionsplanung, die einerseits den Benutzungszustand der aktuell im Umlauf befindlichen Produkte erfasse und andererseits Kriterien für die Produktaussortierung bewerte. Insofern lägen Merkmale vor, die die Lösung eines technischen Problems "zumindest beeinflussen" würden und deshalb bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht ausgeschlossen werden dürften. Im Übrigen gebe der entgegengehaltene Stand der Technik in der beanspruchten Richtung keinerlei Anregungen.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

gemäß Hauptantrag mit Patentansprüchen 1 -8, überreicht in der mündlichen Verhandlung, noch anzupassender Beschreibung Seiten 1 -20 und 9 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1, 2, 3A-D, 4 -10, 11A, B, 12A, B, 13 jeweils vom 17. Oktober 2002, eingegangen am 18. Oktober 2002, gemäß Hilfsantrag I mit Patentansprüchen 1 -7, überreicht in der mündlichen Verhandlung, im Übrigen wie Hauptantrag, gemäß Hilfsantrag II mit Patentansprüchen 1 -7, überreicht in der mündlichen Verhandlung, im Übrigen wie Hauptantrag.

Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, hier mit einer möglichen Gliederung versehen, lautet:

" (a) Anordnung zur Erstellung eines Produktionsplans für wiederaufbereitbare medizinische Produkte, umfassend

(b)

Lesemittel zum Lesen eines Identifikationscodes jedes einer Vielzahl bei einer medizinischen Einrichtung (1) in Dienst gestellter Produkte bei Durchlauf des betreffenden Produkts durch eine Produktwiederaufbereitungsstelle (2),

(c)

Zähloder / und Messmittel zur Ermittlung eines für den individuellen Benutzungszustand repräsentativen Zähloder / und Messwerts für jedes die Produktwiederaufbereitungsstelle (2) durchlaufende und hinsichtlich seines Identifikationscodes identifizierte Produkt,

(d)

einen Speicher (41), in welchem ein oder mehrere, als Produktaussortierungskriterium dienende Referenzwerte für den Produktbenutzungszustand gespeichert sind, und

(e)

eine auf die Zähloder / und Messwerte sowie die Referenzwerte zugreifende Produktionsplanungsberechnungseinheit, welche den Produktionsplan auf Grundlage der Zähloder / und Messwerte und der Referenzwerte erstellt."

Zu den Unteransprüchen 2 bis 8 wird auf die Akte verwiesen.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I, hier mit einer soweit möglich entsprechenden Gliederung versehen, lautet:

" (a) Anordnung zur Erstellung eines Produktionsplans für wiederaufbereitbare medizinische Produkte, umfassend

(b)

Lesemittel zum Lesen eines Identifikationscodes jedes einer Vielzahl bei einer medizinischen Einrichtung in Dienstgestellter Produkte bei Durchlauf des betreffenden Produkts durch eine Produktwiederaufbereitungsstelle (2),

(c)

Zähloder / und Messmittel zur Ermittlung eines für den individuellen Benutzungszustand repräsentativen Zähloder / und Messwerts für jedes die Produktwiederaufbereitungsstelle (2) durchlaufende und hinsichtlich seines Identifikationscodes identifizierte Produkt,

(f)

Berechnungsmittel zur Ermittlung eines Zustandsindikators auf Grundlage eines Vergleichs der Zähloder / und Messwerte mit einem oder mehreren, als Produktaussortierungskriterium dienende Referenzwerten, welches jedem Produkt einen Zustandsindikator zuordnet, dessen Zähloder / und Messwert einen der Referenzwerte übersteigt,

(d*) einen Speicher (41), in welchem die Zähloder / und Messwerte, die Zustandsindikatoren sowie die Referenzwerte gespeichert sind,

(e*) eine auf den Speicher (41) zugreifende Produktionsplanungsberechnungseinheit, welche den Produktionsplan auf Grundlage der Zähloder / und Messwerte, der Zustandsindikatoren sowie der Referenzwerte erstellt."

Wegen der Unteransprüchen 2 bis 7 wird wiederum auf die Akte verwiesen.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II, hier ebenfalls mit einer möglichst entsprechenden Gliederung versehen (Änderungen gegenüber Hilfsantrag I sind unterstrichen), lautet:

" (a*) Anordnung zur Erstellung und Anwendung eines Produktionsplans für wiederaufbereitbare medizinische Produkte, umfassend

(b)

Lesemittel zum Lesen eines Identifikationscodes jedes einer Vielzahl bei einer medizinischen Einrichtung in Dienst gestellter Produkte bei Durchlauf des betreffenden Produkts durch eine Produktwiederaufbereitungsstelle (2),

(c)

Zähloder / und Messmittel zur Ermittlung eines für den individuellen Benutzungszustand repräsentativen Zähloder / und Messwerts für jedes die Produktwiederaufbereitungsstelle (2) durchlaufende und hinsichtlich seines Identifikationscodes identifizierte Produkt,

(f)

Berechnungsmittel zur Ermittlung eines Zustandsindikators auf Grundlage eines Vergleichs der Zähloder / und Messwerte mit einem oder mehreren, als Produktaussortierungskriterium dienende Referenzwerten, welches jedem Produkt einen Zustandsindikator zuordnet, dessen Zähloder / und Messwert einen der Referenzwerte übersteigt,

(g)

wobei einer der Referenzwerte die Benutzungsanzahl begrenzt

(h)

und die Benutzungsgrenze auf Basis der Zähloder / und Messwerte errechnet und durch Benutzung einer Kurve gewonnen wird, die eine Fehlerrate und die Benutzungsanzahl in Beziehung setzt,

(d*) einen Speicher (41), in welchem die Zähloder / und Messwerte, die Zustandsindikatoren sowie die Referenzwerte gespeichert sind,

(e*) eine auf den Speicher (41) zugreifende Produktionsplanungsberechnungseinheit, welche den Produktionsplan auf Grundlage der Zähloder / und Messwerte, der Zustandsindikatoren sowie der Referenzwerte erstellt,

(i)

und dabei ein medizinisches Produkt mit zugeordnetem Zustandsindikator im Vorhinein in den Produktionsplan einbezieht, und

(k)

einen Zugang zum Speicher (41) durch einen Zentralrechner (40) in Zuordnung zu einer die medizinischen Produkte nach dem Produktionsplan herstellenden Fertigungseinrichtung."

Wegen der Unteransprüchen 2 bis 7 wird erneut auf die Akte verwiesen.

Der Anmeldung soll die Aufgabe zugrundeliegen (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0008]), eine Produktionsplanungsberechnungsvorrichtung und ein Produktionsplanungsberechnungsprogramm anzugeben, die die Fähigkeit haben, das Maß zu verringern, in dem ein Produktionsplan von einer Schätzung abhängt, die auf Bestellungen basiert, die in der Vergangenheit auftraten.

Insbesondere bezüglich der Hilfsanträge hat es die Anmelderin als Aufgabe genannt, eine geeignete Infrastruktur für eine automatische Koppelung zwischen der Wiederaufbereitung der umlaufenden Produkte und der Fertigung von Ersatzprodukten zu schaffen.

II.

Die rechtzeitig eingelegte Beschwerde ist auch sonst zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag und nach den beiden Hilfsanträgen bei Berücksichtigung nur derjenigen Anweisungen, die die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (siehe BGH GRUR 2011, 125 - Wiedergabe topografischer Informationen), nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 4 PatG).

1. Die vorliegende Patentanmeldung bezieht sich auf wiederaufbereitbare medizinische "Produkte", d. h. Instrumente und Geräte, die mehrfach benutzt und dazu vor erneuter Benutzung beispielsweise desinfiziert oder sterilisiert werden, wie z. B. Endoskope (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0002] / Absatz [0028]).

Derartige Produkte haben eine begrenzte Lebensdauer. Sie werden nach Erreichen einer bestimmten Anzahl von Durchläufen durch die Wiederaufbereitung, bei Beschädigung oder bei Vorliegen anderer Kriterien ausgesondert und müssen ersetzt werden. Für den Hersteller des jeweiligen Produkts ist kaum vorhersehbar, für welchen Zeitpunkt er wie viele neue Produkte bereitstellen muss; üblicherweise wird er seine Produktionsplanung auf die Bestellungen aus der Vergangenheit stützen.

Um diese Produktionsplanung auf eine verlässlichere Basis zu stellen, schlägt die Anmeldung vor, im Rahmen der Wiederaufbereitung zu jedem einzelnen Produkt einen Zählerstand und / oder Messwerte abzuspeichern, die durch Vergleich mit Referenzwerten als Indikator dafür dienen, dass das Produkt in absehbarer Zeit zu ersetzen sein wird. Dazu ist jedes Produkt mit einem eindeutigen Identifikationscode versehen, so dass es sich beim Wiederaufbereiten automatisch identifizieren lässt. Ein Zähler kann die Anzahl der Durchläufe des Produkts durch die Wiederaufbereitungsstelle festhalten, und als Referenzwert kann eine vorbestimmte Zahl oder die durchschnittliche Anzahl der Durchläufe früherer Geräte dienen. Messwerte können für bestimmte wichtige Eigenschaften der Produkte definiert und mit festgelegten Referenzwerten verglichen werden, so dass ein naher Ausfall des Produkts frühzeitig abgeschätzt werden kann (vgl. z. B. Absatz [0070] -[0075] der Offenlegungsschrift). Insbesondere kann ein jedem einzelnen Produkt zugeordneter "Zustandsindikator" vorgesehen werden, der bei Überschreiten eines der Referenzwerte gesetzt werden soll; er zeigt an, dass das Produkt "in naher Zukunft ausscheidet" (siehe Absatz [0041]).

Durch diese spezifische Erfassung der Anzahl der Durchläufe bzw. der relevanten Messwerte können verlässliche Informationen gesammelt werden, welche Menge von Ersatzprodukten in absehbarer Zeit benötigt wird. Dadurch wird zweifellos eine bessere Produktionsplanung für den Hersteller der Produkte möglich.

Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, die Produktionsplanung für Ersatz-Produkte zu verbessern, ist zunächst ein Betriebswirtschaftler mit Hochschuloder Fachhochschulabschluss anzusehen, der einen Messtechnik-Ingenieur wegen der Erfassung benötigter Messdaten und der Konzipierung eines automatischen Datensammelsystems, und einen Fachmann für die jeweiligen Produkte wegen der anzuwendenden Aussonderungskriterien hinzuziehen wird.

2. Aus dem entgegengehaltenen Stand der Technik sind folgende Druckschriften besonders zu berücksichtigen (Nummerierung wie im bisherigen Verfahren):

D5 US 6 223 137 B1 D3 WO00 /45 309 A2 D5 betrifft die Verwaltung und Verfolgung medizinischer Instrumente in Krankenhäusern, u. a. auch bei der Wiederaufbereitung (maintenance -siehe z. B. Spalte 4 Zeile 52 -58). Jedes einzelne Instrument trägt einen optisch lesbaren Identifikationscode (Spalte 2 Zeile 39 ff.), der bei der Benutzung des Instruments gelesen wird, so dass die jeweilige Benutzungshandlung in einer Datenbank dokumentiert werden kann (Figur 1 und zugehörige Beschreibung). Gemäß Figur 2 Schritt 28 wird nach einem Plan (maintenance schedule) eine Wiederaufbereitung des identifizierten Instruments durchgeführt und in der Datenbank festgehalten (Merkmal (b)). Dazu kann auch die Prüfung von festgelegten Bedingungen für den Ersatz eines Instrumentes gehören (tracking replacement requirements, Spalte 4 Zeile 59 ff.), sowie die Ersatzbeschaffung (ordering information), so dass der Fachmann hier bereits Mittel zur Ermittlung repräsentativer Messwerte für den individuellen Benutzungszustand mitliest (Merkmal (c)). Die Datenbank dient als Speicher für die Messwerte und Referenzwerte (Merkmale (d), (d*)). Hierbei ist "tracking replacement requirements" und ferner die Beschreibung in Spalte 5 Zeile 32 / 33 ("... determining whether scheduled maintenance has been performed in a timely manner ...") als das Überwachen von Referenzwerten zu verstehen (teilweise Merkmal (f)). Aus den Hinweisen auf eine Ersatzbeschaffung (ordering information / determining what replacement instruments should be ordered, siehe Spalte 4 Zeile 62 -Spalte 5 Zeile 2) lässt sich außerdem eine Berechnung der Anzahl zu ersetzender Produkte ableiten.

Allgemeine Anregungen zur Behandlung mehrfach verwendbarer, wiederaufbereitbarer Gegenstände (ohne Beschränkung auf "medizinische Produkte") kann der Fachmann der D3 entnehmen. Sie beschreibt ein System zur Verwaltung von Mehrwegverpackungen (Kunststoff-Getränkeflaschen), welche dazu mit einem individuellen Code markiert sind. Gemäß Seite 2 Abs. 1 ist es erforderlich, die Anzahl der Wiederverwendungen und die gesamte Verwendungsdauer solcher Kunststoffflaschen zu begrenzen; u. a. kann eine Prüfung auf bestimmte Benutzungsveränderungen vorgesehen sein (Seite 7 Absatz 2). Zu diesem Zweck sind in lokalen Wiederaufbereitungsstellen (20 -22) Lesemittel (24, 28) für die Identifikationscodes auf den Flaschen vorgesehen (Merkmal (b), jedoch nicht speziell auf "medizinische Produkte" bezogen). Die Daten werden einer Zentralstation übermittelt, welche sie speichert und auswertet (Seite 23 Anspruch 1 / 2). Die Auswertung umfasst zumindest die Anzahl der Umläufe einer individuellen Flasche und ihr Alter (Seite 23 Anspruch 2; Seite 16 Zeile 4 -7), wobei ein Vergleich mit vorgegebenen Grenzwerten als Entscheidungskriterium für eine spätere Aussonderung dient. Insofern finden sich hier einerseits Zählmittel für die Anzahl der Durchläufe eines Gegenstandes, andererseits Messmittel für die Ermittlung des individuellen Benutzungszustands (Merkmal (c)). In der Zentralstation muss dazu ein entsprechender Speicher vorgesehen sein (Merkmal (d), (d*)), sowie ein Berechnungsmittel zum Vergleich der Zählbzw. Messwerte mit Referenzwerten (teilweise Merkmal (f)).

Dabei ist in der Zentralstation im vorhinein bekannt, wie viele Flaschen in naher Zukunft ausgetauscht werden müssen: der Code durchlaufender Flaschen wird zunächst in der lokalen Wiederaufbereitungsstelle (20 -22) gespeichert und später an die Zentralstation übermittelt; erst daraufhin vergleicht die Zentralstation die Anzahl der Umläufe und das Alter der Flaschen mit einem Grenzwert und sammelt die Codes der nach diesen Kriterien auszusondernden Flaschen in einer Datei, die später an alle lokalen Stationen verteilt wird. Wenn in einem darauf folgenden Durchlauf eine der Flaschen aus dieser Datei wiedererkannt wird, wird sie ausgesondert (siehe Seite 15 Zeile 28 bis Seite 16 Zeile 19). Die Anzahl der Flaschen in der Aussonderungsdatei zeigt also die Menge der in naher Zukunft zu ersetzenden Flaschen an (teilweise Merkmal (f)).

3. Zum Hauptantrag Dem Hauptantrag konnte nicht gefolgt werden, weil der Gegenstand seines Patentanspruchs 1 sich nur in nichttechnischen Merkmalen vom Stand der Technik unterscheidet und somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

3.1 Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist auf eine "Anordnung zur Erstellung eines Produktionsplans" gerichtet. Dazu beschreiben die Merkmale (b) -(d) ein technisches System, das beim Durchlauf der Produkte durch eine Wiederaufbereitungsstelle relevante Daten automatisch erfasst und so Zählund Messwerte über den individuellen Benutzungszustand jedes einzelnen Produktes zur Verfügung stellt, und das ferner gespeicherte Referenzwerte enthält; aus diesen Informationen lässt sich die Anzahl in naher Zukunft zu ersetzender Produkte ableiten.

Die eigentliche Lehre zur "Erstellung eines Produktionsplans" beschränkt sich gemäß den Merkmalen (a) und (e) allerdings darauf, eine Produktionsplanungsberechnungseinheit vorzusehen, welche auf die gesammelten Informationen zugreift und daraus -irgendwie -einen Produktionsplan erstellt. Welche weiteren Informationen in den Produktionsplan eingehen, und wie dieser Produktionsplan eingesetzt wird, insbesondere wie er die Fertigung (über die reine Anzahl hinaus) beeinflusst, ist nicht beansprucht und in der Anmeldung auch nicht beschrieben.

3.2 Die automatische Erfassung der relevanten Zählund Messwerte stellt fraglos ein technisches Problem dar. Weil der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag somit, jedenfalls in Form des technischen Systems nach den Merkmalen (b) -(d), ein technisches (Teil-) Problem mit technischen Mitteln löst, unterfällt er nicht den Ausschlusskriterien gemäß § 1 PatG (BGH -Wiedergabe topografischer Informationen, Leitsatz a).

3.3 Das technische System nach den Merkmalen (b) -(d) ist aber, wie oben unter 2. erläutert, bereits beispielsweise aus Druckschrift D5 vorbekannt.

Darüber hinaus ist der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lediglich noch auf eine Produktionsplanungsberechnungseinheit gerichtet, welche die erfassten Informationen -irgendwie -nutzt, weil sie es erlauben, die Anzahl in naher Zukunft zu ersetzender Produkte verlässlicher zu bestimmen.

Dieser Teilaspekt betrifft ein rein betriebswirtschaftliches, kein technisches Problem. Wenn die Informationen zum individuellen Benutzungszustand der einzelnen Produkte erfasst sind und daraus abgeleitet eine fundiert abgeschätzte Bedarfsgröße vorliegt, dann ist es eine betriebswirtschaftliche Entscheidung, wie viele Ersatzprodukte der Hersteller mit welchem zeitlichen Vorlauf tatsächlich produzieren möchte. Der Einsatz einer "Berechnungseinheit" ändert daran nichts, er löst an dieser Stelle kein technisches Problem mehr (vgl. dazu noch BGH BlPMZ 2005, 177 -Rentabilitätsermittlung: "... auch bei der vorrichtungsmäßigen Einkleidung einer Lehre, die sich der elektronischen Datenverarbeitung bedient, deren Patentfähigkeit nur dann zu bejahen ist, sofern hierbei die Lösung eines konkreten technischen Problems ... gelehrt wird").

Da sonach mit den verbliebenen Merkmalen (a) und (e) keine Anweisung zur Lösung eines technischen Problems gegeben wird, sind diese Merkmale bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen (BGH -Wiedergabe topografischer Informationen, Leitsatz b).

3.4 Die Anmelderin hat demgegenüber vorgetragen, durch die beanspruchte Lehre werde eine gleichmäßigere Auslastung der Produktionskapazitäten und eine Senkung des Wartungsund Reparaturbedarfs der Produktionsmaschinen erreicht, insoweit liege ein technisches Problem zugrunde und werde auch gelöst.

Dieser Einwand vermochte nicht zu überzeugen. Denn eine verbesserte Produktionsplanung, und in deren Folge möglicherweise eine gleichmäßigere Auslastung der Produktionskapazitäten und eine Senkung des Wartungsund Reparaturbedarfs der Produktionsmaschinen, ist vorliegend eben nicht das direkte Ergebnis der beanspruchten Anordnung, des Speichers, oder der gesammelten Informationen. Diese machen vielmehr eine bessere Produktionsplanung nur möglich, ohne sie zu bewirken oder gar sicherzustellen -so wäre etwa eine unwirtschaftliche Produktion einzelner Ersatzprodukte durch den Einsatz der beanspruchten Anordnung nicht gehindert.

Die Anmelderin hat ferner eingewendet, nach Leitsatz b) des BGH-Urteils "Wiedergabe topographischer Informationen" genüge es, dass die beanspruchten Anweisungen die Lösung eines technischen Problems auch nur "beeinflussten". Ein solcher Fall liege hier vor, da die Produktionsplanungsberechnungseinheit die Fertigung bzw. konkret die Fertigungsmaschinen beeinflusse.

Dem konnte der Senat nicht folgen. Denn die Anmeldung gibt gar keine konkrete Lehre, wie die Fertigung zu beeinflussen oder wie die Fertigungsmaschinen anzusteuern wären. Zwar könnte speziell der Teilaspekt einer Automatisierung der Bestimmung des zukünftigen Ersatzbedarfs als technisches Problem verstanden werden; dieses Problem wird aber bereits etwa durch die Lehre der D5 gelöst. Ein darüber hinausgehendes technisches Problem löst die Anmeldung, und insbesondere der Gegenstand des Patentanspruchs 1, jedoch nicht. Dass die Steuerung der Fertigung durch die ermittelten Bedarfszahlen "irgendwie" beeinflusst wird, kann nicht als "Beeinflussung der Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln" im Sinne der BGH-Rechtsprechung verstanden werden.

3.5 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag beruht nach alledem nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da seine technischen Merkmale vorbekannt sind und seine auf betriebswirtschaftlichen Überlegungen beruhenden Merkmale, soweit sie überhaupt offenbart sind, das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen können. Mit dem Patentanspruch 1 fallen zwangsläufig auch die übrigen Ansprüche, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann.

4.

Zum Hilfsantrag I Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag I geht in technischer Hinsicht nicht über die Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag hinaus, so dass auch Hilfsantrag I erfolglos bleiben musste.

4.1 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I unterscheidet sich von Patentanspruch 1 nach Hauptantrag durch das zusätzliche Merkmal

(f) Berechnungsmittel zur Ermittlung eines Zustandsindikators auf Grundlage eines Vergleichs der Zähloder / und Messwerte mit einem oder mehreren, als Produktaussortierungskriterium dienende Referenzwerten, welches jedem Produkt einen Zustandsindikator zuordnet, dessen Zähloder / und Messwert einen der Referenzwerte übersteigt, und ferner durch entsprechende Anpassung der Merkmale (d) und (e) in der Weise, dass im Speicher (41) zusätzlich zu den Referenzwerten auch die Zählund Messwerte und die Zustandsindikatoren gespeichert sind, und dass die Produktionsplanungsberechnungseinheit auf den Speicher 41 zugreift (nunmehr Merkmale (d*) und (e*)).

Diese Anpassung in den Merkmalen (d*) und (e*) bedeutet für den Fachmann keinen Unterschied und ergibt sich für ihn in gleicher Weise aus D5.

Das zusätzliche Merkmal (f) stellt einen "Zustandsindikator" in den Vordergrund, welcher als eine Markierung (Flag) zu verstehen ist, die für jedes einzelne Produkt gesetzt (und im Speicher abgelegt) werden kann und anzeigt, dass einer der Referenzwerte überschritten ist, dass also das Produkt vielleicht nicht unmittelbar, aber in naher Zukunft auszusortieren sein wird. Die nunmehr explizit beanspruchte "Berechnung" als Vergleich der Zähloder Messwerte mit den Referenzwerten lag implizit bereits dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag zugrunde und entspricht im Übrigen auch der Lehre der D5.

4.2 Der Schaffung eines solchen Zustandsindikators liegen keine technischen Erkenntnisse zugrunde, so dass Merkmal (f) bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht weiter zu berücksichtigen ist.

Zwar mögen bei der Festlegung der Kriterien für ein konkretes Produkt, welche Messwerte und welche Referenzwerte dort jeweils zu berücksichtigen sind, technische Überlegungen eine Rolle spielen. Allein für die Wahl eines "Zustandsindikators" als Markierung, dass einer der Referenzwerte überschritten ist, um diese Information später leicht abrufen zu können -und nur darin liegt die Lehre von Merkmal (f) -, sind technische Überlegungen aber nicht erforderlich. Vielmehr handelt es sich um eine typische Maßnahme eines Programmierers, Informationen in Form von Indikatoren (Flags) in einer Datenbank abzulegen.

Ob technische Überlegungen bei der Frage, wie solch ein Zustandsindikator die Berechnung des zukünftigen Bedarfs beeinflussen soll, eine Rolle spielen könnten, ist unerheblich, weil die Art und Weise, wie die erfassten Informationen konkret in die Produktionsplanung eingehen, nicht beschrieben und auch nicht beansprucht ist.

4.3 Hilfsantrag I kann sonach nicht anders als der Hauptantrag beurteilt werden, weil die geringfügigen Unterschiede hinsichtlich der Speicherbenutzung in den Merkmalen (d) und (e) sowie die "Berechnung" gemäß Merkmal (f) sich für den Fachmann, wie zum Hauptantrag erläutert, bereits aus D5 ergeben und die darüber hinausgehende Lehre von Merkmal (f) als typische Maßnahme eines Programmierers keine technische Leistung darstellt, mit der sich eine erfinderische Tätigkeit begründen ließe.

5.

Zum Hilfsantrag II Auch der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II beinhaltet keine technischen Anweisungen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten. Hilfsantrag II teilt daher das Schicksal der übrigen beiden Anträge.

5.1 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II beruht auf dem Patentanspruch 1 des Hilfsantrags I; er unterscheidet sich davon durch die zusätzlichen Merkmale (g), (h), (i) und (k) sowie eine kleine Ergänzung in Merkmal (a).

Die Ergänzung in Merkmal (a) (nunmehr Merkmal (a*)) zielt darauf, dass eine Produktionsplanung nicht nur erstellt, sondern auch angewendet werden soll; dies korrespondiert mit dem neuen Merkmal (k), dass ein Zentralrechner, der einer die medizinischen Produkte nach dem Produktionsplan herstellenden Fertigungseinrichtung zugeordnet ist, Zugang zum Speicher (41) hat.

Merkmal (g) definiert einen der Referenzwerte als maximal vorgesehene Anzahl von Durchläufen durch die Wiederaufbereitungsstelle.

Merkmal (h) ist auf die Festlegung dieser maximalen Anzahl gerichtet; sie soll durch Berechnung auf Basis der Zählbzw. Messwerte erfolgen, wobei eine "Kurve" benutzt werden soll, die die Benutzungsanzahl in Beziehung zur Fehlerrate setzt (vergleiche Anmeldung Figur 10 und zugehörige Beschreibung). Mit "Kurve" ist offensichtlich die grafische Darstellung der Beziehungsfunktion gemeint. Somit ist in Merkmal (h) die Lehre beansprucht, die maximal vorgesehene Anzahl von Durchläufen zu bestimmen auf der Basis von Zählund Messwerten aus der Vergangenheit sowie einer als bekannt geltenden Beziehung zwischen Benutzungsanzahl und Fehlerrate.

Merkmal (i) legt fest, dass auch solche Produkte in den Produktionsplan einbezogen werden sollen, die zwar noch nicht unbrauchbar, aber bereits durch einen gesetzten Zustandsindikator als demnächst zu ersetzend markiert sind.

5.2 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 stellt sich damit als eine Mischung aus nichttechnischen Anweisungen, die bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen sind, mit technischen Anweisungen dar, die über die fachmännische Automatisierung eines an sich bekannten Vorgangs nicht hinausgehen. Er beruht daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

5.2.1 Mit den Merkmalen (g), (h) oder (i) lässt sich das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen.

Die Lehre von Merkmal (g), eine maximale Anzahl von Benutzungen (Durchläufen durch die Wiederaufbereitung) als Aussortierungskriterium für ein medizinisches Produkt vorzugeben, ist allgemein für wiederaufbereitbare Gegenstände in D3

(z. B. Seite 7 Zeile 1/2) vorbeschrieben und speziell auch für medizinische Gegenstände unmittelbar naheliegend.

Die Bestimmung der maximalen Anzahl nach Merkmal (h) beruht nicht auf technischen Überlegungen, sondern lediglich auf statistischen Lebensdauerdaten früherer Produkte, vgl. z. B. Absatz [0043] der Anmeldung "Durchschnittswert ... bis zu dem Ausscheiden". Wenn darüber hinaus beansprucht wird, eine bekannte Beziehung zwischen Benutzungsanzahl und Fehlerrate solle in die Berechnung eingehen, dann ist dies auch nichts weiter als ein Rückgriff auf vorhandene Statistikdaten, ohne dass es dazu irgendeiner technischen Erkenntnis bedurft hätte. Selbst davon abgesehen, stellt eine Bestimmung der maximalen Lebensdauer auf der Basis vorhandener Lebensdauer-Daten (auch wenn diese in Gestalt einer "Kurve" vorliegen) eine rein fachmännische Maßnahme dar.

Die Festlegung gemäß Merkmal (i), welche Bedarfszahlen in die Berechnung des zukünftigen Produktionsplans einbezogen werden sollen (hier also außer der Anzahl aktuell auszusondernder Produkte auch die Anzahl von Produkten, mit deren Aussonderung in naher Zukunft zu rechnen ist), beruht ebenfalls nicht auf technischen, sondern auf betriebswirtschaftlichen Überlegungen. Zwar sind möglicherweise technische Erkenntnisse erforderlich, um ein Produkt als "in naher Zukunft auszusondern" zu erkennen; diese Maßnahme fällt aber unter Merkmal (c) und ist aus D3 oder D5 zumindest nahegelegt. Hingegen ist die Frage, ob man nur genau die ausgesonderte Anzahl nachproduziert oder im Vorhinein die Anzahl der erst "demnächst" auszusondernden Produkte in den Produktionsplan einbezieht, eine reine Aufwand-Nutzen-Abwägung ohne jeden technischen Hintergrund und somit ausschließlich betriebswirtschaftlicher Natur.

5.2.2 Zu Recht weist die Anmelderin zwar darauf hin, dass die Schaffung einer geeigneten Infrastruktur für eine automatische Koppelung zwischen der Wiederaufbereitung der umlaufenden Produkte und der Fertigung von Ersatzprodukten im Grunde ein technisches Problem darstellt, welches hier durch die Maßnahmen gemäß dem ergänzten Merkmal (a*) in Verbindung mit Merkmal (k) gelöst werden soll; d. h. durch einen Zentralrechner, welcher der Fertigungseinrichtung zugeordnet ist und einen Zugang zu demjenigen Speicher hat, in dem die erfassten Zählund Messwerte, Referenzwerte sowie Zustandsindikatoren gespeichert sind, so dass die Produktion durch die erfassten Daten automatisch gesteuert werden kann.

Eine solche Koppelung von Datenerfassung und Produktion gehörte aber auch schon am Prioritätstag der vorliegenden Anmeldung zum Grundwissen des Fachmanns, dem bereits "automatisierte Fertigungssysteme" und deren technische Infrastruktur vertraut waren -und zwar sowohl des betriebswirtschaftlichen Fachmanns, als auch des Messtechnik-Ingenieurs (siehe oben II. 1.); eine grundsätzlich geeignete Infrastruktur ist im Übrigen bereits in D3 Figur 1 bzw. dem dort zitierten Stand der Technik gemäß Seite 4 Absatz 1, oder in D5 Figur 3 beschrieben. Es steht außer Frage, dass es im Detail viele technische Probleme bei einer derartigen Koppelung geben wird; diese werden durch die Anmeldung aber nicht gelöst. In der beanspruchten Allgemeinheit, allein dass nämlich eine solche Koppelung "irgendwie" durchgeführt werden soll, war die beanspruchte Lehre von Merkmal (a*) und Merkmal (k) für den Fachmann ohne Weiteres naheliegend.

5.2.3 Dass durch den Einsatz der einzelnen Maßnahmen ein kombinatorischer Effekt entstehen würde, ist nicht erkennbar und wurde auch nicht vorgetragen.

III.

Nachdem keiner der gestellten Anträge Erfolg hatte, war die Beschwerde der Anmelderin gegen den Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle zurückzuweisen.

Dr. Fritsch Prasch Eder Baumgardt Fa






BPatG:
Beschluss v. 19.04.2011
Az: 17 W (pat) 16/07


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