Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Januar 2006
Aktenzeichen: 26 W (pat) 324/03

(BPatG: Beschluss v. 25.01.2006, Az.: 26 W (pat) 324/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 34 IR des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. August 2002 und 14. Juli 2003 aufgehoben. Der IR-Marke 730 038 wird wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 152 164 der Schutz in der Bundesrepublik Deutschland verweigert.

Gründe

I Gegen die Schutzbewilligung in der Bundesrepublik Deutschland für die IR-Marke 730 038 WELT für die Waren

"Cigarettes et autres articles de tabac"

ist Widerspruch erhoben worden aus der auf Grund von Verkehrsdurchsetzung für die Ware

"Filterzigaretten"

eingetragenen Marke 1 152 164 WEST.

Die Markenstelle hat den Widerspruch sowie die Erinnerung der Widersprechenden zurückgewiesen, weil zwischen der Widerspruchsmarke, die eine normale Kennzeichnungskraft aufweise, und der angegriffenen Marke trotz einer teilweisen Identität der Waren keine Verwechslungsgefahr bestehe. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Widersprechende habe zwar eine durch umfangreiche Benutzung erworbene erhöhte Kennzeichnungskraft ihrer Marke geltend gemacht. Diese habe jedoch nicht berücksichtigt werden können, weil die Markeninhaberin eine gesteigerte Bekanntheit der Widerspruchsmarke bestritten habe und diese deshalb nicht "liquide" sei. Bei den Marken handele es sich um kurze und überschaubare Wörter, bei denen schon geringe Abweichungen Verwechslungen ausschlössen. Der Austausch des Konsonanten "S" gegen ein "L" führe angesichts der geringen Wortlänge zu einem deutlich verschiedenen Schrift- und Klangbild. Die Unterschiede seien insbesondere deutlich hörbar. Zudem wiesen beide Marken einen leicht erfassbaren unterschiedlichen Begriffsgehalt auf, der die Verwechslungsgefahr weiter reduziere.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde, die sie nicht begründet hat. Sie beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und wegen des Widerspruchs der IR-Marke den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu verweigern.

Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden erweist sich als begründet. Zwischen der angegriffenen IR-Marke und der Widerspruchsmarke besteht Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die Gefahr von Verwechslungen im Sinne der vorstehend genannten Bestimmung ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387 - Sabl/Puma). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken kann durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder eine erhöhte Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht zwischen den beiderseitigen Marken zumindest in schriftbildlicher Hinsicht die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen.

Zwischen den Waren, für die die beiderseitigen Marken registriert sind, besteht eine teilweise Identität in Bezug auf Filterzigaretten und im Übrigen eine hochgradige Warenähnlichkeit, was bereits für sich allein betrachtet einen deutlichen Abstand der Marken erforderlich macht.

Die Kennzeichnungskraft der im Wege der Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Widerspruchsmarke war zum Zeitpunkt ihrer Eintragung, also im Jahre 1990, nur durchschnittlich, denn aus dem Umstand, dass eine Marke auf Grund festgestellter Verkehrsdurchsetzung eingetragen worden ist, folgt zunächst nur, dass sie die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG überwunden hat und damit im Zeitpunkt der Eintragung normale Kennzeichnungskraft besitzt (BGH GRUR 1986, 72, 73 - Tabacco d'Harar; GRUR 1991, 609, 610 - SL). Im Rahmen eines späteren Widerspruchsverfahrens, in dem aus der im Wege der Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Marke Rechte hergeleitet werden, ist im Rahmen der Beurteilung der Verwechslungsgefahr erneut zu prüfen, ob und ggf. in welchem Umfang eine Erhöhung oder Verringerung der Kennzeichnungskraft eingetreten ist. Für die Zuerkennung einer erhöhten Kennzeichnungskraft und somit eines erweiterten Schutzumfangs ist eine durch intensive und nicht nur kurzfristige Benutzung entstandene gesteigerte Verkehrsbekanntheit erforderlich, zu deren Feststellung im Einzelfall alle relevanten Umstände zu berücksichtigen sind, insbesondere der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, geografische Verbreitung und Dauer der Markenverwendung, die dafür aufgewendeten Werbemittel und die dadurch erreichte Bekanntheit in den jeweiligen Verkehrskreisen. Diese Bekanntheit kann nicht in jedem Fall ohne Weiteres allein aus den Umsatzzahlen hergeleitet werden, weil selbst umsatzstarke Marken wenig bekannt sein können. Insoweit lassen objektive Statistiken oder demoskopische Befragungen sowie Angaben über Werbeaufwendungen zuverlässigere Schlüsse auf die Verkehrsbekanntheit einer Marke zu (BPatGE 44, 1, 4 - Korodin).

Im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren kann der Behauptung eines erweiterten Schutzbereichs zwar nur in beschränktem Umfang nachgegangen werden, weil kein Raum für vollständige Beweiserhebungen ist. Allerdings sind nur aufwendige Beweiserhebungen, nicht aber jegliche tatsächliche Feststellungen ausgeschlossen. Damit kann im Einzelfall ein nicht weiter beweisbedürftiges Vorbringen durchaus auch im Widerspruchsverfahren berücksichtigt werden und zur Anerkennung eines erweiterten Schutzumfangs führen (BPatGE a. a. O. - Korodin). In Betracht kommen insoweit z. B. dem Patent- und Markenamt oder dem Patentgericht ohne Weiteres zugängliche öffentliche Quellen oder Statistiken. Zwar sind die die Rechtsbehauptung einer erhöhten Kennzeichnungskraft stützenden Tatsachen im Regelfall vom Widersprechenden darzulegen und glaubhaft zu machen. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos und insbesondere nicht dann, wenn die maßgeblichen Tatsachen amts- bzw. gerichtsbekannt sind (BPatG GRUR 1997, 840, 842 f - Lindora/Linola). Letzteres ist hier der Fall.

Aus der von der Widersprechenden zur Glaubhaftmachung der - nicht mehr bestrittenen - Benutzung eingereichten eidesstattlichen Versicherung ist zu entnehmen, dass die Widersprechende unter der Widerspruchsmarke in den Jahren 1994-2000 jährlich zwischen 11,8 und 15,5 Milliarden Zigaretten im Inland verkauft hat. Die Widerspruchsmarke zählte damit in den letzten Jahren zweifellos zu den umsatzstärksten deutschen Zigarettenmarken. Mit einem Marktanteil von 9,3 % im Jahre 2003 war "WEST" die zweitgrößte deutsche Markenfamilie. Dass die Widersprechende die Widerspruchsmarke für Zigaretten dauerhaft und intensiv beworben hat, ergibt sich zum Einen aus der Vielzahl der im Verfahren vor der Markenstelle zu den Akten gereichten Werbebeispiele und ist zudem gerichtsbekannt. Die Werbung für die Widerspruchsmarke ist in allen Bereichen, in denen für Zigaretten geworben werden darf, nahezu omnipräsent. Auf Grund der Dauer und des Umfangs dieser Werbung, z. B. auf Werbewänden, auf Litfasssäulen, in Zeitungen und Zeitschriften sowie anlässlich von Sportveranstaltungen, insbesondere solchen des Motorrennsports, ist davon auszugehen, dass die Widersprechende den Bekanntheitsgrad ihrer Marke seit dem Zeitpunkt der Eintragung nochmals nicht unerheblich gesteigert hat. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund kann und muss zu Gunsten der Widersprechenden als gerichtsbekannt gelten, dass die seit mehr als zwei Jahrzehnten durchgängig und umfangreich benutzte Widerspruchsmarke für Filterzigaretten einen deutlich über dem Durchschnitt liegenden Bekanntheitsgrad und damit eine erheblich überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft aufweist.

Angesichts der Identität bzw. der hochgradigen Ähnlichkeit der Waren und der deutlich erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke reicht der Abstand der angegriffenen Marke zu der Widerspruchsmarke auch unter Berücksichtigung der Kürze der Markenwörter und trotz des Umstands, dass beide Wörter einen leicht erfassbaren Begriffsgehalt aufweisen, für eine Verneinung der Verwechslungsgefahr jedenfalls in schriftbildlicher Hinsicht nicht aus.

Auch bei Kurzwörtern sind grundsätzlich keine geringeren Anforderungen an die Unterscheidbarkeit zu stellen. Vielmehr müssen auch bei solchen Markenwörtern die Abweichungen in jeder Hinsicht deutlich in Erscheinung treten (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Auflage, § 9 Rdn. 193 m. w. N.), was bei den Wörtern "WELT" und "WEST" nicht der Fall ist, weil diese in drei von vier Buchstaben übereinstimmen und sich nur im Wortinneren bei gleicher Wortlänge unterscheiden. Angesichts der gleichen Länge beider Markenwörter und ihrer Übereinstimmungen am Wortanfang und am Wortende, ist nicht auszuschließen, dass selbst durchschnittlich aufmerksame Käufer von Zigaretten und anderen Tabakwaren den Unterschied in den Markenwörtern nicht bemerken und die Marken damit verwechseln. Bei dieser Sachlage muss die Beschwerde der Widersprechenden Erfolg haben, was die Schutzverweigerung für die jüngere IR-Marke zur Folge hat (§ 114 Abs. 3 MarkenG).

Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.






BPatG:
Beschluss v. 25.01.2006
Az: 26 W (pat) 324/03


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