Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. September 2000
Aktenzeichen: 28 W (pat) 181/99

(BPatG: Beschluss v. 27.09.2000, Az.: 28 W (pat) 181/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. August 1999 insoweit aufgehoben, als der Widerspruch bezüglich der Waren "Milch, Milchprodukte" zurückgewiesen worden ist.

Insoweit wird die Löschung der angegriffenen Marke 397 37 823.8 wegen des Widerspruchs aus der IR-Marke 673 497 angeordnet.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 31. Oktober 1997 für die Waren

"Milch und Milchprodukte, Biere in Form von Biermischgetränken, zB Bierbowlen; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Weine, Spirituosen"

eingetragene Wortmarke Fruit Surferhat die Inhaberin der prioritätsälteren IR-Marke 673 497 SURFER die für "Glaces comestibles" geschützt ist, Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, daß unabhängig von der Frage der Warenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr begründende Markenähnlichkeit nicht gegeben sei, denn die angegriffene Marke bilde eine Einheit, aus der der Verkehr den mit der Widerspruchsmarke übereinstimmenden Bestandteil nicht kollisionsbegründend abspalten werde.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie verweist auf den Umstand, daß die Widerspruchsmarke identisch in der angegriffenen Marke enthalten sei, deren weiterer Bestandteil "fruit" im Hinblick auf Wortbildungen wie Fruchteis, Fruchtjoghurt, Fruchtsaft usw. vom Verkehr ohne weiteres als lediglich warenbeschreibend erkannt werde, so daß sich letztlich identische Zeichen gegenüberständen. Was die Warenähnlichkeit betreffe, entspreche die Annahme einer Ähnlichkeit von Eis und Milchprodukten ständiger Spruchpraxis, doch müsse in entscheidungserhbelichem Umfang auch von einer Ähnlichkeit zu den übrigen Waren ausgegangen werden. Vor allem zwischen alkoholfreien Getränken und Speiseeis seien die Grenzen angesichts von Produkten wie Cola-Eis, Wassereistüten, Sorbets usw. fließend. Bestimmte Eissorten wiesen sogar alkoholische Zusätze auf. Bei dieser Sachlage werde der Verkehr zumindest denken, er habe es bei der angegriffenen Marke mit einer Abwandlung der Widerspruchsmarke zu tun.

Die Widersprechende beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die angegriffene Marke im vollen Umfang zu löschen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie geht weiterhin davon aus, daß zwischen den Waren der Widerspruchsmarke und den Waren der angegriffenen Marke aufgrund fehlender regelmäßiger Berührungspunkte auf allen Ebenen von der Herstellung bis zur Verwendung keine Ähnlichkeit bestehe. Im übrigen seien auch die Marken ausreichend unterschiedlich, zumal eine Verkürzung der angegriffenen Marke auf das Wort "surfer" schon deshalb ausscheide, weil dieses den Gesamteindruck nicht ausschließlich präge.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die patentamtlichen Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nur teilweise begründet. Nach Auffassung des Senats kommt die angegriffene Marke der Widerspruchsmarke lediglich im Umfang der im Tenor genannten Waren verwechselbar nahe im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach dieser Vorschrift ab von der Identität oder Ähnlichkeit der Marken einerseits und von der Identität oder Ähnlichkeit der durch diese Marken erfaßten Waren andererseits. Daneben sind alle Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, vor allem die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke.

Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend eine Verwechslungsgefahr nur bezüglich der Waren "Milch, Milchprodukte" bejaht werden.

Bei diesen Waren handelt es sich um Produkte, die in ihrem Marktauftritt starke Überschneidungen aufweisen. Das gilt nicht nur für die stoffliche Beschaffenheit und die sich daraus ergebende ergänzende Verwendung beim Verzehr, sondern auch im Hinblick auf gemeinsame Herstellungsstätten. Dem Senat ist aus anderen Verfahren bekannt, daß Firmen beide Produkte sogar unter derselben Kennzeichnung (zB Landliebe) anbieten. Angesichts solcher regelmäßiger Berührungspunkte, die sich im Vertrieb und Verkauf in räumlichem Zusammenhang fortsetzen, wird der Verkehr die Waren damit wirtschaftlich gesehen denselben Herkunftsstätten zuordnen oder zumindest Anlaß haben, wirtschaftliche Zusammenhänge zu vermuten, so daß markenregisterrechtlich von eher durchschnittlicher Warenähnlichkeit auszugehen ist. Auch nach gängiger Spruchpraxis werden diese Waren als unbedenklich ähnlich angesehen (vgl. Richter/Stoppel, Warenähnlichkeit 11. Aufl. 1999 S. 307 l. Sp.)

Kollisionsfördernd ist in diesem Warenbereich ferner, daß es sich jeweils um Massenartikel des täglichen Bedarfs handelt, die breite Käuferschichten ansprechen und selbst vom durchschnittlich aufmerksamen und aufgeklärten Verbraucher häufig mit einer gewissen Flüchtigkeit und Unaufmerksamkeit gegenüber den Kennzeichnungen erworben werden, so daß vor diesem Hintergrund eher strenge Anforderungen an den zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr noch einzuhaltenden Abstand der Marken zu stellen sind.

Zwischen den Beteiligten steht dabei im Grunde außer Streit, daß die Marken in ihrer Gesamtheit aufgrund deutlicher klanglicher wie bildlicher Unterschiede diesen Anforderungen genügen und eine Verwechslungsgefahr nur über das identische Wort "surfer " in Betracht zu ziehen ist. Ausgangspunkt für diese Überlegung ist der für das Kennzeichnungsrecht maßgebliche Grundsatz, daß zur Beurteilung der zeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr von Marken auf den Gesamteindruck des jeweiligen Zeichens abzustellen ist. Der Schutz eines aus einem Kombinationszeichen herausgelösten Elements ist dem Markenrecht fremd, so daß es rechtsfehlerhaft wäre, ohne weiteres eine Zeichenkollision lediglich auf Grund eines aus einem Gesamtzeichen isoliert entnommenen Elements feststellen zu wollen. An diesem Grundsatz, der auch für den Fall gilt, daß sich das ältere Zeichen wie hier identisch in dem jüngeren zusammengesetzten Zeichen wiederfindet, hat sich durch das neue Markengesetz nichts geändert.

Allerdings kann eine unmittelbare Verwechslungsgefahr "dem Gesamteindruck nach" ausnahmsweise dann bei Vergleichszeichen, die nur in einem Bestandteil übereinstimmen, gegeben sein, wenn der Gesamteindruck eines kombinierten Zeichens nicht durch gleichgewichtige Elemente bestimmt, sondern von einem Element allein geprägt wird, wobei eine bloße Mitprägung nicht ausreicht (vgl. BGH MarkenR 2000,20 - RAUSCH/ELFI RAUCH).

Nach Auffassung des Senats muß auf dem vorliegenden Warengebiet davon ausgegangen werden, daß der Verkehr in Anwendung dieser Grundsätze das angegriffene Zeichen auf das Wort "surfer" zur Benennung als Kenn- oder Merkwort verkürzen und damit diesem Bestandteil allein prägende Wirkung zukommen lassen wird. Der weitere Bestandteil "fruit" ist dem Verkehr in seinem beschreibenden Hinweis auf "Frucht" ohne weiteres geläufig und wird in der Praxis sowohl als englisches wie deutsches Wort in Zusammenhang mit Milchprodukten auch deutlich herausgestellt verwendet, um auf deren Fruchtanteil hinzuweisen. Bereits im Verfahren 28 W (pat) 54/95 (Beschluß vom 24. Juli 1996 Yo Fruit/Yo, vgl. PAVIS CD-ROM) hat der Senat festgestellt, daß das Wort "fruit" kennzeichnungsschwach ist und neben einem Phantasiewort bzw. einem Wort ohne warenmäßigem Sachbezug noch nicht einmal als für den Gesamteindruck einer damit zusammengesetzten Marke mitprägend angesehen werden kann. Bei dieser Betrachtungsweise stellt sich die angegriffene Marke dem Verkehr damit aber nicht, wie die Markenstelle argumentiert hat, als eine Einheit dar, in der die Widerspruchsmarke im unmittelbaren Vergleich völlig aufgeht, sondern der Verkehr wird sich in seiner Aufmerksamkeit auf den Bestandteil "surfer" konzentrieren, so daß angesichts der dann vorliegenden Identität mit der Widerspruchsmarke eine unmittelbare klangliche wie schriftbildliche Verwechslungsgefahr gegeben ist.

Hinsichtlich des Verhältnisses von "Speiseeis" zu "alkoholfreien bzw. alkoholischen Getränken" fehlt es nach Auffassung des Senats bereits mangels regelmäßiger Berührungspunkte an einer Warenähnlichkeit im Rechtssinne. Auch nach neuem Markenrecht spielt für die Warenähnlichkeit die gemeinsame Herkunft der Waren eine - wenn auch nicht mehr dominierende - Rolle. Hinzu treten aber noch weitere Umstände wie stoffliche Beschaffenheit, gleiche Vertriebs- und Verkaufswege, Verpackungs- und Darbietungsform, gemeinsamer Verwendungszweck, und ob sich die Waren ergänzen oder miteinander konkurrieren (EuGH GRUR 1998, 922 T 2 23 -CANON- ; BGH GRUR 1999,245 -Liberro-; BGH GRUR 1999,496 -Tiffany-). Nur die Gesamtschau dieser Umstände kann den Verkehr zur Annahme einer wirtschaftlichen Zuordnung der sich gegenüberstehenden Waren bewegen. An allen diesen Merkmalen fehlt es aber bei Speiseeis und Erfrischungsgetränken sowie bei alkoholischen Getränken zumindest im Hinblick auf die regelmäßigen Berührungspunkte. Daher verneint der Senat insoweit bereits die Warenähnlichkeit, was ohne jede weitere Prüfung der Ähnlichkeit der Marken die Annahme einer Verwechslungsgefahr ausschließt (vgl. Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl. 2000, § 9 Rdnr. 14 mwNachw). Die von der Widersprechenden genannten Beispiele einer Verflechtung beider Produkte in der Warenpalette großer Konzerne haben aus der Sicht des Senats Ausnahmecharakter und sind nicht geeignet, die Auffassung des Verkehrs im Sinne einer Zuordnung der Waren zum wirtschaftlichen Verantwortungsbereich desselben Unternehmens zu prägen. Zwar mag richtig sein, daß es auf dem Gebiet der Erfrischungsprodukte im Zuge von Produktinnovationen Tendenzen gibt, die jeweiligen Warengruppen, also Speiseeis auf der einen und alkoholfreie Getränke auf der anderen Seite, im Sinne einer gegenseitigen Annäherung auszudehnen. Der Senat konnte indes nicht feststellen, daß hierbei die Grenzen bereits fließend sind, wie die Widersprechende vorträgt und wie das zB bei Speiseeis und Süßwaren der Fall ist mit entsprechenden Folgerungen für die Frage der Warenähnlichkeit (vgl. Richter aaO S. 307) ist. Auch die Widersprechenden selbst war nicht in der Lage war, einen gemeinsamen Hersteller für beide Produktarten zu benennen.

Im Ergebnis ist damit bei einem Zusammentreffen beider Marken die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen nur im Umfang der versagten Waren zu befürchten. Die weitergehende Beschwerde konnte daher keinen Erfolg haben. Für die Auferlegung von Kosten hatte der Senat keine Veranlassung (MarkenG § 71 Abs 1).

Stoppel Grabrucker Schrammprö






BPatG:
Beschluss v. 27.09.2000
Az: 28 W (pat) 181/99


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