Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Dezember 2002
Aktenzeichen: 10 W (pat) 32/02
(BPatG: Beschluss v. 05.12.2002, Az.: 10 W (pat) 32/02)
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 05 D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. April 2002 wird zurückgewiesen.
Gründe
I Am 13. Juli 1994 reichte der Antragsteller im Namen des Anmelders beim Patentamt eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Strahlungsreflektor, mit automatischer Nachführung zur Reflexion einfallender Strahlung von einer sich bewegenden Quelle in vorgegebener Richtung" ein. Mit Schriftsatz vom 21. Juli 1994, eingegangen beim Patentamt am 22. Juli 1994, beantragte er im Namen des Anmelders für die Patentanmeldung Gewährung von Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung seiner Person als Vertreter. Am gleichen Tag reichte er die Erfinderbenennung ein.
Durch Beschluss vom 21. März 1995 gewährte das Patentamt dem Anmelder mit Wirkung vom 22. Juli 1994 für das Patenterteilungsverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung und ordnete den Antragsteller als Vertreter bei.
Nach Erlass des Prüfungsbescheids wurde die Anmeldung am 13. September 2001 zurückgenommen.
Am gleichen Tag ging die Kostenrechnung des Antragstellers beim Patentamt ein. Er macht Gebühren für die Anmeldung bzw das Offensichtlichkeitsverfahren und für das Prüfungsverfahren nebst Postgebühren und Mehrwertsteuer, insgesamt 1.670,40 DM geltend.
Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. April 2002 setzte das Patentamt die zu erstattenden Kosten auf 614,80 DM, entsprechend 314,34 €, fest. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Gebühr für das Anmelde- und Offensichtlichkeitsverfahren in Höhe von 910,00 DM nicht erstattet werden könne, da die Beiordnung nicht ab Anmeldetag (13. Juli 1994), sondern erst mit Wirkung vom 22. Juli 1994 erfolgt sei.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde und macht geltend, die Verfahrenskostenhilfe sei für die Patentanmeldung beantragt und für das Patenterteilungsverfahren gewährt worden und nicht etwa nur für das Prüfungsverfahren.
Er beantragt sinngemäß, den Kostenfestsetzungsbeschluss im Umfang der Beschwer aufzuheben.
II 1. Die Beschwerde ist gemäß § 7 Nr 2 Vertretergebühren-Erstattungsgesetz (VertrGebErstG) iVm §§ 62 Abs 2 Satz 2 und 4, 73 PatG zulässig. Insbesondere hatte der Antragsteller keine Beschwerdegebühr zu entrichten.
a. Eine Pflicht zur Zahlung einer Gebühr ergibt sich für den Senat nicht mit der nötigen Eindeutigkeit aus dem Gesetz über die Kosten des Deutschen Patent- und Markenamts und des Bundespatentgerichts (PatKostG), das mit Artikel 1 des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums (KostRegBerG) vom 13. Dezember 2001 eingeführt wurde. Die dadurch verbleibenden Zweifel müssen sich zugunsten des Antragstellers auswirken, da eine Belastung mit Gebühren einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage bedarf.
Im Patentkostengesetz hat der Gesetzgeber die Frage nach der Pflicht zur Zahlung einer Gebühr für eine Beschwerde gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse nicht ausdrücklich geregelt, sondern nur allgemein Beschwerdegebühren gemäß dem Gebührenverzeichnis zu § 2 Abs 1 PatKostG festgelegt, nämlich in Nr 411 100 für Beschwerdeverfahren gemäß § 73 Abs 1 PatG gegen die Entscheidung der Patentabteilung über den Einspruch und in Nr 411 200 für Beschwerdeverfahren gemäß § 73 Abs 1 PatG in anderen Fällen.
Ob unter den letztgenannten Gebührentatbestand auch die Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss fällt, ist fraglich. Derartige Beschwerden waren nach früherem Recht gemäß §§ 62 Abs 2 Satz 4, 73 Abs 3 PatG aF (in der Fassung bis 31. Dezember 2001) gebührenfrei und auch nach der Neuregelung im PatKostG ist für sie kein eigener Gebührentatbestand vorgesehen. Dies wäre aber aus Gründen der Klarheit geboten gewesen. Denn das Kostenfestsetzungsverfahren ist in § 62 Abs 2 PatG durch eine weitgehende Verweisung auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenfestsetzung gekennzeichnet. Die Gerichtskostenpflicht für Rechtsmittel in Kostenfestsetzungsverfahren ist aber dort in einer differenzierten Weise geregelt. In Bagatellsachen - unterhalb von 50 € - ist die Erinnerung statthaft, die gebührenfrei ist, § 11 Abs 4 RPflG. In Sachen mit einem Beschwerdewert über 50 € ist die sofortige Beschwerde statthaft, wobei diese gemäß der Regelung in der Anlage 1 zu § 11 Abs 2 Gerichtskostengesetz (GKG), Kostenverzeichnis Nr 1957, nur den unterliegenden Beschwerdeführer zur Zahlung der Beschwerdegebühr verpflichtet. In diesen Fällen kommt der in einem Beschwerdeverfahren mit nur geringem Beschwerdewert obsiegende Beschwerdeführer in den Genuss des erstrittenen Betrages, ohne eine Schmälerung durch Gerichtsgebühren hinnehmen zu müssen. Die Annahme einer ausnahmslosen Gebührenpflicht in Höhe von 200 € für Beschwerden in patentrechtlichen Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 62 Abs 2 Satz 4 PatG stößt vor diesem Hintergrund und aufgrund der Besonderheit dieses Beschwerdeverfahrens, in dem es regelmäßig auch um geringere Beträge als 200 € gehen kann, auf Bedenken, zumal dies zu Ungerechtigkeiten bis hin zur Rechtsschutzverweigerung führen kann. Danach müsste ein erfolgreicher Beschwerdeführer bei einem geringen Beschwerdewert möglicherweise erheblich mehr an Beschwerdegebühren zahlen, als der streitbefangene Betrag ausmacht. In einem Beschwerdeverfahren mit einem Beschwerdewert von unter 200 € würde ein wirtschaftlich denkender Beschwerdeführer eher auf die Geltendmachung seines Rechts, auch wenn diese Aussicht auf Erfolg hat, verzichten, da die eventuell zu erwartende Gebührenerstattung das allgemeine Risiko, im Beschwerdeverfahren zu unterliegen, nicht aufwiegt. Im Gegensatz dazu enthält das markenrechtliche Kostenfestsetzungsverfahren ausdrücklich eine Befreiung von der Zahlung der Beschwerdegebühr (§ 63 Abs 3 Satz 4 MarkenG), ohne dass ein sachlicher Grund für eine abweichende Regelung erkennbar ist.
Um diese Ungerechtigkeiten auszugleichen käme allenfalls die Regelung über die Rückzahlung der Beschwerdegebühr (§ 73 Abs 3 Satz 2, § 80 Abs 3 PatG) als vergleichbares Korrektiv in Betracht. Allerdings sind für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr Billigkeitsgründe maßgeblich; sie ist in das Ermessen des Patentamts bzw des Patentgerichts gestellt (vgl Busse, Patentgesetz, 5. Aufl § 80 Rdnr 89 mit Nachw), so dass der Beschwerdeführer auf diesem Wege keine Rechtssicherheit erhalten kann. Denn gerade weil es sich um Billigkeitsregelungen handelt, unterliegt jeder Fall der gesonderten Beurteilung der zuständigen Senate, deren Entscheidungen nicht notwendig einheitlich in dem Sinne, dass bei Obsiegen die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen ist, ausfallen werden; dafür gibt die gesetzliche Regelung nichts her. Die dadurch entstehende uneinheitliche Entscheidungspraxis würde zu einer Rechtsunsicherheit im Hinblick auf eine etwa erfolgende Rückzahlung führen, die das Korrektiv der Rückzahlung der Beschwerdegebühr in Fällen wie dem vorliegenden als nur wenig geeignet erscheinen lässt.
b. Die Begründung zu Art 1 des KostRegBerG trägt nicht zur Beseitigung der Unklarheit bei. Zwar hat der Gesetzgeber mit dem KostRegBerG möglicherweise die Absicht verfolgt, sämtliche Beschwerden kostenpflichtig zu machen, wie sich aus der Begründung zu Art 1 KostRegBerG unter der Überschrift "Gebühren in Verfahren vor dem Patentgericht", dort unter Nr. 2 "Sonstige Beschwerden" ergeben könnte (BlPMZ 2002, 50). Gerade die dort vorgenommene Bezugnahme auf Markensachen lässt eine eindeutige Schlussfolgerung mit diesem Ergebnis aber nicht zu, da sie inhaltlich nicht zutrifft. Sie unterstellt nämlich, dass in Markensachen "...sämtliche Beschwerden gebührenpflichtig..." sind. Nach dem Gebührenverzeichnis zu § 2 Abs 1 PatKostG sind zwar die grundsätzlich gleich gelagerten Beschwerden in Markensachen gebührenpflichtig (§ 66 MarkenG iVm Nr 431 200 des Gebührenverzeichnisses zu § 2 Abs 1 PatKostG). Nach § 63 Abs 3 Satz 4 MarkenG ist aber gerade, wie oben bereits erwähnt, für die Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss keine Gebühr zu zahlen.
Wegen dieses offenen Widerspruchs zwischen der Begründung des Reformgesetzes und der tatsächlichen Regelung im Markenrecht bleibt zweifelhaft, ob der Gesetzgeber die Beschwerde im Anwendungsbereich des § 62 Abs 2 Satz 4 PatG - wie im Markenrecht - von der Gebührenpflicht ausnehmen wollte, oder ob er versäumt hat, die Regelung des § 63 Abs 3 Satz 4 MarkenG zu ändern, um die Regelungen im Patentgesetz und im Markengesetz einander anzugleichen. Ein sachlicher Grund für unterschiedliche Regelungen in beiden Rechtsgebieten ist jedenfalls nicht erkennbar, so dass der Senat bei unklarer Rechtslage zugunsten des Antragstellers von einer kostenfreien Beschwerde ausgeht.
2. Die nach alldem zulässige Beschwerde bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Der Antragsteller kann die 13/10 Gebühr nach § 2 Abs 2 Nr 1 VertrGebErstG nicht erstattet verlangen.
Nach dieser Vorschrift in der Fassung vom 16. Juli 1998 steht dem Vertreter für die Anmeldung eines Patents und im Verfahren nach § 42 PatG eine 13/10 Verfahrensgebühr zu. Für die Entstehung dieser Gebühr ist nicht erforderlich, dass ein Vertreter sowohl bei der Anmeldung als auch im Verfahren nach § 42 PatG mitgewirkt hat (vgl BPatG BlPMZ 1996, 459). Diesem bisher in der Praxis vorherrschenden Gesetzesverständnis hat der Gesetzgeber durch die mit Wirkung von 1. Januar 2002 erfolgte Ersetzung des Wortes "und" durch "oder" in § 2 Abs 2 Nr 1 Rechnung getragen (vgl Art 13 KostRegBerG, BlPMZ 2002, 14f, 29). Nachdem die Tätigkeit des Vertreters bereits im September 2001 geendet hat, ist hier zwar die frühere Gesetzesfassung zugrunde zu legen; dies hat jedoch keine entscheidungserheblichen Auswirkungen.
In ständiger Rechtsprechung wird demnach die in § 2 Abs 2 Nr 1 VertrGebErstG enthaltene Formulierung "für die Anmeldung eines Patents und im Verfahren nach § 42 PatG" als Bezeichnung eines Verfahrensabschnitts verstanden, nämlich als Bezeichnung des Anmeldeverfahrens bis zum Beginn des Prüfungsverfahrens, das dann Gegenstand der Gebühren nach § 2 Abs 2 Nr 2 VertrGebErstG ist (vgl BPatG BlPMZ 1996, 459). Der Vertreter erhält die Gebühr nach § 2 Abs 2 Nr 1 VertrGebErstrG dann nicht, wenn er erst nach Stellung des Prüfungsantrags tätig geworden ist (vgl die Rechtsprechung des Juristischen Beschwerdesenats 10 W (pat) 48/01 vom 6. Mai 2002; 10 W (pat) 56/01 vom 28. Januar 2002; 10 W (pat) 36/99 vom 13. März 2000, Leitsatz in Juris; BlPMZ 1988 132, 133).
Der Antragsteller ist hier nach der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe ausschließlich im Prüfungsverfahren tätig geworden; eine Tätigkeit im vorhergehenden Verfahrensabschnitt kann nicht festgestellt werden.
Die Beiordnung des Antragstellers im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe ist mit Wirkung vom 22. Juli 1994 erfolgt. Am gleichen Tage ist der Prüfungsantrag wirksam geworden. Für das Wirksamwerden des Prüfungsantrages ist die Zahlung der Prüfungsgebühr erforderlich (§ 44 Abs 3 PatG aF), die im Falle der Gewährung von Verfahrenskostenhilfe durch deren Bewilligung ersetzt wird. Als Zeitpunkt der Zahlung ist der Zeitpunkt der Bewilligung anzusehen (Busse, aaO, 5. Aufl, § 44 Rdnr 37).
Dieser Zeitpunkt ist hier der 22. Juli 1994, da das Patentamt Verfahrenskostenhilfe mit Wirkung ab diesem Tag bewilligt hat. Danach hat das Prüfungsverfahren am 22. Juli 1994 begonnen. Die Einreichung der Erfinderbenennung, die der Antragsteller am gleichen Tage vorgenommen hat, fällt somit in den Verfahrensabschnitt "Prüfungsverfahren" und nicht unter das Offensichtlichkeitsverfahren nach § 42 PatG. Denn wenn - wie hier - wirksam Prüfungsantrag gestellt ist, ist für die Offensichtlichkeitsprüfung, die gegenüber dem Prüfungsverfahren, dessen Sachprüfung weiter geht, subsidiär ist, kein Raum mehr (Busse aaO § 42 Rdnr 35). Die Auffassung des Antragstellers, die Verfahrenskostenhilfe sei für das Patenterteilungsverfahren und nicht für das Prüfungsverfahren gewährt worden, führt zu keiner anderen Entscheidung. Auch wenn die Verfahrenskostenhilfe für das "Patenterteilungsverfahren" gewährt worden ist, ist die Erstattung einer Gebühr für ein so bezeichnetes Verfahren im Gesetz nicht vorgesehen. Die Gebührenerstattung richtet sich vielmehr nach § 2 Abs 2 VertrGebErstG, in dessen Nummern 1 bis 6 die einzelnen Abschnitte des Patenterteilungsverfahrens gleichsam als Gebührentatbestände genannt und hinsichtlich des Anfalls der jeweiligen Gebühr - wie geschehen - voneinander abzugrenzen sind.
Schülke Püschel Schuster Be
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