Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. November 2002
Aktenzeichen: 10 W (pat) 50/01
(BPatG: Beschluss v. 28.11.2002, Az.: 10 W (pat) 50/01)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Der zunächst nicht anwaltlich vertretene Anmelder reichte im Februar 1996 beim Patentamt eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Verfahren und Vorrichtung zur teilflächenspezifischen Zielflächenbehandlung" als Zusatzanmeldung zur Patentanmeldung 195 30 356.3 ein. Er stellte im Dezember 1996 Antrag auf Verfahrenskostenhilfe und im Februar 1997 Prüfungsantrag.
Das Patentamt gewährte dem Anmelder mit Beschluss vom 16. Mai 1997 Verfahrenskostenhilfe und teilte ihm mit Bescheid vom 28. Mai 1997 mit, dass der Prüfungsantrag am 16. Mai 1997 wirksam gestellt sei und die Anmeldung nunmehr im Prüfungsverfahren unter dem um die Abteilungskennzahl erweiterten Aktenzeichen geführt werde.
Mit Wirkung vom 29. Juli 1998 ordnete das Patentamt dem Anmelder antragsgemäß den Antragsteller als Vertreter bei.
Auf den im Dezember 1998 ergangenen Prüfungsbescheid des Patentamts erging im Mai 1999 der Beschluss über die Zurückweisung der Anmeldung; beides wurde dem Anmelder persönlich, nicht aber seinem Vertreter, dem Antragsteller übermittelt. Am 22. Januar 2000 beantragte der Antragsteller für den Anmelder, den Antrag auf Erteilung des Zusatzpatents in einen Antrag auf Erteilung eines selbständigen Patents umzuwandeln. Im Februar 2000 legte er gegen den Zurückweisungsbeschluss Beschwerde ein, woraufhin das Patentamt im Wege der Abhilfe den Beschluss aufhob und die Sache erneut in Behandlung nahm. Am 27. Juli 2001 wurde die Anmeldung zurückgenommen. Am selben Tage reichte der Antragsteller eine Kostenberechnung über insgesamt 2.736,44 DM beim Patentamt ein.
Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. September 2001 hat die Prüfungsstelle für Klasse A 01 M des Deutschen Patent- und Markenamts die zu erstattenden Kosten auf 1.680,84 DM festgesetzt. Zur Begründung ist ausgeführt, die Gebühr für das Anmelde- und Offensichtlichkeitsverfahren gemäß § 2 Abs 2 Nr 1 VertrGebErstG von 910,- DM könne nicht erstattet werden, da eine Mitwirkung des Vertreters bei der Anmeldung oder im Offensichtlichkeitsverfahren nicht ersichtlich sei.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde und trägt zur Begründung vor, die mit Wirkung vom 29. Juli 1998 erfolgte Beiordnung habe zeitlich vor Wirksamwerden des Prüfungsantrages gelegen, so dass eine Mitwirkung bei der Patentanmeldung gemäß § 2 Abs 2 Nr 1 VertrGebErstG stattgefunden habe. Denn der im Februar 1997 gestellte Prüfungsantrag habe zu diesem frühen Zeitpunkt nicht greifen können, da das Prüfungsverfahren der Hauptanmeldung zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Erst mit Schriftsatz vom 21. Januar 2000, mit dem der Antrag auf Weiterführung der vorliegenden Zusatzanmeldung als selbständige Anmeldung gestellt worden sei, habe mit der Prüfung der Schutzvoraussetzungen der vorliegenden Anmeldung begonnen werden können. Folglich sei der Prüfungsantrag auch zu diesem Zeitpunkt erst wirksam geworden.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den Kostenfestsetzungsbeschluss im Umfang der Beschwer aufzuheben und ihm für das Anmelde- und Offensichtlichkeitsverfahren gemäß § 2 Abs 2 Nr 1 VertrGebErstG eine 13/10 Gebühr zuzusprechen.
II Die Beschwerde ist gemäß § 7 Nr 2 Vertretergebühren-Erstattungsgesetz (VertrGebErstG) iVm §§ 62 Abs 2 Satz 4, 73 PatG zulässig, sie bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Denn dem Antragsteller steht die begehrte 13/10 Gebühr gemäß § 2 Abs 2 Nr 1 VertrGebErstG nicht zu.
Gemäß § 2 Abs 2 Nr 1 VertrGebErstG (idF vom 16. Juli 1998) steht dem Vertreter für die Anmeldung eines Patents und im Verfahren nach § 42 PatG eine 13/10 Verfahrensgebühr zu. Für die Entstehung dieser Gebühr ist nicht erforderlich, dass ein Vertreter sowohl bei der Anmeldung als auch im Verfahren nach § 42 PatG mitgewirkt hat (vgl BPatG BlPMZ 1996, 459). Diesem bisher in der Praxis schon vorherrschenden Gesetzesverständnis hat der Gesetzgeber durch die mit Wirkung vom 1. Januar 2002 erfolgte Ersetzung des Wortes "und" durch "oder" in § 2 Abs 2 Nr 1 Rechnung getragen (vgl Art 13 des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001, BlPMZ 2002, 14 ff, 29). Nachdem die Tätigkeit des Vertreters bereits im Juli 2001 geendet hat, ist hier zwar die frühere Gesetzesfassung zugrundezulegen, dies hat jedoch keine entscheidungserheblichen Auswirkungen.
In ständiger Rechtsprechung wird demnach die in § 2 Abs 2 Nr 1 VertrGebErstG enthaltene Formulierung "für die Anmeldung eines Patents und im Verfahren nach § 42 PatG" als Bezeichnung eines Verfahrensabschnitts verstanden, nämlich als Bezeichnung des Anmeldeverfahrens bis zum Beginn des Prüfungsverfahrens, das dann Gegenstand der Gebühr nach § 2 Abs 2 Nr 2 VertrGebErstG ist (vgl BPatG BlPMZ 1996, 459). Der Vertreter erhält die Gebühr nach § 2 Abs 2 Nr 1 VertrGebErstG dann nicht, wenn er erst nach Stellung bzw Wirksamwerden des Prüfungsantrages tätig geworden ist (vgl die Rspr des Juristischen Beschwerdesenats 10 W (pat) 56/01 vom 28. Januar 2002; 10 W (pat) 36/99 vom 13. März 2000, LS in juris; BlPMZ 1988, 132, 133 re Sp unten).
Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller weder bei der Einreichung der Anmeldung mitgewirkt noch ist er in sonstiger Weise in dem gemäß § 2 Abs 2 Nr 1 VertrGebErstG bezeichneten Verfahrensabschnitt tätig geworden, denn seine Beiordnung ist erst nach Beginn des Prüfungsverfahrens erfolgt. Die Beiordnung ist hier mit Wirkung vom 29. Juli 1998 erfolgt und damit über ein Jahr nach Beginn des schon am 16. Mai 1997 eingeleiteten Prüfungsverfahrens. Hinsichtlich des Zeitpunkts des Beginns des Prüfungsverfahrens ist zu berücksichtigen, dass der im Februar 1997 gestellte Prüfungsantrag zu seiner Wirksamkeit der Zahlung der Prüfungsantragsgebühr gemäß § 44 Abs 3 PatG aF (Fassung bis 31. Dezember 2001) bedurfte (vgl Schulte, PatG, 6. Aufl, § 44 Rdn 19, 20) und hiervon wurde der Anmelder durch die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe am 16. Mai 1997 befreit. Das Patentamt hat über den Beginn des am 16. Mai 1997 eingeleiteten Prüfungsverfahrens nicht nur in dem Bescheid vom 28. Mai 1997 Mitteilung gegeben, sondern es hat in der Folgezeit auch einen Prüfungsbescheid erlassen.
Demgegenüber hat der Umstand, dass die vorliegende Anmeldung zunächst nur als Zusatzanmeldung angemeldet und dieses Zusatzverhältnis erst durch den Antrag auf Umwandlung in eine selbständige Anmeldung im Januar 2000 beendet worden ist, die Wirksamkeit des Prüfungsantrages nicht berührt. Es ist keine gesetzliche Grundlage zu erkennen, dass ein Prüfungsantrag, der zu seiner Wirksamkeit der in § 44 PatG genannten Voraussetzungen bedarf, die hier im Mai 1997 sämtlich erfüllt waren, im Fall einer Zusatzanmeldung gemäß § 16 Abs 1 Satz 2 PatG noch weiterer Voraussetzungen für seine Wirksamkeit bedürfte. Zwar ist das Bestehen des Hauptpatents Voraussetzung für die Erteilung des Zusatzpatents (vgl Schulte, aaO, § 16 Rdn 14), doch kann hieraus nicht geschlossen werden, dass auch schon ein in der Zusatzanmeldung gestellter Prüfungsantrag zu seiner Wirksamkeit des Bestehens des Hauptpatents bzw des Wegfalls der Hauptanmeldung bedürfte. Vielmehr wird, wenn in der Zusatzanmeldung der Prüfungsantrag wirksam gestellt ist, in der Regel die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO in Betracht kommen (vgl Schulte, aaO, § 16 Rdn 15), und einer Aussetzung bedürfte es nicht, wenn schon der Prüfungsantrag als (noch) nicht wirksam anzusehen ist. Darüber hinaus kann aber auch eine Zurückweisung der Zusatzanmeldung vor Erledigung der Hauptanmeldung in Betracht kommen, nämlich wenn ein Zusatzpatent trotz unterstellter Patentfähigkeit der Hauptanmeldung nicht gewährbar ist (vgl Schulte, aaO, § 16 Rdn 16 mwN; Busse, PatG, 5. Aufl, § 16 Rdn 26), und auch dies zeigt, dass das Bestehen des Hauptpatents nicht als Wirksamkeitsvoraussetzung für den Prüfungsantrag in der Zusatzanmeldung angesehen werden kann. Im Mai 1997 hat demnach hier ein wirksamer Prüfungsantrag vorgelegen, wie nicht zuletzt auch der in der Folgezeit ergangene Prüfungsbescheid zeigt.
Beim Antragsteller ist somit nur eine Tätigkeit nach Beginn des Prüfungsverfahrens festzustellen, die durch die bereits zuerkannte Gebühr gemäß § 2 Abs 2 Nr 2 VertrGebErstG abgegolten ist.
Schülke Knoll Püschel Pr
BPatG:
Beschluss v. 28.11.2002
Az: 10 W (pat) 50/01
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