Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 11. Juli 2003
Aktenzeichen: 11 K 9897/01
(VG Köln: Urteil v. 11.07.2003, Az.: 11 K 9897/01)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
Die Beklagte erließ am 18. Mai 2001 gegenüber der Klägerin auf der Grundlage des § 3 Telekommunikations-Lizenzgebührenverordnung (TKLGebV a.F.) vom 28. Juli 1997 (BGBl. I S. 1936) einen Lizenzgebührenbescheid in Höhe von 131.660,00 DM (67.316,69 EUR) für die Erteilung einer Lizenz der Klasse 3. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden.
Durch Urteile vom 19. September 2001 (Az.: 6 C 13/00 u.a.) hob das Bundesverwaltungsgericht mehrere fristgerecht angefochtene Lizenzgebührenbescheide für Lizenzen der Klassen 3 und 4 auf, da die Lizenzgebührenverordnung von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt und damit nichtig sei.
Die Klägerin stellte daraufhin bei der Beklagten unter dem 5. November 2001 einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens und Aufhebung des Lizenzgebührenbescheides. Diesen Anspruch verfolgt sie nunmehr mit ihrer am 31. Dezember 2001 erhobenen Klage weiter.
Die Beklagte hörte die Klägerin während des laufenden Gerichtsverfahrens mit Schreiben vom 3. Mai 2002 und vom 3. Juli 2002 an. Entsprechend der Aufforderung der Beklagten nahm die Klägerin mit Schreiben vom 21. Juni 2002 und vom 2. August 2002 u. a. zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen Stellung. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 4. April 2003 ab.
Zur Begründung der Klage wird von der Klägerin sowie von anderen Klägerinnen in Parallelverfahren ausgeführt, dass ein Anspruch auf Aufhebung des Lizenzgebührenbescheides sowie auf Rückerstattung der gezahlten Lizenzgebühren bestehe. Die Klägerin könne ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) verlangen, da durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eine Änderung der Rechtslage eingetreten sei. Zumindest stehe ihr aber ein Anspruch auf Rücknahme der Lizenzgebührenbescheide aus § 48 VwVfG zu, da das Rücknahmeermessen der Beklagten auf Null reduziert sei. Das ergebe sich zunächst aus den in §§ 1 und 2 Telekommunikationsgesetz (TKG) normierten Wertungen des Telekommunikationsrechts, das nach seiner Zielsetzung gerade den Wettbewerb ermöglichen und fördern solle. Nur durch eine Rückerstattung der gezahlten Lizenzgebühren könne angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung auf dem Telekommunikationsmarkt eine unterschiedliche Behandlung der Unternehmen und damit eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung verhindert werden. Des Weiteren ergebe sich eine Ermessensreduzierung auf Null aus den Vorgaben des Europäischen Gemeinschaftsrechts. Die Lizenzgebührenerhebung sei mit Art. 11 der Richtlinie 97/13/EG unvereinbar und verstoße somit gegen die gemeinschaftsrechtliche Wettbewerbsordnung. In der Rechtsprechung zum Beihilfenrecht sei anerkannt, dass das nationale Recht so angewendet werden müsse, dass Ziele und Vorgaben des europäischen Rechts durchgesetzt werden könnten; sei dies nicht möglich, gebiete der Grundsatz der praktischen Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts. Dies lasse sich auf das Telekommunikationsrecht übertragen, da sich nur durch Rücknahme und Erstattung der gezahlten Lizenzgebühren die gemeinschaftsrechtliche Wettbewerbsordnung durchsetzen lasse. Zudem ergebe sich eine Ermessensreduzierung auf Null aus dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung. Die Beklagte differenziere bei der Rückerstattung von Lizenzgebühren danach, ob eine Klagevermeidungsvereinbarung abgeschlossen worden sei. Dies stelle hier ausnahmsweise jedoch kein sachliches Differenzierungskriterium dar, da die Beklagte in jüngerer Zeit - nach den ersten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichts Köln - mehreren Lizenznehmern von sich aus Klagevermeidungsvereinbarungen angeboten habe, während andere Unternehmen den risikoreicheren Weg einer Klage hätten gehen müssen. Im Übrigen habe die Beklagte in Einzelfällen Bescheide auch ohne Klage oder Klagevermeidungsvereinbarung aufgehoben. Ferner spreche für eine Ermessensreduzierung auf Null, dass ohne Aufhebung der angefochtenen Lizenzgebührenbescheide schlechthin unerträgliche Folgen für die Klägerin einträten. Die Beklagte habe schließlich gegen Treu und Glauben verstoßen, da sie aufgrund der erheblichen Bedenken gegen die Wirksamkeit der Bescheide die Einziehung der Lizenzgebühren hätte aussetzen oder die Bescheide unter einen entsprechenden Vorbehalt hätte stellen müssen. Zumindest wiesen die Bescheide, mit denen ein Wiederaufgreifen abgelehnt worden sei, Ermessensfehler auf. Es stelle keinen entscheidungserheblichen Belang dar, aus welchen Gründen die Klägerin keinen Primärrechtsschutz in Anspruch genommen habe; sie habe auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns vertrauen dürfen. Die Rechtswidrigkeit der Bescheide sei erstmals durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 2001 festgestellt worden und nunmehr offensichtlich. Die Beklagte sei ferner ermessensfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Klägerin durch die geleisteten Zahlungen nicht in erheblichem Umfang belastet sei. Ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand bei der Rückerstattung sei angesichts einer Zahl von 500 bis 600 Lizenzen nicht ersichtlich. Das fiskalische Interesse an der Einbehaltung der Lizenzgebühren sei nicht schutzwürdig. Des Weiteren folge ein Anspruch auf Rückerstattung der gezahlten Gebühren aus § 21 Abs. 1, 2. Halbsatz VwKostG, da das der Beklagten insofern zustehende Ermessen ebenfalls auf Null reduziert sei.
Die Klägerin beantragt,
1. unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 04.04.2003 (RegTP, Az. ) die Beklagte zu verpflichten, auf den Antrag der Klägerin vom 08.11.2001 hin die von ihr gezahlten Lizenzgebühren in Höhe von 67.316, 69 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu erstatten.
2. hilfweise unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 04.04.2002 (RegTP, Az. ) die Beklagte zu verpflichten, auf den Antrag der Klägerin vom 08.11.2001 hin den Lizenzgebührenbescheid der Beklagten vom 18.05.2001 (RegTP, Az. ; Kassenzeichen 000000000000) aufzuheben und die von ihr gezahlten Lizenzgebühren in Höhe von 67.316, 69 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt in dem angefochtenen Bescheid die Ansicht, dass ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG mangels Änderung der Rechtslage ausscheide. Ein Anspruch auf Rücknahme der Erstbescheide gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG bestehe ebenfalls nicht. Die Ermessensentscheidung sei weder durch deutsches Verwaltungsrecht noch durch Gemeinschaftsrecht in dem Sinne eingeschränkt, dass nur die vollständige Rücknahme des Bescheides Ergebnis einer fehlerfreien Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens sein könne. Der Programmsatz des § 1 TKG sei in der Ermessensabwägung nicht berücksichtigungsfähig. Durch die Verweigerung der Erstattung trete keine Wettbewerbsverzerrung ein. Eine Erstattung der Gebühren sei ferner nicht durch Art. 3 Abs. 1 GG geboten, da die Beklagte Erstattungen nur in den Fällen vorgenommen habe, in denen die Lizenzgebührenbescheide erfolgreich angefochten oder entsprechende Klagevermeidungsvereinbarungen abgeschlossen worden seien; ferner seien diejenigen Bescheide aufgehoben worden, die im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht bestandskräftig gewesen seien. In den Fällen, in denen Bescheide versehentlich aufgehoben worden seien, sei zwischenzeitlich ein Rücknahmebescheid erlassen worden. Schließlich habe die Gebührenerhebung zwar gegen sekundäres Gemeinschaftsrecht verstoßen; es sei aber nicht ersichtlich, dass durch die Aufrechterhaltung des Erstbescheides das Gemeinschaftsrecht in seiner Wirksamkeit beeinträchtigt werde. Gegen eine Rücknahme sprächen die eingetretene Bestandskraft und die durch sie geschützten öffentlichen Interessen sowie die sorgfaltswidrige Versäumung des Primärrechtsschutzes durch die Klägerin. Das Rechtsprinzip der Einzelfallgerechtigkeit trete zurück, weil die festgestellten finanziellen Belastungen einen berücksichtigungspflichtigen, aber klar nachrangigen Belang bildeten. Schließlich bestehe auch kein Anspruch auf Erstattung der Gebühr nach § 21 Abs. 1, 2. Halbsatz VwKostG, da weder sachliche noch persönliche Billigkeitsgründe vorlägen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Erstattung der Lizenzgebühren noch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
Die Klägerin hat zunächst keinen Anspruch auf Rückerstattung der Lizenzgebühren aus einem öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch, da der bestandskräftig gewordene Gebührenbescheid einen Rechtsgrund für die Zahlung bildet. Dieser Rechtsgrund ist auch nicht deshalb entfallen, weil die Klägerin einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens und auf Aufhebung des rechtswidrigen Gebührenbescheides hat.
Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG für einen Anspruch der Klägerin auf ein Wiederaufgreifen des bestandskräftig abgeschlossenen Verfahrens liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Eine derartige Änderung der Rechtslage ist durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 2001 nicht eingetreten. Verwaltungsbehörden sind nicht verpflichtet, ein durch unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakt abgeschlossenes Verfahren deshalb wieder aufzugreifen, weil sich der unanfechtbar gewordene Verwaltungsakt nachträglich aufgrund höchstrichterlicherlicher Rechtsprechung als rechtswidrig erweist; die Änderung der Rechtsprechung ist keine Änderung der Rechtslage.
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 25. Mai 1981 - 8 B 89, 93/80 -, NJW 1981, S. 2595, st. Rspr.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens im Ermessenswege gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, da eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vorliegt.
Eine solche ergibt sich zunächst nicht aus dem Sinn und Zweck des TKG. Gemäß § 1 TKG ist es Zweck des Gesetzes, durch Regulierung im Bereich der Telekommunikation den Wettbewerb zu fördern und flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten sowie eine Frequenzordnung festzulegen. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG ist Ziel der Regulierung die Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs auf den Märkten der Telekommunikation.
Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich hieraus keine Ermessensreduzierung auf Null ableiten. Dagegen spricht bereits, dass sich aus der Zielsetzung des TKG nicht ohne Weiteres Folgerungen für die Gebührenerhebung und -rückzahlung ableiten lassen. Denn das Gebot der Wettbewerbsförderung soll nach der Konzeption des Telekommunikationsgesetzes durch die Regulierung verwirklicht werden, nicht aber durch die Gestaltung der Lizenzgebühren, die sich ausdrücklich allein am Kostendeckungsprinzip orientieren.
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 27. Oktober 1999 - 13 B 843/99 -, MMR 2000, S. 115 f.
Darüber hinaus sind weder die Chancengleichheit noch der funktionsfähige Wettbewerb durch die Aufrechterhaltung der Lizenzgebührenbescheide gefährdet. Das Gebot der Chancengleichheit ist gerade nicht mit dem in Art. 3 GG verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz identisch, sondern meint die Angleichung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Teilnahme am Wettbewerb. Derartig vergleichbare Ausgangsbedingungen lagen hinsichtlich der Lizenzgebühren vor, da allen Lizenznehmern bei Erlass der Bescheide dieselben Rechtsschutzmöglichkeiten offenstanden. Ob diese wahrgenommen wurden, ist keine Frage der Chancengleichheit, sondern eine an wirtschaftlichen Erwägungen ausgerichtete autonome Entscheidung des jeweiligen Lizenznehmers, bei der im Übrigen auch das Verhalten der Wettbewerber berücksichtigt werden musste. Die Aufrechterhaltung der Bescheide gefährdet daher nicht die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, sondern trägt gerade umgekehrt dem Umstand Rechnung, dass einige Lizenznehmer unter Inkaufnahme eines erheblichen Prozesskostenrisikos die Bescheide angefochten haben, während andere dies - aus welchen Gründen auch immer - unterlassen haben.
Europarechtliche Grundsätze reduzieren das Ermessen ebenfalls nicht auf Null. Die Erwägungen, die im Falle rechtswidriger staatlicher Beihilfen im Interesse der Wahrung der Wettbewerbsordnung dazu führen, dass dem öffentlichen Rücknahmeinteresse ein größeres Gewicht zukommt als dem privaten Vertrauensschutzinteresse des Begünstigten,
vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1993 - 11 C 47/92 -, BVerwGE 92, S. 81 ff. = NJW 1993, S. 2764 ff.,
sind auf den Fall der Wiederaufnahme bestandskräftiger rechtswidriger Verwaltungsakte nicht übertragbar. Denn die Festsetzung von angemessenen Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung im abgabenrechtlichen Bereich ist kein Problem des Vertrauensschutzes, sondern ein Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit. Es ist insofern in der Rechtsprechung geklärt, dass das Gemeinschaftsrecht es nicht verbietet, einem Bürger, der vor einem innerstaatlichen Gericht die abgabenrechtliche Entscheidung einer innerstaatlichen Stelle wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht anficht, den Ablauf der im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Fristen für die Rechtsverfolgung entgegenzuhalten.
EuGH, Urteil vom 16. Dezember 1976 - 33/76 -, Juris-Dok.Nr. 676J0033; BVerwG, Urteil vom 26. August 1977 - VII C 71.74 -, NJW 1978, S. 508.
Wer das Risiko eines Prozesses scheut oder einen Verwaltungsakt annimmt, kann daher - auch bei Verstößen gegen europäisches Recht - nicht verlangen, demjenigen gleichgestellt zu werden, der fristgemäß von seinen prozessualen Rechten Gebrauch gemacht hat.
BVerwG, Urteil vom 26. August 1977, a.a.O.
Eine Ermessensreduzierung auf Null folgt ferner nicht aus einer Selbstbindung der Beklagten. Die Beklagte hat ihre Entscheidung über die Rückerstattung von Lizenzgebühren an sachgerechten Kriterien ausgerichtet und es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass es in Fällen der vorliegenden Art abweichend von diesen Kriterien zu einem Wiederaufgreifen gekommen ist.
Die Beklagte hat lediglich solche Bescheide aufgehoben, die im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht bestandskräftig waren oder die Gegenstand einer Klagevermeidungs- oder Gleichbehandlungsvereinbarung gewesen sind. Beides ist unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Im Falle der nicht bestandskräftig gewordenen Bescheide stellt sich die Frage des Wiederaufgreifens nicht, so dass keine Ungleichbehandlung mit der hier zu beurteilenden Fallkonstellation gegeben ist. Auch der Abschluss von Klagevermeidungs- oder Gleichbehandlungsvereinbarungen stellt ein sachliches Differenzierungskriterium dar. Denn wenn mehrere gleichgelagerte Prozesse vorliegen, ist es - vor allem im Hinblick auf die entstehenden Prozesskosten - im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten, Vereinbarungen zur Vermeidung von Rechtsstreiten zu treffen und die strittigen Rechtsfragen lediglich in einem oder einigen wenigen Klageverfahren klären zu lassen; wer dagegen einen Gebührenbescheid bestandskräftig werden lässt, kann hieraus später keine Rücknahmeverpflichtung der Behörde wegen in anderen Fällen getroffener Vereinbarungen herleiten.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. April 2003 - 9 B 756/03 -.
Soweit in einzelnen Fällen Bescheide versehentlich aufgehoben worden sind, hat die Beklagte die Aufhebungsbescheide ausnahmslos zurückgenommen.
Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte abweichend von den genannten Kriterien Lizenzgebührenbescheide aufgehoben hat, liegen nicht vor; aufgehobene Bescheide, die nicht unter eine der Kategorien fallen, sind von der Klägerin auch nicht benannt worden. In dem in der mündlichen Verhandlung erörterten Verfahren 11 K 8147/98 lag der Aufhebung des Bescheides eine Gleichbehandlungszusage zugrunde, die im Hinblick auf die Umstände der versehentlichen Klagerücknahme und eines etwaigen Antrages auf Fortsetzung des Verfahrens zur Vermeidung eines weiteren Prozesskostenrisikos ebenfalls sachgerecht war.
Schließlich ist ein Wiederaufgreifen des Verfahrens auch nicht deswegen geboten, weil ein Aufrechterhalten des Verwaltungsaktes schlechthin unerträglich wäre oder weil Umstände vorgelegen hätten, die ein Festhalten am Verwaltungsakt als Verstoß gegen die guten Sitten oder gegen Treu und Glauben erscheinen ließen. Die Höhe der Lizenzgebühren stellt keine derart unerträgliche Folge dar. Zwar mag es zutreffen, dass nach heutiger Rechtslage Lizenzgebühren nur in einem deutlich geringeren Umfang erhoben werden können.
Gemäß § 2 Abs. 3 Telekommunikations-Lizenzgebührenverordnung (TLGebV n.F.) vom 9. September 2002 beträgt die Gebühr für Lizenzen der Lizenzklasse drei oder vier 4.260,- EUR; sie kann bis auf 1.000 EUR ermäßigt werden.
Die Höhe des Gebührenbescheides war der Klägerin jedoch bereits bei dessen Erlass bekannt und konnte daher bei der Entscheidung über eine mögliche Anfechtung des Bescheides berücksichtigt werden. Das Missverhältnis zwischen den von der Klägerin gezahlten Gebühren und den nunmehr erhobenen Gebühren ist daher lediglich Folge des unterlassenen Primärrechtsschutzes und begründet für sich genommen keine schlechthin unerträglichen Folgen.
Ebensowenig ergeben sich unerträgliche Folgen aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage auf dem Telekommunikationsmarkt und den damit verbundenen Belastungen der Klägerin. Insofern handelt es sich um Umstände, die bereits bei der Entscheidung über die Beantragung der Lizenz im Rahmen einer wirtschaftlichen Prognoseentscheidung zu berücksichtigen waren; einzubeziehen war dabei insbesondere die Frage, ob die Lizenzen wirtschaftlich überhaupt rentabel sind, ob also die entstehenden Kosten auf die Kunden umgelegt werden können. Sofern sich diese Prognose aufgrund der Veränderungen auf dem Telekommunikationsmarkt nicht als zutreffend erwiesen hat, stellt dies keine mit der Gebührenerhebung verbundene Härte dar, sondern es realisiert sich hierin nur das mit einer Fehleinschätzung des Marktes verbundene normale unternehmerische Risiko.
Die nunmehr geltend gemachte "offensichtliche" Rechtswidrigkeit des Lizenzgebührenbescheides begründet für sich genommen ebenfalls keinen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens; sie ist vielmehr lediglich eine Voraussetzung für die Ermessensentscheidung der Behörde. Dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit kommt nämlich prinzipiell kein größeres Gewicht zu als dem Grundsatz der Rechtssicherheit, wenn dem anzuwendenden Recht nicht ausnahmsweise eine ausdrückliche andere gesetzliche Wertung zu entnehmen ist,
st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 22. Oktober 1984 - 8 B 56/84 -, NVwZ 1985, S. 265; OVG NRW, Beschluss vom 30. April 2003 - 9 B 756/03 -,
was - wie oben dargelegt - im TKG nicht der Fall ist.
Fehler im Ermessensgebrauch der Beklagten lassen sich ebenfalls nicht feststellen. Ein Wiederaufgreifensantrag gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG vermittelt einen Anspruch auf sachgerechte Ermessensentscheidung der Behörde darüber, ob ein bestandskräftig abgeschlossenes Verwaltungsverfahren wieder neu eröffnet wird. Die sachliche Entscheidung der Beklagten, das bestandskräftig abgeschlossene Verfahren nicht wiederaufzugreifen, ist jedoch nicht ermessensfehlerhaft.
Es kann dahinstehen, ob die wirtschaftliche Belastung der Klägerin durch den Lizenzgebührenbescheid, die die Beklagte durch ihre Anhörungsschreiben zu ermitteln versucht hat, bei der Ermessensentscheidung berücksichtigt werden durfte oder ob nicht vielmehr eine solche an wirtschaftlichen Umständen orientierte Entscheidung dem Ziel der Wettbewerbsregulierung widerspräche und zu einer Wettbewerbsverzerrung führen könnte. Es ist nicht ausgeschlossen, dass gerade eine Erstattung aller Lizenzgebühren zu einer - gemeinschaftsrechtlich unzulässigen - staatlichen Beihilfe führen würde.
Denn diese Erwägungen sind für die von der Beklagten getroffene Entscheidung nicht ursächlich geworden. Wie sie in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, beruht ihre Entscheidung vielmehr tragend darauf, dass die Bestandskraft der Gebührenbescheide und der unterlassene Primärrechtsschutz überwogen und entgegenstehende Individualgründe nicht erkennbar waren. Diese Erwägung ist sachgerecht. Es begegnet insbesondere rechtlich keinen Bedenken, wenn sich eine Behörde im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen auf die Bestandskraft und damit letztlich auf das Prinzip der Rechtssicherheit beruft und nicht dem Gesichtspunkt der materiellen Gebührengerechtigkeit den Vorzug gibt. Ausnahmen kommen lediglich dann in Betracht, wenn individuelle Härten gegeben sind, die nicht alle Gebührenschuldner gleichermaßen betreffen, die nicht bereits bei Erlass des Gebührenbescheides berücksichtigungsfähig waren und die über die bloße Versäumung des Primärrechtsschutzes hinausgehen. Andernfalls könnten in Ermangelung einzelfallbezogener Besonderheiten alle Gebührenschuldner, deren Bescheide ebenfalls in Bestandskraft erwachsen sind, Gleichbehandlung verlangen und es würde damit für alle vergleichbaren Fälle das Institut der Bestandskraft beseitigt.
So bereits VG Köln, Beschluss vom 20. März 2003 - 11 K 178/03 -; OVG NRW, Beschluss vom 30. April 2003 - 9 B 756/03 -.
Derartige einzelfallbezogene Härten sind im Fall der Klägerin weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Ein Anspruch auf Rückzahlung der Lizenzgebühren ergibt sich auch nicht aus § 21 Abs. 1, 2. Halbsatz Verwaltungskostengesetz (VwKostG). Nach dieser Norm können nach dem Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit zu Unrecht erhobene Kosten nur aus Billigkeitsgründen erstattet werden.
Die von der Beklagten getroffene Entscheidung ist auch insofern nicht zu beanstanden. Es kann dabei offenbleiben, ob § 21 Abs. 1, 2. Halbsatz von vorneherein nur eine Ermessensentscheidung ermöglicht,
so wohl Gerhardt, Verwaltungskostenrecht, Stand: Mai 1999, 3.2 / § 21 VwKostG Rn. 11,
oder ob der Begriff der Billigkeit als unbestimmter Rechtsbegriff einzuordnen ist, da auch in letzterem Fall aufgrund der Koppelung mit einer Kann-Bestimmung die Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat.
BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 1959, BVerwGE 9, 238 ff. zum Begriff der unbilligen Härte i.S.d. § 131 Abs. 1 Satz 1 Reichsabgabenordnung; Susenberger, Gebührengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, 2000, zur gleichlautenden Norm des § 21 GebG NRW, § 21 Nr. 6 i.V.m. § 6 Nr. 4.
Es wird insofern zwischen der Erstattung aus persönlichen und aus sachlichen Billigkeitsgründen unterschieden. Persönliche Billigkeitsgründe beruhen auf den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen des Gebührenschuldners, während sachliche Billigkeitsgründe sich aus der Sache selbst, also insbesondere aus dem gebührenpflichtigen Tatbestand, ergeben sollen.
Gerhard, Verwaltungskostenrecht, § 21 Rn. 12; Susenberger, Gebührengesetz, § 6 Nr. 9.
Im Ergebnis bestehen aber jedenfalls keine Unterschiede zu den im Rahmen des § 48 VwVfG anzustellenden Erwägungen, insbesondere zu der dortigen Prüfung, ob ein Aufrechterhalten des Bescheides zu schweren unerträglichen Folgen für den Gebührenschuldner führt. Da individuelle Härten in dem dort dargestellten Sinn bei der Klägerin nicht ersichtlich sind, konnte sich die Beklagte auch im Rahmen des § 21 VwKostG ermessensfehlerfrei auf die Prinzipien der Bestandskraft und der Rechtssicherheit berufen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
VG Köln:
Urteil v. 11.07.2003
Az: 11 K 9897/01
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