Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. November 2005
Aktenzeichen: 25 W (pat) 29/05

(BPatG: Beschluss v. 17.11.2005, Az.: 25 W (pat) 29/05)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnunghandelswissen.deist am 19. November 2002 für Druckerei- und Verlagserzeugnisse aller Art; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate): Werbung; Unternehmensberatung, insbesondere im Bereich Betriebswirtschaft; Marktforschung und -analyse im Bereich Distribution und Absatz; Organisation und Durchführung von Aus-, Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen einschließlich Fernkursen; Herausgabe und Veröffentlichung von Druckereierzeugnissen, insbesondere von Büchern, Zeitschriften, Heften, insbesondere in elektronischen Medien wie des Internets; Wissensvermittlung, insbesondere anhand einer IT-basierten Lehr-, Lern-, Wissens-,Trainings- und Informationsumgebung, soweit in Klasse 41 enthalten; wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet Distribution und Absatz; Einspeisung elektronisch aufbereiteter Kommunikationsinhalte in Datennetze; Erstellen von Computerprogrammen und Datenbanken; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Sammeln, Speichern und Aktualisieren von Daten und sonstigen Informationenzur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Mit Bescheid vom 3. April 2003 hat die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung wegen absoluter Schutzhindernisse nach § 8 Abs 2 Nr 1 u 2 MarkenG beanstandet. Die nach Art einer Internetadresse gebildete Marke weise lediglich darauf hin, dass es sich bei den Dienstleistungen um solche handele, die Informationen rund um den Handelssektor vermitteln. Durch den Zusatz "..de" werde der Bezug der Dienstleistungen zum Internet verstärkt. Der Verkehr werde in der angemeldeten Marke auch bei den Waren keinen betriebsindividualisierenden Herkunftshinweis erkennen. Der angemeldeten Bezeichnung fehle daher jegliche Unterscheidungskraft. Darüber hinaus sei sie auch zur Beschreibung der Dienstleistungen iS von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG geeignet und somit für Mitbewerber freihaltbedürftig.

Nach ergebnislosem Ablauf einer in dem Bescheid gesetzten Frist zur Stellungnahme hat die Markenstelle für Klasse 41 die Anmeldung mit Beschluss vom 10. Juni 2003 unter Bezug auf den Beanstandungsbescheid vom 3. April 2003 zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag, den Beschluss der Markenstelle vom 10. Juni 2003 aufzuheben.

Sie macht geltend, dass der angemeldete Begriff mehrdeutig sei. Es könne sich um Informationen für den Handel handeln, genauso gut könnten aber Informationen über den Einzelhandel vermittelt werden. Möglich wäre auch ein Verständnis dahingehend, dass es sich um allgemeine Handelsinformationen handelt, zB Börseninformationen, Warenpreise, Entwicklungen etc In der Praxis handele sich um ein Bildungsportal für den Einzelhandel. Daher fehle es an einem rein beschreibenden Sinngehalt. Der Begriff sei lexikalisch auch nicht nachweisbar. Auch unter Berücksichtigung der angemeldeten Klassen ergebe sich keine andere Betrachtungsweise. Hier würden nicht bloß Informationen angeboten, sondern die Vermittlung handelsspezifischen Wissens durch Kurse und Druckschriften. Der Begriff sei den angesprochenen Verkehrskreisen, insbesondere kleineren und mittleren Einzelhandelsunternehmen, auch als Herkunftshinweis bekannt. Dies belege auch eine Google-Recherche, bei der auf den ersten beiden Seiten nahezu ausschließlich Treffer zu der angemeldeten Marke zu finden seien. Vergleichbare Marken wie "Wissen ist Markt" und "Abenteuer Wissen" seien auch eingetragen worden. Aus den vorgenannten Gründen fehle es ferner an einem Freihaltebedürfnis.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Anmelderin und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Bezeichnung "handelswissen.de" für die beanspruchten Dienstleistungen nicht über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG verfügt.

Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl zur st Rspr BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; EuGH GRUR 2003, 58 - COMPANYLINE zur GMV). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren und Dienstleistungen abzustellen ist. Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtsprechung vor allem solche Marken, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl EuGH GRUR 2004, 674, 678 - Postkantoor). Jedoch hat der EuGH auch darauf hingewiesen, dass eine unmittelbar beschreibende Bedeutung nicht Voraussetzung für die Annahme fehlender Unterscheidungskraft ist. Vielmehr kann die Unterscheidungskraft auch aus anderen Gründen fehlen (vgl EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor; GRUR 2004, 680 - Biomild). Maßgebend ist allein, ob der Verkehr in der angemeldeten Marke einen Herkunftshinweis erblickt oder nicht. Ein Eintragungshindernis kann sich daher auch daraus ergeben, dass die angesprochenen Verkehrskreise im Hinblick auf den möglichen Inhalt oder Gegenstand der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen in dem beanspruchten Zeichen eine Sachinformation sehen (BGH MarkenR 2002, 338, 340 - Bar jeder Vernunft; BGH MarkenR 2003, 148, 149 - Winnetou; EuG GRUR Int 2001, 864, 866 - CINE COMEDY; BPatG MarkenR 2002, 299, 301 - OEKOLAND).

Ausgehend hiervon fehlt der angemeldeten Wortkombination "handelswissen.de", deren Bedeutung im Zusammenhang mit den angemeldeten Dienstleistungen zu beurteilen ist, die erforderliche Eignung, im Verkehr als Unterscheidungsmerkmal hinsichtlich ihrer Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen angesehen zu werden.

Die angemeldete Gesamtbezeichnung ist erkennbar nach Art einer (unvollständigen) Internetadresse gebildet, die sich aus der auf Deutschland hinweisenden Top-Level-Domain ".de" und dem an der Stelle der Second-Level-Domain befindlichen Begriff "handelswissen" zusammensetzt. Die sprachregelgerechte Zusammensetzung der allgemein geläufigen Substantive "Handel" und "Wissen" wird der Verkehr in seinem Bedeutungsgehalt als "Wissen/Kenntnisse über den Handel" ohne weiteres verstehen. In diesem Sinne wird der Begriff im geschäftlichen Verkehr auch verwendet, wie sich bereits der von der Anmelderin eingereichten Google-Recherche entnehmen lässt. So heisst es auf Seite 2 der vorgelegten Google-Recherche zu dem Begriff "handelswissen" zu der dort ausgewiesenen Internetadresse www.weareb2b.de: "b2b verfügt über ein ausgeprägtes Handelswissen". Auf den weiteren - von der Anmelderin aber nicht eingereichten - Seiten der im Internet zu findenden Google-Recherche findet sich eine Vielzahl weiterer Fälle einer beschreibenden, sachbezogenen Verwendung des Begriffs "Handelswissen" wie zB "Viele Online-Händler scheitern, weil ihnen Handelswissen fehlt" (www.imh.unisg.ch/org/imh/web.); "Sie erhalten umfassende kaufmännischbetriebswirtschaftliche Kenntnisse und das spezielle Handelswissen" (www.sgd.de/kursangebot/kurse); "Jetzt ist der Zeitpunkt, Ihr Handelswissen zu erweitern" (vwww.easyforex.com/de/Forex.training.aspx). Der Verkehr wird daher in der Wortkombination "handelswissen.de" einen Hinweis auf ein entsprechendes Internetportal sehen, welches Wissen zu diesem Bereich vermittelt bzw Informationen zu Fragen des Handels enthält.

Die angemeldete Bezeichnung stellt auch keine vom üblichen Sprachgebrauch in ihrer Wortstruktur oder Semantik von einer Sachbezeichnung abweichende ungewöhnliche Gesamtbezeichnung dar. So findet sich der Begriff "Wissen" nicht nur in allgemeinen, nicht auf ein bestimmtes Thema bezogenen Wortkombinationen wie zB "Allgemeinwissen", "Fachwissen" wieder, sondern auch in Kombinationen mit einem das jeweilige Sachgebiet benennenden Begriff zur schlagwortartigen Bezeichnung der Gesamtheit der Kenntnisse auf dem jeweiligen Sachgebiet, wie zB "Computerwissen", "Technikwissen", "Wirtschaftswissen" (vgl dazu die umfassende Zusammenstellung in dem Internetlexikon http://wortschatz.unileipzig.de/ unter dem Suchbegriff "*wissen").

Der Verkehr hat daher angesichts des im Vordergrund stehenden und deutlich erkennbaren Sinngehalts der Wortkombination keine Veranlassung, diese als individualisierenden, betrieblichen Herkunftshinweis für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen zu verstehen, auch wenn grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen ist und es zur Begründung der Unterscheidungskraft keiner eigentümlichen oder originellen Zeichenbildung oder eines Phantasieüberschusses bedarf (vgl. BGH MarkenR 2000, 264, 265 - LOGO; EuG MarkenR 2002, 88 - EUROCOOL). Vielmehr wird der Verkehr die angemeldete Bezeichnung in Bezug auf die beanspruchten Waren "Druckerei- und Verlagserzeugnisse aller Art; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate)" einen Sachhinweis auf den Inhalt der Waren sehen. Der beschreibende Begriffsinhalt betrifft dabei nicht nur das Werk als solches, sondern auch die Dienstleistungen, mittels deren die Werke entstehen bzw veröffentlicht und verbreitet werden (vgl BGH, GRUR 2003, 342, 343 - Winnetou), so dass die angemeldete Bezeichnung auch für die entsprechenden Dienstleistungen "Herausgabe und Veröffentlichung von Druckereierzeugnisse, insbesondere von Büchern, Zeitschriften, Heften, insbesondere in elektronischen Medien, wie des Internets" keinen Schutz beanspruchen kann. Hinsichtlich der weiteren Dienstleistungen wird der Verkehr in der angemeldeten Bezeichnung entweder einen schlagwortartigen Sachhinweis auf ein Internetportal mit Informationen zum Inhalt und Gegenstand der jeweiligen Dienstleistungen oder aber einen Hinweis darauf sehen, dass die Dienstleistungen sich inhaltlich mit einem solchen Portal befassen, der Einrichtung und dem Betrieb eines solchen Portals dienen bzw ein Portal mit "Handelswissen" Gegenstand der Dienstleistung ist.

Selbst wenn entgegen der belegbaren Verwendung des Begriffs "handelswissen" angenommen würde, es handele sich um eine neue, bisher nicht geläufige Wortzusammenstellung, führt dies allein entgegen der Auffassung der Anmelderin nicht zu einer schutzbegründenden Unterscheidungskraft. Der EuGH hat dazu in seiner Rechtsprechung wiederholt betont, dass die bloße Kombination von schutzunfähigen Bestandteilen selbst bei einer Wortneuschöpfung nicht zwangsläufig zur Eintragungsfähigkeit führt. Entscheidend sei vielmehr, ob der von der Wortkombination erweckte Eindruck in seiner Gesamtheit hinreichend weit von dem abweicht, der durch die bloße Zusammenstellung der Bestandteil entsteht und somit über die Summe dieser Bestandteile hinausgeht (vgl EuGH MarkenR 2004, 111, 115 - BIOMILD/Campina-Melkunie). Das ist aber bei der sprachüblichen Kombination des Bestandteils "Wissen" mit einer inhalts- und themenbezogenen Angabe wie "Handel(s)" nicht der Fall. Vielmehr ist der sachbezogene Aussagegehalt der Bezeichnung für die beanspruchten Dienstleistungen so deutlich und unmissverständlich, dass seine Funktion als sachbezogener Begriff nahe gelegt ist. Die Wortkombination "handelswissen.de" benennt Inhalt und/oder Gegenstand der beanspruchten Dienstleistungen, ohne dass durch die Zusammenfügung der Wörter der sachbezogene Charakter der Wortkombination verloren geht.

Soweit der Begriff "handelswissen" nicht näher die dahinter stehenden Inhalte spezifiziert, schließt dies einen rein sachlichen Aussagegehalt der Wortkombination nicht aus, da auch zusammenfassende oberbegriffsartige Ausdrücke beschreibenden Charakter in bezug auf Waren oder Dienstleistungen haben können (vgl BGH GRUR 2000, 882, 883 "Bücher für eine bessere Welt"). Eine begriffliche Unbestimmtheit kann insbesondere erforderlich und gewollt sein, um einen möglichst weiten Bereich waren- oder dienstleistungsbezogener Eigenschaften, Vorteile oder Leistungsinhalte zu erfassen, ohne diese im Einzelnen zu benennen. Eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit des seinem Sinngehalt nach eindeutigen Begriffs "handelswissen" lässt sich daraus nicht herleiten.

Eine von der Anmelderin geltend gemachte, jedoch nicht näher begründete Vergleichbarkeit mit den Wortmarken "Wissen ist Markt" und "Abenteuer Wissen" vermag der Senat nicht zu erkennen. Ob eine Bezeichnung einen sachbezogenen Begriffsinhalt aufweist, kann nur konkret in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beurteilt werden. Aus sich heraus kann den beiden Wortfolgen jedenfalls im Gegensatz zu der angemeldeten Bezeichnung eine naheliegende und für den Verkehr ohne weiteres erkennbare Sachaussage nicht entnommen werden. Der Begriff "Wissen" kann selbstverständlich Bestandteil einer unterscheidungskräftigen Wortmarke sein. Unabhängig davon weist der Senat darauf hin, dass selbst gleichlautende Markeneintragungen keine Bindungswirkung entfalten können, so dass selbst die Eintragung identischer oder ähnlicher Marken für die Entscheidung, die Anmeldung zur Eintragung zuzulassen oder zurückzuweisen, nicht maßgebend ist (vgl EuGH, GRUR 2004, 428, 432 Tz 65 - Henkel; EuG MarkenR 2002, 600 - ELLOS für die GMV; BGH GRUR 1999, 420 - K-SÜD; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 8, Rdnr 259 ff mwN).

Aufgrund der vorgenannten Feststellungen bestehen auch erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass das angemeldete Zeichen in Bezug auf die hier maßgeblichen beanspruchten Waren und Dienstleistung eine beschreibende Angabe im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG darstellt, an der die Mitbewerber ein berechtigtes Freihaltungsbedürfnis haben. Einer abschließenden Entscheidung bedarf es aber im Hinblick darauf, dass das Zeichen bereits keine ursprüngliche Unterscheidungskraft iS von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG aufweist, insoweit nicht.

Die Beschwerde hat daher keinen Erfolg.

Kliems Bayer Merzbach Na






BPatG:
Beschluss v. 17.11.2005
Az: 25 W (pat) 29/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/8b584e24ab12/BPatG_Beschluss_vom_17-November-2005_Az_25-W-pat-29-05




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share