Landgericht Augsburg:
Urteil vom 19. April 2010
Aktenzeichen: 8 O 4038/09
(LG Augsburg: Urteil v. 19.04.2010, Az.: 8 O 4038/09)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages vorläufigvollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist ein in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlagG eingetragener Verbraucherschutzverband.
Die Beklagte ist eine Bank, die auch Zwangsversteigerungen in Grundstücke betreibt.
Am 07.02.2008 gab Frau Carolin S. im Zwangsversteigerungsverfahren K 15/06 Amtsgericht Augsburg im Auftrag der Beklagten eine Gebot ab, das ausschließlich den Zweck hatte, zu Gunsten der Beklagten und zu Lasten des Schuldners die Rechtsfolge des § 85 a I, II ZVG herbeizuführen.
Der aufgrund eines neuen Versteigerungstermins erfolgte Zuschlagbeschluss vom 11.06.2008 wurde mit Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 31.07.2009 aufgehoben, weil das Gebot der Frau Carolin S. rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam gewesen sei (auf die Anlage K2 wird Bezug genommen).
Der Kläger ist der Ansicht, bei § 85 a ZVG handele es sich um eine Verbraucherschutzvorschrift im Sinne des § 2 I UKlagG. Hierfür sei ausreichend, dass die Vorschrift neben anderen Schuldnern wie Unternehmern und Selbständigen auch Verbraucher im Sinne von § 13 BGB schützt, wobei es sich beim überwiegenden Anteil der von einer Zwangsversteigerung Betroffenen um Verbraucher handele.
Der Kläger ist weiter der Ansicht, das Vorgehen der Beklagten im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens sei als unlauteres geschäftliches Handeln im Sinne von § 3 I UWG anzusehen. Dies ergäbe sich aus der Tatsache, dass ein Gebot mit dem Zweck, die Wertgrenze des § 85 a ZVG auszuhebeln, als, wegen Rechtsmissbräuchlichkeit, unwirksam behandelt werde.
Von der Zwangsversteigerung Betroffene und von § 85 a ZVG Geschützte seien Marktteilnehmer im Sinne von § 2 I Nr. 2 UWG. Zu den Waren im Sinne von § 2 I Nr. 2 UWG gehörten auch Grundstücke.
Die Interessen der von der Zwangsversteigerung Betroffenen würden spürbar dadurch beeinträchtigt, dass ihnen der Schutz des § 85 a ZVG genommen und sie der Gefahr der Verschwendung ihres Grundeigentums ausgesetzt würden.
Ein geschäftliches Handeln im Sinne von § 2 I Nr. 1 UWG liege vor: Die Abgabe des Gebotes liege nach dem Geschäftsabschluss zwischen der Bank und dem Kunden, nämlich dem Abschluss eines Darlehensvertrages, das Gebot diene der Durchführung eines Vertrages, nämlich der Abwicklung eines notleidenden Darlehensvertrages.
Der Kläger beantragt:
Die Beklagte hat es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € (in Worten: zweihundertfünfzigtausend Euro) ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an einem der Vorstandsmitglieder, gegenüber Verbrauchern zu unterlassen, bei von ihnen gegen Verbraucher betriebenen Zwangsversteigerungsverfahren selbst oder durch Dritte Gebote abzugeben, die ausschließlich den Zweck haben, zu Lasten des Verbrauchers die Rechtsfolgen von § 85 a I und II ZVG herbeizuführen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, Normen des ZVGs seien bloße Verfahrensvorschriften die der Durchsetzung von Gläubigerinteressen dienten und denen keine verbraucherschützende Wirkung zukomme.
§ 85 a ZVG solle die Erzielung eines wirtschaftlich vertretbaren Ergebnisses gewährleisten, was gleichermaßen im Interesse von Schuldner und Gläubiger sei.
Der Schuldner sei durch § 114 a ZVG vor der Verschleuderung seines Grundbesitzes geschützt.
Ein geschäftliches Handeln im Sinne von §§ 2, 3 UWG liege im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens nicht vor. Es bestehe kein Zusammenhang mit einer geschäftlichen Entscheidung der Betroffenen.
Gründe
I.
Die Klage ist zulässig, insb. ist das Landgericht Augsburg örtlich zuständig gem. § 17 I ZPO.
Der allgemeine Gerichtsstand ist hier begründet, weil, wie unter II näher ausgeführt werden wird, ein Anspruch nach dem Unterlassungsklagegesetz und nach dem UWG nicht schlüssig begründet ist und somit die ausschließlichen Gerichtsstände gem. § 6 I, II UKlagG i. V. m. § 7 GZVJU und § 14 UWG nicht gegeben sind (Hefermehl / Köhler / Bornkamm, 27. Auflage, Randnr. 4 zu § 14 UWG; Zöller, 27. Auflage, Randnr. 14 zu § 12 ZPO).
II.
Die Klage ist unbegründet, weil der von der Klagepartei vorgetragene und unstreitig gebliebene Sachverhalt weder einen Unterlassungsanspruch gem. § 2 I S. 1 UKlagG noch einen Anspruch gem. § 8 I S. 1 i. V. m. § 3 UWG schlüssig begründet.
211. Ein rechtsmissbräuchliches Gebot im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens stellt keine Wettbewerbshandlung im Sinne von § 2 I Nr. 1, § 3 UWG a. F., (die, nachdem der streitgegenständliche Verstoß am 07.02.2008 stattfand, anwendbar ist), dar. Ein solches Gebot wäre aber auch nicht als geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 I Nr. 1, § 3 I UWG in der derzeit gültigen Fassung anzusehen.
Abgesehen davon, dass § 2 I Nr. 1; § 3 UWG in der am 07.02.2008 gültigen Fassung ohnehin nur Handlungen vor Geschäftsabschluss erfassen und es somit bereits am Tatbestandsmerkmal €Wettbewerbhandlung€ im Sinne von § 3 UWG fehlt, liegt auch keine geschäftliche Handlung im Sinne des nunmehr weiter gefassten Tatbestandes der §§ 2 I Nr. 1; 3 I UWG vor.
Denn notwendige Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch nach dem UWG ist eine Handlung, die geeignet ist, die geschäftliche Entscheidung der Marktteilnehmer zu beeinflussen (Hefermehl / Köhler / Bornkamm, 27. Auflage, Randnr. 43, 45 und 48 zu § 2 UWG).
Dies ist aber bei einem missbräuchlichen Gebot im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens nicht der Fall. Insb. steht eine geschäftliche Entscheidung des Betroffenen im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens nicht an, sondern werden die Entscheidungen durch das Vollstreckungsgericht getroffen.
2. § 85 a ZVG ist kein Verbraucherschutzgesetz gem. § 2 I UKlagG.
§ 85 a ZVG dient neben der Verfahrensbeschleunigung und den Interessen des Gläubigers auch den Interessen des Schuldners.
Selbst wenn man dieses als €dienen€ im Sinne von § 2 I UKlagG ausreichen lassen wollte, ist der Schutz des Schuldners kein €Schutz der Verbraucher€.
28Der Begriff €Verbraucher€ definiert nicht die Eigenschaft einer Person an sich sondern ist abhängig von der konkreten Situation in der die Person handelt (vgl. § 13 BGB). Dementsprechend ist €Verbraucher€ im Sinne von § 2 I UKlagG eine Person nur dann, wenn sie im Rahmen eines privatrechtlichen Rechtsgeschäfts handelt und kommt als Verbraucherschutzgesetz nur ein Gesetz in Betracht, das den rechtsgeschäftlichen Verkehr betrifft und die rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit schützen soll (Staudinger BGB 2006 / UKlagG Randnr. 18 zu § 2; Hefermehl / Köhler / Bornkamm, UWG 2009 UKlagG Randnr. 10 zu § 2).
§ 85 a ZVG betrifft aber nicht den rechtsgeschäftlichen Verkehr sondern ist Teil der Regelung des zivilprozessualen Vollstreckungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
LG Augsburg:
Urteil v. 19.04.2010
Az: 8 O 4038/09
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